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Hände hoch! Pfoten weg!

Für Spieleautor/innen ist es sehr schwierig, etwas wirklich Neues zu erfinden. Die meisten Spiele sind Weiterentwicklungen von bekannten Ideen, in mindestens einigen Aspekten. Also klebt man als Renzensent ein Label drauf: Stichspiel, Bluffspiel, erinnert an Diesundjenes, für Liebhaber/innen von Ihrwisstschon. Ab und zu wird ein innovatives Spiel selbst zum Kategorien definierenden Trendsetter, wie etwa Caylus für die Worker-Placement-Spiele, Dominion für die Deckbuilder oder Love Letter für die Mikrospiele und zuletzt Risk Legacy für die Legacy-Spiele. Aber das passiert bestenfalls alle paar Jahre mal. Ja, und dann hat man plötzlich doch ein Spiel in der Hand, das in keine Kategorie zu passen scheint und das einen an schlicht gar nichts erinnert. Man schaut einigermaßen verständnislos in die Regel und muss erstmal das Spielmaterial vor sich ausbreiten, um überhaupt zu erahnen, worum es geht. Ein solches Spiel möchte ich heute besprechen, nämlich Hand Made Wonders von Bono Light (陳小光).

Hand Made Wonders
Das Cover

Als ich das Spiel erstmals in den Händen hielt, war ich gleich begeistert von der Titelgrafik, bei der das Kolosseum aus einer Hand gebildet wird. Auch das ist eine Illustration, die aus dem Rahmen fällt, während ich Illustrationen von deutschen oder sonstigen westlichen Spielen oft wenig inspirierend finde (von Hand Made Wonders ist übrigens soeben eine polnische Neuauflage erschienen, die eine für mich völlig nichtssagende Titelgrafik ziert).

Erstes ungewöhnliches Spielelement sind Armbänder in drei Farben. Je nach Zahl der Spielenden werden diese verteilt, und man macht sich an jedes Handgelenk eins (die beiden haben immer verschiedene Farben). Dann gibt es Bauwerkkarten, die auf der Rückseite mit II, III, IV oder V markiert sind. Sie werden nach Nummern getrennt gemischt und von jeder Zahl wird eine aufgedeckt.

Spielmaterial
Spielmaterial

Auf Kommando streckt nun jede/r einen beliebigen Arm vor, zählt durch, wie viele Armbänder mit der gleichen Farbe zu sehen sind und bildet mit deren Spieler/innen ein Team, das das Gebäude auf der Karte mit der entsprechenden Nummer mit den ausgestreckten Händen nachbilden muss. Wer damit fertig ist, ruft „Stop!“ Ist das Gebäude korrekt errichtet, bekommen die beteiligten Spieler/innen jeweils eine Belohnungskarte für den rechten oder linken Arm, je nachdem, welchen sie benutzt haben. Wer zuerst drei Links- und drei Rechts-Karten gesammelt hat, gewinnt das Spiel.

Sollte man allein in einem Team sein, muss man eine spezielle Mission erfüllen. Dafür muss man ein Symbol auf der aktuellen Karte mit der II suchen, dann solange Karten aus einer speziellen Auslage umdrehen, bis man die Karten mit dem entsprechenden Symbol gefunden hat, und schließlich mit einer Hand die entsprechende Haltung einnehmen.

Einige der Bauwerkkarten
Einige der Bauwerkkarten

Und? Macht das Spaß?

