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Spielecafés in Taiwan

Einige von Euch wissen vielleicht schon, dass ich rund zwei Jahre lang in Taiwan gearbeitet habe. Allerdings war das von 2000 bis 2002, also ein paar Jahre, bevor Taiwan zu einer ganz heißen Adresse für Spiele wurde. Ich hatte zwar in meinem zweiten Jahr ein paar Spiele dabei, aber zu meinen leidlich regelmäßigen Spieleabenden kamen meist Ausländer*innen, und nur selten verirrten sich Einheimische dazu. Aktuelle taiwanische Spiele hatte ich damals überhaupt nicht kennen gelernt. Aber umso mehr habe ich mich dann gefreut, als ich hörte, dass sich dort in den darauffolgenden Jahren so eine rege Spieleszene entwickelt hatte. Als ich 2012 noch einmal dort war, schaffte ich es immerhin in zwei Spielecafés und lernte ein paar Autoren und Verleger kennen, von denen ich viele dann in Essen wiedergetroffen habe. Meine Hoffnung, so eine Reise nochmal zu wiederholen, erfüllte sich aus verschiedenen Gründen erst kurz vor Weihnachten 2019, als wir unseren Familienurlaub in Taiwan verbracht haben. Ich habe mich dort zwar eher unsystematisch in der Spieleszene umgetan, aber ich glaube, es lohnt sich doch, mal ein paar Eindrücke in diesem Blog festzuhalten.

Im Laufe unseres Urlaubs hatte ich zum Beispiel dreimal Gelegenheit, in Spielecafés zu spielen. Der ganz große Boom ist in der Beziehung offenbar schon vorbei und einige mussten wieder schließen, aber es gibt dennoch im Vergleich zu Deutschland noch sehr viele davon.

Eins der ältesten, das Witch House in Taipei, gehört der Frau von Swan (Jojo), dem Gründer von Swan Panasia, das in Deutschland vielleicht besonders durch seine Sleeves bekannt ist, aber außerdem nicht nur ein beeindruckendes Portfolio an Spielen für den chinesischsprachigen Markt (und andere) lokalisiert, sondern auch ein paar Originalspiele herausgebracht hat (meine Leidenschaft für Bluff im Zoo hatte ich hier schon mal kundgetan). Das Café hat zwar nur Spiele von Swan Panasia im Regal, aber zu meiner Überraschung brachte Swan zu unserem Treffen ein Exemplar meines ersten Spieles Pari mit, das ich ihm bei meinem letzten Besuch 2012 gegeben hatte. Das haben wir dann neben anderen Sachen auch gespielt. Das Witch House ist schon fast ein Spielerestaurant, es gibt dort auch substanzielles Essen. Uns hat’s gefallen. Da wir im Witch House allerdings hauptsächlich zum Essen und Reden verabredet waren und die beiden gespielten Spiele jeweils jemandem von uns bekannt waren, wissen wir nicht, wie es dort mit dem Erklären von Spielen aussieht.

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Messevorschau 2019, Taiwan (Teil 5) – Mizo Games, Shepherd Kit, Monsoon Publishing, Swan Panasia

Mizo GamesSo, hier kommen die restlichen taiwanischen Verlage, die auf meine Anfragen geantwortet hatten. Übermorgen soll die offizielle Ausstellerliste erscheinen, da muss ich sehen, ob mir noch jemand durchgerutscht war.

TAIWAN

Mizo Games (5-I109) heißt nur zufällig so ähnlich wie MOZI Games, ist aber ein ganz Mizo Gamesanderer Verlag. Mizo hatte vor zwei Jahren das hochgelobte Spiel Raid on Taihoku von Teng Chieh-Ming herausgebracht, bei dem man gemeinsam versucht, einen Bombenangriff auf Taihoku (Taipei) heile zu überstehen. Raid on Taihoku soll 2020 neu aufgelegt werden. In der Zwischenzeit bringt Mizo Tengs Raid on Takao (€50) nach Essen. Takao ist der japanische Name für die zweitgrößte Stadt in Taiwan, nämlich Kaohsiung. Das Szenario ist ähnlich: Die Spieler*innen versuchen, gemeinsam zu überleben, müssen also Wasser, Essen und geschützte Orte finden, bis die Messevorschau 2019, Taiwan (Teil 5) – Mizo Games, Shepherd Kit, Monsoon Publishing, Swan Panasia weiterlesen

Drei Tage im Oktober – die Messevorschau 2018 (Teil 5)

Ich hatte eigentlich wirklich nicht vorgehabt, meine Vorschau auf fünf Artikel ausdehnen zu müssen. Aber als die Ausstellerliste online ging, waren natürlich sämtliche Pläne wieder über den Haufen geworfen, denn da standen noch eine Menge asiatischer Verlage drin, die mir bisher nirgends über den Weg gelaufen waren.

