Vor einigen Jahren fand ein Spiel durch Zufall den Weg in unsere Sammlung, das wir seither mehr gespielt haben als fast alle anderen (gut 250mal) und das wir noch lange nicht satt haben. Die Rede ist von Train of Thought, einem Partyspiel der kanadischen Autoren Sen-Foong Lim und Jay Cormier. Zu meinem ganz großen Leidwesen gibt es von dieser Perle keine deutsche Ausgabe, sonst würde ich sie längst im Sprachunterricht einsetzen.
Train of Thought besteht aus einem Würfel, einer Sanduhr (2 Minuten) und einem Haufen Karten. Auf diesen befinden sich jeweils sechs Wörter, meist einfachere Sachen, aber auch ein paar speziellere sind dabei. Wenn man dran ist, nimmt man sich einen Stapel Karten, deckt die oberste davon auf und würfelt. Die gewürfelte Zahl markiert das Startwort auf der Karte. Nun sieht man sich die nächste Karte an und sucht das Wort mit der gleichen Zahl – dieses ist das Zielwort, das die anderen Spieler/innen erraten sollen. Dann überlegt man sich einen Weg vom Start- zum Zielwort. Wenn man bereit ist, dreht man die Sanduhr um und gibt einen Hinweis, der aus exakt drei Wörtern bestehen muss, von denen eins das Startwort sein muss. Alle anderen dürfen nun bis zu einmal raten, was gemeint sein könnte. Wenn das Zielwort nicht dabei ist (und das ist es nur selten), sucht man sich nun eines der geratenen Wörter aus und benutzt es als neues Startwort auf dem Weg zum Ziel. Das wiederholt man so lange, bis das Zielwort erraten wurde. Dann nimmt man sich eine neue Karte und das alte Zielwort wird das neue Startwort. Wenn die Sanduhr abgelaufen ist, zählt man, wie viele Karten man geschafft hat – das sind mal sieben oder noch mehr, mal nur drei, das schwankt nach der Spieler/innenzahl. Wer Zielwörter erraten hatte, nimmt sich für jedes davon ebenfalls eine Karte. Wenn jede/r zweimal dran war, endet das Spiel und jede Karte ist einen Siegpunkt wert.
Letztlich benutzt Train of Thought also ein altbekanntes Konzept: Man muss die anderen Leute dazu bringen, ein Wort zu erraten, darf es aber selbst nicht sagen und hat beim Beschreiben gewisse Einschränkungen. Tabu, Activity und andere sind mit diesem Konzept zu Millionenerfolgen geworden. Train of Thought nicht, das ist mit der ersten Auflage schon wieder ein bisschen in der Versenkung verschwunden. Dabei sind in meinen Augen die Hinweise, die man bei Train of Thought gibt, allemal lustiger als etwa bei Tabu – bei Tabu muss man in seinen Beschreibungen bestimmte Wörter vermeiden, bei Train of Thought ist man gezwungen, ein bestimmtes Wort zu benutzen. Das ist ein tolles Konzept, das immer wieder für Lacher gut ist. Auch der Wiederspielreiz ist höher, denn wenn man zum Beispiel bei Tabu öfter mit den gleichen Leuten spielt, kann man immer wieder auf die gleichen Hinweise zurückgreifen. Bei Train of Thought gibt es ja für ein Wort jeweils eine andere Ausgangslage.
Ich fürchte, dass das Problem an Train of Thought ist, dass die Leute sich zu sehr an die Regeln zu halten versuchen. So ist es beispielsweise verboten, einen Zwei-Wort-Hinweis zu geben und das Startwort einfach unverbunden hinzuzufügen. Das ist eine sinnvolle Regel, aber im Eifer des Gefechts kann sowas eben passieren, genau wie die versehentliche Verwendung eines vierten Wortes. Wer dann das Spiel unterbricht, um über Strafpunkte oder irgendsowas zu diskutieren, beraubt das Spiel seines Spielflusses, und das ist tödlich.
Und da kommen wir bei einem Dilemma an, dem ich mit einem eigenen Spiel auch schon mal gegenübergestanden habe. Es gibt Leute, die interessiert bei einem Partyspiel nur der Spielspaß, die Punkte überhaupt nicht, die zählen das am Ende allenfalls beiläufig. Und andere, für die ein Spiel ohne Gewinner/in überhaupt kein Spiel ist, Nun kann man die Leute problemlos zusammen an einen Tisch setzen – alle spielen nach den Regeln und einige ziehen mehr Spaß aus den verrückten Geschehnissen im Spiel und die anderen aus der Motivation, möglichst viele Punkte zu kriegen. Leider harmoniert diese Mischung aber nur dann gut, wenn das Wertungssystem wenigstens reibungslos funktioniert und keine Unzufriedenheit hervorruft. Und das ist leider bei Train of Thought nicht uneingeschränkt der Fall. Für meine Frau und mich ist das völlig egal, wir spielen es sogar zu zweit sehr oft, obwohl man zu zweit automatisch immer gleich viele Punkte hat (das ist also dann ein kooperatives Spiel, bei dem wir gemeinsam versuchen, möglichst viele Punkte zu bekommen). Auch andere Sachen nehmen wir nicht so ernst – wenn wir meinen, ein Wort nicht zu schaffen (oder weil das gesuchte englische Wort zu schwer ist), schmeißen wir die Karte einfach ab und machen mit der nächsten weiter. Na und? Aber anderen geht das eben nicht so, und ich habe im Netz eine Menge Kommentare in dieser Richtung gelesen.
Vielleicht müsste man bei Train of Thought also etwas am Wertungssystem ändern, damit mehr Leute es lieben. Aber wie gesagt, ich selbst brauche das gar nicht. Nur eine deutsche Version hätte ich fürchterlich gern, denn ich kann zwar gut Englisch, aber man braucht natürlich eine ganze Gruppe, die die Sprache vergleichbar gut beherrscht, sonst fühlt sich leicht jemand abgehängt. Und Deutsch würde sich wegen seiner viel flexibleren Wortbildung für das Spielkonzept wirklich anbieten. Dass auch in Deutschland immer weniger Leute wissen, was ein Wort ist, ist bedauerlich, aber wie gesagt, wenn man das nicht so bierernst nimmt, kann man mit Train of Thought eine Menge Spaß haben. Ich jedenfalls habe bei wenigen Spielen so viel gelacht wie bei diesem.
Gesamtwertung: 9/10
Train of Thought
von Jay Cormier und Sen-Foong Lim
Illustrationen: Gavan Brown
Verlag: Tasty Minstrel Games, 2011