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Auswärtsspiele

Kürzlich erhielt ich eine Einladung zu einer Blogparade, und da dachte ich mir, ich könnte ja einfach mal mitmachen. Das Thema lautet Die besten Reisespiele, und da ich ja leidenschaftlich spiele und durchaus auch gern reise, krame ich mal in meinen Erinnerungen.

Vorweg muss ich sagen, dass Reisen für mich in den allermeisten Fällen Bahnreisen sind. Alle paar Jahre betrete ich auch mal ein Flugzeug, aber ziemlich ungern. Meine Perspektive ist also die eines Bahnreisenden. Wäre ich Autofahrer und würde in irgendeine Ferienwohnung fahren, könnte ich ja eigentlich alles mitnehmen, was mir gerade so gefällt – für derlei Autoreisen gibt es in meinen Augen keine entscheidenden sonstigen Kriterien. Aber darüber sollen andere schreiben, das ist keine mir vertraute Reiseform.

Bahnreisen aber schon. Ein entscheidender Vorteil an Bahnreisen ist ja, dass man viel mehr Zeit hat, während der Fahrtzeit selbst etwas zu tun, man kann also während der Fahrt selbst auch schon was spielen. Die Kriterien dafür sind eigentlich banal. Leicht transportabel sollten die Spiele sein, wenig bis keinen Platz auf dem Tisch einnehmen, nicht zu laut sein, schnell ein- und auszupacken sein. Das war’s eigentlich schon. Richtig, das schreit nach Kartenspielen. Da ich Teil einer vierköpfigen Familie bin, ist Tichu eigentlich immer dabei, wenn wir alle zusammen wegfahren. Und auch sonst nehmen wir das eine oder andere Kartenspiel mit ins Handgepäck, das entscheiden wir dann kurz vor der Abreise gemeinsam.

Die besten Reisespiele sind aber für mich diejenigen, die ich gar nicht selbst mitbringe, sondern die ich auf der Reise unerwartet spiele. Warum fahre ich denn in ferne Länder? Zumindest unter anderem doch auch deshalb, um mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Idealerweise mit den Einheimischen, aber oft auch mit anderen Reisenden. Das beginnt natürlich schon im Inland. Am einfachsten ist es immer auf der Rückfahrt von der Messe in Essen. Wenn man dort im ICE einen Tisch ergattert und sich ein bisschen umsieht, wer noch mit Messezeugs unterwegs ist, kommt sehr oft eine Spielrunde zusammen und man lernt oft neue Leute kennen. Auf anderen Fahrten bin ich meistens mit Kindern unterwegs und daher ist es ein bisschen schwierig, mich einfach Leuten anzuschließen, die irgendwo im Zug was spielen, aber auf Fahrten allein habe ich das auch schon gemacht. Wenn ein Platz frei war und das Spiel einen weiteren Mitspieler zuließ, wurde das noch nie abgelehnt. Auf den letzten Fahrten mit meinen Kindern war ich hier und da im Regionalexpress unterwegs, was sich mangels Tischen nur mäßig gut für Kartenspiele eignet. Also habe ich ihnen Scharade beigebracht, was sie begeistert und stundenlang beschäftigt hat – und immer mal wieder kam es vor, dass andere Leute angefangen haben, mitzuraten oder auch mal was vorzuführen. Ideal.

Vor gut 20 Jahren bin ich mal für sechs Monate mit meiner Freundin auf dem Landweg nach Asien gefahren. Als wir eine Woche in der Transsib unterwegs waren und dabei mit zwei tatarischen Austauschstudenten im Abteil reisten, die dann mit russischen Mitreisenden ein fremdartiges Kartenspiel gespielt haben, habe ich einfach sehr lange zugeguckt, um eine vage Ahnung dafür zu bekommen, wie es funktioniert. Ich war dabei so hartnäckig, dass sie sich irgendwann erbarmten und die mir noch unklaren Elemente erklärten. Von da an hat uns das Spiel über einen großen Teil unserer Reise und auch darüber hinaus begleitet. Wir wussten nie, wie es eigentlich hieß (bei uns lief es unter „Tatarenskat“). Erst vor zwei Wochen bekam ich auf dem Spieleautorentreffen in Göttingen von einem russischen Redakteur den Hinweis auf Bura, von dem es eine Variante war.

