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Der Prinz und der/die/das Aschenputtel

Heute werfen wir mal wieder einen Blick nach Japan. Dort gibt es nämlich nicht nur Prinzessinnen, in die man hoffnungslos verliebt sein kann, sondern auch Prinzen. Einer von diesen hat gerade angekündigt, Aschenputtel heiraten zu wollen. Leider kann er sich nicht mehr so genau daran erinnern, wie diese aussah. Also lässt er einfach herumfragen, ob jemand Aschenputtel kennt. Nun wittern diverse Leute ihre Chance und versuchen, ihre Diener/innen zu Aschenputtel zu erklären. Und vor allem, zu erklären, dass es die anderen Diener/innen auf keinen Fall sein können. Wenn es nur nicht so viele Aschenputtel gäbe…

Das Ganze heißt „Too Many Cinderellas“ (im japanischen Original: シンデレラが多すぎる) und ist ein Mikrospiel von Nobutake Dogen und Nao Shimamura, das 2014 bei Taikikennai Games erschienen ist. Eine leicht aufgemotzte Version erschien dann 2015 im australischen Verlag Grail Games (diese Rezension bezieht sich auf die japanische Ausgabe) .

Too Many Cinderellas
Das Cover der japanischen Ausgabe

Das Spiel besteht aus vier Sätzen Ja/Nein-Chips, einem neutralen Nein-Chip und 18 Karten mit Kandidat/innen für den Aschenputtel-Posten. Das sind Männer und Frauen jedweden Alters und Aussehens, und sogar eine Katze mit Perücke. Jede Karte hat bestimmte Eigenschaften, nämlich eine Altersgruppe, eine Haarfarbe und ein paar sonstige Dinge wie Lieblingsgetränk/Brille/Geschlecht und so weiter. Dazu gibt es eine Nummer von 1-18, die den Rang der Karte ausweist. Je kleiner die Zahl, desto höher der Rang. Und schließlich steht eine Aussage unten auf der Karte, die festlegt, wie Aschenputtel nicht ist.
Man bekommt einen Satz Chips und vier Karten auf die Hand. Zwei davon spielt man aus, zwei behält man. Ziel ist es, dass mindestens eine dieser Karten auf die am Ende feststehende Beschreibung von Aschenputtel passt. Sollte die Beschreibung gar auf mehrere Kandidat/innen passen, heiratet der Prinz die Person auf der Karte mit dem höchsten Rang.
Wer dran ist, spielt eine Karte und sagt die Aussage laut an. Zum Beispiel: Aschenputtel ist nicht blond. Dann geht es reihum, bis jede/r zwei Karten ausgespielt hat. Schließlich wird noch eine Karte vom verdeckten Stapel aufgedeckt und dazugelegt. Dann wird geguckt, ob die entstandene Beschreibung (zum Beispiel: Trinkt keinen Wein, trägt keine Brille, ist kein Mann, hat nicht die Nummern 1-4 und hat keine braunen Haare) auf eine auf der Hand verbliebene Karte passt (das ist die Siegbedingung. Bei Gleichstand zählt der höhere Rang). Sollte überhaupt niemand mehr eine passende Karte in der Hand haben, gewinnt, wer den höchsten Gesamtrang übrig hat.
Was macht man aber nun, wenn jemand eine Karte „Aschenputtel ist nicht blond“ spielt und man drei blonde Karten übrig hat? Dafür gibt es die Ja/Nein-Chips. Nach jeder ausgespielten Karte wählt man verdeckt einen seiner Chips aus und deckt ihn dann gleichzeitig mit den anderen Leuten auf. Ist ein Nein-Chip dabei, neutralisiert dieser die gerade ausgespielte Karte. Achtung: Man hat nur ein einziges Veto – ist der Nein-Chip einmal auf einer Karte gelandet, muss man fortan allen Behauptungen über Aschenputtel zustimmen. Kommt also eine Behauptung auf den Tisch, die mir nicht in den Kram passt, muss ich abwägen, ob ich mein „Nein“ opfere oder mir meinen Chip für möglicherweise noch unpassendere Aussagen aufhebe.

