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Die drei japanischen Stadtmusikanten

Ich bin in Bremen aufgewachsen, daher erwecken Spiele, die sich mit den Bremer Stadtmusikanten beschäftigen, natürlich meine Aufmerksamkeit. Wenn sie dann auch noch ein so schönes Cover haben wie „The Bremens“, kann ich erst recht nicht widerstehen. Die vier Musiker, die wie einst die Beatles einen Zebrastreifen überqueren, das spricht einfach an.

The Bremens

Das Spiel besteht aus einem Spielplan, einem Satz Karten in jeder Spieler/innenfarbe mit Zahlen von 1 bis 7 sowie je einer Karte, einem Satz Spezialkarten, ein bisschen Kleinkram und den Spielfiguren. Von diesen hat jede/r drei und versucht, mit diesen vom Start ins Ziel zu kommen. Moment mal, drei? Hab ich da bei den Bremer Stadtmusikanten was verpasst? Nein nein, die Lösung liegt darin, dass der Hahn eine einzelne neutrale Figur ist, der in jeder Runde von einem Spieler oder einer Spielerin bewegt werden kann. Im Groben funktioniert das so: Alle legen verdeckt eine Karte vor sich aus. Dann wird aufgedeckt. Wer die Karte mit der höchsten Zahl gelegt hat, darf/muss statt eines Zuges mit einem eigenen Tier den Hahn um eine bestimmte Zahl Felder bewegen. Alle anderen setzen eins ihrer Tiere um die gespielte Zahl an Feldern voran. Ist das Zielfeld allerdings besetzt, kann der Zug nicht ausgeführt werden und verfällt ganz. Die Spielfiguren sind Scheiben in unterschiedlichen Größen, die man natürlich stapeln kann (kleinere auf größere Tiere). Bewegt sich ein größeres Tier mit anderen Tieren auf dem Rücken, trägt es diese einfach mit. Wenn man ein Tier bewegt hat, legt man die entsprechende Tierkarte ab und kann das entsprechende Tier erst dann wieder ziehen, wenn man die anderen zwischendurch auch bewegt hat. Der Hahn blockiert entweder ein freies Feld oder den Tierstapel, auf dem er gerade steht, da sollte man also darauf achten, dass einen das nicht zu oft trifft.
Von den Spezialkarten bekommt jede/r eine zufällig zugeteilt. Diese kann man statt einer Zahlenkarte ausspielen, und sie hat dann eine Sonderfunktion. Wenn man alle acht Karten gespielt hat, nimmt man den eigenen Satz Karten wieder auf die Hand und bekommt eine neue Spezialkarte.
Die Zahlenkarten spielen alle gleichmäßig runter, während es bei den Tierkarten verschieden laufen kann. Wenn ich einen Zug nicht ausführen kann, brauche ich auch keine Tierkarte zu spielen, dann habe ich eben in der nächsten Runde mehr Auswahlmöglichkeiten.
Wer nun als erstes alle drei Tiere über die Ziellinie geführt hat, gewinnt das Spiel.

The Bremens
Ein Kartensatz

The Bremens erinnert mich ein wenig an den alten Kinderspielklassiker Giro Galoppo von Jürgen P. Grunau, der vor allem Erwachsenen Spaß macht (die Kinder spielen vielleicht eher wegen der spektakulären Spielfiguren mit). In beiden Spielen wählt man verdeckt eine Zugweite aus und verliert seinen Zug, wenn er auf einem Hindernis enden würde (man weiß das aber im Voraus nicht unbedingt), und man muss versuchen, die Pläne der anderen zu durchschauen, um das Optimum herauszuholen. Erst nachdem man alle Zugweiten verbraucht hat, bekommt man seinen Kartensatz wieder auf die Hand.
Soweit die Gemeinsamkeiten. The Bremens sind nicht wirklich als Kinderspiel konzipiert (obwohl unsere Kinder durchaus Spaß daran haben). Dafür sind die Frustelemente viel zu stark ausgeprägt, denn es kann leicht vorkommen, dass man mehrere Runden nacheinander gar nicht ziehen kann. Insbesondere am Anfang kann einem das ein bisschen den Spaß verderben, wenn es einfach nicht gelingen will, das Startfeld zu verlassen. Überhaupt ist das ein bisschen ungewöhnlich – das Verlassen des Startfeldes ist sehr umkämpft und alles andere als einfach, während die Figuren später ein bisschen besser verteilt sind und flexibler werden können. Das würde man vielleicht andersherum erwarten. Wer die Startphase ein bisschen entschärfen möchte, kann sich auch drauf einigen, die Tierkarten erst einzusetzen, wenn man schon zwei Figuren vom Startfeld wegbewegt hat. Ganz weglassen sollte man sie nicht, denn wenn jemand einen Dreierstapel der eigenen Tiere aufbauen kann, ist dieser ratz-fatz im Ziel und man kann dagegen nicht wirklich was unternehmen. So einen Stapel aufzubauen ist zwar ziemlich schwierig, aber wenn es jemand schafft und die anderen nicht, ist das Spiel eben fast entschieden und macht entsprechend nur noch wenig Spaß. Mit Kindern haben wir die Tierkarten trotzdem schon mal weggelassen, da fiel es nicht so ins Gewicht.