Einige Wochen später saßen wir im Restaurant unseres Hotels in Lhasa, als uns drei Amerikaner/innen ansprachen. Wir kämen offenbar aus Deutschland, und ob wir Skat spielen könnten? Sie hätten das vor längerer Zeit mal gelernt, aber nicht mehr alles parat… Konnten wir, und vor allem konnten wir ihnen auch noch Doppelkopf beibringen (Tichu kannten wir damals leider noch nicht). Ich erinnere mich kaum daran, was für Kartenspielrunden ich 1994 hatte, aber solche besonderen auf Reisen bleiben doch länger im Gedächtnis und ich freue mich noch heute drüber.

Noch später auf der Reise haben wir einiges an Spielen einfach improvisiert. Legendär war unser leidlich erfolgreicher Versuch, auf Papier Empire zu spielen, ein Computerspiel, das wir zu Hause rauf und runter gespielt hatten. Das war dann allerdings ohne fremde Mitspieler/innen.

Die besten Reisespiele
Das kleine Spieleregal in einer römischen Kneipe. Zug um Zug ist nicht auf dem Bild.

2013 wollte ich wie schon in den Jahren zuvor für ein paar Tage zu einem Festival nach Bozen fahren. Da meine Familie gerade für einige Wochen im Ausland weilte, nutzte ich die Chance und nahm mir eine Woche frei, um noch einen Abstecher nach Rom anzuhängen, wo ich schon immer mal hingewollt hatte (meine Frau war vor unserer gemeinsamen Zeit schon mal in Rom gewesen und hatte nicht so große Lust auf eine weitere Reise dorthin, also war die Gelegenheit günstig). Während ich im Vorfeld anfing, Pläne zu schmieden, fiel mir auf, dass ich keine rechte Ahnung hatte, was ich in Rom (und auf der Rückfahrt in Verona) abends machen würde. Tagsüber würde ich kreuz und quer durch die Stadt laufen und mir Sehenswürdigkeiten angucken, aber abends? Ich bin jetzt nicht so der Typ, der abends allein einen trinken geht oder sowas. Also setzte ich kurzentschlossen eine einen Aufruf ins Boardgamegeek-Forum, in dem ich fragte, ob jemand in Rom oder Verona mit mir spielen würde. Für Rom ergab sich ein Kontakt mit einem sehr netten Pärchen, mit dem ich dann einen denkwürdigen Abend verbracht habe. Wir fuhren mit ihrem Auto kreuz und quer durch Rom, um ein Spielecafé zu finden, das montags geöffnet hätte. Dabei waren wir zwar nur beschränkt erfolgreich, aber in ihrer Stammkneipe gab es immerhin eine flotte Partie Zug um Zug, und zu fortgeschrittener Stunde lernte ich noch Pictionary auf Italienisch in einem Café, dessen Auswahl an Kuchen erheblich besser war als die an Spielen. Ich glaube, meinen Gastgeber/innen war es ein bisschen unangenehm, mir keine bessere Auswahl bieten zu können. Aber für mich war das völlig egal, es war einfach toll, den Abend mit anderen Spielebegeisterten zusammen zu verbringen, die ich wenige Stunden zuvor als Wildfremde an einer U-Bahn-Station in Rom getroffen hatte.

Das ist keine Speisekarte…

 

