Vorbericht zur Spiel Digital: Japon Brand

Japon Brand ist im Laufe eines guten Jahrzehnts in Essen zu einer kleinen Legende geworden. Aus den Anfängen an einem winzigen Stand mit einem Tisch und drei Stühlen ist eine Wand geworden, an der sich am Donnerstagmorgen solche Schlangen bilden, dass sie in manchen Jahren mit Absperrbändern gebändigt werden mussten. Vieles an diesem Stand lief anders als an anderen Ständen. Die Zahl der Exemplare pro Spiel war begrenzt, von manchen Spielen gab es nur zehn Exemplare, von anderen zweihundert, sodass einige Sachen immer ratz-fatz ausverkauft waren. Wer im Vorverkauf zuschlug, musste einen Aufpreis zahlen, da das erstens mit viel Planung verbunden war und zweitens die Gewissheit, das zu ergattern, was man sich ausgesucht hatte, genug Anreiz gab, diesen Aufpreis auch zu zahlen. Dabei war es immer so, dass die Spiele ein wildes Sammelsurium von fantastischen Perlen und seltsamen Spielen waren, die einen ratlos zurückließen. Aber gerade das machte den Reiz aus – würde man dabei sein, wenn der nächste Hype entstand?

In diesem Jahr ist alles anders. Kaum einen Aussteller beeinflusst die Verlegung der Messe ins Internet wohl so stark wie Japon Brand. Im Internet kann man zwar alles mögliche bestellen, wenn man sich die Versandkosten leisten kann. Aber nicht das Gefühl, ein sonderbares und beglückendes Spiel von Japon Brand in Essen ergattert zu haben. Immerhin werden die Spiele (oder zumindest einige von ihnen) auf einer japanischen Webseite namens Buyee erhältlich sein (und bei kleineren Spielen ist das Porto auch nicht allzu hoch – wobei ich halt noch nicht weiß, was diese Spiele wiegen).

Na ja, es ist, wie es ist. Werfen wir doch mal einen Blick darauf, was Japon Brand dieses Jahr so präsentiert (ich gebe hier den jeweiligen Verlag mit an, denn Japon Brand ist kein Verlag, eher eine Dachorganisation für kleinere japanische Verlage, die deren Spiele nach Essen bringt):

Otete Artist von Sotogamo Nakiku erscheint bei ORUCAgames. Auf dem Tisch liegen ein paar Bilder aus. Wer dran ist, muss eins dieser Bilder nachmachen, und zwar ausschließlich mit den Händen. Dabei geht es nicht etwa um Handbewegungen, eher um eine Art Handskulptur. Wie in manchen anderen Spielen des Genres bekommt man keine Punkte, wenn alle Mitspieler*innen das Bild richtig identifizieren, man darf also nicht zu eindeutig sein. Die Bilder sind allesamt im Postkartenformat gehalten, sodass man es leicht erweitern kann, indem man irgendwelche Postkarten hinzufügt.

Japon Brand: Otete Artist
(Disclaimer: Otete Artist habe ich im Auftrag von Japon Brand ins Deutsche übersetzt.)

QA-Code ist ein Ratespiel von Tsuyoshi Hashiguchi, erschienen in der Gallery Ouchi. Eine Person bekommt ein Thema (und eine Zahl, die zumindest um eins geringer ist als die Zahl der restlichen Spieler*innen). Dann muss sie sich ein Wort ausdenken, das in die gezogene Kategorie passt, und verdeckt vier Hinweise aufschreiben. Nach und nach deckt sie die Hinweise auf und die anderen dürfen ihren jeweils einzigen Rateversuch auf eine Ratekarte schreiben. Am Ende wird aufgelöst, und je früher man richtig geraten hat, desto mehr Punkte bekommt man (wer falsch rät, geht natürlich leer aus). Ist die Zahl der richtig Ratenden exakt so hoch wie die Zahl, die anfangs festgelegt wurde, gibt es Bonuspunkte für den*die Hinweisgeber*in.

Japon Brand: QA-Code

Von Yusuke Sato gibt es schon diverse Inkarnationen seiner Time-Bomb-Serie. Am bekanntesten dürfte hierzulande sicherlich Tempel des Schreckens sein, das in so einigen Gruppen, die ich kenne, als kurzes Spiel für viele Leute zum Einsatz kommt. Tempel des Schreckens war eine Neubearbeitung des ursprünglichen Spiels Time Bomb. Hideout wiederum basiert auf Time Bomb II, das 2015 erschienen ist (und meiner Erinnerung nach auch von Japon Brand in Essen präsentiert wurde). Ein Anti-Terror-Team ist von Terrorist*innen unterwandert worden. Das Team gewinnt, wenn das Terrorcamp zerstört wird. Dazu werden verschiedene Gebäude gestürmt, indem verschiedene Spieler*innen Karten dazulegen. Wenn genügend Karten ausliegen, werden sie aufgedeckt. Sind zu viele Terrorkarten dabei, schlägt die Erstürmung fehl und die Karten werden abgeworfen. Wenn zu wenige Teamkarten übrig bleiben, um weitere Gebäude zu erstürmen, gewinnen die Terrorist*innen, werden alle Gebäude erstürmt, gewinnt das Team. Der Verlag heißt NewBoardGameParty.