Auf alle Fälle. Das Spiel ist laut, hektisch und chaotisch. Auf Kommando schießen lauter Hände nach vorn, und während einige Spieler/innen noch verzweifelt nachzählen und versuchen, ihr Team und ihre Aufgabe zu finden, sind andere schon dabei, irgendwelche Bauwerke zu formen und gleichzeitig ihre Teammitglieder zu instruieren, was sie machen sollen. Man ist eigentlich ständig damit beschäftigt, lauter Dinge gleichzeitig zu machen, und eine verbale Koordination ist schwierig. Da hält jemand eine flache Hand über den Tisch, ich halte meine Hand in irgendeinem Winkel daran, um weiterzubauen und stelle fest, dass der/diejenige im Glauben, im anderen Team zu sein und etwas ganz anderes bauen zu müssen, die Hand wieder wegzieht, mich womöglich noch schief anguckt und wir nun gemeinsam versuchen, herauszufinden, was gerade Sache ist. Inzwischen macht das das andere Team natürlich auch, und es gibt ein wildes Durcheinander mit viel Gelächter.

Während es in den ersten Runden noch ziemlich zufällig ist, wie die Teams aussehen, gibt es gegen Ende des Spiels erste Hinweise, weil jemandem eben noch eine bestimmte Karte fehlt und man sich einigermaßen drauf verlassen kann, dass er oder sie die entsprechende Hand wählt. Um das wirklich zu verfolgen und zu nutzen, geht das Spiel aber eigentlich viel zu schnell voran, und so wird daraus einfach eine zusätzliche Sache, die man im Auge zu behalten versucht. Ich selbst habe dabei eine ganze Menge Pläne verhunzt, und kann nicht behaupten, dass ich ein besonders guter Spieler bei Hand Made Wonders wäre. Vielleicht lösen meine bescheidenen Fähigkeiten einfach immer mehr Herumdenken aus, was manchmal alles noch schlimmer macht. Trotzdem hatte ich viel zu lachen und wäre jederzeit wieder bei einer Partie dabei.

Doch bei aller Innovation: Ob ich das in einigen Jahren noch regelmäßig spielen werde, weiß ich nicht. Es ist durchaus ein anstrengendes Spiel, trotz des hohen Spaßfaktors. Ich kann es daher vor allem denen empfehlen, die etwas wirklich radikal Neues kennen lernen möchten und nicht davor zurückschrecken, mal ein bisschen die Sau rauszulassen.

Gesamteindruck: 7/10

Hand Made Wonders (手造奇觀) (Link zum BGG-Eintrag)
für 4 bis 8 Spieler/innen – am besten viele!
von Bono Light (陳小光)
Illustrationen: Yun Long
Auf Chinesisch erschienen bei TwoPlus Games, 2014 auf Polnisch bei Portal Games unter dem Namen Rączki Złączki. Englische Regeln gibt’s im Netz.

Hasen sind keine Elefanten. Oder jedenfalls nicht so viele.

Im Frühjahr 2012 war ich für ein paar Wochen in Taiwan, und ich wollte die Gelegenheit nutzen, mich mal mit ein paar taiwanischen Autoren zu treffen. Der Boardgamegeek-User Smoox (denen, die sich für taiwanische Spiele interessieren, sicherlich gut bekannt) war so nett, zwei Treffen für mich zu organisieren. Das eine davon fand in einem Spielecafe in Taichung statt, wo ich mich mit Bono Light (陳小光) traf, der mir zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannt war. Wir hatten ein spannendes Gespräch, haben ein Spiel von mir gespielt, und schließlich zeigte er mir noch einen Protoypen eines Kartenspiels, das er gemacht hatte und das von Swan Panasia bereits zur Veröffentlichung angenommen worden war (bis zur Veröffentlichung aber noch eine ganze Weile brauchte). Es handelte sich um ein kleines Bluffspiel namens Bluff im Zoo (動物園吹牛), und wir spielten eine Runde zu zweit. Ich tat das, was mir sinnvoll erschien und wurde derartig über den Tisch gezogen, dass ich sofort fasziniert war.
Wir blieben dann in Kontakt und als das Erscheinen nach Monaten immer noch nicht in Sicht war, bettelte ich ihn um einen Prototypen an, einmal, um das Spiel selbst wieder spielen zu können, zum anderen, weil ich dachte, dass ich ja auch mal bei deutschen Verlagen ein bisschen Werbung dafür machen könnte. Bald darauf begann ich also meine Versuche, das Spiel in Deutschland bekannt zu machen. Ich zeigte es auf dem Spieleautorentreffen in Göttingen ein paar Verlagen und bekam insgesamt gute Rückmeldungen, landete aber leider keinen Treffer („schön, aber gerade nicht das, was wir suchen“, „Bluffspiele haben wir schon genug“, „das ist mir jetzt zu kompliziert“). 2013 bekam ich in Essen einen Stapel Exemplare der Swan-Ausgabe, für die ich die Regeln übersetzt hatte. Als ich es 2014 erneut versuchte, bekam ich dann schon zu hören, dass ich zu spät sei und Zoch sich die Rechte geangelt hätte. Also einer der wenigen größeren Verlage, denen ich es nicht gezeigt hatte (sie waren offenbar direkt über Swan Panasia gegangen, sonst hätte ich es vielleicht schon früher erfahren). Wie auch immer, ich freute mich, dass es von diesem tollen Spiel eine deutsche Ausgabe geben würde.