Für Verona hatte sich leider niemand auf meinen Aufruf gemeldet, aber immerhin wurde mir ein Spieleladen empfohlen. Da dieser ein wenig außerhalb lag und ich mich nach einem langen Besichtigungstag mit dem Bus dorthin durchschlagen musste, kam ich erst zehn Minuten vor Ladenschluss dort an. Leider erfuhr ich, was ich schon befürchtet hatte. In Verona gab es keine Spielecafés oder sonstigen Etablissements, und im Laden war auch nichts mehr los, sodass ich keine wildfremden Leute mehr ansprechen konnte. Immerhin lag auf dem Tresen ein Flugblatt einer Spieleinitiative aus. Auf meine Nachfrage sagte der Ladenmitarbeiter, dass das in San Giovanni Lupatoto sei (diverse Kilometer außerhalb von Verona) und ich da zwar mit dem Bus hin- aber nachts nicht mehr zurückkommen würde. Unerschrocken rief ich bei der Kontaktnummer an, die auf dem Flugblatt angegeben war, um nach einer Mitfahrgelegenheit zu fragen, und hatte gleich Glück. Der Angerufene wollte am nächsten Tag selbst hin und bot sich an, mich mitzunehmen (und dafür zu sorgen, dass mindestens eine Brettspielgruppe in der ansonsten rollenspieldominierten Umgebung anwesend wäre). Auch dieser Abend war toll. Ich kann zwar nicht Italienisch, aber es ist erstaunlich, wie gut man Regelerklärungen dann doch folgen kann (zumindest bei weniger komplexen Spielen), und wo es hakte, haben wir uns mit Englisch beholfen.

In Bozen schließlich gibt es Dinx, einen wirklich beeindruckenden Spieleverein. Ich habe eine Menge sehr nette Leute getroffen, und diesmal ging es Deutsch/Italienisch/Englisch durcheinander und wiederum hatten wir einen Haufen Spaß. Wer in der Gegend ist, sollte ruhig versuchen, da mal Kontakt aufzunehmen. es lohnt sich. Mehr zu meiner Italienreise auf Englisch hier.

Ein paar Wochen nach meiner Rückkehr hatte ich dann die Gelegenheit, mich sozusagen zu revanchieren. Das Spieleautorentreffen stand an, und meine Wohnung war immer noch leer. Als ich hörte, dass einige der auswärtigen Besucher/innen bis Montag in Göttingen sein würden, lud ich sie zum Abendessen mit anschließendem Spielen ein. Ich kann mich nicht mehr an alle Namen der Anwesenden erinnern, aber zumindest kamen sie aus Schweden, Irland, Litauen, Deutschland und vielleicht auch noch anderswo her. Wir spielten Prototypen und andere Spiele aus unserer Sammlung. Noch so eine Erinnerung, die hängen geblieben ist.

Tja. Was will ich mit den ganzen Geschichten jetzt sagen? Wenn ich eine Reise mache, dann will ich mit den Einheimischen in Kontakt kommen. Es gibt nur wenige bessere Möglichkeiten dazu, als gemeinsam zu spielen. Sprachdifferenzen und die ganzen sonstigen Unterschiede verschwimmen, und man fühlt sich immer willkommen. Ich kann das gar nicht intensiv genug empfehlen – wenn Ihr mal irgendwohin fahrt, wo Ihr Zeit übrig habt, sucht im Netz Kontakt zu ein paar Spieler/innen und verabredet Euch mit ihnen. Dann braucht Ihr auch kaum noch selbst Spiele mitzubringen. Die besten Reisespiele sind also solche, bei denen man mit neuen Leuten in Kontakt kommen kann. Dagegen verblasst für mich jedes andere Kriterium Spielen verbindet schließlich über Grenzen hinweg, und das ist ja auch ein bisschen das Motto dieses Blogs.

 

Gesamteindruck: 10/10 – fast egal, was man spielt.

Essen-Vorfreude, in Worte und eine kleine Liste gekleidet

Immer näher rückt die Messe in Essen, und obwohl ich mich riesig drauf freue und andauernd irgendwas über Neuerscheinungen lese, kann ich nicht ansatzweise sagen, dass ich einen Überblick darüber hätte, was da alles neu erscheint. Wahrscheinlich ist meine Perspektive ohnehin ein bisschen anders als die der meisten Vielspieler/innen.

Erstens interessieren mich nur sehr wenige große, materialaufwändige Spiele mit komplexen Regeln und langer Spieldauer. Das, was in den einschlägigen Facebook-Gruppen die Herzen höher schlagen lässt, lässt mich oft einigermaßen kalt. Mitspielen würde ich sowas, aber kaufen? Das lohnt sich für mich nicht, es würde einfach viel zu selten auf den Tisch kommen. Für mich sind die komplexen Spiele ein bisschen wie gute Kinofilme, ich lasse mich ganz gern mal drauf ein und genieße das dann auch, aber dann bin ich auch damit durch und habe nur eher selten das wirkliche Verlangen, sie nochmal zu spielen. Glücklicherweise passt diese Haltung ganz gut zu meinem Budget – kurze, knackige Kartenspiele sind normalerweise viel billiger.

