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Vier Tage im Oktober – Teil 2

Da bin ich wieder mit dem zweiten Teil meiner Essen-Vorschau. Letzte Woche hatte ich mich vor allem mit den Spielen aus Asien beschäftigt, weil die ja auch einen Schwerpunkt auf diesem Blog darstellen. Heute kommt der bunte Rest, der mir so ins Auge gefallen ist. Ich habe ein bisschen gezögert, wann ein guter Moment für diesen Artikel ist, denn es kommen ja immer noch alle Nase lang neue Ankündigungen. Aber irgendwann ist es dann auch mal gut, ein paar Überraschungen sollen ja auch noch übrig bleiben. Also, was ist sonst noch an spannenden Spielen zu erwarten?

Essen 2017Ich bring’s gleich mal hinter mich – Pandemic Legacy, Season 2 von Rob Daviau und Matt Leacock wird von vielen Leuten derartig heiß erwartet, dass ich erstaunlich wenig Diskussionen darüber sehe. Immerhin ist erst vor wenigen Tagen die Bestätigung gekommen, dass es tatsächlich bis zur Messe fertig wird. Pandemic Legacy ist zwar eins der Spiele, die man auch nach der Messe noch gut bekommen wird, aber ich brauche ein englischsprachiges Exemplar, und die waren letztes Jahr so teuer, dass ich hier lieber in Essen zuschlage. Was es dann wirklich kosten wird, ist noch ganz unklar. Auf der Z-Man-Seite kann man es zwar schon vorbestellen (unabhängig von der Messe), aber was man dann dafür bezahlen muss, erfährt man nicht. Das finde ich eigentlich skurril, aber dass das überhaupt geht, zeigt die Anziehungskraft, die diese Wundertüte darstellt. Und auch ich werde, wenn es nicht noch viel teurer ist als vermutet, wohl zuschlagen, denn der erste Teil hat uns ein so tolles Spielerlebnis beschert, dass meine beiden Mitspielerinnen es gar nicht abwarten können, wieder zusammen zu spielen. Ich hoffe auch, dass es mir dann wieder etwas regelmäßigere Spieleabende beschert als ich im Moment normalerweise habe. Mehr brauche ich zu diesem Spiel wohl gar nicht zu sagen. Wer den ersten Teil nicht kennt, soll halt den erstmal spielen, alle anderen haben ohnehin ihre feste Meinung dazu.
Verlag: Z-Man Games (englisch), Asmodee (deutsch)
Preis: Voraussichtlich rund €80, ich hoffe, es ist in Essen etwas billiger. 🙁

Pot-de-VinThunderGryph Games war mir bis vor Kurzem noch kein Begriff gewesen. Jetzt aber machen sie eine überarbeitete Ausgabe von Sapotagem von Fel Barros und Warny Marçano, und da werde ich hellhörig – ich hatte das ja neulich schon in diesem Blog erwähnt. Das neue Spiel heißt Pot de Vin. Ich freue mich schon sehr drauf, weil ich Sapotagem prima fand. Bei der Gelegenheit möchte ich mir dann gleich auch noch Tao Long von Dox Lucchin und Pedro Latro angucken, ein abstraktes Spiel, das im Netz hervorragende Bewertungen bekommen hat. Leider bin ich nicht so sicher, was für eine Version in Essen angeboten wird, da gibt es wohl verschiedene. Aber einen Blick ist es bestimmt wert.
Verlag: ThunderGryph Games (3-F116)
Preis: €15 (Pot de Vin), €25 (Tao Long)

Adios Calavera! ist ein neues Spiel von Martin Schlegel. Es verwendet offenbar den gleichen Grundmechanismus wie 90 Grad, sieht aber dennoch völlig anders aus (und um Missverständnisse zu vermeiden, sei darauf hingewiesen, dass Martin Schlegel diesen Mechanismus schon einige Jahre vor dem Erscheinen von 90 Grad in seinem Spiel Quatrix eingeführt hatte – das hatte ich vorher nur nicht gekannt). Nicht nur, weil es verschiedene spezielle Fähigkeiten einzelner Steine gibt, sondern auch, weil die Spieler/innen konsequenterweise im 90-Grad-Winkel zueinander sitzen. 90 Grad gehört ja zu meinen Lieblingsspielen, und so muss ich auch auf Adios Calavera mal ein Auge werfen.
Verlag: Mücke Spiele (3-K106)
Preis: €19

Schon länger war ich auf der Suche nach Wat’n dat? von Claude Weber. Entsprechend habe ich mich gefreut, dass es davon eine Neuauflage geben wird, und zwar bei den Nürnberger-Spielkarten-Verlag. Es ist ein Kreativspiel, bei dem zwei Leute zusammen etwas gestalten müssen, sich aber ähnlich wie bei Teamwork nicht absprechen dürfen. Ich hoffe, dass es eine bezahlbare und hübsche Ausgabe wird. Wenn das Geld knapp wird, kriege ich das aber eben auch später noch.
Verlag: Nürnberger-Spielkarten-Verlag
Preis: Noch unklar.