Ich fange jetzt aber trotzdem mit einem Spiel aus Europa an, das mir wegen seiner frischen Thematik ins Auge gesprungen ist, und zwar mit First Contact von Damir Khusnatdinov. Da sind nämlich Aliens im alten Ägypten gelandet und wollen gern landestypische Souvenirs erwerben. Leider gibt es dabei ein Problem, nämlich das der Verständigung. Die Einheimischen sind durchaus hilfsbereit, aber unsicher, was diese fremden Götter gern haben wollen. Die Spieler*innen teilen sich auf die beiden Parteien auf. Nun lernt jede Partei die Hieroglyphen der anderen (die in jedem Spiel neu verteilt werden). Als Alien versucht man, zuerst drei begehrte Gegenstände zu erhalten, als Erdling versucht man, den Aliens möglichst viele passende Gegenstände zu geben. Am Ende gewinnt aus jedem Team ein*e Spieler*in. Das ganze hat einen kleinen Codenames-Touch und klingt wunderbar schräg. Das möchte ich mir gern mal in Aktion ansehen – und das mache ich bei Cosmodrome am Stand 4-G114. Drei Tage im Oktober – die Messevorschau 2018 (Teil 5) weiterlesen

Zehn Zwerge im Vampirschloss

Was macht man, wenn man gegen elf Uhr nachts merkt, dass man in einem Vampirschloss eingesperrt ist und nur eine Stunde Zeit hat, bevor der böse Hausherr erwacht und einem das Blut aussaugt? Ganz klar: Man sammelt Paare von Kerzen, Masken, Schlüsseln und Büchern und entkommt damit aus dem Schloss. So ungefähr jedenfalls funktioniert die Geschichte von Nightmare Castle, einem kleinen, unscheinbaren Spiel aus Taiwan, das ich mir neulich auf den Bremer Spieletagen zugelegt hatte.

Nightmare Castle

Worum geht’s?

Das Spiel besteht vor allem aus 16 Karten mit vier Motiven, von denen es jeweils zwei weiße und zwei schwarze Karten gibt. Dazu gibt es noch eine Uhrentafel und ein paar Blutstropfenmarker.
Die Karten werden gemischt und verdeckt in vier Viererreihen ausgelegt. Wer dran ist, hat zwei Möglichkeiten:
– Man kann sich zwei Karten ansehen und anschließend eine Aussage über genau eine Gemeinsamkeit beliebig vieler Karten treffen, zum Beispiel „diese Karten sind schwarz“ oder „diese Karten sind Masken“.
– Man kann zwei Karten aufdecken. Sind sie genau gleich, bleiben sie offen liegen und man hat einen weiteren Zug. Sind sie allerdings nicht gleich, werden sie wieder umgedreht und ein Blutstropfen auf die Uhr gelegt.

Nach jedem Zug wird der Zeiger der Uhr um fünf Minuten vorangestellt. Um Mitternacht wacht der Vampir auf und alles ist aus – bis dahin sollte man dafür gesorgt haben, dass alle Karten offen liegen. Dann kann man aus dem Schloss entkommen und hat gewonnen. Schafft man das nicht, hat man verloren. Wenn allerdings drei Blutstropfen auf der Uhr liegen, wird der Vampir vom Geruch des Blutes vorzeitig geweckt und aaarghschmatzschlürf.

Den Schwierigkeitsgrad des Spieles kann man justieren, indem man entweder nicht genau um 11 Uhr beginnt, oder indem man je eine der beiliegenden Charakterkarten austeilt, die einmal im Spielverlauf eine Spezialfertigkeit einsetzen können.

Und? Macht das Spaß?