Zweitens habe ich nämlich nicht wirklich viel Geld für Spiele-Neuanschaffungen übrig. Ich kaufe nur einen Bruchteil meiner Spiele neu, die meisten tausche ich entweder ein oder kaufe sie gebraucht, oder bekomme welche, wenn ich Verlagen mit Übersetzungen oder Lektorat oder sonstigen Gefälligkeiten aushelfe. Entsprechend gerate ich auch in Essen nicht unbedingt in einen Kaufrausch, obwohl ich dort dann doch mal zuschlage (und das, was ich anschließend aus den Koffern hole, bei Normalspieler/innen wahrscheinlich den Eindruck völliger Übergeschnapptheit hinterlässt). Etwas von meinen Übersetzungshonoraren fließt voraussichtlich in Spiele. Aber nebenbei verbringe ich eine Menge Zeit damit, ältere Spiele zu tauschen, die gar nichts mit der aktuellen Messe zu tun haben. Trotzdem bietet sich das an, weil ohne Portokosten eben wesentlich leichter ein guter Tausch möglich ist.

Drittens fahre ich eigentlich gar nicht in erster Linie nach Essen, um viele neue Spiele kennen zu lernen. Viel wichtiger ist es mir, liebe Leute wiederzutreffen, die ich sonst nicht so oft zu sehen bekomme. Wenn man mit dem einen oder der anderen dann auch mal was spielt, um so besser. Aber ich stehe und sitze auch viel rum und rede mit anderen. Dieses Jahr wird das möglicherweise besonders einfach, weil ich wahrscheinlich viel Zeit am Stand von Lautapelit / Vennerød (3-L116, neben dem Stand der Spielbox) sein werde, um Mission Impractical zu erklären. Dabei ergeben sich bestimmt auch viele Gespräche. Dadurch habe ich zum Angucken vieler Spiele gar keine Zeit. In den drei Tagen, die ich hoffentlich zur Verfügung habe, kann ich auf keinen Fall alles ansehen, was mich grundsätzlich interessieren würde. Ich siebe daher im Vorfeld kräftig aus. Spiele von großen deutschen Verlagen, die noch im Weihnachtsgeschäft im Handel sind, muss ich nicht unbedingt ein paar Wochen vor allen anderen auf dem Tisch haben, die werde ich auch später noch in die Finger kriegen. Japanische, taiwanische, russische oder sonstige Raritäten sind mir eher einen zweiten Blick wert, denn an die komme ich unter Umständen später gar nicht mehr dran.

Aber na gut, wo es alle tun, kann ich ja auch mal eine Handvoll Spiele preisgeben, auf die ich mich neben Mission Impractical besonders freue und die vielleicht nicht in jeder Auf-die-Messe-freu-Liste auftauchen (alphabetisch sortiert, ohne weitere Wertung. Die Beschreibungen mögen nicht völlig zuverlässig sein, ich hab die Spiele ja noch nicht selbst in der Hand gehabt):

BaRRacuda von Christoph Cantzler, erscheint bei den Drei Hasen in der Abendsonne

Ein Handelsspiel um Strandbars, bei dem alle langsam pleite gehen, man aber gegebenenfalls andere unterstützen muss, damit diese erst dann vor die Hunde gehen, wenn man selbst in Führung liegt. Solche Bluff- und Verhandlungsspiele sind genau mein Ding, das sollte passen.

Cattack! No.1 von Azumi Date, erscheint bei GoccoGames

Katzen spielen Volleyball. Man versucht mittels Karten den Ball über das Netz zu hauen. Macht man einen Punkt, legt sich eine Katze aus dem eigenen Team schlafen, sodass eine Lücke im eigenen Feld entsteht. Das kann das andere Team ausnutzen (es wird zu viert gespielt) und den Ball genau da hinspielen. Dann gibt es wiederum einen Punkt, aber der Ball trifft die schlafende Katze, die dadurch natürlich wieder aufwacht. Wie verrückt ist das denn?