Eine Erwähnung wert ist vielleicht auch Rob ’n Run von Michael Luu. Dieser hatte 2013 in Göttingen das Spieleautorenstipendium gewonnen, und der Prototyp von Rob’n Run war eins seiner beiden Spiele gewesen. Michael Luu hatte damals mit einem seiner Spiele den Sohn eines anderen Spieleautoren so beeindruckt, dass der am zweiten Tag des Treffens mit einem selbstgebastelten Nachbau auftauchte. Da freut es mich besonders, dass jetzt endlich eine Veröffentlichung für den Hamburger Autoren herausgesprungen ist. Wenn man dann bedenkt, dass auch die Siegerin von 2015, Sophia Wagner, mit Noria ein vielbeachtetes Veröffentlichungsdebüt feiert. Ein gutes Jahr also für die Stipendiat/innen!
Verlag: PD-Verlag (2-F110)
Preis: UVP ist €34,80, den Essen-Preis weiß ich noch nicht.

Kleine Spiele, die mich anziehen, gibt es wieder so viele, dass es hoffnungslos ist, alle genauer anzugucken – vom Kaufen ganz zu schweigen. Eine Ausnahme möchte ich aber für das Spiel mit dem seltsamen Namen Rocky Road à la Mode von Joshua J Mills machen, bei dem man mit dem Eiswagen in der Nachbarschaft herumzuckelt und Leute glücklich macht. Da mach ich mit.
Verlag: Kanga Games (7-C119)
Preis: €14

Da ich nebenbei immer auf der Suche nach guten Spielen für den Sprachunterricht bin, habe ich außerdem ein Auge auf Untold: Adventures Await von John Fiore und Rory O’Connor geworfen. Das ist ein kooperatives Geschichtenerzählspiel auf der Basis von Rory’s Story Cubes. Angekündigt ist bisher nur eine englische Version, aber ich will mir mal angucken, wie sprachabhängig das ist.
Verlag: The Creativity Hub (3-P101)
Preis: €25

Noch was ganz Schräges ist A Tale of Pirates von Asger Harding Granerud, Daniel Skjold Pedersen und Daniele Tascini, die ja jeder für sich schon erfolgreich Spiele gemacht haben. Sie haben sich zusammengetan, um ein rundenbasiertes Echtzeitspiel zu entwickeln. Es wird von einer App unterstützt, aber man packt auch Sanduhren auf ein großes Piratenschiff und steuert das durch Klippen und an Kraken vorbei. Ich stehe ja eigentlich gar nicht so auf App-unterstützte Spiele, und mein Budget ist auch ausgereizt, aber das Autorentagebuch (englisch) hat meine Aufmerksamkeit dann doch erregt und ich hoffe, ich habe die Chance, das in Essen zumindest mal auszuprobieren.
Verlag: Cranio Creations (1-A118)
Preis: €50

Ein ganz besonderes Projekt ist Steal this Game von Dávid Turczi. Letztes Jahr gab es auf der Messe leider viele Diebstähle (achtet im Gedränge bitte auf Eure Wertsachen!). LudiCreations war eines der Opfer, weil ihre Kasse abhanden kam. In wunderbarer Manier hat der Verlag das dann in ein Mikrospiel namens Steal this Game umgewandelt und mit einer Crowdfunding-Kampagne die Verluste wieder reingeholt. Dieses Jahr kann man dort eine Art Live Escape Room spielen. Wenn es einem gelingt, das Sicherheitssystem von LudiCreations zu überwinden, darf man „Steal this Game“ stehlen. Eine solche Sitzung für 1 bis 3 Personen kostet 15 Euro. Ich weiß nur wenig über das Spiel selbst, habe aber ein Faible für Leute, die die Dinge positiv sehen.
Verlag: LudiCreations (1-D129)

Alles das, was ich hier jetzt aufgelistet habe, sind natürlich subjektive Empfehlungen. Ich mag nicht so gern Würfelspiele, meine Frau mag keine Plättchenlegespiele, ich spiele oft in gemischtsprachlichen Gruppen und meide daher sprachabhängige Spiele weitgehend. Euros wo man hier Punkte macht und da Mehrheiten sichert und dort am schnellsten handelt und am Ende eine Punkteleiste ausgewertet wird, sind auch nicht mein Ding. Und Spiele, die weniger als eine Stunde dauern, kommen bei uns einfach viel öfter auf den Tisch als längere Sachen, und daher kaufe ich sie auch eher. Das heißt nicht, dass die Spiele, die ich hier nicht erwähne, alle schlecht sind, ich vermeide es nur, mir Sachen ins Regal zu stellen, die ich dann sowieso nicht gespielt kriege. Es ist nur eine ganz persönliche Liste. Macht Euch einfach eine eigene, anstatt mir nachzulaufen. 🙂

Mission ImpracticalEin bisschen abseits von meiner persönlichen Neugierliste erlaube ich mir auch noch ein wenig Eigenwerbung. Nach den Problemen mit der Auslieferung im letzten Jahr sollte Mission Impractical dieses Jahr endlich in vernünftigen Stückzahlen erhältlich sein. Außerdem gibt es wohl ein kleines Promo-Päckchen mit zusätzlichen Karten (kostenlos). Am Stand von Helvetiq ist gleichzeitig Unmöglich!? zu kriegen, das kooperative Spiel der Abenteurer der Extreme. Ein Besuch bei Helvetiq könnte sich für diejenigen, die sich für kleine Spieleschachteln interessieren, ohnehin lohnen, da gibt es auch noch einiges zu entdecken. Ich werde meistens hin und herlaufen, aber sicherlich an beiden Ständen des Öfteren zu finden sein. Wer mich treffen möchte, kann sich auch einfach melden, vielleicht kriegen wir dann was vereinbart.

Verlage: Vennerød (3-L116), Helvetiq (3-G110)
Preis: voraussichtlich €20 (Mission Impractical), €15 (Unmöglich!?)