Meine Güte, habe ich dieses Spiel unterschätzt. Bei der ersten Partie zu viert hatten wir das Rätsel mit dem letzten möglichen Zug gelöst und uns damit unter maximaler Anspannung aus der Affäre gezogen. Das hatte uns gut gefallen. Als nächstes probierten wir es mal zu zweit aus, und das war derartig einfach, dass sich mir nicht recht erschließt, wie man das ernsthaft als Variante in Betracht ziehen kann. Zwar lässt sich die Schwierigkeit noch ein bisschen verstellen, aber zu zweit rockte es einfach nicht. Und da dachte ich mir, na ja, das läuft sich schnell tot und ist wahrscheinlich nur mit auf vier Spieler/innen ausgewogen oder sowas.
Zum Glück ließ ich dann nicht locker und gab dem Spiel weitere Chancen – und stellte fest, dass wir eigentlich sowohl zu dritt als auch zu viert immer gleich mehrere Partien hintereinander weggespielt haben (auch wenn sich bei der dritten Partie dann die Informationen im Kopf ein bisschen vermischen, was es nicht einfacher macht). Es kam ein richtiggehender Suchtfaktor auf, und ich habe dann auch gemerkt, dass die Zwei-Personen-Variante in der ersten Auflage gar nicht vorgesehen gewesen war. Wahrscheinlich hätte man die in der Tat am besten rausgelassen. Spaß macht es erst zu mehreren. Grundsätzlich wird es umso schwieriger, je mehr Leute beteiligt sind. Unter Umständen muss man dann auch mal mutwillig was Falsches aufdecken und einen Blutstropfen riskieren, um Informationen offenzulegen.

Fünf Spieler/innen ist sicherlich keine ideale Zahl zum Spielen, wenn 12 Züge zu verteilen sind. Das Spiel ist zwar kooperativ, aber es wäre insbesondere beim Spielen mit Kindern schwer vermittelbar, dass nicht jede/r gleich oft dran ist. Zu sechst erfordert es extrem gute Kooperation, oder aber man spielt mit den Charakterkarten. Da muss man halt sehen, wie gut die Gruppe zusammenarbeitet.

Eine größere Unklarheit ist in der Regel enthalten – es wird nämlich nicht beschrieben, wie man ein Pärchen aufdecken muss. Muss man zuerst beide Karten ansagen und dann umdrehen? Oder kann man erst eine Karte umdrehen und dann die zweite? Das macht einen ziemlich erheblichen Unterschied aus. Wir haben es auf die zweite Weise gespielt, aber man kann den Schwierigkeitsgrad auch dadurch steigern, dass man sich auf erstere Variante einigt.

Noch einen großen Pluspunkt möchte ich dafür vergeben, dass der Autor seine Vorbilder nennt – inspiriert wurde Nightmare Castle von Hanabi und Gespensterturm, zwei Spielen, die ich sehr schätze. Hanabi dauert klar länger als Nightmare Castle, während Gespensterturm als Kinderspiel konzipiert ist. Nightmare Castle versucht also, schneller als Hanabi und erwachsener als Gespensterturm daherzukommen, und das gelingt auch. Ob sich in diesem Segment eine größere Zielgruppe befindet? Für diejenigen, die von Hanabi thematisch nicht so angesprochen waren, mag es das Richtige sein, außerdem fühlt es sich noch kooperativer an als Hanabi, wo man in einem Zug in der Regel nur mit einer anderen Person interagiert. Ein Nachteil gegenüber Hanabi ist vielleicht das „Alles oder nichts“-Konzept. Bei Hanabi kann man seine Punktwertung langsam steigern, während man bei Nightmare Castle eben entweder gewinnt oder verliert. Aber wer wirklich Wert auf solche Details legt, kann sich dann eben einfach dran freuen, das Schloss bereits ein paar Runden vor dem bitteren Ende verlassen zu haben.

Und was hat das jetzt mit zehn Zwergen zu tun?