Hanamikoji von Kota Nakayama, erschienen bei EmperorS4 Games

Ein Kartenspiel für zwei, bei dem man die Gunst von Geishas erringen muss. Sehr schön illustriert und in seiner ersten Auflage schon überschwänglich gelobt. Ich übersetze gerade die erfreulich kurzen Regeln ins Deutsche, und das klingt alles prima.

Sapotagem von Fel Barros und Warny Marcano, erschienen bei Ace Studios

Ein Stichspiel, das eigentlich nicht übermäßig innovativ klingt, aber ebenfalls schön aufgemacht ist. Ich freue mich deshalb besonders darauf, weil ich einen der Autoren angeschrieben hatte und der sich sehr gefreut hat, dass sich jemand außerhalb Brasiliens für das Spiel interessiert. Er kommt selbst nach Essen und bringt mir eins mit. Immer schön, Leute aus ganz anderen Gegenden der Welt kennen zu lernen, mit denen man eine Leidenschaft teilt. Und Sapotagem passt direkt in mein Beuteschema – es klingt interessant, sieht gut aus und ist wahrscheinlich nach dem 16. Oktober ziemlich unerreichbar für mich.

Das sind ein paar der Spiele, die mich besonders locken. Was sie dann wirklich taugen, muss man sehen, aber ich bin optimistisch.

Vielleicht noch ein paar unvermeidliche Bemerkungen zur Messe insgesamt: Sie wächst dieses Jahr noch mal erheblich (vielleicht kommt mir das aber auch nur deshalb besonders extrem vor, weil ich letztes Jahr ja nicht hin konnte). Sieben Hallen und um die 1200 Neuerscheinungen sind schon ehrfurchterweckend. Eine besondere Neuerung, deren Wirkung erheblich sein könnte, ist der Versandservice, den es erstmals gibt. Dort kann man seine Neuerwerbungen direkt nach Hause schicken. Ich kaufe ja nicht so viel, dass das für mich relevant wäre, aber wer ansonsten wie ich mit dem Zug nach Hause fährt und mehr Geld als Arme zum Schleppen hat, freut sich vielleicht drüber. Ganz zu schweigen von den Leuten, die mit dem Flugzeug anreisen und teilweise Stunden damit verbracht haben, ihr Gepäck flugtauglich zu machen (beziehungsweise im Zweifelsfall nicht von ihrem Budget, sondern eher von ihrer Tragekapazität von weiteren Einkäufen abgehalten werden). Ich rechne jedenfalls mit ziemlichen Schlangen am Versandstand. 

Eins vielleicht noch hinterher, was ich seit letztem Jahr im Hinterkopf habe. Neben der eigentlichen Spielemesse gibt es in Essen auch noch die Comic Action, halt eine Comic-Messe. Die ist im Vergleich zum Spieleteil sehr klein und gehört irgendwie seit Jahren zum Gesamtbild. Ich selbst lese zwar hier und da Comics, bin aber sicherlich nicht Teil der Zielgruppe für eine Comicmesse. Dafür habe ich einen alten Freund, der dort zu sitzen und zu zeichnen pflegt. Der hat letztes Jahr nach der Messe einen Blogbeitrag geschrieben, in dem er ein paar Probleme mit der Comic Action anspricht. Ich finde das ganz lesenswert, denn obwohl es den wirklich boomenden Spieleteil der Messe nicht unmittelbar zu betreffen scheint, kann man daraus auch sehen, was kleine Änderungen bewirken können. Schließlich ist es auch bei den Spielen so, dass die Messe nicht nur aus den riesigen Ständen der Großverlage besteht, sondern eben ganz besonders auch aus den Ständen der kleinen und kleinsten Verlage. Und der Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen, zu plaudern oder auch gar nichts zu tun. Natürlich kann die Messe nur überleben, wenn das ein Randphänomen bleibt, aber wenn es ganz wegfiele und es nur noch Verkaufsstände gäbe, wäre sie für mich auch kaum noch interessant. Daher hoffe ich, dass auch die Comic Action nicht vor die Hunde geht.

