Schlagwort-Archive: Rolf Vogt

In den See! In den See, mit einem Gewicht an den Füßen!

Auf der Nürnberger Spielwarenmesse im Februar hatte ich am Stand der Drei Hasen in der Abendsonne zum erstem Mal einen Blick auf Gauner raus! erhaschen können. Leider hatte ich damals keine Gelegenheit bekommen, es mal anzuspielen, aber vor einigen Wochen erschien es dann im Handel und landete auch gleich bei mir auf dem Tisch. Und so richtig losgelassen hat es mich seither nicht.

Gauner raus! Cover
Cover. Mit freundlicher Genehmigung der Drei Hasen.

In einem alten Fabrikgebäude halten sich Mitglieder von sechs Gaunerbanden versteckt. Die Aufgabe der Spieler/innen ist es, sie aufzuspüren, einzukreisen und, wie der Titel schon verrät, aus dem Gebäude hinauszukomplementieren.
Dazu hat jede/r vor sich einen Plan des Gebäudes liegen. Die Gauner sind ein Kartensatz, mit Karten von A bis F in jeder der sechs Farben. Zu jedem dieser Gauner gehört ein Raum in der Fabrik, die also aus 36 Räumen besteht. Man kriegt nun einige dieser Gaunerkarten auf die Hand und muss versuchen, herauszufinden, welche der anderen Karten bei den anderen Spieler/innen auf der Hand sind. Zu Beginn wird einige Male mit zwei Würfeln gewürfelt, von denen einer eine Farbe und der andere einen Buchstaben zeigt. Man trägt nun auf das den gewürfelten Koordinaten entsprechende Feld eine Zahl ein, die angibt, wie viele passende Karten man auf der Hand hält. Zeigen die Würfel also beispielsweise Grün und D, muss man zusammenzählen, wie viele grüne Karten und wie viele Karten mit einem D man hat und die Summe im Feld Grün D eintragen.

Nun beginnt das eigentliche Spiel. Wer an der Reihe ist, würfelt zunächst wie zu Beginn (aber diesmal trägt man das Ergebnis nur bei sich selbst ein) und fragt dann eine/n andere/n Spieler/in ob er/sie eine bestimmte Karte auf der Hand hat. Natürlich sucht man sich zunächst mal eine Farbe oder einen Buchstaben aus, wo der/die Betreffende schon eine hohe Zahl eingetragen hat, weil dort die Wahrscheinlichkeit für einen Treffer am größten ist. Hat man getroffen, wird die entsprechende Karte ausgelegt und auf allen Zetteln markiert. Liegt man daneben, endet der Zug (und der Fehlversuch wird bei dem/der Befragten markiert). Das geht nun reihum solange weiter, bis jemand keine Karte mehr hat. Es gewinnt, wer am meisten Treffer gelandet hatte. In einer verschärften Variante bekommt man nur Punkte in einer Runde, wenn man vor dem ersten Fehlversuch aufgehört hatte.

Gauner raus! - Spielmaterial
Spielmaterial. Mit freundlicher Genehmigung der Drei Hasen.

Gauner raus! erinnert stark an das Lösen von Sudokus. Aus zunächst sehr wenigen Daten gewinnt man mühselig mehr und mehr Informationen, bis der Rest plötzlich sonnenklar ist – oder man bemerkt, dass man irgendwo einen Fehler gemacht hat. Meist lässt sich dann kaum noch herausfinden, wo dieser seinen Ursprung hatte. Das kann frustrierend sein. Daher auch hier zunächst mal eine ganz dicke Warnung: Wer Gauner raus! spielen will, muss hochkonzentriert sein. Mit Baby auf dem Arm klappt das nicht, und auch schlechtes Licht, Müdigkeit oder Bier sind Gegner dieses Spiels. Es ist ja so: Wenn man eine halbe Stunde auf das Finale hingefiebert hat, dann feststellt, dass irgendjemand etwas falsch eingetragen hat, daraus falsche Schlussfolgerungen entstanden sind und man diese nicht mehr korrigieren kann, endet das Spiel. Man kann dann zwar den/die Schuldige/n als Verlierer/in bezeichnen, aber befriediegend ist das natürlich ganz und gar nicht (vielleicht ist es am unterhaltsamsten, wenn man es hält wie die Schweizer bei Asterix?). Wir haben insgesamt vier Anläufe gebraucht, bis wir das Spiel zum ersten Mal mit einem Sieg beendet hatten. Natürlich hilft es, wenn niemand dabei ist, der das Spiel noch nicht kennt. Wiederholungspartien gehen dann durchaus flüssiger vonstatten. Aber die Gefahr, dass eine Unachtsamkeit das Spiel kaputt macht, ist groß. Da meine Augen außerdem nicht so messerscharf sind, kann ich nicht über den Tisch hinweg erkennen, welche Reihen schon voll sind, da muss ich mir den jeweiligen Zettel schon nehmen und genau angucken. Bei zwei Leuten ist das noch entspannt, bei drei oder mehr verliert man den Überblick schon leichter.