Von Auto Chu-Lan Kao gibt es noch ein weiteres Spiel namens 10 Dwarves, das ich schon vor einiger Zeit kennen gelernt hatte und das schon in meiner Rezensionsschlange stand. Es ist klar zu erkennen, dass die beiden Spiele aus der gleichen Idee erwachsen sind. Bei 10 Dwarves kommen zehn Zwerge aus dem Bergwerk und Schneewittchen hat sie durchnummeriert, damit sich niemand vor dem Essen ums Händewaschen drücken kann. Jetzt müssen sie alle in der richtigen Reihenfolge zum Händewaschen antreten. Es geht also darum, die zehn Karten in der richtigen Reihenfolge aufzudecken. Zuerst liegen alle zehn Karten verdeckt in der Mitte. Wer dran ist, kann entweder einen Zwerg aufdecken, der vor einem/einer anderen Spieler/in liegt (das muss aber der nächste in der Reihenfolge sein, sonst ist das Spiel sofort verloren), oder aber zwei Karten aus der Mitte angucken und eine davon verdeckt vor sich hinlegen. Am Endes seines Zuges macht man eine Aussage der Art: „Diese Karte ist kleiner als diese Karte“. Wenn in der Mitte keine Karten mehr liegen, kann man nur noch aufdecken und sollte sich zu diesem Zeitpunkt darüber im Klaren sein, was wo liegt.

10 Dwarves ist etwas simpler als Nightmare Castle und spricht thematisch wahrscheinlich auch weniger Leute an. Dafür gefällt mir die Idee mit dem Größenvergleich besonders gut, das ermöglicht eine besondere Art der Detektivarbeit. Wenn man zum Beispiel auf eine Karte zeigt, die man kennt und auf eine, die man nicht kennt, und dann sagt, dass erstere kleiner ist als die zweitere, dann wissen alle, dass die erste Karte die kleinste noch unbekannte Karte sein muss. Hier heißt es gut aufpassen, um nicht zu vergessen, was die anderen noch nicht kennen.
10 Dwarves funktioniert anders als Nightmare Castle auch prima zu zweit, ist aber mit mehr Spieler/innen auch noch ein bisschen interessanter. Es gibt auch Charakterkarten mit Sonderfertigkeiten (siehe Foto), mit denen man es sich etwas leichter machen kann, aber auch hier kann ich sagen, dass das Spiel gut ausbalanciert ist.

Insgesamt hat Chu-Lan Kao zwei gute Spiele vorgelegt, die man fast sofort losspielen kann und die in wenigen Minuten Spieldauer viel Spannung erzeugen können. Auch wenn sein Name in Deutschland vielleicht noch nicht so sehr bekannt ist, lohnt es sich doch, ein Auge auf ihn zu werfen – mit seinem Geruchs-Spiel The Perfumer hat er letztes Jahr in Essen ja schon ein bisschen Aufsehen erregt, und auch für 2017 sind noch einige Veröffentlichungen von ihm angekündigt.

Gesamteindruck: 8/10

Nightmare Castle (厄夜魔堡)
für 2 bis 6 Leute (aber nicht sehr empfehlenswert zu zweit)
von Chu-Lan Kao (高竹嵐)
Illustrationen von 張志柔 und 梁曉藝
Swan Panasia, 2015

10 Dwarves (矮人十兄弟)
für 2 bis 4 Leute
von Chu-Lan Kao (高竹嵐)
Illustrationen von Kachalova Kseniia
Swan Panasia, 2015

Klebrige Prinzen und trügerischer Pudding

Ich hatte zuletzt ja schon über ein Spiel mit Heiratsanträgen geschrieben. Da schiebe ich prompt noch eins mit dem gleichen Thema nach – aber unterschiedlicher könnten die beiden nicht sein, denn diesmal ist die Rede von einem Spiel mit so absurder Thematik, dass man da wirklich nicht von einem perfekten Zusammenspiel zwischen Thema und Mechanismen sprechen kann. Gemeint ist das taiwanische Spiel Tofu Kingdom.