Ein tolles Japon-Brand-Spiel vom letzten Jahr war Fillit von Ryo Nakamura gewesen (sein Verlag heißt radiuthree). Das ist ein abstraktes Spiel, bei dem man beim Ziehen über das Spielfeld Steine in seiner Spur hinterlässt und versucht, zuerst seine Steine loszuwerden. Wer das verpasst hat, bekommt jetzt noch mal Gelegenheit es sich zu besorgen, denn Nakamura hat ein völlig neues Regelwerk mit dem Namen Jamit dazu herausgebracht. Angeboten wird also nach wie vor Fillit, aber mit einem zusätzlichen Regelwerk.
Bei Jamit schiebt man Steine auf das Spielfeld und versucht in eine Lage zu kommen, in der die eigenen Steine wieder herausgeschoben werden können. Schieben kann man allerdings immer nur aus der Richtung, in der der eigene Spielstein steht, den man in seinem Zug einmal versetzen darf. Ich habe es einmal ausprobiert und fand es nicht ganz einfach, alle Konsequenzen seiner Züge zu überblicken, da brauche ich noch etwas Übung. Aber eine Kaufempfehlung gebe ich auf jeden Fall ab, denn allein für Fillit lohnt es sich schon, wenn man abstrakte Spiele mag. Es gibt auch eine Luxusausgabe aus Holz, die sehr schön aussieht, bei der man aber wohl schon für das Porto tief in die Tasche greifen müsste. Die Regeln und ein paar Bilder findet Ihr hier.

Von Masato Uesugi war schon im Artikel über Oink Games die Rede gewesen (als Autor von Durian), und auch Japon Brand stellt ein Spiel von ihm vor, nämlich Vulcanus. Ein gewaltiges Vulkanmonster ist aus dem Fuji herabgestiegen und macht sich natürlich gleich mal auf den Weg nach Tokyo, wobei es eine Schneise feuriger Verwüstung zieht. Ein*e Spieler*in spielt das Monster, die anderen sollen es im Auftrag der japanischen Regierung aufhalten, die Bevölkerung evakuieren und die Feuer löschen. Erschienen ist das Ganze in Zusammenarbeit von I was game, Drosselmeyer & Co und Arclight Games.

Noch nicht so viel weiß ich über ein zweites Spiel der Reihe „Kaiju on the Earth“, nämlich Leviath von Yuji Kaneko. Wenn ich diese Seite richtig interpretiere, taucht da ein Seemonster auf und möchte Okinawa verwüsten, während die Regierung (vertreten durch die anderen Spieler*innen) versuchen, das zu verhindern.

Ein weiteres asymmetrisches Spiel ist Fogsite von Sola Meichi, erschienen unter dem Label SoLunerG. Eine*r tritt als Guardian auf, die restlichen Spieler*innen bilden ein Team und müssen aus einem Verlies entkommen. Allerdings kennt die komplette Karte des Verlieses nur der oder die Guardian. Die Teammitglieder müssen ihre verschiedenen Informationen erst mühselig zusammenpuzzeln, und die Zeit läuft unerbittlich runter. Der oder die Guardian wird dabei immer stärker und versucht, das Team zu verwirren und am Entkommen zu hindern.
Fogsite wurde beim Tokyo Game Market im Herbst 2019 als bestes Spiel ausgezeichnet.

Zwei Spiele kommen von Masaki Suga im Verlag Polar Pond Games heraus. Das eine trägt den schönen Namen Antique or Ghost? Die Eröffnung einer Ausstellung steht bevor, und man versucht, die beste Antiquitätensammlung zu ergattern. Leider befinden sich böse Geister in einigen der Gegenstände, und die möchte man natürlich nicht in seiner Sammlung haben. Außerdem geht in der eigenen Familie noch ein Fluch um, der bestimmte Gegenstände zerstören kann. Die Spieler*innen handeln nun miteinander, sie zeigen auf eine Karte aus einer fremden Auslage. Der oder die Besitzer*in kann dann entweder die Karte hergeben und die Aktion darauf einsetzen, oder die Karte für sich reservieren, dann kann aber die angreifende Person die Aktion ausführen. Das klingt für mich interessant, das würde ich gern mal ausprobieren.

Japon Brand 2020: Antique or Ghost?

Masaki Sugas anderes Spiel insect inc. habe ich zufällig letztes Jahr schon in Taiwan spielen können. Man muss dabei schnell Paare in einer Auslage erkennen. Das sind jeweils zwei Hälften eines Insektenbilds. Diese Bilder sind aber soweit abstrahiert, dass einem das gar nicht so leicht fällt, die richtigen zu finden, denn die gesuchten Insekten verstecken sich in einem Wald. Je mehr die Spieler*innen im Wald herumsuchen, desto besser verstecken sich die Insekten. Ich bin nicht so der Typ für diese Suchspiele auf Geschwindigkeit, aber insect inc. macht das schon ziemlich cool. Letztlich macht die ungewöhnliche Grafik das Spiel aus. Wer das Genre liebt, sollte sich das unbedingt mal genauer angucken.

Japon Brand 2020: insect inc.

Auf der Ankündigungsliste von Japon Brand stehen auch noch weitere Spiele, nämlich  Hyper Bloom von shiobana (erschienen bei ys), Hachi Train von Toshiki Arao (comet), Cross Wars von Hajime Watanabe, Dragon Gyas von Susumi Kawasaki, Machi Koro Two von Masao Suganuma, Potlatch Klone von Takashi Kato, Yakatabune von Masaki Suga sowie Castle of Moryo von Bruno Faidutti und Serge Laget. Da sind meine Informationen zum Teil noch spärlich. Einige davon sind vermutlich auch nur in der Prototypen-Gallerie zu sehen.
Welche Spiele online spielbar sein werden, ist noch ganz unklar, wahrscheinlich eher nicht so viele (eventuell kommen auf den letzten Drücker noch ein paar Sachen auf Board Game Arena dazu). Das wiederum ist ja typisch für Japon Brand: Man kauft Spiele, ohne sie vorher ausprobiert zu haben, und hofft, die eine oder andere Perle dabei zu erwischen.

Eine Übersicht über alle meine Vorschauartikel zur Spiel Digital gibt es hier.

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