Trotzdem ist Gauner raus! klasse, da waren sich in meinem Spieleumfeld ziemlich alle einig. Man hat eben nicht nur ein Rätsel zu lösen, bei dem man versucht, die höchsten Wahrscheinlichkeiten für seine Tipps zu ermitteln, sondern gleichzeitig entblößt man sich selbst immer mehr und fühlt die Einschläge der anderen näher kommen. Spielt man zu zweit, ist es ein Rennen um das Lösen des anderen Rasters, sind mehrere beteiligt, kommt erschwerend dazu, dass man sowohl mit richtigen als auch mit falschen Tipps Informationen über sich selbst preisgeben kann, die man eigentlich lieber für sich behalten hätte. Auch hier sollte man aufpassen, aber wenn man da ungeschickt spielt, bleibt der Spielfluss zumindest erhalten.
In unserer bisher einzigen Viererpartie fand ich noch etwas interessant. Von einer Spielerin waren schnell mehrere Karten bekannt, von einer anderen längere Zeit gar keine. Zunächst hatte ich die Befürchtung, dass so etwas das Spiel aus der Balance werfen (und zu glücksabhängig machen) könnte. Aber dann zeigte sich, dass erstens die vielen Informationen auf ihrem Zettel auch viel über die anderen verriet, und das zweitens ein Ehrgeiz entstand, der bis dahin unbeschadeten Spielerin Karten herauszulocken. Das funktionierte ganz prima.
Auf jeden Fall ist Gauner raus! ein sehr durchdachtes und gelungenes Erstlingswerk von Autor Rene‘ Puttin, und ich wollte eigentlich nach jeder Partie sofort nochmal spielen. Die wunderbare Grafik von Rolf Vogt, dessen Stil ich einfach sehr mag, tut ein Übriges. Fast schade, dass man während des Spiels viel zu sehr auf Buchstaben und Farben konzentriert ist, um wriklich auf die Illustrationen zu achten.

Gauner raus! ist sicherlich nicht für jeden was. Vielleicht beginnt man zu zweit, um ein bisschen Routine zu bekommen (da muss man noch keine Punkte aufschreiben – wer keine Karten mehr hat, verliert), und arbeitet sich dann zu den größeren Partien hoch. Zielgruppe sind eigentlich Leute, die Spaß am Kombinieren haben, sich voll auf das Spiel einlassen, aber es anderen trotzdem nicht krumm nehmen, wenn doch mal ein Fehler auftritt. Der Typ, der bei Asterix im See versenkt wurde, ist ja nach seiner Rettung auch wieder auf die Party zurückgegangen.

Gesamteindruck: 8/10

Gauner raus!
für 2 bis 4 konzentrierte Leute
von Rene‘ Puttin*
mit tollen Illustrationen von Rolf Vogt
erschienen bei Drei Hasen in der Abendsonne, 2016
(hier kann man auch zusätzliche Wertungszettel herunterladen, denn der beiliegende Block ist etwas knapp bemessen)

*Auf der Schachtel heißt er René.

Sie sind so fies zu mir… und ich mag das.

Preisfrage (ohne Preis): Ein Spiel von Jacques Zeimet, bei dem man Karten aufdecken und Sachen sagen muss, und wenn man die falschen Sachen sagt, kriegt man zur Strafe den ganzen Ablagestapel. Illustriert von Rolf Vogt. Veröffentlicht im Verlag von Hans Rüttinger und Kathi Kappler. Von welchem Spiel ist die Rede?

Falsch geraten.

Ich schreibe hier nicht über das berühmt-berüchtigte Spiel Kakerlakensalat von 2007, sondern über Die fiesen 7, kürzlich auf der Spielemesse in Essen ans Licht gekommen. Die Parallelen zum Kakerlakensalat sind unübersehbar, aber dennoch ist die Spielerfahrung anders und, das kann ich gleich vorwegnehmen, für mich noch etwas besser.