Tofu Kingdom

Der Prinz des Mochi-Königreichs1 zieht ins Tofu-Königreich, um der lieblichen Prinzessin Tofu einen Heiratsantrag zu machen. Diese ist ein wenig einsam, seit ihr Vater, der König, von ihrer Stiefmutter vergiftet wurde. Nur ein einziger Freund, der treue Tofukoch, ist ihr geblieben. Die böse Königin hat sich allerdings einen teuflischen Plan ausgedacht – sie zwingt den Prinzen, vor lauter verschleierte Leute zu treten und mit ein paar simplen Fragen herauszufinden, wer die Prinzessin ist. Dann muss er einer Person einen Heiratsantrag machen und hoffen, dass er die richtige erwischt hat. Das Kalkül der Königin: Mit der richtigen Unterstützung kann sie sich den Prinzen selbst angeln. Ihr zur Seite stehen der Tofuminister und die Tofuwache, die ihr treu ergeben sind. Mit einer Allianz zwischen Tofu-Königreich und Mochi-Königreich gar nicht einverstanden ist die Prinzessin des Pudding-Königreiches. Diese schlüpft in Männerkleidung und schleicht sich ins Tofu-Königreich, um Verwirrung zu stiften, damit aus der Verbindung von Tofu- und Mochi-Königreich gar nichts wird. Ihre einzige Verbündete ist die Tofu-Magd.

Außer den acht Rollenkarten, die jeweils bierdeckelgroß sind, befinden sich in der Schachtel nur noch ein paar Sojabohnenpunkte und die Spielregel.

Die Spieler/innen nehmen reihum die Rolle des Prinzen an und gehen aus dem Zimmer oder drehen sich um, während die sonstigen Rollenkarten unter den anderen Spieler/innen verteilt werden. Eventuell überzählige kommen in die Mitte. Wenn alle außer dem Prinzen alle Rollen gesehen haben, werden die Karten umgedreht und der Prinz betritt das Tofu-Königreich. Er kann nun jeder/jedem eine der folgenden Fragen stellen:
– „Wer ist die Prinzessin?“
– „Wer bist du?“
– „Wer ist das da? (dabei zeigt er auf eine/n Spieler/in oder auf eine der Karten in der Mitte).
Nachdem jede/r eine Frage bekommen hat, stellt der Prinz noch eine einzige weitere Frage an irgendjemanden und deckt dann die Rollenkarte auf, die er als Prinzessin ausgemacht hat. Liegt er richtig, punktet er gemeinsam mit Prinzessin und Tofukoch, deckt er die Königin auf, punktet diese gemeinsam mit Minister und Wache, und deckt er irgendjemanden sonst auf, punkten Puddingspion und Magd.

Bei der ganzen Fragerei ist zu beachten, dass Koch und Prinzessin immer die Wahrheit sagen und die Königin und ihre beiden Helfer immer lügen müssen. Spion und Magd können frei entscheiden, was sie tun.

Wer zuerst sieben Sojabohnenpunkte errungen hat, gewinnt das Spiel.

Todu Kingdom
Puddingspion und Magd (oben), Wache, Königin und Minister (Mitte), Prinzessin, Prinz und Koch (unten)

Ernsthaft jetzt?

Das Thema ist so albern (so absolut undeutsch) und hat gleichzeitig so unheimlich viel Stil, dass man jauchzen könnte. Die völlige Skurrilität des ganzen Pakets ist ein definitiver Pluspunkt, und da gibt es dann doch wieder eine Parallele zu Jane Austen’s Matchmaker. Irgendwelche Wikinger oder Cthulhu-Wesen oder sowas sucht man in beiden Spielen vergeblich, und das ist gut so.

Über die Originalität des Erscheinungsbildes hinaus steckt in Tofu Kingdom aber auch spielerisch eine ganze Menge mehr drin, als man auf den ersten Blick vermuten mag. Beim ersten Spielen sieht das alles noch ziemlich zufällig aus – insbesondere, wenn man nicht mit der vollen Besetzung von acht Leuten spielt. Es gibt aber eine Menge dazuzulernen. Trivial sind letztlich nur die Rollen des Pudding-Kochs und der Prinzessin – sie haben bei ihren Antworten keine Wahl. Aber schon die vermeintlich klare Rolle von Minister und Wache ist komplexer, als man denkt. Wenn beide bei der Frage nach der Prinzessin auf die Königin deuten (was die natürliche die erste Reaktion wäre), schöpft ein erfahrener Prinz gleich Verdacht, denn auf die wahre Prinzessin sollte ja eigentlich nur der Tofu-Koch deuten. Minister oder Wache können also auch auf jemand anderen zeigen, um glaubwürdiger zu sein. Das wiederum müssen Spion und Magd verhindern… und so weiter und so weiter. Was wie ein albernes Partyspiel daherkommt, gewinnt bei guter Konzentration aller Beteiligten erheblich an Tiefgang.