Aschenputtel hat keine schwarzen Haare, nicht die Nummer 1 bis 4, keine Brille und ist kein Mann. Die Katze sagt nichts.

Too Many Cinderellas ist eigentlich ein typischer Vertreter des Genres der Mikrospiele. Achtzehn Karten und ein paar Pappchips, zehn Minuten Spieldauer. Das ganze kommt in einer Schachtel daher, die halb so groß ist wie eine typische deutsche Kartenspielschachtel für Bohnanza oder Coloretto oder sowas. Sowas finde ich normalerweise toll, weil es wenig Platz im Regal wegnimmt, aber natürlich nur, wenn das Spiel auch Spaß macht und einen hohen Wiederspielreiz hat. Auf Too Many Cinderellas trifft das allemal zu. Meist haben wir es gleich mehrmals hintereinander gespielt und holen es auch weiterhin immer wieder raus. Die Altersangabe „ab zehn“ ist auch eher locker zu sehen, unsere spielgewohnte Sechsjährige hatte es nach ein paar Runden problemlos raus (auch wenn sie bisher nur selten gewinnt), trotz der wenigen englischen Wörter, die auf den Karten stehen (das beschränkt sich auch auf die Altersstufen Young, Teen, Adult und Senior sowie das Wort „Not“). Familientauglich ist es also auch.
Too Many Cinderellas erinnert mich an ein sehr schönes älteres Spiel von Stefan Dorra, nämlich Njet, ein Stichspiel, bei dem man einen Teil der Spielregeln zu Beginn des Spiels gemeinsam festlegt, indem man einzelne Nein-Chips auf bestimmte Spielregeln legt. Am Ende ist aus jeder Spielregelkategorie nur noch eine Möglichkeit offen, und mit dieser Mischung spielt man dann das eigentliche Stichspiel. Too Many Cinderellas macht letztlich etwas ganz Ähnliches, nur ganz ohne das anschließende Stichspiel. Nachdem man die Regeln festgelegt hat, ist das Spiel vorbei und man sieht, wer gewonnen hat. Das ist eine sehr konsequente Idee, finde ich. Während die Karten auf dem Tisch landen, versucht man, die beste (oder eigentlich: am wenigsten schlechte) Situation für sich selbst zu hinzubiegen. Dabei gibt es immer wieder überraschende Momente, und der richtige Einsatz des einzigen Nein-Chips sorgt halt für Nervenkitzel.

Die englischen Regeln sind gerade noch so lesbar (da gibt es zum Glück im Netz längst bessere Versionen), die Illustrationen von Hinami Tsukuda sind vielleicht auch nicht jedermanns Sache, obwohl sie allemal originell sind (eigentlich finde ich vor allem die Farbgebung ein bisschen anstrengend). Mir würde das Spiel wahrscheinlich weniger gefallen, wenn es jetzt so eine klassische Märchengrafik hätte. Und auch sonst ist es schön anti-konventionell: Aschenputtel kann ein alter Mann sein, eine Biertrinkerin oder eben gar eine Katze. Die Katze hat zwar bei uns noch nie gewonnen (und es gibt ein bisschen eine Extra-Motivation, eines Tages mal mit der Katze zu gewinnen), aber mir gefällt dieser Humor einfach.
Die Grail-Games-Ausgabe hat das Ganze nur ein wenig entschärft, Bier und Wein sind verschwunden und durch irgendwelche harmloseren Sachen ersetzt worden und das Kartenlayout ist ein bisschen verändert, während die Illustrationen gleich geblieben sind.