Soviel für heute. Egal, was Ihr auf der Messe vorhabt, ich wünsche Euch viel Spaß, tolle Begegnungen, und natürlich, dass Ihr Euer neues Lieblingsspiel kennenlernt.

(P.S.: Wer wissen will, wie’s am Ende war, lese hier: Vier Tage im Oktober – vom November aus betrachtet)

Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber/innen.

Neue Spiele aus Lateinamerika, August 2017

Es sind wieder ein paar Sachen hereingekommen, die ich Euch nicht vorenthalten möchte: Spiele und sonstige Neuigkeiten aus Lateinamerika.

Argentinien

Letztes Jahr hatte Fabian Martinez Torre in mehreren argentinischen Städten einen Game Jam ins Leben gerufen. Für die, denen das noch nichts sagt: Man trifft sich für ein Wochenende und versucht, in einer kleinen (oft zufällig zusammengewürfelten Gruppe) ein Spiel zu entwickeln. Von der ersten Idee bis zum spielbaren Prototypen. So etwas hat schon einige erfolgreiche Spiele hervorgebracht. Nach der ersten Runde 2016 wurde das Konzept dann gleich auf weitere Länder ausgebreitet, und am gleichen Wochenende Anfang Juli fanden unter dem Namen Zapada Ludica Veranstaltungen in vier argentinischen Städten sowie jeweils eine in vier weiteren Ländern (Chile, Kolumbien, Mexiko und Paraguay) statt. Aus Paraguay hatte ich bisher noch gar Spielerisches nichts gehört, aber auch da gibt es natürlich Leute, die gern spielen. Ich denke, auch das zeigt, wieviel Potential noch in Lateinamerika steckt.

Brasilien

Pot-de-VinVor einiger Zeit hatte ich hier eine Rezension zum brasilianischen Stichspiel Sapotagem von Warny Marçano und Fel Barros veröffentlicht. Da habe ich wohl den richtigen Riecher gehabt – es ist eine Neuausgabe angekündigt, mit veränderter Grafik, die ein internationaleres Publikum ansprechen soll. Erscheinen soll es jetzt unter dem Namen Pot de Vin bei ThunderGryph Games in Spanien, mit neuer Gestaltung von Weberson Santiago und Luis Francisco, die schon bei „Die blutige Herberge“ zusammengearbeitet hatten. Wer sich neulich gefragt hatte, wie man an das Spiel wohl rankommen könnte, kann sich jetzt auf die Messe in Essen freuen. Mit einer angekündigten Startauflage von 10000 Stück in sechs Sprachen meint der Verlag es offenbar ernst. Auf der verlinkten Seite kann man auch ein Exemplar des Spiels gewinnen.

Neues Schachteldesign für Papertown

Außerdem hatte ich im Mai über einige Redbox-Spiele geschrieben. Eins davon hat nun eine neuen Namen und ein neues Aussehen bekommen. Weil der Name Micropolis offenbar mit etwas schon Existierendem kollidierte, wurde eine Abstimmung über einen neuen Namen abgehalten. Dabei setzte sich Papertown durch.

Chile

Im März hatte ich über D.50 berichtet, ein Spiel aus Chile über die Jagd nach Nazi-Spionen im zweiten Weltkrieg. Damals hatte ich auch versucht, im Netz ein bisschen was über die historischen Hintergründe zu recherchieren, hatte aber nicht viel gefunden. Daher war es spannend, irgendwann auf Spiegel Online auf diesen Artikel zu stoßen, in dem das alles ein bisschen genauer beleuchtet wurde. Was hier in Deutschland eher nur eine Randnotiz war, hat in Chile mehr Wellen geschlagen. Keine schlechte Verkaufshilfe für das Spiel, schätze ich.

Kolumbien

Yombembo Games ist ein relativ junger Verlag aus Kolumbien, der in diesem Jahr mehrere Spiele auf den Markt gebracht hat:

WOSOMWOSOM von Ricardo Gonzalez spielt in einer postapokalyptischen Zukunft. Ein paar überlebende Clans prügeln sich um die letzten Vorkommen wertvoller Metalle. Zu dem Spiel gehört auch eine App – ein spezieller QR-Code auf einer Karte lässt sich einlesen und verschafft Vorteile im Spiel. Eine Beta-Version ist schon 2015 erschienen, im Herbst erscheuint dann die Vollversion.

Ciudad de CartonCiudád de Cartón (Stadt aus Pappe) von Maikol Homero Bello und Juan Pablo Alzate hat nichts weiter mit dem oben erwähnten Papertown zu tun. Die Spieler/innen bauen eine Stadt aus Karten, für die sie Ressourcen bezahlen müssen. Die Ressourcen erhalten sie von speziellen Würfeln, mit denen sie während ihres Zuges würfeln, und zu denen sie gegebenenfalls Boni von schon ausgelegten Karten bekommen. Allerdings treten auch ab und zu Katastrophen auf, die Gebäude zerstören können.

Das war’s für heute. Wenn jemand von weiteren neuen lateinamerikanischen Spielen erfährt, freue ich mich immer über einen Hinweis.