Das war’s für heute. Eine Rezension gibt es auf alle Fälle noch vor der Messe, ob noch mehr kommt, wird sich zeigen (erfahrungsgemäß wird es mit den letzten Vorbereitungen nochmal turbulent). Hinterher sollte ich dann aber wieder einiges zu schreiben haben…

Die Spielwarenmesse in Nürnberg aus Sicht eines Spielers und Spieleautors

Viele Spielefans sind schon ein bis mehrere Male auf der Spielemesse in Essen gewesen (bei mir sind es so ungefähr 20 Besuche gewesen). Einige von uns haben sogar die Anfänge in der Essener Volkshochschule in den Achtzigern noch miterlebt (da kann ich selbst nicht mithalten, mein erstes Mal war 1990, als ich vom Rollen- und Simulationsspielverein 252 e.V. dafür angeheuert wurde, zufällig vorbeigehenden Leuten zu erklären, was ein Rollenspiel ist. Lang, lang ist’s her). Die Spielemesse findet im Oktober statt und läutet sozusagen das Weihnachtsgeschäft ein – Spiele, die dort vorgestellt werden, nehmen am Kaufrausch noch teil. Essen ist ein sagenhaftes Ereignis: 150.000 Leute (über 4 Tage verteilt), gut 40.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, und viele Gelegenheiten zum Spielen, Ausprobieren, Schnäppchenjagen und Geheimtipps hinterherhecheln, die man sonst im Spieleladen nicht kaufen kann.
Sozusagen der Gegenpol zu Essen ist die Spielwarenmesse in Nürnberg, die jedes Jahr Ende Januar/Anfang Februar stattfindet. Wer Essen für ein Großereignis hält, muss jetzt mal kurz den Atem anhalten: Das Messegelände in Nürnberg umfasst etwa 160.000 Quadratmeter und ist bis zum Rand voll mit Neuheiten aus der Welt der Spielwaren. Allerdings sind da natürlich nicht nur Spiele, sondern auch Modelleisenbahnen, Karnevalskostüme, Teddybären, ferngesteuerte Hubschrauber, peinlicher Plastikmüll und was nicht alles vertreten. Auch Hersteller von Verpackungslösungen, Transportideen und sowas haben Stände, da findet man auch einiges Ungewöhnliche. Der „kleine“ Ausschnitt, der von den Spieleverlagen belegt wird, ist aber immer noch ziemlich imposant und mehrere Hallen groß. Anders als in Essen kann man die Spiele dort allerdings nicht kaufen und auch nur in geringem Umfang spielen. Auch die Menschenmassen fehlen (wenn man mal von dem Gedrängel in der U-Bahn nach Toresschluss absieht), denn die Spielwarenmesse ist nur für Fachpublikum geöffnet. Um eine Eintrittskarte zu bestellen, muss man also für die Presse, einen Verlag, einen Spielwarenladen oder irgendsowas arbeiten, oder sich von einem solchen einladen lassen. Ich selbst war als Mitglied der Spieleautorenzunft dort; freier Eintritt in Nürnberg ist einer der zahlreichen Vorzüge, die die Mitgliedschaft bietet. Trotz der leereren Gänge sind die Messehallen reichlich unübersichtlich, wie ich finde. Wer auf die Idee gekommen ist, ungleichmäßig sechseckige Messehallen zu bauen, bei denen man nie genau weiß, an welcher Wand man sich gerade entlangbewegt (die Standwände sind gern mal drei Meter hoch und man kann nicht darüber hinweggucken), schämt sich hoffentlich mittlerweile dafür.

Spielwarenmesse Nürnberg 2016

Für Deko ist vor den Eingängen massig Platz.
Für Deko ist vor den Eingängen massig Platz.
Das sind reine Deko-Tische, keine Spieltische.
Das sind reine Deko-Tische, keine Spieltische.