Das Cover von Bluff im Zoo

Aber worum geht es denn nun?
Die Spieler/innen treffen sich nach einem Zoobesuch und prahlen damit, wie viele Tiere sie gesehen haben, und wie groß diese Tiere doch waren. Dabei muss man einander immer überbieten – entweder, indem man behauptet, mehr Tiere gesehen zu haben als der oder die Vorgänger/in, oder indem man behauptet, mindestens gleich viele, aber größere Tiere gesehen zu haben. Das geht so lange weiter, bis jemand die Geschichte des Vorgängers/der Vorgängerin anzweifelt. Dann wird geprüft, ob im Zoo wirklich so viele Tiere der angegebenen Tierart waren, und entweder Zweifler/in oder Angezweifelte/r bekommen Strafkarten.
Im Einzelnen funktioniert das so:
Man bekommt fünf Karten auf die Hand. Auf den normalen Karten sind immer ein bis drei Tiere von einer der fünf Tierarten (Maus, Hase, Fuchs, Löwe, Elefant) zu sehen. Außerdem gibt es Jokerkarten (mit ein oder zwei Tieren einer beliebig wählbaren Art) und Spezialkarten (dazu später mehr). Wer dran ist, wählt zwischen folgenden Zugmöglichkeiten:
– Eine Karte aus der Hand verdeckt auf den Tisch spielen und eine Anzahl und eine Tierart ansagen. Bei der ersten Karte muss die Anzahl eins sein, bei den folgenden Karten muss man die vorherige Ansage überbieten (entweder mit einer höheren Zahl oder mit der gleichen Zahl und einem größeren Tier).
– Eine Karte vom Stapel ziehen, ansehen und verdeckt auf den Tisch spielen (Rest wie oben)
– Gar keine Karte spielen und die Ansage erhöhen
– Anzweifeln, dass die aktuelle Aussage stimmt. Dann werden alle Karten in der Mitte umgedreht, sie bilden den Zoo. Wenn mindestens so viele Tiere der angesagten Art vorhanden sind, wie angegeben, nimmt der /die Zweiflerin den gesamten Zoostapel als Minuspunkte, sind es weniger, bekommt der/die Angezweifelte den Stapel.
Achtung: Nachgezogen wird nicht. Wer keine Karten mehr hat, kann die erste Möglichkeit nicht mehr wählen. Erst nach einem Zweifel füllen alle ihre Handkarten wieder auf fünf auf und eine neue Runde beginnt.
Gespielt wird, bis jemand 30 Minuspunkte gesammelt hat. Wer dann die wenigsten Punkte hat, gewinnt das Spiel.

So weit so gut – aber das ist noch nicht alles. Es gibt da noch drei Sonderkarten. Eine macht aus allen Karten Einer-Karten, eine wandelt alle Karten in welche von der Sorte um, die gerade angesagt wurde, und die Stopschildkarten neutralisieren die beiden anderen Sonderkarten (oder einander, wenn eine gerade Anzahl von ihnen im Stapel liegt).