Bomben lassen Frösche hüpfen

Meine Leidenschaft für lateinamerikanische Spiele begann vor rund einem Jahr, als ich einer brasilianischen Bekannten erzählte, dass ich gern spiele. Darauf erfuhr ich, dass sie Leute von einem Verlag in Sao Paulo kenne, und da war mein Interesse geweckt. Ob sie mir beim nächsten Besuch in Brasilien vielleicht das eine oder andere Spiel mitbringen könnte? Ich guckte im Internet die Liste der Spiele dieses Verlages durch und stieß auf eins, was nach meiner Kragenweite klang. Bevor sie dann allerdings das nächste Mal nach Brasilien reiste, stand die Messe in Essen an, und ich hörte mich um, ob jemand aus Brasilien kommen und mir das Spiel eventuell mitbringen würde. Das lief besser als erwartet – jemand vermittelte mir den Kontakt zu einem der Autoren, nämlich Fel Barros, und ich guckte mir bei der Gelegenheit seine anderen Spiele an und fand dabei Sapotagem1, ein Stichspiel mit Fröschen. Ein paar Wochen später trafen wir uns auf der Messe und ich hielt das (nach seinen Worten) vielleicht erste Exemplar außerhalb Brasiliens in der Hand. Mit einigen argentinischen und einem mexikanischen Spiel, das ich mir ebenfalls nach Essen mitbringen lassen konnte, war mein Interesse an dieser neuen Welt geweckt. Später bekam ich dann sogar über Skype noch eine Regelerklärung für Sapotagem geliefert, da ich selbst nicht Portugiesisch lesen kann (obwohl ich vermutlich jemanden gefunden hätte, der mir hätte helfen können, war das natürlich ein besonderes Schmankerl).

Sapotagem

Worum geht’s?

Das Spiel besteht aus Froschkarten mit den Werten 1-12 in 4 Farben sowie einer Bombenkarte in jeder Farbe. Jede Froschkarte gehört außerdem zu einem von sechs Clans (also gibt es acht Karten pro Clan). Je nach Spieler/innenanzahl bekommt jede/r ein paar Karten auf die Hand, außerdem ein paar sogenannte Hüpfchips. In der Mitte liegt ein verdeckter Trumpfstapel, der so viele Karten enthält, wie die Summe aus Chips und Karten pro Spieler/in. Zwei dieser Karten werden aufgedeckt und in die Tischmitte gelegt.

Nun beginnt ein fast normales Stichspiel. Jemand beginnt und spielt eine Karte vor, die anderen müssen bedienen. Können sie das nicht, werfen sie entweder ab oder trumpfen. Trumpf wird durch die erste der beiden aufgedeckten Karten bestimmt. Wer nun die höchste Karte gespielt hat, bekommt alle Stichkarten und zusätzlich die aktuelle Trumpfkarte. Nun wird eine neue Trumpfkarte für die übernächste Runde aufgedeckt, und wer den letzten Stich gewonnen hatte, beginnt einen neuen Stich.

Eine innovative Besonderheit sind die Hüpfchips. Wenn man nicht selbst rauskommt, darf man jederzeit einen Chip spielen und damit im aktuellen Stich aussetzen, auch dann, wenn man normalerweise bedienen müsste.

Gewonnene Karten legt man nicht nach Farben, sondern nach Clans sortiert offen vor sich aus. Am Ende gibt es für jeden Clan Punkte nach folgender Tabelle:
1 Karte zählt 1 Punkt
2 Karten zählen 3 Punkte
3 Karten zählen 6 Punkte
4 Karten zählen -1 Punkt
5 Karten zählen -3 Punkte
6 Karten zählen -6 Punkte
7 Karten zählen 10 Punkte
alle 8 Karten zählen 15 Punkte.

Man versucht also, möglichst von keinem Clan mehr als 3 Karten zu sammeln – sollte man mehr bekommen, dann kann man versuchen, 7 oder gar alle 8 Karten eines Clans zu sammeln. Aber die Mitspieler/innen haben da meist etwas dagegen, und da die Clanzugehörigkeit eben eine andere ist als die Kartenfarbe, kann man den anderen immer mal was Unerwünschtes reinwürgen.

Eine Besonderheit sind die Bomben. Sie sind die höchsten Karten jeder Farbe, gehören aber zu keinem Clan. Schafft man es, alle Bomben zu sammeln, bekommt man sechs Punkte, hat man weniger, gibt es ebenfalls Minuspunkte. Wenn nicht der seltene Fall eintritt, dass man alle Bomben auf der Hand hält, sind diese nicht ganz einfach zu bedienen, denn einerseits möchte man sie meist gern abwerfen, muss aber andererseits aufpassen, dass sie nicht alle bei der gleichen Person landen.

Sapotagem
6 – 1 + 1 + 3 = 9 Punkte.

Und? Macht das Spaß?

Ich weiß nicht, woran es liegt, dass ich dem Stichspiel-Genre weniger Innovation zutraue als, sagen wir mal, Worker-Placement-Spielen. Ich habe immer das Gefühl, dass Stichspiele doch eigentlich recht eng definiert sind und man sich sehr leicht von ihrer Essenz entfernt, wenn man allzuviel hinzufügt oder verändert. Und das, obwohl ich selbst schon mal ein Stichspiel gemacht habe. Wenn ich dann was Neues kennen lerne, staune ich gern mal, weil eben doch immer mal wieder interessante neue Ideen auftauchen.

Sapotagem ist so ein Beispiel. Im Wesentlichen gibt es drei Innovationen zu vermelden, und die bilden eine sehr schöne Mischung. Die erste ist, dass man nicht nur die Stichkarten bekommt, sondern immer auch noch die Trumpfkarte. Das heißt also, dass man neben seiner eigenen eine weitere Karte von vornherein einplanen kann (und muss!), wenn man den Stich gewinnt. Das ist eigentlich eine Kleinigkeit, aber doch ein neues Spielgefühl.