Die fiesen 7 besteht aus einem größeren Stapel Karten, auf denen sieben Ganoven in fünf verschiedenen Motiven abgebildet sind. Die Karten werden gleichmäßig an die Spielenden verteilt. Jemand fängt an und deckt eine Karte auf und sagt sofort „1“. Dann geht es reihum, der/die Nächste deckt eine Karte auf und sagt „2“ und so weiter bis zur 7, dann wieder runter bis zur 1, wieder rauf bis zur 7, wieder abwärtst und so weiter und so weiter. Allerdings gibt es da ein paar Fallstricke zu beachten:

Sind zwei Ganoven auf einer Karte zu sehen, muss man zwei Zahlen sagen, und der/die Nächste muss aussetzen. Hält der Ganove ein Handy in der Hand, sagt man nur „Hmmmrrr“, bei zwei telefonierenden Ganoven entsprechend „Hmmmrrr, hmmmrrr“. Und ein Ganove, der in einen Revolverlauf guckt, ist mucksmäuschenstill und sagt gar nichts. Im Kopf muss man allerdings bei Handy- und Revolverganoven trotzdem weiterzählen, jeder Ganove erhöht beziehungsweise verringert die aktuelle Zahl um eins.

Die fiesen 7
Bild: Drei Hasen in der Abendsonne

Wer einen Fehler macht, muss alle abgelegten Karten unter den eigenen Stapel schieben. Wer als erstes alle Karten abgelegt hat, gewinnt.

Was man als Fehler definiert, ist ein bisschen Ansichtssache – falsches Zählen auf alle Fälle, eine Karte legen, wenn man nicht dran ist, auch, zu langes Zögern ebenso. Letztere Fehler sind aber anpassbar, wenn man zum Beispiel mit Kindern spielt. Ist ein bloßes Ziehen einer Karte, wenn man nicht dran ist, ein Fehler, oder gilt der erst, wenn die Karte auf dem Stapel liegt? Wie langes Zögern ist zu lange? Da ergibt sich in jeder Spielrunde ein eigener Beurteilungsstandard.

Wenn man sich warmgespielt hat, kommt die Fiesenregel ins Spiel, die dem Spiel erst den endgültigen Kick gibt: Wer das erste Handy einer Runde aufdeckt, sagt nicht mehr (unbedingt) „Hmmmrrr“, sondern kann irgendein Geräusch machen, ein Wort oder einen Satz sagen, egal was. Alle anderen, die nun einen Handyganoven aufdecken, müssen das nachmachen. Eine klassische Möglichkeit ist, irgendeine Zahl zu sagen, zum Beispiel 3 – diese Zahl muss jetzt bei jedem Handyganoven gesagt werden, und sie durchbricht natürlich das blanke Zählen, Das kriegt man vielleicht gerade noch hin. Aber wenn jemand sagt „Ich hätte gern die Pizza Nummer 3“ oder „Beim nächsten Ton ist es 10 Uhr 8“, ist es mit dem konzentrierten Zählen schnell vorbei.

Kakerlakensalat habe ich immer ganz gern gespielt und würde auch heute keine Partie ablehnen. Aber mit der Zeit wurde ich dann ganz gut darin und habe kaum noch Fehler gemacht. Die fiesen 7 habe ich jetzt ähnlich oft gespielt, und ich finde es viel, viel schwieriger. Ich glaube, dass dafür vor allem zwei Dinge verantwortlich sind:

– die Doppelganoven durchbrechen den Rhythmus (Spielen, wenn man nicht dran ist, ist bei uns der häufigste Fehler)

– durch die Fiesenregel kommen immer wieder Überraschungen ins Spiel, jede Partie ist anders.

Letzteres führt natürlich auch zu größerem Langzeitspielspaß. Die Illustrationen sind natürlich nicht so spektakulär wie bei den Kakerlakenspielen, aber dass die Ganoven einander furchtbar ähnlich sehen, ist sicherlich Absicht. Und wer das Spiel nach ein paar Runden tatsächlich zu leicht finden sollte, dürfte durch die Fiesenregel längst inspiriert sein, die Schwierigkeit weiter in die Höhe zu treiben. Spielt das Spiel halt mal in einer Fremdsprache, zählt von zwei bis acht anstatt von eins bis sieben, wechselt die Spielrichtung, wenn jemand hustet – die Möglichkeiten sind ziemlich unbegrenzt.

Die fiesen 7 ist zu zweit lustig, zu dritt noch besser und zu viert oder fünft richtig toll (zu sechst habe ich es noch nicht probiert). Wer nur auf harte Strategiespiele steht, sollte die Finger davon lassen – wer über Kakerlakensalat lachen kann, hat hier einen Pflichtkauf vor sich.

Die fiesen 7
Autor: Jacques Zeimet
Illustrationen: Rolf Vogt
Verlag: Drei Hasen in der Abendsonne, 2015