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Eine typische Runde könnte ungefähr folgendermaßen laufen:
A (spielt eine Karte vom Stapel): „Eine Maus.“
B (spielt eine Karte aus der Hand): „Ein Fuchs.“
C (spielt eine Karte aus der Hand): „Zwei Mäuse.“
A (spielt eine Karte aus der Hand): „Drei Mäuse.“
B (spielt nichts): „Drei Füchse.“
C: (spielt eine Karte aus der Hand): „Drei Löwen.“
A (spielt eine Karte aus der Hand): „Acht Löwen.“
B: „Zweifel…“
Acht Löwen sind in dieser Runde aber durchaus realistisch, wenn A zum Beispiel im ersten Zug eine Umwandlungskarten gespielt hat, die alle Tiere in Löwen verwandelt, oder auch nur selbst drei Löwen und zwei Joker (und C glaubt). Solche Verläufe sind typisch – es plätschert ein bisschen vor sich hin, bis plötzlich jemand eskaliert. Entweder soll das dann ein Bluff sein, oder der Bluff hat schon vorher stattgefunden. Hier heißt es ein bisschen mitzurechnen und die anderen gut einzuschätzen.

Ein gutes Bluffspiel baut die Spannung innerhalb der Partie oder zumindest innerhalb der Spielrunde langsam auf, so dass man entweder immer verzweifelter oder immer tollkühner blufft (und der Einsatz steigt). Das ist in Bluff im Zoo wunderbar umgesetzt. Anders als in anderen Bluffspielen, die ich kenne, hat halt jede/r etwas in den Topf gelegt und muss über den gesamten Topf spekulieren. Einen Teil davon kennt man und kann ihn einschätzen, beim Rest muss man sinnvoll vermuten. Das ist ein wunderbarer Nervenkitzel.
Ebenfalls innovativ ist es, dass man nicht zwangsläufig eine Karte aus der Hand spielen muss. Eine Karte vom Stapel zu ziehen ist außer bei einem noch sehr kleinen Stapel eine ziemliche Verzweiflungstat. Keine Karte aus der Hand zu spielen ein Zeichen großer Coolness. Durch diese Züge hat man aber jeweils eine Karte mehr auf der Hand als die anderen (sofern sie es einem nicht nachmachen), was ein großer Vorteil sein kann.
Bluff im Zoo funktioniert in meinen Augen am besten zu dritt, sehr gut zu zweit und gut zu viert. Zu fünft oder sechst (laut Angabe auf der Schachtel möglich) taugt es für mich gar nichts, weil der eigene Anteil am Stapel so winzig ist, dass man gar nichts sinnvoll sagen kann, und man bei sehr nervösen Mitspieler/innen oft nur eine einzige Karte gespielt hat, bis der erste Zweifel kommt. Das ist völlig unbefriedigend, und warum diese Angabe für die Spieler/innenzahl gewählt wurde, ist mir schleierhaft.
Bluff im Zoo punktet also mit einem schnellen Spannungsaufbau und hat ein paar durchaus innovative Mechanismen. Und es gibt genügend Lacher. Schwächen sehe ich dagegen kaum. Der deutsche Titel ist furchtbar, denn er klingt einfach zu ähnlich wie das legendäre Zoff im Zoo, das ein völlig anderer Spieltyp ist. Die Grafik ist für Europäer/innen etwas gewöhnungsbedürftig, das ist halt dem taiwanischen Geschmack angepasst und nicht dem deutschen. Damit kann ich selbst aber ganz gut leben. Und natürlich ist es in Deutschland nicht so völlig einfach zu bekommen.
Dafür gibt es jetzt bei Zoch ein deutsches Spiel namens YAK, das auf der Basis von Bluff im Zoo funktioniert. In meinen Augen ist es allerdings doch etwas anderes als eine bloße Neuauflage, denn einige der innovativeren Mechanismen sind getilgt worden. So zieht man am Ende des Zuges nach und muss immer eine Karte aus der Hand spielen. Gespielt wird einfach, bis der Stapel aufgebraucht ist. Das mag durchaus Spaß machen (ich hatte noch keine Gelegenheit, es auszuprobieren) und vielleicht auch massenmarkttauglicher sein, aber mir würde wohl etwas dabei fehlen, weil ich das Original kenne. Andererseits hindert einen natürlich auch nichts weiter daran, YAK mit den Bluff-im-Zoo-Regeln zu spielen, denn das Material ist das Gleiche. Ob sich Zoch einen echten Gefallen mit den Änderungen getan hat, weiß ich nicht, denn YAK scheint nicht unbedingt in aller Munde zu sein. Schlecht ist es aber im Zweifelsfall auch nicht.