Die zweite Innovation finde ich wirklich verblüffend, und das sind die Hüpfchips, mit denen man sich weigern kann, an einem Stich teilzunehmen (und gegebenenfalls zu bedienen). Auch das sieht nach einer echten Kleinigkeit aus, aber ich war völlig überrascht, wie schwer es mir am Anfang fiel, das sinnvoll einzusetzen. Das ging auch anderen so, und da kam es hier und da vor, dass am Ende alle noch ihre Chips übrig hatten und der/die Gewinner/in des letzten Stichs die verbleibenden Trumpfkarten kampflos einstreichen musste. Mit ein bisschen mehr Erfahrung haben wir das dann besser nutzen können. Gelegentlich passt man zum Beispiel, obwohl man den aktuellen Stich gern hätte, weil man sonst davon ausgehen muss, den nächsten zu bekommen – und dort eine Karte als Trumpf ausliegt, die man partout vermeiden möchte. Und so weiter. Das ist eigentlich vor allem deshalb schwierig, weil es mit dem typischen Doppelkopf-Denken oder so nicht so leicht vereinbar ist. Man hat einfach mehr Möglichkeiten, Zwangslagen zu vermeiden.

Sapotagem
Vier-Spieler/innen-Stich (mit einem Hüpfchip).

Die dritte Innovation ist die massivste, nämlich die Kombination aus Stichspiel und Set Collection. Man zählt am Ende weder Punkte auf Karten noch die Anzahl der Stiche, sondern den Wert seiner Kombinationen. Das funktioniert hervorragend und ist für mich das, was Sapotagem besonders ausmacht. Das nahezu zeitgleich erschienene Pi mal Pflaumen von Matthias Cramer hat etwas Ähnliches versucht, es allerdings in meinen Augen völlig überfrachtet, sodass jede Übersicht verloren ging. Dazu haben sicherlich auch die zwar wunderschönen, aber am Ende doch wenig funktionalen Illustrationen beigetragen, die es mir kaum ermöglicht haben, über den Tisch hinweg wirklich einen Überblick über die Auslagen anderer zu behalten.

Letztlich ist das aber auch das Problem von Sapotagem. Zwar hatte mich die Schachtelillustration gleich so angefixt, dass ich das Spiel gern haben wollte, aber leider ist auch hier die Kartengestaltung wirklich unfunktional geworden. Während im oberen Teil der Karte die Farbe zu sehen ist und im unteren Teil der Clan, ist leider irgendjemand auf die Idee gekommen, den Clan auch noch mit einer Farbcodierung zu versehen. Das heißt, dass es zu Beginn immer mal wieder dazu kam, dass jemand Blau bedienen wollte und dann feststellte, dass das nicht das Stich-Blau, sondern das Clan-Blau war. Trotz der gefälligen Frosch-Illustrationen müsste hier also in einer eventuellen nächsten Auflage dringend nachgebessert werden.

Immerhin konnte ich diesen Mangel schon am Ende der ersten Partie einigermaßen ausblenden und hatte Lust, es ein weiteres Mal zu probieren. Ich bin ja immer ein bisschen allergisch gegen solche Tipps wie „das muss man mehrmals spielen, um es zu würdigen“ – wenn mir etwas beim ersten Mal überhaupt nicht gefällt, ist die Chance, es noch ein zweites Mal auf den Tisch zu kriegen, einfach gering, weil es eben noch so viele gute Spiele gibt. Bei Sapotagem war mir gleich klar, dass weitere Partien folgen sollten.

Übrigens enthält das schmale Regelheftchen noch rund 25 Variantenvorschläge. Die habe ich nicht ausprobiert, ad ich eher nicht zu den Leuten gehöre, die gute Spiele ständig verändern wollen (ich kaufe auch so gut wie nie Erweiterungen zu irgendwas). Wer wirklich auf Abwechslung steht, findet in der Liste aber allemal so viele Möglichkeiten, dass es nicht langweilig werden dürfte und man wahrscheinlich am Ende anfängt, selbst Varianten auszuknobeln.

Insgesamt kann ich Sapotagem für Fans des Stichspiel-Genres, die nicht zu sehr auf ein einziges Spiel festgelegt sind, wirklich empfehlen und ich hoffe, dass es sich eines Tages über Brasilien hinaus verbreiten kann.

Gesamteindruck: 8/10

Sapotagem
für 3 bis 6 Leute
von Fel Barros und Warny Marçano
Illustrationen von Lucas Ribeiro
Ace Studios, 2015

 

1 Der Name ist eine Mischung aus „sapo“ was Frosch bedeutet, und Sabotage.

Neue Spiele aus Lateinamerika – März 2017

Aus Argentinien habe ich ja schon mehrfach berichtet, und mittlerweile habe ich auch weitere Kontakte in andere Länder aufnehmen können. Schwer zu sagen, wie viele Leute sich hierzulande dafür interessieren, aber falls wirklich mal jemand danach suchen sollte, gibt es ansonsten ja kaum eine Quelle. Also schreibe ich hier einfach mal auf, was ich über neue Spiele aus Lateinamerika in Erfahrung bringen konnte. Kommentare sind willkommen.