Das Spielen auf sieben Punkte ist etwas willkürlich, man freut sich letztlich über jeden kleinen Sieg. Ich glaube, es ist nur so festgelegt, um das Stehlen von Sojabohnenpunkten von anderen Leuten einzubringen (Minister und Spion tun das). An dieser Stelle sind die Regeln leider unklar – wenn einer dieser beiden in der ersten Runde erfolgreich ist, gibt es noch nichts zu stehlen. Wir haben uns drauf geeinigt, dass die beiden trotzdem Punkte kriegen, dann eben aus dem Vorrat. Ansonsten hätten sie einfach keinen Vorteil davon, ihre Rolle auszuspielen. Hier muss man eben eine Vereinbarung treffen.

Die Regeln für Tofu Kingdom gehören unter den Spielen mit verdeckten Rollen sicherlich zu den allereinfachsten. Ich bin beeindruckt darüber, was trotzdem drin steckt. Wirklich rund ist es mit voller Achterbesetzung. Darunter nimmt der Spielspaß etwas ab, und mit weniger als sechs Leuten würde ich es gar nicht mehr unbedingt empfehlen (obwohl meine Kinder es auch zu viert mögen). Wer gelegentlich mal acht Leute zusammen hat und nach einem lockeren Spiel zum Lachen sucht, kann mit Tofu Kingdom einen preisgünstigen Treffer landen.

Gesamteindruck: 7/10

Tofu Kingdom (豆腐王國)
von Kuraki Mura (倉木村)
für 3 bis 8 Leute (je mehr, desto besser)
Illustrationen von Lucy (嚕西)
Kuraki Mura B.G. Studio/Swan Panasia, 2015

1Mochi sind eine Art klebrige Reisbällchen.

Hasen sind keine Elefanten. Oder jedenfalls nicht so viele.

Im Frühjahr 2012 war ich für ein paar Wochen in Taiwan, und ich wollte die Gelegenheit nutzen, mich mal mit ein paar taiwanischen Autoren zu treffen. Der Boardgamegeek-User Smoox (denen, die sich für taiwanische Spiele interessieren, sicherlich gut bekannt) war so nett, zwei Treffen für mich zu organisieren. Das eine davon fand in einem Spielecafe in Taichung statt, wo ich mich mit Bono Light (陳小光) traf, der mir zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannt war. Wir hatten ein spannendes Gespräch, haben ein Spiel von mir gespielt, und schließlich zeigte er mir noch einen Protoypen eines Kartenspiels, das er gemacht hatte und das von Swan Panasia bereits zur Veröffentlichung angenommen worden war (bis zur Veröffentlichung aber noch eine ganze Weile brauchte). Es handelte sich um ein kleines Bluffspiel namens Bluff im Zoo (動物園吹牛), und wir spielten eine Runde zu zweit. Ich tat das, was mir sinnvoll erschien und wurde derartig über den Tisch gezogen, dass ich sofort fasziniert war.
Wir blieben dann in Kontakt und als das Erscheinen nach Monaten immer noch nicht in Sicht war, bettelte ich ihn um einen Prototypen an, einmal, um das Spiel selbst wieder spielen zu können, zum anderen, weil ich dachte, dass ich ja auch mal bei deutschen Verlagen ein bisschen Werbung dafür machen könnte. Bald darauf begann ich also meine Versuche, das Spiel in Deutschland bekannt zu machen. Ich zeigte es auf dem Spieleautorentreffen in Göttingen ein paar Verlagen und bekam insgesamt gute Rückmeldungen, landete aber leider keinen Treffer („schön, aber gerade nicht das, was wir suchen“, „Bluffspiele haben wir schon genug“, „das ist mir jetzt zu kompliziert“). 2013 bekam ich in Essen einen Stapel Exemplare der Swan-Ausgabe, für die ich die Regeln übersetzt hatte. Als ich es 2014 erneut versuchte, bekam ich dann schon zu hören, dass ich zu spät sei und Zoch sich die Rechte geangelt hätte. Also einer der wenigen größeren Verlage, denen ich es nicht gezeigt hatte (sie waren offenbar direkt über Swan Panasia gegangen, sonst hätte ich es vielleicht schon früher erfahren). Wie auch immer, ich freute mich, dass es von diesem tollen Spiel eine deutsche Ausgabe geben würde.

