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Die Feste des Herrn Friese

Zusammen mit Fertig! hatte ich auch ein Vorab-Exemplar von Fast Forward: Festung von Friedemann Friese bekommen, und auch das habe ich gespielt. Ich spule mal schnell vor: Das hat mir deutlich besser gefallen.

Fast Forward: Festung
Der erste Blick auf den Kartenstapel. Ich habe das Spiel ohne Schachtel bekommen, das sah dann tatsächlich so aus.

Worum geht’s?

Das ist nicht so ganz einfach zu beschreiben, ohne zu spoilern. Ich versuche es mal so: Das Spiel besteht aus einem Stapel, von dem ein Teil zusammengemischt und durchgespielt wird. Ist man damit fertig, kommen ein paar neue Karten dazu, während man andere aussortiert1. Es geht darum, Festungen zu erobern, indem man sie mit einer Übermacht angreift und dann an sich nimmt – bis sie wiederum jemand anders erobert. Während des eigenen Spielzugs kann man eine Karte aufdecken. Wenn die dritte Sanduhrkarte (von drei) aufgedeckt wird, endet das Spiel, und wer am meisten Festungen kontrolliert, gewinnt. So eine Partie dauert wenige Minuten, aber man schließt dann gleich eine weitere an, in der sich Regeln und Kartenverteilung ändern können, und wer ein Spiel gewonnen hat, bekommt einen Startnachteil für die nächste Partie. Wir haben das gemacht, was wahrscheinlich viele Gruppen machen: Wir haben den gesamten Stapel durchgespielt. Wenn ich mich nicht verzählt habe, waren das 12 Partien und vielleicht knapp anderthalb Stunden. Danach hätten wir noch weiterspielen können (auch dafür gibt es Regeln), aber dann war doch ein wenig die Luft raus. Es ist aber problemlos möglich, den Stapel wieder so herzurichten, dass man von vorne anfängt. Dann fehlt einem zwar der Überraschungseffekt, aber die häufigen Taktikwechsel, die das Spiel interessant machen, bleiben einem erhalten.

Und? Macht das Spaß?

Wenn Vielspieler/innen Spiele gegen weniger erfahrene Spieler/innen spielen, dann haben sie oft die Nase vorn, auch wenn sie das aktuelle Spiel noch nicht kennen. Meiner Meinung nach liegt das an der Erfahrung damit, sich schnell auf neue Spielsituationen einstellen zu können. Wer Gefallen an solchen Herausforderungen hat, ist bei Festung genau richtig. Von Spiel zu Spiel muss man, oft radikal, umdenken. Hat man eben noch gemauert, sich eine unüberwindbare Verteidigung aufgebaut und damit gewonnen, verliert man mit dem Sieg alle Festungen und wird von der Jägerin zum Gejagten. Dann heißt es plötzlich, Himmelfahrtskommandos auszuschicken, ein bisschen zu bluffen, und möglichst kurz vor dem Ende der Partie mit einem kleinen Überraschungsüberfall die letzte benötigte Festung einzusacken. Ich habe das als sehr interessant empfunden. Zuerst dachte ich noch, warum heißt nicht das Durchspielen des Stapels „Spiel“ und das, was „Spiel“ heißt, „Runde“. Aber nach wenigen Spielen war mir klar, warum das so ist – man spielt nämlich tatsächlich unterschiedliche Spiele, die sich zwar von den Regeln her nur wenig unterscheiden, vom Spielgefühl aber sehr. Das finde ich toll, und das hält einen gebannt bei der Sache. Es heißt allerdings auch, dass es vielleicht eher nicht das ideale Spiel ist, was alte Hasen mit vage Spielinteressierten auspacken sollten. Aber das ist als solches ja kein Manko, für solche Situationen gibt es zugänglichere Kost. Gleichzeitig heißt es natürlich auch, dass man zwar in einer Partie fast uneinholbar führen kann, aber dann eben in einer anderen Partie plötzlich einem harten Startnachteil hinterherläuft. So ziemlich keine Gruppe dürfte bei diesem Spiel nur eine Einzelpartie spielen, es lebt ganz eindeutig von der Abwechslung.

Noch ein Pluspunkt: Am späteren Abend bekam eine unserer Mitspielerinnen Kopfschmerzen und bat darum aussteigen zu dürfen. Bei Festung ist das überhaupt kein Problem, wir haben dann einfach zu dritt weitergespielt, und es tat dem Spielspaß keinen Abbruch.