Too Many Cinderellas ist für zwei bis vier Personen und macht uns zu dritt oder viert am meisten Spaß. Ich weiß nicht, ob es Leute gibt, die alle Karten auswendig kennen und dadurch einen Vorteil haben, aber ein solcher Vorteil wäre vermutlich ohnehin recht gering. Also Daumen hoch.

Too Many Cinderellas
für 2 (besser 3) bis 4 Personen ab 10 Jahren (eigentlich aber schon früher)
Autoren: Nobutake Dogen und Nao Shimamura
Illustration: Hinami Tsukuda
Verlag: Taikikennai Games/Grail Games

Spiele im Sprachunterricht (Teil 1)

Spielen heißt Lernen. Natürlich ist es möglich, etwas zu lernen, ohne dabei zu spielen, aber es ist fast unmöglich, zu spielen, ohne dabei etwas zu lernen. Es ist daher nur natürlich, dass Spiele auch beim gesteuerten Lernen, zum Beispiel in der Schule, eingesetzt werden. Anders, als es manchmal leider immer noch vermutet wird, können Spiele dabei nicht nur eine reine Abwechslung oder Auflockerung vom „richtigen“ Unterricht sein, zu der sich die Lehrkraft überreden lässt, wenn Zeit übrig ist, sondern ein zentraler Inhalt.

Ich selbst unterrichte Deutsch als Fremd- und Zweitsprache in der Erwachsenenbildung, meist mit angenehm kleinen Gruppen (unter zehn Leuten). Dabei versuche ich natürlich, viel zu spielen. Ohne einen direkten Vergleich zu anderen Fächern zu haben, erscheint mir der Sprachunterricht dafür besonders geeignet zu sein. Spielregeln guter Spiele ähneln ja eigentlich der Grammatik einer Sprache: Es wird ein Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen wir alle Freiheiten haben (sollten), und wir können völlig neuartige Strategien einsetzen, die für alle anderen überraschend kommen mögen, aber dennoch von allen verstanden werden. Je mehr man sich dabei ausprobiert, Erfolg hat oder scheitert, desto mehr lernt man, die Feinheiten der Sprache oder des Spiels zu beherrschen.

Nun gibt es natürlich sehr viele Möglichkeiten im Sprachunterricht zu spielen. Rollenspiele sind eine klassische Methode, und schon in meiner Schulzeit wurde versucht, dröges Abfragen von irgendwelchen Vokabeln durch Wettbewerbscharakter in eine Art spielerische Aktivität umzuwandeln. Der Erfolg dessen war in meinen Augen eher begrenzt, bei Dingen wie Eckenraten wurde zwar möglicherweise der Ehrgeiz einiger Schüler/innen geweckt, aber ansonsten hat es uns kaum sonderlich weitergebildet.

Mittlerweile gibt es eine geradezu unüberschaubare Anzahl von expliziten Lernspielen (als Anregung in Büchern, mit Kopiermaterial oder sonstigen Bauanleitungen, aber auch verkleidet als „normale“ Spiele mit pädagogischem Anspruch). Das Problem an diesen Spielen ist zuweilen, dass sie zwar ein Thema vermitteln, dabei aber leider überhaupt keinen Spaß machen. Dabei muss der Spaß doch im Vordergrund stehen! Ein Spiel, das hundert Fertigkeiten trainieren soll, aber keinen Spaß macht, trainiert letztlich eben gar keine Fertigkeit (außer vielleicht dem Verstauen von Spieleschachteln in abgelegenen Schränken). Der ganze Sinn des Einsatzes von Spielen im Unterricht ist ja, auf spielerische Weise etwas zu lernen, und das geht nur über den Spaß.
Wenn ich ein Spiel für den Unterricht auswähle, gucke ich also zuerst: Macht das Spaß? Wenn ja, was lernt man bei diesem Spiel? Wenn das nicht das ist, was ich gerade für nötig halte, kann man das Spiel dann vielleicht so verändern, dass die Mechanismen und der Spielspaß erhalten bleiben, aber der Inhalt an meine Vorstellungen angepasst wird? Das ist allemal einfacher und erfolgversprechender als ein langweiliges Spiel mit genau den richtigen Inhalten herzunehmen und zu versuchen, da irgendwie Spielspaß zu erzwingen. Einen Vorteil gegenüber Spielen außerhalb des Unterrichts gibt es noch – die allermeisten Spiele setze ich in einer Gruppe nur ein- oder zweimal ein. Während ich privat beim Kauf eines Spiels darauf achte, dass der Wiederspielreiz hoch ist, ist das bei den Spielen im Unterrichtseinsatz nicht unbedingt nötig, da ich die meisten Spiele in jeder einzelnen Gruppe nur einmal einsetze. Ein Knalleffekt und ein spannender Spielverlauf reichen.