Das Cover von Bluff im Zoo

Aber worum geht es denn nun?
Die Spieler/innen treffen sich nach einem Zoobesuch und prahlen damit, wie viele Tiere sie gesehen haben, und wie groß diese Tiere doch waren. Dabei muss man einander immer überbieten – entweder, indem man behauptet, mehr Tiere gesehen zu haben als der oder die Vorgänger/in, oder indem man behauptet, mindestens gleich viele, aber größere Tiere gesehen zu haben. Das geht so lange weiter, bis jemand die Geschichte des Vorgängers/der Vorgängerin anzweifelt. Dann wird geprüft, ob im Zoo wirklich so viele Tiere der angegebenen Tierart waren, und entweder Zweifler/in oder Angezweifelte/r bekommen Strafkarten.
Im Einzelnen funktioniert das so:
Man bekommt fünf Karten auf die Hand. Auf den normalen Karten sind immer ein bis drei Tiere von einer der fünf Tierarten (Maus, Hase, Fuchs, Löwe, Elefant) zu sehen. Außerdem gibt es Jokerkarten (mit ein oder zwei Tieren einer beliebig wählbaren Art) und Spezialkarten (dazu später mehr). Wer dran ist, wählt zwischen folgenden Zugmöglichkeiten:
– Eine Karte aus der Hand verdeckt auf den Tisch spielen und eine Anzahl und eine Tierart ansagen. Bei der ersten Karte muss die Anzahl eins sein, bei den folgenden Karten muss man die vorherige Ansage überbieten (entweder mit einer höheren Zahl oder mit der gleichen Zahl und einem größeren Tier).
– Eine Karte vom Stapel ziehen, ansehen und verdeckt auf den Tisch spielen (Rest wie oben)
– Gar keine Karte spielen und die Ansage erhöhen
– Anzweifeln, dass die aktuelle Aussage stimmt. Dann werden alle Karten in der Mitte umgedreht, sie bilden den Zoo. Wenn mindestens so viele Tiere der angesagten Art vorhanden sind, wie angegeben, nimmt der /die Zweiflerin den gesamten Zoostapel als Minuspunkte, sind es weniger, bekommt der/die Angezweifelte den Stapel.
Achtung: Nachgezogen wird nicht. Wer keine Karten mehr hat, kann die erste Möglichkeit nicht mehr wählen. Erst nach einem Zweifel füllen alle ihre Handkarten wieder auf fünf auf und eine neue Runde beginnt.
Gespielt wird, bis jemand 30 Minuspunkte gesammelt hat. Wer dann die wenigsten Punkte hat, gewinnt das Spiel.

So weit so gut – aber das ist noch nicht alles. Es gibt da noch drei Sonderkarten. Eine macht aus allen Karten Einer-Karten, eine wandelt alle Karten in welche von der Sorte um, die gerade angesagt wurde, und die Stopschildkarten neutralisieren die beiden anderen Sonderkarten (oder einander, wenn eine gerade Anzahl von ihnen im Stapel liegt).

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Eine typische Runde könnte ungefähr folgendermaßen laufen:
A (spielt eine Karte vom Stapel): „Eine Maus.“
B (spielt eine Karte aus der Hand): „Ein Fuchs.“
C (spielt eine Karte aus der Hand): „Zwei Mäuse.“
A (spielt eine Karte aus der Hand): „Drei Mäuse.“
B (spielt nichts): „Drei Füchse.“
C: (spielt eine Karte aus der Hand): „Drei Löwen.“
A (spielt eine Karte aus der Hand): „Acht Löwen.“
B: „Zweifel…“
Acht Löwen sind in dieser Runde aber durchaus realistisch, wenn A zum Beispiel im ersten Zug eine Umwandlungskarten gespielt hat, die alle Tiere in Löwen verwandelt, oder auch nur selbst drei Löwen und zwei Joker (und C glaubt). Solche Verläufe sind typisch – es plätschert ein bisschen vor sich hin, bis plötzlich jemand eskaliert. Entweder soll das dann ein Bluff sein, oder der Bluff hat schon vorher stattgefunden. Hier heißt es ein bisschen mitzurechnen und die anderen gut einzuschätzen.