Argentinien:

Eins der Spiele, die im Wettbewerb um den Premio Alfonso X stehen, ist Sebastian Koziners Cultivos Mutantes („Mutierte Feldfrüchte“). Der amerikanische Verlag Atheris Games wollte offenbar nicht abwarten, ob es den Titel gewinnt, sondern hat schon mal eine englische Ausgabe unter dem Namen Mutant Crops angeschoben. Die Kickstarter-Seite findet Ihr hier. Es handelt sich um ein kurzes Worker-Placement-Spiel, bei dem man seine Pflanzen mit Wasser und Fleisch füttern muss, damit sie keinen Ärger machen und spezielle Fähigkeiten entwickeln, die man zum Spielsieg braucht. Gelegentlich hört man was von „Agricola light“. Sebastian Koziner hat schon eine Reihe von Spielen illustriert, bei dieser (seiner zweiten) Veröffentlichung stammen die Illustrationen allerdings von seiner Frau Rocio Ogñenovich.

Das Geek Out Festival in Buenos Aires am 6. Mai ist auch der Veröffentlichungstag von Corona de Hierro („Eisenkrone“). Bei diesem Spiel von Franco Toffoli schlüpfen die Spieler/innen in die Rollen von Adeligen zur Zeit des letzten Karolingerkönigs Karl III. Das bevorstehende Ende des Reiches nutzen sie, um ihre Machtbasis auszubauen. Macht bekommt man in diesem kartenbasierten Spiel durch Belagerung von Burgen, Gesandtschaften zum Papst oder ausländischen Mächten oder durch prominente Gefangene. Außerdem hat jede/r noch ein verdecktes Ziel. Sobald jemand nach der Krone greift, gewinnt, wer am meisten Macht hat. Illustriert wurde das Spiel von Luis María Dumont und Emiliano Mariani, erscheinen wird es bei El Dragón Azul.


Brasilien:

Auch in Brasilien gibt es einen Spielepreis. Er heißt Prêmio Ludopedia und es gibt zwei Kategorien, nämlich eine für das Spiel des Jahres allgemein und nochmal eine für einheimische Spiele. In jeder Kategorie gibt es zwei Abstimmungen, nämlich einen Juryentscheid und einen Publikumsentscheid. Für die soeben erfolgte Preisvergabe war das aber egal, weil Jury und Publikum sich jeweils einig waren. In der allgemeinen Kategorie gewann Terra Mystica, das hierzulande ja hinlänglich bekannt ist, und bei den einheimischen Spielen lag Space Cantina von Fel Barros und Warny Marçano. Von den beiden hatte ich kürzlich mal ein schönes Stichspiel namens Sapotagem gespielt, das ich mochte (ähnlicher Ansatz wie Pi mal Pflaumen, aber mir hat’s viel besser gefallen). Beim von Lucas Ribeiro illustrierten Space Cantina versuchen die Spieler/innen, auf einer Raumstation einen gastronomischen Betrieb zum Erfolg zu führen. Ist wahrscheinlich eher schwierig, eine geeignete Speisenauswahl vorzuhalten, wenn die Gäste auch mal Roboter sein könnten.


Chile:

Ein viel beachtetes Projekt ist D.50: Las redes del Reich („Das Netzwerk des Reichs“), ein semi-kooperatives Spiel über Nazi-Spione, die während des zweiten Weltkriegs Chile infiltriert hatten. Ein/e Spieler/in spielt so einen Spion, während die anderen die Polizeieinheit D.50 spielen und versuchen, die üblen Machenschaften zu beenden. Es beruht also auf wahren Gegebenheiten und wurde von der Fondo Nacional para el Desarrollo Cultural y las Artes (FONDART) mitfinanziert, was sich etwa mit „Nationale Stiftung für kulturelle Entwicklung und Kunst“ übersetzen lässt. Durch die ziemlich massive Verwendung von Hakenkreuzen wird es sich in Deutschland nicht ohne Weiteres verkaufen lassen, aber vielleicht ist Deutschland ohnehin nicht der Zielmarkt Nummer eins. In Chile dagegen scheint der Veröffentlichungstag (der 15. April) heiß erwartet zu werden. Der Verlag besteht aus drei Leuten (Diego Aravena, Isadora Cárdenas und Wladimir Gárate), trägt aber den schönen Namen Cuatro Quesos („vier Käse“). Als viertes im Bunde sind laut Diego Aravena „Spaß und Kreativität“.

Careta („Maske“) ist ein Spiel von Nico Valdivia, das am 30. März bei Niebla Games erscheinen soll. Niebla Games arbeitet zur Zeit an einem Computerspiel namens Causa, und Careta ist im gleichen Fantasy-Szenario angesiedelt. Es ist ein mathematisches Stichspiel mit Bluff-Elementen, dass man in Teams oder auch im Einzelmodus spielen kann. Laut Valdivia entstand es mit dem Wunsch, das Spielgefühl traditioneller Kartenspiele zu transportieren, und es sei von Spielen wie Truco, Schummeln und Bluff inspiriert. Als Illustratoren werden Thomas Heim, Victor Peña, Julio del Río und Sebastian Rodriguez genannt.

Kürzlich erschienen ist außerdem Los Tesoros del Rey Pirata („Die Schätze des Piratenkönigs“) von Pablo Céspedes und Victor Hugo Cisternas. Hier laufen die Spieler/innen über einen Spielplan mit Inseln und sammeln Schatzkarten, die natürlich möglichst wertvoll sein sollten. Da die anderen Spieler/innen das Gleiche vorhaben, empfiehlt es sich, sich mit ihnen zu duellieren oder sie gleich zu beschießen (um Schätze oder Handkarten klauen zu können). Um die Aktionen nutzen zu können, braucht man Zahlen, die auf den Karten aufgedruckt sind. Wer eine bestimmte Zahl braucht, kann eine Karte mit der entsprechenden Zahl abwerfen, wer bereit ist, ein bisschen ergebnisoffener zu agieren, kann auch ein Karte vom Stapel ziehen und muss sich dann mit der zufällig gezogenen Zahl begnügen. Die Illustrationen stammen von Dan Rodriguez und der Verlag heißt Ludoismo.


