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Zehn Zwerge im Vampirschloss

Was macht man, wenn man gegen elf Uhr nachts merkt, dass man in einem Vampirschloss eingesperrt ist und nur eine Stunde Zeit hat, bevor der böse Hausherr erwacht und einem das Blut aussaugt? Ganz klar: Man sammelt Paare von Kerzen, Masken, Schlüsseln und Büchern und entkommt damit aus dem Schloss. So ungefähr jedenfalls funktioniert die Geschichte von Nightmare Castle, einem kleinen, unscheinbaren Spiel aus Taiwan, das ich mir neulich auf den Bremer Spieletagen zugelegt hatte.

Nightmare Castle

Worum geht’s?

Das Spiel besteht vor allem aus 16 Karten mit vier Motiven, von denen es jeweils zwei weiße und zwei schwarze Karten gibt. Dazu gibt es noch eine Uhrentafel und ein paar Blutstropfenmarker.
Die Karten werden gemischt und verdeckt in vier Viererreihen ausgelegt. Wer dran ist, hat zwei Möglichkeiten:
– Man kann sich zwei Karten ansehen und anschließend eine Aussage über genau eine Gemeinsamkeit beliebig vieler Karten treffen, zum Beispiel „diese Karten sind schwarz“ oder „diese Karten sind Masken“.
– Man kann zwei Karten aufdecken. Sind sie genau gleich, bleiben sie offen liegen und man hat einen weiteren Zug. Sind sie allerdings nicht gleich, werden sie wieder umgedreht und ein Blutstropfen auf die Uhr gelegt.

Nach jedem Zug wird der Zeiger der Uhr um fünf Minuten vorangestellt. Um Mitternacht wacht der Vampir auf und alles ist aus – bis dahin sollte man dafür gesorgt haben, dass alle Karten offen liegen. Dann kann man aus dem Schloss entkommen und hat gewonnen. Schafft man das nicht, hat man verloren. Wenn allerdings drei Blutstropfen auf der Uhr liegen, wird der Vampir vom Geruch des Blutes vorzeitig geweckt und aaarghschmatzschlürf.

Den Schwierigkeitsgrad des Spieles kann man justieren, indem man entweder nicht genau um 11 Uhr beginnt, oder indem man je eine der beiliegenden Charakterkarten austeilt, die einmal im Spielverlauf eine Spezialfertigkeit einsetzen können.

Und? Macht das Spaß?

Meine Güte, habe ich dieses Spiel unterschätzt. Bei der ersten Partie zu viert hatten wir das Rätsel mit dem letzten möglichen Zug gelöst und uns damit unter maximaler Anspannung aus der Affäre gezogen. Das hatte uns gut gefallen. Als nächstes probierten wir es mal zu zweit aus, und das war derartig einfach, dass sich mir nicht recht erschließt, wie man das ernsthaft als Variante in Betracht ziehen kann. Zwar lässt sich die Schwierigkeit noch ein bisschen verstellen, aber zu zweit rockte es einfach nicht. Und da dachte ich mir, na ja, das läuft sich schnell tot und ist wahrscheinlich nur mit auf vier Spieler/innen ausgewogen oder sowas.
Zum Glück ließ ich dann nicht locker und gab dem Spiel weitere Chancen – und stellte fest, dass wir eigentlich sowohl zu dritt als auch zu viert immer gleich mehrere Partien hintereinander weggespielt haben (auch wenn sich bei der dritten Partie dann die Informationen im Kopf ein bisschen vermischen, was es nicht einfacher macht). Es kam ein richtiggehender Suchtfaktor auf, und ich habe dann auch gemerkt, dass die Zwei-Personen-Variante in der ersten Auflage gar nicht vorgesehen gewesen war. Wahrscheinlich hätte man die in der Tat am besten rausgelassen. Spaß macht es erst zu mehreren. Grundsätzlich wird es umso schwieriger, je mehr Leute beteiligt sind. Unter Umständen muss man dann auch mal mutwillig was Falsches aufdecken und einen Blutstropfen riskieren, um Informationen offenzulegen.

Fünf Spieler/innen ist sicherlich keine ideale Zahl zum Spielen, wenn 12 Züge zu verteilen sind. Das Spiel ist zwar kooperativ, aber es wäre insbesondere beim Spielen mit Kindern schwer vermittelbar, dass nicht jede/r gleich oft dran ist. Zu sechst erfordert es extrem gute Kooperation, oder aber man spielt mit den Charakterkarten. Da muss man halt sehen, wie gut die Gruppe zusammenarbeitet.

Eine größere Unklarheit ist in der Regel enthalten – es wird nämlich nicht beschrieben, wie man ein Pärchen aufdecken muss. Muss man zuerst beide Karten ansagen und dann umdrehen? Oder kann man erst eine Karte umdrehen und dann die zweite? Das macht einen ziemlich erheblichen Unterschied aus. Wir haben es auf die zweite Weise gespielt, aber man kann den Schwierigkeitsgrad auch dadurch steigern, dass man sich auf erstere Variante einigt.