Da ich nur anderthalb Tage Zeit hatte (Samstag ganztägig und Sonntag bis zum frühen Nachmittag), habe ich gar nicht erst den Versuch gemacht, mir alles anzusehen, sondern mich überwiegend auf die Hallen 10.1 und 10.2 beschränkt, die sich die Spieleverlage mit einigen anderen ausstellenden Firmen teilen. Wer wirklich alles sehen möchte, hat sogar die Gelegenheit, mit Shuttlebussen zum anderen Ende der Hallen zu fahren. Wirklich zeitsparend ist das meiner Erfahrung nach allerdings nicht, zumal ich in einem Jahr mal von betont desinteressierten Einweisern mit einem Haufen anderer Opfer zusammen nicht in den Bus geschickt wurde, der direkt zum Haupteingang fuhr, sondern in den, der den Schlenker über den völlig verstopften Parkplatz machte. Nach einer knappen Stunde oder so bin ich ausgestiegen und zu Fuß eine Viertelstunde lang zurückgelaufen, um aus dem Stau herauszukommen. Wer sich wie ich vor allem für die Spiele interessiert, kann direkt bei Halle 10 anfangen, das ist praktischerweise fast direkt am Haupteingang.
Wenn man sich nun die Verlagsstände anguckt, was kann man dann dort sehen? Große Verlage wie Ravensburger, Kosmos, Amigo und so weiter haben in ihren Ständen eine Art Parcours eingerichtet, auf dem man an allen Neuheiten vorbeigeschleust wird. An jedem Tisch steht dann jemand (oder läuft mit einer Gruppe mit) und erklärt kurz Wissenswertes zum Produkt. Die Spiele sind dabei oft noch gar nicht fertig produziert, sondern es gibt nur professionell gestaltete Prototypen zu sehen. Man bekommt dann eben eine Kurzerklärung, die Information, wann etwas auf den Markt kommen soll, zu welcher Serie es gehört, welche Zielgruppe und welche Altersstufen es ansprechen soll, ob Fernsehwerbung geplant ist und so weiter – lauter Dinge, die für mich selbst kaum relevant sind. Und während Spieleverlage in der Regel eher entspannt mit sowas umgehen, ist es zum Beispiel bei Lego strikt verboten, Fotos im Stand zu machen – dafür gibt es die Pressemappen. Zielgruppe der Messe sind eben nicht Spieler/innen (obwohl man auch also solcher spannende Gespräche anzetteln kann), sondern vor allem Händler/innen und die Presse, und diese Hintergrundinformationen gehören zum Nürnberg-Erlebnis einfach dazu. Bei kleineren Ständen, deren Belegschaft aus einer bis einer Handvoll Personen besteht, gibt es durchaus auch mal die Chance, ein kürzeres Spiel auszuprobieren oder ein längeres anzuspielen. Das ist aber nur bei einer Minderheit der Stände überhaupt möglich.

Was soll das Ganze dann? Warum sollte man nach Nürnberg fahren? Wer keine beruflichen Temrine dort hat, kann natürlich versuchen, einen Überblick über die anstehenden Neuerscheinungen zu bekommen, und außerdem eine Menge interessante Leute treffen. Entweder begibt man sich dazu an ihren jeweiligen Stand und spricht sie an, oder man verabredet sich im Vorfeld mit ihnen, oder man hängt gelegentlich im von der Spieleautorenzunft eingerichteten Spielecafé herum, einer Art Ruhe-Oase im Messetreiben. Für solche Gespräche ist Nürnberg besser geeignet als Essen, weil der Hintergrundlärm fehlt. Als Spieleautor hatte ich diesmal keine neuen Prototypen mitgebracht, sondern hatte nur einen Verlagstermin, bei dem es um eine anstehende Neuerscheinung ging – ich konnte mir Beispielarbeiten des Grafikers angucken, habe erfahren, dass das Spiel bis zur Essener Messe im Oktober fertig sein sollte und ein paar weitere Details besprochen. Klar, das hätte man auch per Mail machen können, aber der direkte Kontakt ist doch sehr wertvoll, und kaum jemand kann ja quer durch die Welt oder auch nur durch Deutschland reisen, um in den einzelnen Verlagen persönlich vorstellig zu werden. Nürnberg ist daher ein ideales Pflaster für solche Gespräche, weil fast alle Verlage für einige Tage unter einem Dach vertreten sind.

