Lasst mich in Ruhe mit Euren blöden Geschenken!

In Quarantänezeiten fehlt mir ja die Möglichkeit, viel außer Haus zu spielen. Deshalb gibt es heute auch keine Rezension zu einem obskuren Spiel aus Lateinamerika zu lesen, sondern zu unserem aktuellen Familiendauerbrenner: Heul doch! Mau Mau von Leo Colovini. Nach über 50 Partien, meist in der Familie, habe ich jetzt das Bedürfnis, meiner Wertschätzung für dieses Spiel Ausdruck verleihen.

Heul doch! Mau MauWorum geht‘s?

Heul doch! Mau Mau besteht vor allem aus 98 Zahlenkarten mit Werten von eins bis sieben in sieben Farben (jeweils doppelt im Spiel). Man legt auf einen eigenen Ablagestapel nach Mau-Mau-Regeln (gleiche Farbe oder Zahl) jeweils eine Karte und zieht eine nach. Wenn der Stapel durchgespielt ist, gewinnt, wer die meisten Punkte in seinem Stapel hat (jede Karte zählt ihren Punktwert). So weit, so simpel. Allerdings gibt es da zwei Probleme: Eine Karte, die auch auf den Stapel einer meiner Nachbar*innen passen würde, darf ich nicht auf meinen eigenen Stapel spielen, sodass ich oft gezwungen bin, den anderen Leuten Punkte auf ihren Stapel zu legen. Will oder kann ich auch das nicht, muss ich eine Karte verdeckt auf meinen Stapel legen (auf eine verdeckte Karte kann ich mit einer beliebigen Zahl weiterspielen). Das sollte allerdings nicht zu oft vorkommen, denn am Ende des Spiels muss ich dann meine verdeckten Karten zählen – habe ich beispielsweise drei davon, zählen alle meine Dreien null Punkte.

Wer will, kann noch die vier Aktionskarten ins Spiel bringen, die jeweils dreifach vorhanden sind. Mit diesen kann man zum Beispiel seine oberste Karte mit der von jemand anderem tauschen. Oder, besonders populär, man zwingt mit der Werwolfkarte alle Spieler*innen, ihre oberste Karte umzudrehen.

Ein Spielelement habe ich noch nicht erwähnt: der Schachtel liegt allen Ernstes ein Papiertaschentuch bei. Einen spielmechanischen Einfluss hat es nicht, aber man kann es herausholen, wenn jemandem übel mitgespielt wird, oder jemand sich zumindest so sehr beklagt. Das ist auf jeden Fall schon mal auffällig – so etwas hätte man vielleicht eher bei einem Perlhuhn-Spiel erwartet als bei einem von Ravensburger.

Heul doch! Mau Mau
Beim Anblick der Zahlenkarten dachte ich sofort: „Oh, Zwiebel-Bohnanza!“ Das Spiel ist aber ganz anders. Oben drei der Aktionskarten. Rechts: das Taschentuch.

Und? Macht das Spaß?

Ja! Heul doch! Mau Mau ist eins dieser Spiele, bei denen man nach dem Auszählen quasi automatisch die Karten mischt und neu austeilt – große Diskussionen darüber, ob es eine weitere Partie geben soll, finden es da eher nicht statt.

Das grundsätzliche Dilemma besteht darin, dass ich permanent Karten geschenkt bekomme, die auch Punkte für mich ergeben, die aber eben sehr oft mit meinen Plänen kollidieren, sodass ich mich trotzdem nicht freue. Diesen Schachzug von Leo Colovini bewundere ich zutiefst, er hebt das Verschenken von Punkten, das es schon in anderen Spielen hier und da mal gab, auf ein völlig neues Niveau. Chapeau!
Die Aktionskarten bringen dann noch ein bisschen zusätzliche Würze ins Spiel, weil man nicht mehr sicher sein kann, was die Nachbarin plant, die eine Karte verdeckt auf ihren Stapel legt. Kann sie nichts anderes spielen oder hat sie einen Werwolf auf der Hand? Sollte ich im letzteren Fall auch riskieren, eine verdeckte Karte zu spielen, in der Hoffnung, das sie umgedreht wird? Das bringt so eine kleine Bluffkomponente mit rein, die ich nicht missen möchte.

Im Grunde ist Heul doch! Mau Mau ein Dreierspiel. Klar, man kann es auch mit mehr Leuten spielen, aber die dauernde Interaktion findet halt nur mit den beiden Nachbar*innen statt. Mit den anderen Spieler*innen kann man nur über die Aktionskarten interagieren, und das passiert im Spiel dann doch eher selten. Außerdem kann man zu dritt manchmal drauf hinwirken, dass beide Gegner*innen die gleiche Zahl oder die gleiche Farbe offen liegen haben und idealerweise ebenfalls ihre optimalen Züge nicht ausführen können. Man kann also auch in die Interaktion zwischen den anderen Spieler*innen eingreifen.
Ich habe auch eine Reihe Leute erlebt, die ohne die Aktionskarten spielen, wohl weil sie sich davon mehr Kontrolle über das Spiel erhoffen. Das kann man natürlich machen, aber wer ein wirklich kontrollierbares Spiel haben will, ist hier ohnehin falsch. Heul doch! Mau Mau lebt davon, dass einem das Spiel permanent entgleitet und man schimpft und flucht, bis mal wieder jemand mit dem Taschentuch rumwedelt.

Heul doch! Mau Mau ist meines Wissens bisher nur in Deutschland erschienen. Warum nur? Wir haben hier eine Perle von einem simplen Kartenspiel, in dem die Emotionen durch den brillianten Grundmechanismus ständig von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt schwanken. Das lässt einen nicht kalt. Ausprobieren!

Heul doch! Mau Mau

von Leo Colovini
für 3 (-6) Leute, die nah am Wasser gebaut sind
Illustrationen von Marek Bláha
Ravensburger, 2019


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