Grundsätzlich sind alle Spiele, bei denen man durch Sprache miteinander kommuniziert, für den Sprachunterricht geeignet, denn man übt sich dabei ja im Unterrichtsinhalt. Trotzdem suche ich natürlich in der jeweiligen Unterrichtssituation Spiele aus, von denen ich mir eine Vertiefung oder Einführung des aktuellen Lernstoffs erhoffe. Viele Spielkonzepte lassen sich gut an die Grammatik- oder Wortschatzinhalte anpassen, die man gerade braucht. Für diesen Beitrag habe ich eine Reihe von Spielen herausgesucht, die ich kurz vorstellen möchte. Dabei will ich auch darauf eingehen, was ich aus den einzelnen Spielen herauszuholen versuche und wie ich sie gegebenenfalls verändere, um das zu erreichen. Die Liste ist auf gar keinen Fall vollständig, und ich freue mich immer über weiter Ideen, also her damit.

Vorweg eine kleine Warnung. Es empfiehlt sich keineswegs immer, den Schüler/innen zu sagen, dass man jetzt ein Spiel mit ihnen spielen will. Selbst heutzutage kommen noch Leute mit der Vorstellung in Sprachkurse, Spiele seien eine Ablenkung vom eigentlichen Lernen. Erfahrungsgemäß ist es dann wenig ergiebig, sich in längere Diskussionen darüber zu verstricken, dass das Spiel eine der ursprünglichsten Formen des Lernens ist (und eine der effektivsten). Die Vorstellung der Trennung von Spielen und Lernen ist manchmal so eingebrannt, dass sich das eben nicht mehr durch Erklärungen, sondern nur noch durch Spielen aufbrechen lässt. Eigentlich verfolge ich also zwei Ziele: Die Vermittlung von Sprache und die Vermittlung der Erkenntnis, dass Spiele sich gut zum Lernen eignen. Meist wirkt das ziemlich schnell, und ich kann bald auch das Wort „Spiel“ für unsere Lernaktivitäten benutzen. Vorher heißt es dann halt besser „Wortschatzübung“ oder sowas. Einen gewissen Wandel habe ich aber schon beobachten können. Vor zehn Jahren oder so war es noch häufig, dass mir Teilnehmer/innen sagten, sie seien nicht kreativ. Das ist natürlich Unsinn, denn das Sprechen als solches ist ja schon ein kreativer Akt. Ich kann in jeder Sprache Sätze bauen, die wahrscheinlich noch nie ganz genau so gesagt oder geschrieben wurden, und tue das auch oft. Darin liegt ein Zauber der sprachlichen Systeme – solange wir bestimmte Regeln einigermaßen einhalten, können wir etwas völlig neues sagen und dabei verstanden werden (siehe oben). Diese Teilnehmer/innen innerhalb eines Spiels dazu aufzufordern, kreativ zu sein, war aber wegen ihres Selbstbildes schwierig und ich habe das dann ein bisschen verkleiden müssen (hat so gut wie immer geklappt). Mittlerweile höre ich diesen Spruch aber auch gar nicht mehr, vielleicht war das auch eine Generationenfrage in bestimmten Herkunftsländern.
In Deutschland hat sich das Bild vom Spielen ja ebenfalls gewandelt – die ausschließlich glücksbasierten Würfellaufspiele mit aufgesetztem (oft erzieherischem) Thema, die vor hundert Jahren hierzulande den Spielemarkt dominierten, würden heute kaum noch jemanden hinter dem Ofen hervorlocken. Im Vergleich zu moderneren Spielen machen sie einfach kaum Spaß. Ich zumindest brauche Situationen im Spiel, in denen ich echte Entscheidungen treffe (mit „echte Entscheidungen“ meine ich, dass ich mich zwischen verschiedenen Wegen zu einem Ziel entscheiden kann, nicht nur zwischen einer absolut besseren und einer absolut schlechteren Möglichkeit).
Wie dem auch sei, die Teilnehmer/innen verstehen unter dem Wort „Spiel“ vielleicht einfach etwas anderes als ich, daher bleibe ich mit dem Begriff vorsichtig, wenn ich die Leute noch nicht so gut kenne.

