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Karten auf den Tisch spucken

Was gibt es im Sommer Schöneres, als hemmungslos erfrischende Wassermelonen in sich hineinzustopfen? Ich für meinen Teil habe dafür jedenfalls eine Schwäche. Aber hinterher hat man einen Haufen Biomüll über – die Schalen und die Kerne müssen ja irgendwo hin. Die kolumbianischen Autoren Maikol Homero Bello und Juan Pablo Alzate schmeißen das Zeug einfach auf den Tisch, und zwar in Form eines kleinen Kartenspiels namens SandíaMix.

SandíaMix
Kann man mit 2 bis 6 Eiern spielen.

Worum geht’s?

Man hat auf der Hand drei Melonenkarten. Wer dran ist, zieht eine vierte Karte und spielt dann eine der vier Karten in die Mitte. Nach der ersten Karte müssen dabei folgende Regeln beachtet werden: Die Zahl der offen liegenden Melonenkerne muss sich ändern, mindestens ein Kern muss abgedeckt werden und die neue Karte darf nicht alle Kerne einer anderen Karte abdecken. Wenn anschließend die Zahl der sichtbaren Melonenkerne mit der Zahl der Kerne auf der Hand übereinstimmt, bekommt man einen Punkt, egal ob man gerade an der Reihe war oder nicht. Wenn auf der gespielten Karte ein Stern war, gibt es einen Sonderpunkt (aber nur für die Person, die die Karte gespielt hat). Wer gepunktet hat, wirft die Handkarten ab und zieht drei neue. Wenn der Stapel zweimal durchgespielt wurde, endet das Spiel und es gewinnt, wer am meisten Punkte ergattert hat.

Ein wichtiger Punkt fehlt in den Regeln (den habe ich erst später erfahren): Die Zahl der sichtbaren Kerne auf dem Tisch darf 25 nicht überschreiten.

16 Kerne auf dem Tisch, 16 Kerne auf der Hand. Macht einen Punkt.

Und? Macht das Spaß?

Das kommt wie üblich auf die Zielgruppe an. An und für sich geht es bei SandíaMix um ein bisschen Rechnen, etwas räumliches Denken und eine gehörige Portion Kartenglück. Langfristige Strategien kann man nicht aufbauen; man trifft zwar Entscheidungen, um der für sich selbst optimalen Auslage näherzukommen, aber wenn man punktet, wirft man alle Handkarten ab und zieht neue – und die passen dann vielleicht gar nicht mehr zu dem, was auf dem Tisch liegt. Auch die Sternchenkarten sind nicht schwieriger einzubauen als andere, daher ist es einfach Glückssache, ob man solche Karten zieht oder eben nicht. Insgesamt ist das also eher nichts für die Hardcore-Strategiespieler/innen unter Euch. Leute mit mittelalten Kindern hingegen könnten Gefallen dran finden – bei meinen Kindern jedenfalls kam es sehr gut an. Aus Kolumbien hörte ich auch, dass Erwachsene SandiaMix dort mit Sanduhr spielen. Das kann sicher auch ganz lustig sein, aber für mich war es eher nicht so nötig, da ich es meistens eben mit den Leuten von der Lockerspielfraktion gespielt habe.

So hält man die Punkte fest.

SandíaMix ist letztlich ein Brettspiel ohne Brett, ohne Spielfelder oder sonstige Vorgaben. Es kann sich wirklich ganz beliebig entwickeln, was ich sehr mag, aber selten in Spielen sehe. Meist legt man Karten oder Plättchen ja doch in einer bestimmten Ausrichtung oder innerhalb einer Begrenzung oder sonstwie organisiert ab. Bei SandíaMix entsteht dagegen etwas ganz Lebendiges, und das funktioniert insgesamt sehr gut. Leider ist es im späteren Spielverlauf aber oft schwierig, eine Auslage mit vielen Kernen wieder auf eine deutlich geringere Zahl zu reduzieren, da die Kerne in der Auslage nicht mehr so nahe zusammenliegen und man mit einer einzelnen Karte nicht so viele abdecken kann. Eine Möglichkeit, mal Handkarten auszutauschen, anstatt etwas auszulegen, gibt es nicht, und so muss man manchmal einfach zugucken, wie die anderen Punkt um Punkt einheimsen, während man selbst lauter kleine Karten auf der Hand hält und die Versuche, die Zahl der Kerne zu verringern, von den anderen zunichte gemacht werden. Aber wie gesagt, so tragisch ist das nicht, zumal eine Partie oft in 15 Minuten vorbei ist.

Die Kartenqualität ist nicht ganz so, wie man es von den einschlägigen Produzent/innen hierzulande gewohnt ist – die Oberfläche ist glatt, worunter die Griffigkeit leidet, und die Zahlen sind nicht ganz gleichmäßig gedruckt (und nur in der oberen linken Ecke, was Linkshänder/innen oft vor Probleme stellt). Trotzdem wirken die Karten als Haufen auf dem Tisch prima, das ist schon sehr angemessen.

