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Lahme Löwen

Da ich eine spielbegeisterte Familie habe, bin ich immer offen für gute Familienspiele. Crazy Race schien allgemein recht gut anzukommen, und so griff auch ich zu, als sich eine gute Gelegenheit bot. Ob ich das bereut habe, könnt Ihr hier lesen.

Crazy Race

Worum geht’s?
Die Löwen im Zoo haben Bock auf ein bisschen Action, klauen sich ein paar Wagen und spannen alle möglichen Tiere davor. Dann liefern sie sich ein Rennen.
Auf dem variablen Spielfeld ist eine Rennstrecke in mehreren Etappen abgebildet, deren Felder fünf verschiedene Farben haben. Für jede Farbe sind einige Würfel im Spiel, die verschiedene Augenzahlen zeigen (je nach Farbe also unterschiedliche durchschnittliche Ergebnisse erzielen). Die Spieler/innen haben eine Wagentafel, an die sich jeweils ein Zugtier anpuzzeln lässt. Jedes Zugtier hat eine maximale Bewegungsweite. Wer dran ist, guckt sich an, welche Farben die vorausliegenden Felder haben und nimmt sich entsprechende Würfel dafür. Wie viele Würfel man nimmt, kann man selbst wählen, man muss nur die Farben der jeweils nächsten Felder einhalten. Wenn man es nun schafft, mit allen genutzten Würfeln zusammen unter dem Limit für sein Zugtier zu bleiben, darf man so viele Felder voranziehen, wie man Würfel benutzt hat. Liegt man drüber, darf man nur ein Feld voranziehen.

Wenn ein Löwe eine Etappengrenze überfährt, wird die aktuelle Runde zu Ende gespielt, dann dürfen sich alle ein neues Tier aussuchen (zuerst wählt, wer auf der letzten Position liegt). Und weiter geht’s. Wenn dann jemand schließlich die Ziellinie überfährt, hat er oder sie allerdings noch nicht gewonnen, sondern jetzt deckt man reihum die genutzten Zugtiere auf, die zum Teil noch Bonusfelder bringen. Wenn alle ihre Bonusfelder gezogen sind, gewinnt, wer am weitesten vorn steht.

Crazy Race

Und? Macht das Spaß?

Mir leider nicht so. Ich bin auch ziemlich perplex, dass Crazy Race von vielen so hochgelobt wird, gar als möglicher Kandidat für das Spiel des Jahres gehandelt wird. Da will ich mich jetzt nicht damit abfinden, das einfach auf meinen exzentrischen Geschmack zu schieben, sondern versuchen, herauszufinden, was mich an diesem Spiel eigentlich so stört. Der erste Eindruck wird natürlich von Michael Menzels Illustrationen geprägt, und die sind wie immer klasse. Da gibt es also nichts zu meckern, an der Produktionsqualität wie von Ravensburger gewohnt auch nichts. Und eigentlich bin ich ein Fan von Push-your-luck-Spielen, ich spiele leidenschaftlich Tiefseeabenteuer, gern Can’t Stop und kann gar nicht sagen, wie abgenutzt unser Exemplar von Kleine Fische mittlerweile ist. Das ist ein Genre, das mir liegt, also waren meine Erwartungen vielleicht zu hoch?

Eigentlich finde ich die Grundidee ganz reizvoll, sich von unten möglichst nahe an eine Zahl ranzuwürfeln, indem ich eine Würfelwahrscheinlichkeit abschätze. Ein bisschen unromantisch wird das, weil der Durchschnittswert jedes Würfels auf Übersichtstafeln angegeben ist, aber vielleicht dadurch ganz lehrreich für Leute, die mit sowas bisher nichts anfangen konnten. Ein Problem tritt bei Crazy Race aber nun auf, das ich aus anderen Spielen des Genres nicht kenne: Ich suche mir ein Tier (und damit eine Taktik) aus, kann aber dann gerade mal zwei oder drei Würfe mit diesem Tier durchführen, weil dann schon wieder jemand am nächsten Baum vorbeikommt und neue Rollen verteilt werden müssen. Und bei Würfelwahrscheinlichkeiten ist es nun mal so, dass ein Wurf jederzeit schiefgehen kann – wenn das dann aber einer von nur zwei Würfen ist, die ich habe, kann ich das mit nichts ausgleichen, sondern habe lediglich den schwachen Trost, beim nächsten Wechsel zuerst wählen zu dürfen. Schlimmstenfalls, ohne mich mit meinem aktuellen Tier überhaupt bewegt zu haben. Stattdessen muss ich mich gleich wieder auf etwas anderes einlassen. Dadurch kommt weder Spielfluss auf, noch fällt sonderlich auf, ob ich eine sinnvolle Entscheidung getroffen habe.