The Bremens
Startphase

Das Spielmaterial ist leidlich charmant und funktioniert gut, ist aber auch nichts Besonderes. Natürlich freut man sich immer, wenn ein Spiel nicht so aussieht wie alle anderen auch, aber bei The Bremens ist in meinen Augen nur die Schachtel wirklich toll. Warum zum Beispiel auf dem Spielplan das Ziel einfach „Ziel“ heißt und nicht Bremen, erschließt sich mir nicht. Soll das ein Hinweis darauf sein, dass die ursprünglichen Stadtmusikanten Bremen gar nicht erreicht hatten? Aber als Ziel hätte es ja trotzdem herhalten können.
Die englischsprachige Übersetzung der Regeln, die mir zur Verfügung stand, hat leider ein paar Unklarheiten, bei denen wir uns aber schnell einig geworden sind, sodass der Spielspaß nicht gelitten hat.

Insgesamt würde ich sagen, dass The Bremens eigentlich genau meine Kragenweite ist und in meinem Umfeld und auch bei den Kindern im Allgemeinen gut ankam. Andererseits ist es vielleicht nicht so außergewöhnlich, dass es größere Verrenkungen beim Import aus Japan rechtfertigen würde. Wenn es Euch aber mal über den Weg laufen sollte, greift bedenkenlos zu, ein gutes Spiel ist es allemal.

Gesamteindruck 8/10

The Bremens (ブレーメンズ)
für 3 bis 5 Leute
Taikikennai Games, 2015
Leider konnte ich nicht herausfinden, von wem das Spiel stammt. Auch über die Illustrationen weiß ich nichts.

Der Prinz und der/die/das Aschenputtel

Heute werfen wir mal wieder einen Blick nach Japan. Dort gibt es nämlich nicht nur Prinzessinnen, in die man hoffnungslos verliebt sein kann, sondern auch Prinzen. Einer von diesen hat gerade angekündigt, Aschenputtel heiraten zu wollen. Leider kann er sich nicht mehr so genau daran erinnern, wie diese aussah. Also lässt er einfach herumfragen, ob jemand Aschenputtel kennt. Nun wittern diverse Leute ihre Chance und versuchen, ihre Diener/innen zu Aschenputtel zu erklären. Und vor allem, zu erklären, dass es die anderen Diener/innen auf keinen Fall sein können. Wenn es nur nicht so viele Aschenputtel gäbe…

Das Ganze heißt „Too Many Cinderellas“ (im japanischen Original: シンデレラが多すぎる) und ist ein Mikrospiel von Nobutake Dogen und Nao Shimamura, das 2014 bei Taikikennai Games erschienen ist. Eine leicht aufgemotzte Version erschien dann 2015 im australischen Verlag Grail Games (diese Rezension bezieht sich auf die japanische Ausgabe) .

Too Many Cinderellas
Das Cover der japanischen Ausgabe

Das Spiel besteht aus vier Sätzen Ja/Nein-Chips, einem neutralen Nein-Chip und 18 Karten mit Kandidat/innen für den Aschenputtel-Posten. Das sind Männer und Frauen jedweden Alters und Aussehens, und sogar eine Katze mit Perücke. Jede Karte hat bestimmte Eigenschaften, nämlich eine Altersgruppe, eine Haarfarbe und ein paar sonstige Dinge wie Lieblingsgetränk/Brille/Geschlecht und so weiter. Dazu gibt es eine Nummer von 1-18, die den Rang der Karte ausweist. Je kleiner die Zahl, desto höher der Rang. Und schließlich steht eine Aussage unten auf der Karte, die festlegt, wie Aschenputtel nicht ist.
Man bekommt einen Satz Chips und vier Karten auf die Hand. Zwei davon spielt man aus, zwei behält man. Ziel ist es, dass mindestens eine dieser Karten auf die am Ende feststehende Beschreibung von Aschenputtel passt. Sollte die Beschreibung gar auf mehrere Kandidat/innen passen, heiratet der Prinz die Person auf der Karte mit dem höchsten Rang.
Wer dran ist, spielt eine Karte und sagt die Aussage laut an. Zum Beispiel: Aschenputtel ist nicht blond. Dann geht es reihum, bis jede/r zwei Karten ausgespielt hat. Schließlich wird noch eine Karte vom verdeckten Stapel aufgedeckt und dazugelegt. Dann wird geguckt, ob die entstandene Beschreibung (zum Beispiel: Trinkt keinen Wein, trägt keine Brille, ist kein Mann, hat nicht die Nummern 1-4 und hat keine braunen Haare) auf eine auf der Hand verbliebene Karte passt (das ist die Siegbedingung. Bei Gleichstand zählt der höhere Rang). Sollte überhaupt niemand mehr eine passende Karte in der Hand haben, gewinnt, wer den höchsten Gesamtrang übrig hat.
Was macht man aber nun, wenn jemand eine Karte „Aschenputtel ist nicht blond“ spielt und man drei blonde Karten übrig hat? Dafür gibt es die Ja/Nein-Chips. Nach jeder ausgespielten Karte wählt man verdeckt einen seiner Chips aus und deckt ihn dann gleichzeitig mit den anderen Leuten auf. Ist ein Nein-Chip dabei, neutralisiert dieser die gerade ausgespielte Karte. Achtung: Man hat nur ein einziges Veto – ist der Nein-Chip einmal auf einer Karte gelandet, muss man fortan allen Behauptungen über Aschenputtel zustimmen. Kommt also eine Behauptung auf den Tisch, die mir nicht in den Kram passt, muss ich abwägen, ob ich mein „Nein“ opfere oder mir meinen Chip für möglicherweise noch unpassendere Aussagen aufhebe.