Übrigens lasse ich es mir dann doch nicht nehmen, jedes Mal zwei Stände aufzusuchen, die nichts mit Spielen zu tun haben, nämlich Lego und Playmobil. Das sind einfach Kindheitsnachwirkungen. Die Führung durch den Playmobilstand ist normalerweise sehr nett, allerdings hatte ich dieses Jahr etwas Pech, weil selbst beim dritten Anlauf alles belegt war und ich mich einer schon losgelaufenen Gruppe anschließen musste. Diese war aber schon so groß, dass ich kaum etwas von den Erklärungen hören konnte. Dafür konnte ich dann die Neuheiten (überwiegend in Vitrinen) bestaunen, mich an einigen technischen Innovationen erfreuen (Flammen mit Saugnäpfen, die man an verschiedene Modelle anpappen und dann mit dem Feuerwehrschlauch wieder runterspritzen kann! Cool!) und feststellen, dass Playmobil zwar technisch innovativ, aber ansonsten gemütlich altmodisch geblieben ist – es gibt so gut wie keine Lizenzprodukte von Filmen oder sowas, brav werden Jungen- und Mädchenserien voneinander getrennt und die Welt ist insgesamt noch in Ordnung. Ich freue mich auf das nächste Mal.
Lego hingegen hatte diesmal in meinen Augen kaum spektakuläre Neuheiten zu bieten. Soundsoviel neue Star-Wars-Fahrzeuge („auch für die Fans der klassischen Filme“, wurde da erklärt, während wir vor irgendsonem Ding aus Episode I-III standen), Superheldenlizenzen, eine neue Reihe mit Kämpfen von guten Rittern gegen böse Monster, nichts, was mich vom Hocker gerissen hätte. Dafür scheint sich Lego die in letzter Zeit ja zum Teil beißende Kritik an seiner Geschlechtereinteilung ein bisschen zu Herzen genommen zu haben – da findet sich doch tatsächlich ein Vater mit Baby im Kinderwagen (in der gleichen Packung wie der erste Rollstuhlfahrer im Firmenportfolio) oder eine mutige Prinzessin, die in irgendso einem Kampfvehikel den Kreaturen des Bösen entgegen tritt. Und die Lego Friends sind auch nicht mehr ausschließlich damit beschäftigt, Pferde zu dressieren und Muffins zu backen, sondern sind jetzt zum Beispiel auch astronomisch tätig. Bin durchaus gespannt, wie viel Erfolg diese zaghaften Versuche haben. Und die Führung war gegenüber dem vorletzten Jahr (2015 konnte ich leider nicht zur Messe) deutlich besser organisiert, man war durch Kopfhörer mit der Erklärerin verbunden und konnte auch mal einen Seitenblick wagen, ohne etwas zu verpassen. Das war früher doch ein ziemlicher Viehtrieb geworfen, das fühlte sich diesmal viel besser an.
Lego hat wahrscheinlich den größten Messestand überhaupt. Ich habe spaßeshalber mal nachgefragt: An den sechs Tagen der Messe waren insgesamt – festhalten – 520 Mitarbeiter/innen vor Ort (380 am Spitzentag). Die größten Stände in Essen bieten vielleicht gut ein Zehntel davon auf, was zeigt, wie klein Spieleverlage im Vergleich zu Spielzeugriesen immer noch sind.

Ja, diesen fast lebensgroßen Legoritter fand ich zwar auch cool...
Ja, diesen fast lebensgroßen Legoritter fand ich zwar auch cool…
... aber ganz so cool wie offenbar manch andere/r dann doch wieder nicht.
… aber ganz so cool wie offenbar manch andere/r dann doch wieder nicht.

Insgesamt ist die Messe in meinen Augen dann attraktiv, wenn man entweder Konkretes dort zu tun hat oder man ohnehin in der Nähe wohnt und keinen allzu großen Aufwand betreiben muss, um mal hinzufahren. Schön ist es zum Beispiel, eine überschaubare Anzahl von Terminen zu vereinbaren und viel Zeit dazwischen frei zu lassen, damit man Zeit hat, sich einfach irgendwo festzuquatschen oder mit irgendwas zu spielen – dann kann die Messe ein tolles Erlebnis sein.

Mein LIeblingsfoto von der Messe (ist schon von 2011) - von einer Firma, die Karnevalskostüme herstellt.
Mein Lieblingsfoto von der Messe (ist schon von 2011) – von einer Firma, die Karnevalskostüme herstellt.