Und noch eine Bemerkung zum Thema Gewinnen. Viele der von mir verwendeten Spiele haben einen Wettbewerbscharakter. So etwas kann ein Problem sein, wenn das Spielprinzip die „Alphaschüler/innen“ eindeutig bevorzugt (wie es etwa beim Eckenraten der Fall war). Man kann so etwas manchmal entschärfen, indem man Gruppen statt einzelner Leute gegeneinander antreten lässt (und diese gegebenenfalls selbst einteilt). Fast alle Spiele enthalten aber ohnehin Elemente, die verhindern (können), dass immer die gleichen Leute gewinnen. In manchen Fällen kann die Lehrkraft daher auch ruhig mitspielen. Außerdem ist mir aufgefallen, dass die allermeisten Schüler/innen sich zwar durchaus anstrengen, zu gewinnen, es aber kaum zu ernst nehmen, wenn sie verlieren. Natürlich nur, solange das Spielen selbst eben Spaß macht.

Die Spiele, die ich Euch nun vorstellen möchte, habe ich in vier Kategorien eingeteilt: Wortschatzspiele, Sprechspiele, Grammatikspiele und Aussprachespiele. Den Schwerpunkt lege ich auf die Wortschatz- und die Sprechspiele – nicht etwa, weil man Aussprache und Grammatik nicht so einfach spielerisch erlernen könnte, sondern weil sich mir da zu Lernspielen umfunktionierte „normale“ Spiele bisher nicht so sehr aufgedrängt haben, und um diese soll es hier ja vor allem gehen. Natürlich überlappen sich einige Kategorien auch. Heute fange ich mit den Sprechspielen und einem Aussprachespiel an, in der nächsten Woche sind dann die anderen beiden Kategorien dran.

 

SPRECHSPIELE

1. Tabu
Tabu ist wohl das Spiel, das ich im Sprachunterricht am häufigsten eingesetzt habe. Wahrscheinlich kennen es die meisten von Euch schon, daher hier nur eine ganz kurze Übersicht: Man hat Karten, auf denen oben ein zu erklärender Begriff steht, darunter fünf Tabuwörter. Die Aufgabe besteht darin, möglichst schnell den oberen Begriff so zu erklären, dass das eigene Team ihn erraten kann. Dabei darf man allerdings keins der Tabuwörter benutzen, was zu einigen Verrenkungen führt.
Tabu übt das Umschreiben von unbekannten Wörtern. Niemand kennt alle Wörter einer Sprache, auch Muttersprachler/innen nicht. Da wird man immer wieder Wörter umschreiben müssen, und darauf kann man die Lerner/innen mit Tabu hervorragend vorbereiten. Ich setze das Spiel besonders gern ein, nachdem ich Relativsätze eingeführt habe, aber man kann es eigentlich auf fast jedem Sprachniveau spielen.
Tabu gibt es mittlerweile in richtig vielen Versionen. Einige der neueren haben leider viele Prominentennamen als Ratebegriffe, und das taugt gar nichts, daher empfehle ich die Jagd nach einem gebrauchten Exemplar der Erstauflage. Es gibt auch ein Tabu Junior, mit einfachen Wörtern und nur jeweils drei Tabuwörtern pro Karte. Das habe ich ebenfalls im Einsatz.