Costa Rica:

There She Is!! ist der Name einer fünfteiligen koreanischen Serie kurzer Filme über die Liebe eines Häschens zu einem Kätzchen, gegen alle Schwierigkeiten und allen Rassismus (kann man sich hier ansehen). Ziemlich schräges Zeug, aber es hat seine Fans. Unter anderem auch in Costa Rica, wo nun der Verlag iN’sanity Games sein zweites Spiel dieser Reihe widmet. Die Spieler/innen versuchen gemeinsam, dem ungewöhnlichen Pärchen zu helfen. Im April soll die Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter beginnen. Ich hatte bis vor ein paar Tagen noch nie was von dieser Filmreihe gehört und kann die Größe der Zielgruppe überhaupt nicht einschätzen, aber thematisch finde ich das Ganze so ungewöhnlich, dass ich ein Auge auf das Projekt zu haben gedenke. Immerhin wird das Spiel auf Spanisch, Koreanisch und Englisch veröffentlicht. Der Autor heißt Yo Leiten und die Facebook-Seite für das Spiel ist hier

 

Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung der Rechte-Inhaber/innen.

Essen-Vorfreude, in Worte und eine kleine Liste gekleidet

Immer näher rückt die Messe in Essen, und obwohl ich mich riesig drauf freue und andauernd irgendwas über Neuerscheinungen lese, kann ich nicht ansatzweise sagen, dass ich einen Überblick darüber hätte, was da alles neu erscheint. Wahrscheinlich ist meine Perspektive ohnehin ein bisschen anders als die der meisten Vielspieler/innen.

Erstens interessieren mich nur sehr wenige große, materialaufwändige Spiele mit komplexen Regeln und langer Spieldauer. Das, was in den einschlägigen Facebook-Gruppen die Herzen höher schlagen lässt, lässt mich oft einigermaßen kalt. Mitspielen würde ich sowas, aber kaufen? Das lohnt sich für mich nicht, es würde einfach viel zu selten auf den Tisch kommen. Für mich sind die komplexen Spiele ein bisschen wie gute Kinofilme, ich lasse mich ganz gern mal drauf ein und genieße das dann auch, aber dann bin ich auch damit durch und habe nur eher selten das wirkliche Verlangen, sie nochmal zu spielen. Glücklicherweise passt diese Haltung ganz gut zu meinem Budget – kurze, knackige Kartenspiele sind normalerweise viel billiger.

Zweitens habe ich nämlich nicht wirklich viel Geld für Spiele-Neuanschaffungen übrig. Ich kaufe nur einen Bruchteil meiner Spiele neu, die meisten tausche ich entweder ein oder kaufe sie gebraucht, oder bekomme welche, wenn ich Verlagen mit Übersetzungen oder Lektorat oder sonstigen Gefälligkeiten aushelfe. Entsprechend gerate ich auch in Essen nicht unbedingt in einen Kaufrausch, obwohl ich dort dann doch mal zuschlage (und das, was ich anschließend aus den Koffern hole, bei Normalspieler/innen wahrscheinlich den Eindruck völliger Übergeschnapptheit hinterlässt). Etwas von meinen Übersetzungshonoraren fließt voraussichtlich in Spiele. Aber nebenbei verbringe ich eine Menge Zeit damit, ältere Spiele zu tauschen, die gar nichts mit der aktuellen Messe zu tun haben. Trotzdem bietet sich das an, weil ohne Portokosten eben wesentlich leichter ein guter Tausch möglich ist.

Drittens fahre ich eigentlich gar nicht in erster Linie nach Essen, um viele neue Spiele kennen zu lernen. Viel wichtiger ist es mir, liebe Leute wiederzutreffen, die ich sonst nicht so oft zu sehen bekomme. Wenn man mit dem einen oder der anderen dann auch mal was spielt, um so besser. Aber ich stehe und sitze auch viel rum und rede mit anderen. Dieses Jahr wird das möglicherweise besonders einfach, weil ich wahrscheinlich viel Zeit am Stand von Lautapelit / Vennerød (3-L116, neben dem Stand der Spielbox) sein werde, um Mission Impractical zu erklären. Dabei ergeben sich bestimmt auch viele Gespräche. Dadurch habe ich zum Angucken vieler Spiele gar keine Zeit. In den drei Tagen, die ich hoffentlich zur Verfügung habe, kann ich auf keinen Fall alles ansehen, was mich grundsätzlich interessieren würde. Ich siebe daher im Vorfeld kräftig aus. Spiele von großen deutschen Verlagen, die noch im Weihnachtsgeschäft im Handel sind, muss ich nicht unbedingt ein paar Wochen vor allen anderen auf dem Tisch haben, die werde ich auch später noch in die Finger kriegen. Japanische, taiwanische, russische oder sonstige Raritäten sind mir eher einen zweiten Blick wert, denn an die komme ich unter Umständen später gar nicht mehr dran.