Die Illustrationen fand ich persönlich wenig ansprechend, irgendeine thematische Immersion hat bei mir gar nicht stattgefunden, und nach dem Einpacken hätte ich kaum noch sagen können, was eigentlich auf den Karten drauf war. Da habe ich von 2F-Spiele schon Spektakuläreres gesehen. Aber auch das war nicht irgendwie störend oder so.
Eine faire Gesamtbeurteilung zu geben, fällt mir bei Festung ziemlich schwer. So interessant ich die knapp anderthalb Stunden spielerisch auch fand, war am Ende dann doch die Luft raus. Wenn man mit dem Stapel durch ist, kann man die ausgeschiedenen Karten mischen und wieder einen Nachziehstapel draus machen. Dazu allerdings hatte ich gar keine Lust mehr. Wir hatten das Spiel einfach durchgespielt, und ich habe auch wenig Ambitionen, es noch einmal anzugehen (auch wenn ich eine Einladung zu einer weiteren Partie vielleicht nicht ablehnen würde). Das forschende Herangehen an das Spiel, das ich als seine größte Stärke empfunden habe, ist dann nämlich weg. Und mit neuen Leuten haben die, die es schon kennen, eben einen ziemlich erheblichen Vorteil. Wer einen spannenden und fordernden Spieleabend erleben will und sich nicht dran stört, dass es danach vorbei ist (oder vielleicht tatsächlich Lust auf eine Endlosrunde oder – wahrscheinlicher – einen Reset hat), findet hier ein prima Spiel, das ich gern empfehle. Ich habe es sehr genossen – aber nun ist es aus zwischen uns.

Gesamteindruck: 6/10 (während des ersten Komplettdurchgangs höher)

Fast Forward: Festung
für zwei bis vier Leute
von Friedemann Friese
Illustrationen von Harald Lieske
2F-Spiele, 2017

1 Friedemann Friese hat dieses Konzept erfunden und Fabel-Spiele genannt. Disclaimer: Ich kann noch keinen Vergleich zu anderen Fabel-Spielen ziehen.

Frust for’m Feierabend

Neulich tauchte hier ein Briefumschlag auf, in dem sich Preview-Exemplare zweier neuer Spiele von Friedemann Friese befanden. Da habe ich mich gleich mal an die Arbeit gemacht und die durchgespielt. Zumindest beim einen muss ich das Arbeit nennen, denn es geht bei diesem darum, Akten zu sortieren (= Karten in die richtige Reihenfolge zu bringen). Es ist ein Solitärspiel namens „Fertig!“

Fertig!

Worum geht’s?

Fertig! besteht aus 48 durchnummerierten Karten, die einen verdeckten Stapel bilden. Die 48 liegt zuunterst, die anderen Karten sind gemischt (das ist am Anfang schon vorbereitet, in zukünftigen Partien kann man das dann selbst machen).

In einem Spielzug legt man zunächst mal drei Karten aus. Hat man schon Karten in der Auslage, wandern diese in frei wählbarer Reihenfolge in die Ablage, in der aber nur drei Karten liegen dürfen – die jeweils ältesten Karten steckt man wieder unter den Nachziehstapel, den man in der Hand hält. Zusätzlich bildet man einen nach Zahlen sortierten Stapel, der mit der 1 beginnt und auf den man immer dann die nächsthöhere Karte drauflegt, wenn diese in der Auslage auftaucht. Wenn man es schafft, alle Karten bis zur 48 sortiert draufzulegen, gewinnt man das Spiel.

Das ist aber natürlich noch nicht alles. Man hat nämlich zu Beginn einen Vorrat an Bonbons und Kaffeetassen. Zucker und Koffein sollen einen bei der monotonen Arbeit wachhalten. Mit den Bonbons kann man Karteneffekte aktivieren. Dazu legt man ein Bonbon auf die Karte und macht das, was (sprachunabhängig) draufsteht. Zum Beispiel kann man eine weitere Karte in die Auslage legen, Karten zwischen Auslage und Ablage verschieben oder gar eine komplette Auslage in die Zukunft verschieben. Dann darf man sozusagen eine Runde zwischendurch spielen, bevor die aufgeschobene Arbeit einen wieder einholt.