Vorbereitungen/Regelanpassungen:
Um das Spiel vorzubereiten, hole ich gern ein Ding aus meiner Hosentasche heraus und zeige es den Lerner/innen mit der Bitte, es mir doch mal zu beschreiben. Das ist so ein hufeisenförmiges Metallding, mit dem man die Hose zusammenstecken kann, damit sie beim Fahrradfahren nicht in die Kette gerät. Normalerweise kennt niemand die Funktion dieses Dings, und wer es doch tut, kennt den Namen nicht. Auch nicht in der eigenen Muttersprache, also helfen auch Wörterbücher nicht unbedingt weiter, sondern nur Erklärungen und Umschreibungen. Daran kann ich dann schön demonstrieren, dass die Erklärung „ein etwa handtellergroßes, rundes, an einer Seite offenes Ding aus dünnem, flexiblem Metall, das ungefähr 20 Gramm wiegt und silberfarben ist“ überhaupt keinen Sinn hat, sondern nur die Erklärung der Funktion entscheidend ist. Das kann bei anderen Dingen anders sein, aber es hilft auf alle Fälle dabei, das Thema einzuführen.
Das Spielbrett, das es bei einigen Versionen gibt, lasse ich ganz weg. Meist teile ich die Klasse in zwei Gruppen und hole einfach jemanden nach vorne, der ein Wort erklären soll. Alle raten mit, und wenn jemand es gefunden hat, bekommt dessen Gruppe einen Punkt. Nach einer Weile nehme ich die Sanduhr dazu – wird das Wort innerhalb der Sanduhrfrist erraten, bekommt auch die Gruppe des Erklärers/der Erklärerin einen Punkt.
In jedem Fall wähle ich vor dem Spielen Karten aus, die zum Lernstand der Gruppe passen. Manchmal lasse ich auch ein Wörterbuch vorne liegen – wer dann ein Wort zieht, das er oder sie nicht kennt, darf die Bedeutung nachschlagen, aber während die Sanduhr läuft.

Tabu
von Brian Hersch
Deutsch bei MB, irgendwann Anfang der Neunziger

Tabu Junior
von Brian Hersch
Deutsch bei Parker, irgendwann um 2001 herum

2. Eselsbrücke
Ich habe Eselsbrücke zwar hier als Sprechspiel kategorisiert, aber es gehört unbedingt auch zu den Wortschatzspielen, weil man damit wunderbar demonstrieren kann, wie wichtig es ist, Wörter im Kontext zu lernen.
Bei Eselsbrücke geht es darum, kleine Geschichtchen zu erzählen und sich die Geschichten der anderen zu merken. Dazu zieht man ein paar Wortkärtchen (zu Beginn drei, später mehr) aus einem Beutel, legt sie vor sich aus und erzählt eine Geschichte, in der diese Wörter vorkommen. Danach legt man die Kärtchen auf einen verdeckten Stapel und der oder die nächste ist dran. Nachdem auf diese Weise jede/r ein paar Geschichten erzählt hat, nimmt man seinen ersten Stapel und verteilt die Kärtchen verdeckt an die im Uhrzeigersinn nächsten Spieler/innen. Reihum müssen diese nun jeweils ein anderes Wort aus der Geschichte nennen. Bei Erfolg bekommen sie das entsprechende Plättchen, bei Gedächtnislücken werden sie durch Verlust von Kärtchen bestraft. Es gibt noch ein paar Kniffe, aber das ist das Spielkonzept.
Eselsbrücke kann man irgendwann ab Sprachniveau B1 oder so einsetzen. Es eignet sich leider wirklich gut nur für Gruppen aus fünf oder sechs Leuten (wobei die Lehrkraft durchaus mitspielen kann) und es braucht für ein Unterrichtsspiel ziemlich viel Zeit (eher etwas mehr als eine Stunde), die aber in meinen Augen sehr gut investiert ist. Nach dem Spielen kann man die vielen verwendeten Kärtchen noch mal in eine gemeinsame Geschichte einbauen oder auf andere Weise aufbereiten.
Natürlich lebt das Spiel davon, dass die Leute sich ein bisschen was einfallen lassen. Ich würde es daher nicht unbedingt in jeder Gruppe einsetzen, aber bisher war es jedesmal ein guter Erfolg, zu dem die wunderbaren Illustrationen von Michael Menzel sicherlich beigetragen haben. Wer das Spiel gebraucht irgendwo erspäht, sollte darauf achten, nicht die erste Auflage zu kaufen, denn da waren noch ein paar Ungeschliffenheiten drin. Ab der zweiten Auflage ist es aber uneingeschränkt klasse.