Ein gutes Bluffspiel baut die Spannung innerhalb der Partie oder zumindest innerhalb der Spielrunde langsam auf, so dass man entweder immer verzweifelter oder immer tollkühner blufft (und der Einsatz steigt). Das ist in Bluff im Zoo wunderbar umgesetzt. Anders als in anderen Bluffspielen, die ich kenne, hat halt jede/r etwas in den Topf gelegt und muss über den gesamten Topf spekulieren. Einen Teil davon kennt man und kann ihn einschätzen, beim Rest muss man sinnvoll vermuten. Das ist ein wunderbarer Nervenkitzel.
Ebenfalls innovativ ist es, dass man nicht zwangsläufig eine Karte aus der Hand spielen muss. Eine Karte vom Stapel zu ziehen ist außer bei einem noch sehr kleinen Stapel eine ziemliche Verzweiflungstat. Keine Karte aus der Hand zu spielen ein Zeichen großer Coolness. Durch diese Züge hat man aber jeweils eine Karte mehr auf der Hand als die anderen (sofern sie es einem nicht nachmachen), was ein großer Vorteil sein kann.
Bluff im Zoo funktioniert in meinen Augen am besten zu dritt, sehr gut zu zweit und gut zu viert. Zu fünft oder sechst (laut Angabe auf der Schachtel möglich) taugt es für mich gar nichts, weil der eigene Anteil am Stapel so winzig ist, dass man gar nichts sinnvoll sagen kann, und man bei sehr nervösen Mitspieler/innen oft nur eine einzige Karte gespielt hat, bis der erste Zweifel kommt. Das ist völlig unbefriedigend, und warum diese Angabe für die Spieler/innenzahl gewählt wurde, ist mir schleierhaft.
Bluff im Zoo punktet also mit einem schnellen Spannungsaufbau und hat ein paar durchaus innovative Mechanismen. Und es gibt genügend Lacher. Schwächen sehe ich dagegen kaum. Der deutsche Titel ist furchtbar, denn er klingt einfach zu ähnlich wie das legendäre Zoff im Zoo, das ein völlig anderer Spieltyp ist. Die Grafik ist für Europäer/innen etwas gewöhnungsbedürftig, das ist halt dem taiwanischen Geschmack angepasst und nicht dem deutschen. Damit kann ich selbst aber ganz gut leben. Und natürlich ist es in Deutschland nicht so völlig einfach zu bekommen.
Dafür gibt es jetzt bei Zoch ein deutsches Spiel namens YAK, das auf der Basis von Bluff im Zoo funktioniert. In meinen Augen ist es allerdings doch etwas anderes als eine bloße Neuauflage, denn einige der innovativeren Mechanismen sind getilgt worden. So zieht man am Ende des Zuges nach und muss immer eine Karte aus der Hand spielen. Gespielt wird einfach, bis der Stapel aufgebraucht ist. Das mag durchaus Spaß machen (ich hatte noch keine Gelegenheit, es auszuprobieren) und vielleicht auch massenmarkttauglicher sein, aber mir würde wohl etwas dabei fehlen, weil ich das Original kenne. Andererseits hindert einen natürlich auch nichts weiter daran, YAK mit den Bluff-im-Zoo-Regeln zu spielen, denn das Material ist das Gleiche. Ob sich Zoch einen echten Gefallen mit den Änderungen getan hat, weiß ich nicht, denn YAK scheint nicht unbedingt in aller Munde zu sein. Schlecht ist es aber im Zweifelsfall auch nicht.

Wer Bluffspiele mag, sollte auch diesem eine Chance geben. Der Nervenkitzel ist sein Geld allemal wert.

Gesamtwerung: 8/10

Bluff im Zoo ( 動物園吹牛)
für zwei bis vier (offiziell bis sechs) Spieler/innen
von Bono Light (陳小光)
Illustrationen: Mozi
Verlag: Swan Panasia, 2013

YAK
Illustrationen: Gabriela Silveira
Verlag: Zoch, 2015