SandíaMix übt auf mich eine seltsame Faszination aus, und ich bin damit noch nicht durch. Gerade als kleines Rechenspiel mit Kindern hat es sich bei uns sehr bewährt, und ich hoffe, es kommen noch diverse Partien dazu.

SandíaMix
für 2 bis 6 Melonenfans
von Maikol Homero Bello und Juan Pablo Alzate
Illustriert von Nancy Zapata
Creo mi Juego, 2017

Neue Spiele aus Lateinamerika, August 2017

Es sind wieder ein paar Sachen hereingekommen, die ich Euch nicht vorenthalten möchte: Spiele und sonstige Neuigkeiten aus Lateinamerika.

Argentinien

Letztes Jahr hatte Fabian Martinez Torre in mehreren argentinischen Städten einen Game Jam ins Leben gerufen. Für die, denen das noch nichts sagt: Man trifft sich für ein Wochenende und versucht, in einer kleinen (oft zufällig zusammengewürfelten Gruppe) ein Spiel zu entwickeln. Von der ersten Idee bis zum spielbaren Prototypen. So etwas hat schon einige erfolgreiche Spiele hervorgebracht. Nach der ersten Runde 2016 wurde das Konzept dann gleich auf weitere Länder ausgebreitet, und am gleichen Wochenende Anfang Juli fanden unter dem Namen Zapada Ludica Veranstaltungen in vier argentinischen Städten sowie jeweils eine in vier weiteren Ländern (Chile, Kolumbien, Mexiko und Paraguay) statt. Aus Paraguay hatte ich bisher noch gar Spielerisches nichts gehört, aber auch da gibt es natürlich Leute, die gern spielen. Ich denke, auch das zeigt, wieviel Potential noch in Lateinamerika steckt.

Brasilien

Pot-de-VinVor einiger Zeit hatte ich hier eine Rezension zum brasilianischen Stichspiel Sapotagem von Warny Marçano und Fel Barros veröffentlicht. Da habe ich wohl den richtigen Riecher gehabt – es ist eine Neuausgabe angekündigt, mit veränderter Grafik, die ein internationaleres Publikum ansprechen soll. Erscheinen soll es jetzt unter dem Namen Pot de Vin bei ThunderGryph Games in Spanien, mit neuer Gestaltung von Weberson Santiago und Luis Francisco, die schon bei „Die blutige Herberge“ zusammengearbeitet hatten. Wer sich neulich gefragt hatte, wie man an das Spiel wohl rankommen könnte, kann sich jetzt auf die Messe in Essen freuen. Mit einer angekündigten Startauflage von 10000 Stück in sechs Sprachen meint der Verlag es offenbar ernst. Auf der verlinkten Seite kann man auch ein Exemplar des Spiels gewinnen.

Neues Schachteldesign für Papertown

Außerdem hatte ich im Mai über einige Redbox-Spiele geschrieben. Eins davon hat nun eine neuen Namen und ein neues Aussehen bekommen. Weil der Name Micropolis offenbar mit etwas schon Existierendem kollidierte, wurde eine Abstimmung über einen neuen Namen abgehalten. Dabei setzte sich Papertown durch.

Chile

Im März hatte ich über D.50 berichtet, ein Spiel aus Chile über die Jagd nach Nazi-Spionen im zweiten Weltkrieg. Damals hatte ich auch versucht, im Netz ein bisschen was über die historischen Hintergründe zu recherchieren, hatte aber nicht viel gefunden. Daher war es spannend, irgendwann auf Spiegel Online auf diesen Artikel zu stoßen, in dem das alles ein bisschen genauer beleuchtet wurde. Was hier in Deutschland eher nur eine Randnotiz war, hat in Chile mehr Wellen geschlagen. Keine schlechte Verkaufshilfe für das Spiel, schätze ich.

Kolumbien

Yombembo Games ist ein relativ junger Verlag aus Kolumbien, der in diesem Jahr mehrere Spiele auf den Markt gebracht hat:

WOSOMWOSOM von Ricardo Gonzalez spielt in einer postapokalyptischen Zukunft. Ein paar überlebende Clans prügeln sich um die letzten Vorkommen wertvoller Metalle. Zu dem Spiel gehört auch eine App – ein spezieller QR-Code auf einer Karte lässt sich einlesen und verschafft Vorteile im Spiel. Eine Beta-Version ist schon 2015 erschienen, im Herbst erscheuint dann die Vollversion.

Ciudad de CartonCiudád de Cartón (Stadt aus Pappe) von Maikol Homero Bello und Juan Pablo Alzate hat nichts weiter mit dem oben erwähnten Papertown zu tun. Die Spieler/innen bauen eine Stadt aus Karten, für die sie Ressourcen bezahlen müssen. Die Ressourcen erhalten sie von speziellen Würfeln, mit denen sie während ihres Zuges würfeln, und zu denen sie gegebenenfalls Boni von schon ausgelegten Karten bekommen. Allerdings treten auch ab und zu Katastrophen auf, die Gebäude zerstören können.

Das war’s für heute. Wenn jemand von weiteren neuen lateinamerikanischen Spielen erfährt, freue ich mich immer über einen Hinweis.