Wieder andere Karten bringen neue Bonbons ein, wenn man sie aufdeckt – auch das ist natürlich sehr willkommen, denn mit den Bonbons muss man gut haushalten. Ansonsten bekommt man Bonbons nur, wenn man mindestens drei direkt aufeinanderfolgende Karten in die Ablage verschiebt, und das passiert vor allem am Anfang noch nicht so oft. Die wohl mit Abstand mächtigste Karte ist aber die, mit der man die aktuelle Auslage ohne den Umweg über die Ablage unter den Nachziehstapel stecken kann. Es ist nämlich so, dass man jeweils eine Kaffeetasse ablegen muss, wenn man die 48 von der Auslage in die Ablage verschiebt. Und wenn man das machen will, aber keine mehr hat, ist man so müde, dass man bei der Arbeit einschläft und das Spiel verliert.

Und? Macht das Spaß?

Vielleicht sollte ich vorausschicken, dass ich wenig Erfahrung mit Solitärspielen habe, und auch selten das Bedürfnis danach. Spielen ist für mich in erster Linie ein soziales Ereignis. Wer begeisterte/r Solospieler/in ist, mag hier durchaus eine ganz andere Meinung haben.

Wo soll ich anfangen? Meine erste Partie war noch von einer ziemlich wahllosen Neugier geprägt, ich nahm Extra-Karten, wo immer es möglich war und versuchte einfach, ein bisschen zu sortieren. Erst gegen Ende der ersten Partie setzte sich langsam die Erkenntnis bei mir durch, dass das Verschieben von Karten in die Zukunft durchaus eine mächtige Aktion sein kann und dass insbesondere die Kombination der Karte, bei der man die Auslage unter den Stapel steckt, mit der 48 eine idiotensichere Kombination ist – wenn die 48 nicht in der Ablage landet, braucht man auch keinen Kaffee zu trinken, und kann mehr oder weniger endlos weiterspielen, bis man fertig ist1. So bekommt man ein ziemlich gut zu gewinnendes Spiel, das man dann in verschiedenen Schwierigkeitsstufen ausprobieren kann. Hat man genügend Bonschen, kann man überhaupt sehr viel machen, aber die sind dann natürlich einfach irgendwann alle. Bis dahin sollte man schon ein paar Sequenzen gebildet haben, mit denen wieder ein Bonbonvorrat reinkommt. Aber es wäre ja auch langweilig, wenn es nicht eine gewisse Verknappung gäbe.

Ich will hier nicht spoilern, daher zeige ich die Karten nur von der Rückseite.

Eigentlich finde ich Fertig! richtig gut designt. Die Aktionen greifen gut ineinander, man hat verschiedene Möglichkeiten, zum Ziel zu bekommen und man kann den Schwierigkeitsgrad gut justieren. So ergibt sich eine durchaus interessante Herausforderung. Leider dauert es aber für mein Empfinden fürchterlich lange, bis man dann tatsächlich fertig ist, und die letzten Durchgänge empfinde ich als zäh und repetitiv, denn es kommen ja keinerlei Überraschungen mehr. Das fühlt sich dann an wie… sagen wir Akten sortieren? Ich weiß, das ist Absicht, aber bei mir hat es als Spiel keine Begeisterung auslösen können. Beim Spielen will ich lachen, und das passiert bei „Fertig!“ eher nicht. Und vor allem brauche ich eben Überraschungen. Die können entweder daher kommen, dass andere Spieler/innen unerwartete Dinge tun, oder aus dem Spiel selbst. Überraschungen gibt es hier aber nur am Anfang, und die letzten sieben Achtel sind dann für mich zähflüssig. Ein schönes Schmankerl ist am Ende das Daumenkino – wenn die Karten einmal sortiert sind, kann man sich da einen kleinen Film über Büroarbeit angucken. Das ist allemal eine charmante Idee, aber vielleicht auch nichts, was einen nach der siebenundzwanzigsten Partie noch umhaut. Also, eine viel zu lange Patience mit schönen Mechanismen, die thematisch passen, und am Ende noch ein kleines Bonbon – das beschreibt es für mich ganz gut. Ich wäre aber nicht überrascht, wenn Leute, die ohnehin gern knifflige Solitärspiele spielen, an „Fertig!“ ihre Freude haben könnten.

Gesamteindruck: 4/10

Fertig!
für 1 Person
von Friedemann Friese
Illustrationen: Harald Lieske
2F-Spiele, 2017

1 Update, eine gute Stunde nach der Veröffentlichung: Von Friedemann Friese bekam ich gerade eine Mail, in der ich auf ein Regel-Update hingewiesen wurde. Die erwähnte Aktion, bei der man die 48 einfach unter den Stapel schieben kann, ohne einen Kaffee zu trinken, war nicht so gemeint gewesen. In der Version, die man dann in Essen und darüber hinaus bekommen kann, wird das korrigiert sein. Das macht das Spiel sicher spannender.