Ich hatte zuletzt ja schon über ein Spiel mit Heiratsanträgen geschrieben. Da schiebe ich prompt noch eins mit dem gleichen Thema nach – aber unterschiedlicher könnten die beiden nicht sein, denn diesmal ist die Rede von einem Spiel mit so absurder Thematik, dass man da wirklich nicht von einem perfekten Zusammenspiel zwischen Thema und Mechanismen sprechen kann. Gemeint ist das taiwanische Spiel Tofu Kingdom.
Der Prinz des Mochi-Königreichs1 zieht ins Tofu-Königreich, um der lieblichen Prinzessin Tofu einen Heiratsantrag zu machen. Diese ist ein wenig einsam, seit ihr Vater, der König, von ihrer Stiefmutter vergiftet wurde. Nur ein einziger Freund, der treue Tofukoch, ist ihr geblieben. Die böse Königin hat sich allerdings einen teuflischen Plan ausgedacht – sie zwingt den Prinzen, vor lauter verschleierte Leute zu treten und mit ein paar simplen Fragen herauszufinden, wer die Prinzessin ist. Dann muss er einer Person einen Heiratsantrag machen und hoffen, dass er die richtige erwischt hat. Das Kalkül der Königin: Mit der richtigen Unterstützung kann sie sich den Prinzen selbst angeln. Ihr zur Seite stehen der Tofuminister und die Tofuwache, die ihr treu ergeben sind. Mit einer Allianz zwischen Tofu-Königreich und Mochi-Königreich gar nicht einverstanden ist die Prinzessin des Pudding-Königreiches. Diese schlüpft in Männerkleidung und schleicht sich ins Tofu-Königreich, um Verwirrung zu stiften, damit aus der Verbindung von Tofu- und Mochi-Königreich gar nichts wird. Ihre einzige Verbündete ist die Tofu-Magd.
Außer den acht Rollenkarten, die jeweils bierdeckelgroß sind, befinden sich in der Schachtel nur noch ein paar Sojabohnenpunkte und die Spielregel.
Die Spieler/innen nehmen reihum die Rolle des Prinzen an und gehen aus dem Zimmer oder drehen sich um, während die sonstigen Rollenkarten unter den anderen Spieler/innen verteilt werden. Eventuell überzählige kommen in die Mitte. Wenn alle außer dem Prinzen alle Rollen gesehen haben, werden die Karten umgedreht und der Prinz betritt das Tofu-Königreich. Er kann nun jeder/jedem eine der folgenden Fragen stellen:
– „Wer ist die Prinzessin?“
– „Wer bist du?“
– „Wer ist das da? (dabei zeigt er auf eine/n Spieler/in oder auf eine der Karten in der Mitte).
Nachdem jede/r eine Frage bekommen hat, stellt der Prinz noch eine einzige weitere Frage an irgendjemanden und deckt dann die Rollenkarte auf, die er als Prinzessin ausgemacht hat. Liegt er richtig, punktet er gemeinsam mit Prinzessin und Tofukoch, deckt er die Königin auf, punktet diese gemeinsam mit Minister und Wache, und deckt er irgendjemanden sonst auf, punkten Puddingspion und Magd.
Bei der ganzen Fragerei ist zu beachten, dass Koch und Prinzessin immer die Wahrheit sagen und die Königin und ihre beiden Helfer immer lügen müssen. Spion und Magd können frei entscheiden, was sie tun.
Wer zuerst sieben Sojabohnenpunkte errungen hat, gewinnt das Spiel.
Ernsthaft jetzt?
Das Thema ist so albern (so absolut undeutsch) und hat gleichzeitig so unheimlich viel Stil, dass man jauchzen könnte. Die völlige Skurrilität des ganzen Pakets ist ein definitiver Pluspunkt, und da gibt es dann doch wieder eine Parallele zu Jane Austen’s Matchmaker. Irgendwelche Wikinger oder Cthulhu-Wesen oder sowas sucht man in beiden Spielen vergeblich, und das ist gut so.
Über die Originalität des Erscheinungsbildes hinaus steckt in Tofu Kingdom aber auch spielerisch eine ganze Menge mehr drin, als man auf den ersten Blick vermuten mag. Beim ersten Spielen sieht das alles noch ziemlich zufällig aus – insbesondere, wenn man nicht mit der vollen Besetzung von acht Leuten spielt. Es gibt aber eine Menge dazuzulernen. Trivial sind letztlich nur die Rollen des Pudding-Kochs und der Prinzessin – sie haben bei ihren Antworten keine Wahl. Aber schon die vermeintlich klare Rolle von Minister und Wache ist komplexer, als man denkt. Wenn beide bei der Frage nach der Prinzessin auf die Königin deuten (was die natürliche die erste Reaktion wäre), schöpft ein erfahrener Prinz gleich Verdacht, denn auf die wahre Prinzessin sollte ja eigentlich nur der Tofu-Koch deuten. Minister oder Wache können also auch auf jemand anderen zeigen, um glaubwürdiger zu sein. Das wiederum müssen Spion und Magd verhindern… und so weiter und so weiter. Was wie ein albernes Partyspiel daherkommt, gewinnt bei guter Konzentration aller Beteiligten erheblich an Tiefgang.
Das Spielen auf sieben Punkte ist etwas willkürlich, man freut sich letztlich über jeden kleinen Sieg. Ich glaube, es ist nur so festgelegt, um das Stehlen von Sojabohnenpunkten von anderen Leuten einzubringen (Minister und Spion tun das). An dieser Stelle sind die Regeln leider unklar – wenn einer dieser beiden in der ersten Runde erfolgreich ist, gibt es noch nichts zu stehlen. Wir haben uns drauf geeinigt, dass die beiden trotzdem Punkte kriegen, dann eben aus dem Vorrat. Ansonsten hätten sie einfach keinen Vorteil davon, ihre Rolle auszuspielen. Hier muss man eben eine Vereinbarung treffen.
Die Regeln für Tofu Kingdom gehören unter den Spielen mit verdeckten Rollen sicherlich zu den allereinfachsten. Ich bin beeindruckt darüber, was trotzdem drin steckt. Wirklich rund ist es mit voller Achterbesetzung. Darunter nimmt der Spielspaß etwas ab, und mit weniger als sechs Leuten würde ich es gar nicht mehr unbedingt empfehlen (obwohl meine Kinder es auch zu viert mögen). Wer gelegentlich mal acht Leute zusammen hat und nach einem lockeren Spiel zum Lachen sucht, kann mit Tofu Kingdom einen preisgünstigen Treffer landen.
Gesamteindruck: 7/10
Tofu Kingdom (豆腐王國)
von Kuraki Mura (倉木村)
für 3 bis 8 Leute (je mehr, desto besser)
Illustrationen von Lucy (嚕西)
Kuraki Mura B.G. Studio/Swan Panasia, 2015
1Mochi sind eine Art klebrige Reisbällchen.