Vorbereitungen/Regelanpassungen:
Eigentlich keine. Falls Kärtchen auftauchen, die mir zu schwer vorkommen, ziehe ich die einfach während des Spiels aus dem Verkehr (und erkläre sie bei Interesse hinterher). Und insgesamt wenden wir die Regeln einfach nicht zu streng an. Wer sich an ein Wort nicht (genau) erinnern, das bezeichnete Ding aber beschreiben kann, kriegt das entsprechende Plättchen trotzdem.

Eselsbrücke
von Stefan Dorra und Ralf zur Linde
Schmidt, 2011 (zweite Auflage 2012)

3. Geile Idee
Geile Idee besteht aus Karten mit Nomen und Karten mit Attributen. Man bekommt von jeder Sorte drei und muss nun mindestens zwei von diesem zu einem Produkt zusammenfügen. Dann versucht man, sein Produkt den anderen Spieler/innen zu „verkaufen“, indem man eine kleine Werbeansprache für seine preisreduzierte Schreibtischpistole oder sein Zen-Bier hält und erklärt, warum das ein Produkt ist, auf das die Welt schon immer gewartet hatte. Anschließend müssen sich alle für ein Produkt entscheiden, das sie kaufen würden, und auf Kommando mit dem Finger drauf zeigen. Wer sein Produkt verkauft, bekommt einen Punkt, wer es am häufigsten verkauft, einen weiteren. Das spielt man ein paar Runden lang, wer dann am meisten Punkte ergattert hat, gewinnt.
Das Spiel ist sehr zum Lachen, schon wegen der verrückten Produkte, die dabei auftauchen. Eigentlich ist das auch schon das Problem, wenn man das Spiel als Lernspiel einsetzt: Normalerweise bekommt das lustigste Produkt die meisten Punkte, nicht unbedingt die lustigste oder beste Werbung. Aber eigentlich macht das gar nicht so viel aus, denn bei den meisten Spielen im Sprachunterricht versuchen die Lerner/innen wie oben erwähnt zwar zu gewinnen, aber es ist ihnen nicht wirklich fürchterlich wichtig. Und so kann man als Lehrkraft auch ruhig mal mitspielen, man gewinnt auf keinen Fall automatisch (im Gegenteil, man kann sogar ein paar Punkte in die richtige Richtung schieben, und die Teilnehmer/innen sind ziemlich zurückhaltend damit, die Lehrkraft gewinnen zu lassen…).
Ein zweites Problem ist die ziemlich scheußliche graphische Gestaltung des Spiels. Die Bilder sind unattraktiv und die Schriftart ist anstrengend. Dafür sind die Karten in Deutsch und Englisch beschriftet, was nebenbei ein paar neue Wörter einführen kann (und notfalls kann man auch mithelfen, wenn es Verständnisschwierigkeiten gibt, weil man die Karten nicht unbedingt geheim halten muss).