Der ständige Wechsel der Zugtiere ist mir persönlich sehr negativ aufgefallen. Es klingt zwar nach einer guten Idee, aber da die Wechsel eben so schnell aufeinander folgen, kann ich mich auf nichts richtig einlassen und werde mich am Ende einer Partie kaum daran erinnern, welche Tiere ich gespielt hatte. Da steckt einfach kein Feuer drin. Dazu kommt, dass ich durch den ständigen Wechsel der Tiere dauernd über die aktuellen Regeln nachdenke, anstatt mich im Spiel selbst versenken zu können.

Was mir außerdem fehlt, ist jede Möglichkeit, mal etwas Überraschendes zu tun. Ich mag Spiele mit simplen Regeln, und zwar besonders dann, wenn ich innerhalb des Spiels plötzlich einen heimlich ausgeheckten Plan ausführen kann, der vom Althergebrachten abweicht. Das ist mir bei Crazy Race völlig verwehrt, und selten habe ich diese Möglichkeit so schmerzlich vermisst wie hier. Wahrscheinlich zeigt das aber auch nur, dass mir die Interaktion hier fehlt. Ich kann niemanden blockieren und niemandem helfen, mit niemandem etwas aushandeln – kurz, ich spiele letztlich einfach so vor mich hin und gucke höchstens beim Auswählen neuer Tiere kurz mal drauf, was die anderen machen. Als jemand, der Spiele mit hoher sozialer Interaktion liebt, wird mir so etwas schnell langweilig.

Am Ende kommt dann noch ein absoluter Stimmungstöter: Je nachdem, welche Tiere man im Laufe des Spielst vor seinen Wagen gespannt hatte, bekommt man noch Aufholpunkte gutgeschrieben. Wer mit eher langsamen Tieren unterwegs war, wird jetzt unter Umständen noch an einigen Konkurrent/innen vorbeigeschoben. Das ist der Tod jeder thematischen Immersion in diesem Spiel. Mich erinnerte das an diese Buden auf dem Jahrmarkt, wo man Bälle in Löcher rollt oder wirft, um Pferde anzutreiben. Wessen Pferd zuerst im Ziel ist, bekommt einen Preis – und dann sieht man alle Pferde an der Schnur wieder auf die Startbahn gezogen, was sehr seltsam und künstlich aussieht. So ähnlich habe ich die Schlussphase von Crazy Race empfunden. In einem abstrakteren Spiel hätte mich das sicherlich weniger gestört. Aber die doch eigentlich schöne Illusion, dass sich hier Löwen ein Rennen liefern, wird allemal zunichte gemacht, zumal es während des Rennens selbst gar nicht sooo viele Überholmanöver gibt.

Der Spielplan ist variable aufbaubar.

Für mich ist Crazy Race insgesamt ein thematisch nicht funktionierendes, langweiliges Lehrstück über Würfelwahrscheinlichkeiten. Spannend war für mich allemal die Frage, wann es vorbei sein würde. Meine Frau war in ihrem Urteil zwar etwas gnädiger, aber da die Kinder nach einigen Partien (meine Ältere schon nach der ersten) keine Motivation zeigen, es erneut zu spielen, sind wir mit Crazy Race jetzt durch. Auch der minimal variable Spielaufbau wird mich nicht dazu animieren, das jetzt in allen möglichen weiteren Konstellationen durchzuprobieren, das fällt für mich eher in den Bereich Überproduktion. Viel interessanter als Farbvariationen wäre hier die Möglichkeit gewesen, die Länge einzelner Etappen oder des Gesamtrennens flexibel gestalten zu können. So wie es ist, empfinde ich Crazy Race aber als viel Lärm um sehr wenig.

Gesamteindruck: 4/10

Crazy Race
von Alessandro Zucchini
für 2 bis 5 gähnende Löwen
Illustrationen von Michael Menzel
Ravensburger, 2017