Aber na gut, wo es alle tun, kann ich ja auch mal eine Handvoll Spiele preisgeben, auf die ich mich neben Mission Impractical besonders freue und die vielleicht nicht in jeder Auf-die-Messe-freu-Liste auftauchen (alphabetisch sortiert, ohne weitere Wertung. Die Beschreibungen mögen nicht völlig zuverlässig sein, ich hab die Spiele ja noch nicht selbst in der Hand gehabt):

BaRRacuda von Christoph Cantzler, erscheint bei den Drei Hasen in der Abendsonne

Ein Handelsspiel um Strandbars, bei dem alle langsam pleite gehen, man aber gegebenenfalls andere unterstützen muss, damit diese erst dann vor die Hunde gehen, wenn man selbst in Führung liegt. Solche Bluff- und Verhandlungsspiele sind genau mein Ding, das sollte passen.

Cattack! No.1 von Azumi Date, erscheint bei GoccoGames

Katzen spielen Volleyball. Man versucht mittels Karten den Ball über das Netz zu hauen. Macht man einen Punkt, legt sich eine Katze aus dem eigenen Team schlafen, sodass eine Lücke im eigenen Feld entsteht. Das kann das andere Team ausnutzen (es wird zu viert gespielt) und den Ball genau da hinspielen. Dann gibt es wiederum einen Punkt, aber der Ball trifft die schlafende Katze, die dadurch natürlich wieder aufwacht. Wie verrückt ist das denn?

Hanamikoji von Kota Nakayama, erschienen bei EmperorS4 Games

Ein Kartenspiel für zwei, bei dem man die Gunst von Geishas erringen muss. Sehr schön illustriert und in seiner ersten Auflage schon überschwänglich gelobt. Ich übersetze gerade die erfreulich kurzen Regeln ins Deutsche, und das klingt alles prima.

Sapotagem von Fel Barros und Warny Marcano, erschienen bei Ace Studios

Ein Stichspiel, das eigentlich nicht übermäßig innovativ klingt, aber ebenfalls schön aufgemacht ist. Ich freue mich deshalb besonders darauf, weil ich einen der Autoren angeschrieben hatte und der sich sehr gefreut hat, dass sich jemand außerhalb Brasiliens für das Spiel interessiert. Er kommt selbst nach Essen und bringt mir eins mit. Immer schön, Leute aus ganz anderen Gegenden der Welt kennen zu lernen, mit denen man eine Leidenschaft teilt. Und Sapotagem passt direkt in mein Beuteschema – es klingt interessant, sieht gut aus und ist wahrscheinlich nach dem 16. Oktober ziemlich unerreichbar für mich.

Das sind ein paar der Spiele, die mich besonders locken. Was sie dann wirklich taugen, muss man sehen, aber ich bin optimistisch.

Vielleicht noch ein paar unvermeidliche Bemerkungen zur Messe insgesamt: Sie wächst dieses Jahr noch mal erheblich (vielleicht kommt mir das aber auch nur deshalb besonders extrem vor, weil ich letztes Jahr ja nicht hin konnte). Sieben Hallen und um die 1200 Neuerscheinungen sind schon ehrfurchterweckend. Eine besondere Neuerung, deren Wirkung erheblich sein könnte, ist der Versandservice, den es erstmals gibt. Dort kann man seine Neuerwerbungen direkt nach Hause schicken. Ich kaufe ja nicht so viel, dass das für mich relevant wäre, aber wer ansonsten wie ich mit dem Zug nach Hause fährt und mehr Geld als Arme zum Schleppen hat, freut sich vielleicht drüber. Ganz zu schweigen von den Leuten, die mit dem Flugzeug anreisen und teilweise Stunden damit verbracht haben, ihr Gepäck flugtauglich zu machen (beziehungsweise im Zweifelsfall nicht von ihrem Budget, sondern eher von ihrer Tragekapazität von weiteren Einkäufen abgehalten werden). Ich rechne jedenfalls mit ziemlichen Schlangen am Versandstand. 

Eins vielleicht noch hinterher, was ich seit letztem Jahr im Hinterkopf habe. Neben der eigentlichen Spielemesse gibt es in Essen auch noch die Comic Action, halt eine Comic-Messe. Die ist im Vergleich zum Spieleteil sehr klein und gehört irgendwie seit Jahren zum Gesamtbild. Ich selbst lese zwar hier und da Comics, bin aber sicherlich nicht Teil der Zielgruppe für eine Comicmesse. Dafür habe ich einen alten Freund, der dort zu sitzen und zu zeichnen pflegt. Der hat letztes Jahr nach der Messe einen Blogbeitrag geschrieben, in dem er ein paar Probleme mit der Comic Action anspricht. Ich finde das ganz lesenswert, denn obwohl es den wirklich boomenden Spieleteil der Messe nicht unmittelbar zu betreffen scheint, kann man daraus auch sehen, was kleine Änderungen bewirken können. Schließlich ist es auch bei den Spielen so, dass die Messe nicht nur aus den riesigen Ständen der Großverlage besteht, sondern eben ganz besonders auch aus den Ständen der kleinen und kleinsten Verlage. Und der Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen, zu plaudern oder auch gar nichts zu tun. Natürlich kann die Messe nur überleben, wenn das ein Randphänomen bleibt, aber wenn es ganz wegfiele und es nur noch Verkaufsstände gäbe, wäre sie für mich auch kaum noch interessant. Daher hoffe ich, dass auch die Comic Action nicht vor die Hunde geht.

Das war’s für heute. Eine Rezension gibt es auf alle Fälle noch vor der Messe, ob noch mehr kommt, wird sich zeigen (erfahrungsgemäß wird es mit den letzten Vorbereitungen nochmal turbulent). Hinterher sollte ich dann aber wieder einiges zu schreiben haben…