Wer Bluffspiele mag, sollte auch diesem eine Chance geben. Der Nervenkitzel ist sein Geld allemal wert.

Gesamtwerung: 8/10

Bluff im Zoo ( 動物園吹牛)
für zwei bis vier (offiziell bis sechs) Spieler/innen
von Bono Light (陳小光)
Illustrationen: Mozi
Verlag: Swan Panasia, 2013

YAK
Illustrationen: Gabriela Silveira
Verlag: Zoch, 2015

Im Garten des Herrn Friese

Wenn Friedemann Friese eins seiner eigenen Spiele verlegt, kommen im Titel nur Wörter vor, die mit „F“ anfangen. Auch in fremden Verlagen kommt er damit gelegentlich durch, aber nicht immer. Eins seiner weniger bekannten Spiele fiel mir letztes Jahr als Geschenk von einem niederländischen Freund in die Hände, und es fällt mir fast schwer, den Titel „Spring Fever“, der auf der Packung steht, zu verwenden. Es ist einfach zu klar, dass das Spiel mal Frühlingsfieber hätte heißen sollen. Na ja, immerhin heißt der Verlag Filosofía.

Spring Fever ist ein Spiel, wie ich es mag: Klein, ansprechend illustriert, simple Regeln, recht kurze Spieldauer (20-30 Minuten), trotzdem ein tolles Spielgefühl, genügend Interaktion und die Möglichkeit, es locker aus dem Bauch heraus oder eher berechnend anzugehen. Gelegentliche Lacher fehlen auch nicht. Warum es sich dennoch auf dem deutschen Markt nicht recht durchgesetzt hat, weiß ich nicht, die Ausgabe, die ich habe, enthält englische, französische und deutsche Regeln, und das Spiel selbst ist ohnehin sprachunabhängig.

Spring Fever

Worum geht’s? Spring Fever ist ein typisches Bluffspiel, bei dem man einen Garten mit möglichst vielen Blumen und möglichst wenigen Schnecken bestücken möchte. Es besteht aus 60 Karten, von denen die eine Hälfte Blumen zeigt (jeweils mit einem Wert von 3 Punkten), die andere Hälfte Schnecken (mit Werten von -1 bis -10 in abgestufter Häufigkeit). Zu Beginn bekommt jede/r eine Blume und legt sie vor sich aus. Vier Karten kommen verdeckt in die Schachtel, und dann kann’s auch schon losgehen.