Noch einen großen Pluspunkt möchte ich dafür vergeben, dass der Autor seine Vorbilder nennt – inspiriert wurde Nightmare Castle von Hanabi und Gespensterturm, zwei Spielen, die ich sehr schätze. Hanabi dauert klar länger als Nightmare Castle, während Gespensterturm als Kinderspiel konzipiert ist. Nightmare Castle versucht also, schneller als Hanabi und erwachsener als Gespensterturm daherzukommen, und das gelingt auch. Ob sich in diesem Segment eine größere Zielgruppe befindet? Für diejenigen, die von Hanabi thematisch nicht so angesprochen waren, mag es das Richtige sein, außerdem fühlt es sich noch kooperativer an als Hanabi, wo man in einem Zug in der Regel nur mit einer anderen Person interagiert. Ein Nachteil gegenüber Hanabi ist vielleicht das „Alles oder nichts“-Konzept. Bei Hanabi kann man seine Punktwertung langsam steigern, während man bei Nightmare Castle eben entweder gewinnt oder verliert. Aber wer wirklich Wert auf solche Details legt, kann sich dann eben einfach dran freuen, das Schloss bereits ein paar Runden vor dem bitteren Ende verlassen zu haben.

Und was hat das jetzt mit zehn Zwergen zu tun?

Von Auto Chu-Lan Kao gibt es noch ein weiteres Spiel namens 10 Dwarves, das ich schon vor einiger Zeit kennen gelernt hatte und das schon in meiner Rezensionsschlange stand. Es ist klar zu erkennen, dass die beiden Spiele aus der gleichen Idee erwachsen sind. Bei 10 Dwarves kommen zehn Zwerge aus dem Bergwerk und Schneewittchen hat sie durchnummeriert, damit sich niemand vor dem Essen ums Händewaschen drücken kann. Jetzt müssen sie alle in der richtigen Reihenfolge zum Händewaschen antreten. Es geht also darum, die zehn Karten in der richtigen Reihenfolge aufzudecken. Zuerst liegen alle zehn Karten verdeckt in der Mitte. Wer dran ist, kann entweder einen Zwerg aufdecken, der vor einem/einer anderen Spieler/in liegt (das muss aber der nächste in der Reihenfolge sein, sonst ist das Spiel sofort verloren), oder aber zwei Karten aus der Mitte angucken und eine davon verdeckt vor sich hinlegen. Am Endes seines Zuges macht man eine Aussage der Art: „Diese Karte ist kleiner als diese Karte“. Wenn in der Mitte keine Karten mehr liegen, kann man nur noch aufdecken und sollte sich zu diesem Zeitpunkt darüber im Klaren sein, was wo liegt.

10 Dwarves ist etwas simpler als Nightmare Castle und spricht thematisch wahrscheinlich auch weniger Leute an. Dafür gefällt mir die Idee mit dem Größenvergleich besonders gut, das ermöglicht eine besondere Art der Detektivarbeit. Wenn man zum Beispiel auf eine Karte zeigt, die man kennt und auf eine, die man nicht kennt, und dann sagt, dass erstere kleiner ist als die zweitere, dann wissen alle, dass die erste Karte die kleinste noch unbekannte Karte sein muss. Hier heißt es gut aufpassen, um nicht zu vergessen, was die anderen noch nicht kennen.
10 Dwarves funktioniert anders als Nightmare Castle auch prima zu zweit, ist aber mit mehr Spieler/innen auch noch ein bisschen interessanter. Es gibt auch Charakterkarten mit Sonderfertigkeiten (siehe Foto), mit denen man es sich etwas leichter machen kann, aber auch hier kann ich sagen, dass das Spiel gut ausbalanciert ist.

Insgesamt hat Chu-Lan Kao zwei gute Spiele vorgelegt, die man fast sofort losspielen kann und die in wenigen Minuten Spieldauer viel Spannung erzeugen können. Auch wenn sein Name in Deutschland vielleicht noch nicht so sehr bekannt ist, lohnt es sich doch, ein Auge auf ihn zu werfen – mit seinem Geruchs-Spiel The Perfumer hat er letztes Jahr in Essen ja schon ein bisschen Aufsehen erregt, und auch für 2017 sind noch einige Veröffentlichungen von ihm angekündigt.

Gesamteindruck: 8/10

Nightmare Castle (厄夜魔堡)
für 2 bis 6 Leute (aber nicht sehr empfehlenswert zu zweit)
von Chu-Lan Kao (高竹嵐)
Illustrationen von 張志柔 und 梁曉藝
Swan Panasia, 2015

10 Dwarves (矮人十兄弟)
für 2 bis 4 Leute
von Chu-Lan Kao (高竹嵐)
Illustrationen von Kachalova Kseniia
Swan Panasia, 2015