Vorbereitungen/Regelanpassungen:
Gar keine.

Geile Idee
von James Ernest
Deutsche Ausgabe bei Heidelberger, 2013
(Englische Erstauflage „The Big Idea“, 2000 bei Cheapass Games)

 

AUSSPRACHESPIEL(E)

1. Pit
Pit ist einer der absoluten Klassiker der Spielewelt, in den USA wohl noch mehr als hierzulande. Es ist schon über hundert Jahre alt, und ich habe eine ganze Weile gebraucht, bis ich gemerkt habe, wie gut man es im Unterricht einsetzen kann.
Das Spiel besteht aus einer Glocke, die in die Tischmitte gestellt wird, und Kartensätzen zu je neun Karten mit jeweils einem Wert (in meiner Ausgabe sind es acht Sätze mit Werten zwischen 50 und 100). Pro Spieler/in nimmt man einen Satz Karten, mischt alles zusammen und verteilt jeweils neun Karten. Ziel ist es, am Ende neun gleiche Karten auf der Hand zu haben.
Auf Kommando fangen alle an, wild über den Tisch miteinander zu tauschen. Dabei darf man eine, zwei, drei oder vier gleiche Karten verdeckt anbieten, indem man die Anzahl laut ansagt, und dafür gleich viele (wiederum untereinander gleiche) Karten annehmen, ohne zu wissen, was man bekommt. Eigentlich brüllt man die ganze Zeit „vier!“, „zwei!“ oder sowas durch die Gegend und sucht nach Leuten, die genauso viele Karten tauschen möchten. Wer es schafft, neun gleiche Karten auf der Hand zu versammeln, haut auf die Glocke und erhält den Wert des Kartensatzes als Punkte. Diese schreibt man an die Tafel, so dass man am Ende eine Gesamtwertung hat.
Wer eine Runde gewonnen hat, darf allerdings außerdem ansagen, wie die nächste Runde gespielt wird (im Unterricht übernimmt die Lehrkraft diesen Part). Statt „eins/zwei/drei/vier“ heißt es dann vielleicht „Montag/Dienstag/Mittwoch/Donnerstag“ oder sowas. Nach ein paar Runden eskaliere ich dann und nutze das Spiel als Aussprachetraining, indem ich zum Beispiel „Kirsche/Kirche/Küche/Kuchen“ oder „blau/Kraut/Braut/Kleid“ als Wörter vorgebe. Wer beim Handeln nicht abgehängt werden will, bemüht sich von selbst, die Wörter nun klar auszusprechen.
Wenige Spiele haben bei meinen Lerner/innen so viel Spaß ausgelöst wie Pit. Allerdings sollte man es idealerweise zu siebt oder acht spielen, damit es wirklich lustig und laut wird. Für kleinere Gruppen bietet es sich kaum an (aber auch hier kann die Lehrkraft ruhig mitspielen, um die Anzahl ein bisschen aufzufüllen).

Vorbereitungen/Regelanpassungen:
Wie schon beschrieben, sollte sich die Lehrkraft im Voraus ein paar schöne Wortgruppen ausdenken, die zum aktuellen Vokabular oder zur Ausspracheeinheit passen. Und einen schalldichten Unterrichtsraum suchen, es kann nämlich ziemlich laut werden.

Pit
von Harry Gavitt und Edgar Cayce
Deutsch zuletzt bei Winning Moves, 2010 (das Original wurde 1903 veröffentlicht und basiert vermutlich auf einer noch älteren Idee). Zur Zeit scheint das nicht erhältlich zu sein, aber man kann problemlos auch eine ausländische Ausgabe verwenden, wenn man irgendwo eine in die Finger bekommt. Das mache ich selbst auch.

 

Das war es dann erstmal für diese Woche. Die Fortsetzung gibt es am nächsten Sonntag hier bei Du bist dran!