Aschenputtel hat keine schwarzen Haare, nicht die Nummer 1 bis 4, keine Brille und ist kein Mann. Die Katze sagt nichts.

Too Many Cinderellas ist eigentlich ein typischer Vertreter des Genres der Mikrospiele. Achtzehn Karten und ein paar Pappchips, zehn Minuten Spieldauer. Das ganze kommt in einer Schachtel daher, die halb so groß ist wie eine typische deutsche Kartenspielschachtel für Bohnanza oder Coloretto oder sowas. Sowas finde ich normalerweise toll, weil es wenig Platz im Regal wegnimmt, aber natürlich nur, wenn das Spiel auch Spaß macht und einen hohen Wiederspielreiz hat. Auf Too Many Cinderellas trifft das allemal zu. Meist haben wir es gleich mehrmals hintereinander gespielt und holen es auch weiterhin immer wieder raus. Die Altersangabe „ab zehn“ ist auch eher locker zu sehen, unsere spielgewohnte Sechsjährige hatte es nach ein paar Runden problemlos raus (auch wenn sie bisher nur selten gewinnt), trotz der wenigen englischen Wörter, die auf den Karten stehen (das beschränkt sich auch auf die Altersstufen Young, Teen, Adult und Senior sowie das Wort „Not“). Familientauglich ist es also auch.
Too Many Cinderellas erinnert mich an ein sehr schönes älteres Spiel von Stefan Dorra, nämlich Njet, ein Stichspiel, bei dem man einen Teil der Spielregeln zu Beginn des Spiels gemeinsam festlegt, indem man einzelne Nein-Chips auf bestimmte Spielregeln legt. Am Ende ist aus jeder Spielregelkategorie nur noch eine Möglichkeit offen, und mit dieser Mischung spielt man dann das eigentliche Stichspiel. Too Many Cinderellas macht letztlich etwas ganz Ähnliches, nur ganz ohne das anschließende Stichspiel. Nachdem man die Regeln festgelegt hat, ist das Spiel vorbei und man sieht, wer gewonnen hat. Das ist eine sehr konsequente Idee, finde ich. Während die Karten auf dem Tisch landen, versucht man, die beste (oder eigentlich: am wenigsten schlechte) Situation für sich selbst zu hinzubiegen. Dabei gibt es immer wieder überraschende Momente, und der richtige Einsatz des einzigen Nein-Chips sorgt halt für Nervenkitzel.

Die englischen Regeln sind gerade noch so lesbar (da gibt es zum Glück im Netz längst bessere Versionen), die Illustrationen von Hinami Tsukuda sind vielleicht auch nicht jedermanns Sache, obwohl sie allemal originell sind (eigentlich finde ich vor allem die Farbgebung ein bisschen anstrengend). Mir würde das Spiel wahrscheinlich weniger gefallen, wenn es jetzt so eine klassische Märchengrafik hätte. Und auch sonst ist es schön anti-konventionell: Aschenputtel kann ein alter Mann sein, eine Biertrinkerin oder eben gar eine Katze. Die Katze hat zwar bei uns noch nie gewonnen (und es gibt ein bisschen eine Extra-Motivation, eines Tages mal mit der Katze zu gewinnen), aber mir gefällt dieser Humor einfach.
Die Grail-Games-Ausgabe hat das Ganze nur ein wenig entschärft, Bier und Wein sind verschwunden und durch irgendwelche harmloseren Sachen ersetzt worden und das Kartenlayout ist ein bisschen verändert, während die Illustrationen gleich geblieben sind.

Too Many Cinderellas ist für zwei bis vier Personen und macht uns zu dritt oder viert am meisten Spaß. Ich weiß nicht, ob es Leute gibt, die alle Karten auswendig kennen und dadurch einen Vorteil haben, aber ein solcher Vorteil wäre vermutlich ohnehin recht gering. Also Daumen hoch.

Too Many Cinderellas
für 2 (besser 3) bis 4 Personen ab 10 Jahren (eigentlich aber schon früher)
Autoren: Nobutake Dogen und Nao Shimamura
Illustration: Hinami Tsukuda
Verlag: Taikikennai Games/Grail Games