Ein/e Startspieler/in wird bestimmt, zieht 4 Karten vom Stapel, sieht sie sich an und legt dann die schlechteste davon (also die mit dem niedrigsten Wert) offen in den eigenen Garten. Anschließend gibt er/sie die restlichen drei Karten im Uhrzeigersinn weiter. Der/die nächste kann nun glauben, dass die ausgelegte Karte wirklich die schlechteste war, eine neue vierte Karte ziehen und selbst ebenfalls die schlechteste Karte auslegen. Oder zweifeln, also die drei Karten aufdecken und kontrollieren. War der Zweifel berechtigt, bekommt der/die Übeltäter/in alle verbliebenen Schneckenkarten (aus den drei Handkarten) in die Auslage und zusätzlich die schlimmste Schnecke des Zweiflers oder der Zweiflerin (oder muss eine Blume an diese/n abgeben). Dann werden die Handkarten wieder auf vier aufgefüllt und weitergegeben. Das geht solange weiter, bis der Stapel aufgebraucht ist. Wer dann den schönsten Blumengarten (mit den meisten Punkten) vor sich liegen hat, gewinnt das Spiel. Das ist alles.

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Macht das Spaß? Das kommt darauf an, ob man Bluffspiele insgesamt mag. Entscheidend für ein gutes Bluffspiel ist, dass sich die Spannung hochschaukelt und dass man mehr und mehr Informationen oder zumindest Gedankengänge zu einem einzelnen Spielzug hat. Den Titel „Mutter aller Bluffspiele“ teilen sich in meinen Augen Rüdiger Koltzes Kuhhandel und Jacques Zeimets Kakerlakenpoker, die das perfekt umsetzen und überhaupt zu meinen Lieblingsspielen gehören. Auch Heimlich & Co von Wolfgang Kramer ist natürlich klasse, für mich besonders in der Urversion. Ebenfalls ganz stark finde ich Bono Lights Bluff im Zoo, das hierzulande in einer deutlich entschärften Version als YAK erschienen ist (dazu schreibe ich vielleicht auch noch mal was). Ein Spiel wie Mäxchen in seinen diversen Varianten hingegen langweilt mich schnell, weil es sich einfach immer nur wiederholt und man in vielen Situationen zum Bluffen gezwungen ist, anstatt das selbst gezielt einsetzen zu können.
Spring Fever ist hier zwar nicht ganz oben auf dem Treppchen anzusiedeln, aber ein durchaus sehr respektabler Vertreter seines Genres. Wenn ich eine fiese Schnecke gereicht bekomme, kann ich zwar eine andere Karte legen und sie weitergeben. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass sie schon einmal ganz um den Tisch gewandert ist und mein/e link/e Nachbar/in also von ihrer Existenz weiß? Hier heißt es beobachten, unbeteiligt wirken, hier und da mal ungewöhnliche Vorgehensweisen wählen, um nicht berechenbar zu werden.

Man mag an Spring Fever kritisieren, dass Bluffs wie auch Zweifel manchmal nicht mehr sinnvoll erscheinen, weil der/die Nachbar/in so viel schlimmere Schnecken im Garten liegen hat als man selbst, so dass es das Risiko einfach nicht wert erscheinen lässt. Dieses Problem tritt tatsächlich gelegentlich auf, aber es lässt sich durchaus hier und da aushebeln, wenn man eben darum weiß (also den Spielverlauf gut beobachtet und das Risiko im richtigen Moment eingeht). Und dann kann sich der Punktestand mit einem Zug so stark verschieben, dass sich eine ganz neue Konstellation auftut. Das lernt man nicht unbedingt in der ersten Partie, aber der Wiederspielreiz war für uns groß genug, um mittlerweile besser zu werden.

Die Grafik des Spiels stammt von Olivier Fagnère und gefällt mir gut, wenn ich auch nicht unbedingt immer über den Tisch hinweg auf einen Blick erkennen kann, wie viele Schneckenpunkte schon vor jemandem liegen. Die Schachtel ist so klein, dass sie wohl in so ziemlich jedem Spieleregal noch Platz finden dürfte. Fans des Bluffspielgenres kann man hier also bedenkenlos zum Kauf raten (zumal das Spiel sehr günstig zu haben ist).

Gesamtwertung: 8/10

Spring Fever
von Friedemann Friese
für 3 bis 6 Personen ab 8 Jahren
Illustrationen von Olivier Fagnère
erschienen bei Filosofía