Als ich von Anfang 2000 bis Ende 2002 überwiegend in Taiwan lebte, war es noch keineswegs das heiße Spieleland, zu dem es sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Ich konnte nur gelegentlich mal was spielen, und das auch mehr mit Ausländer/innen als mit Einheimischen. Dafür hatte Taiwan andere Vorzüge, wie zum Beispiel das beste Essen der Welt (nein, ich habe nicht alles Essen der Welt probiert, ich sage das jetzt nur so, weil ich es besonders toll finde).
Zu Beginn meines Aufenthalts wollte ich gelegentlich mal Postkarten verschicken (die Älteren unter Euch werden sich an diese Kommunikationsform erinnern), stellte dann aber leider fest, dass es kaum welche zu kaufen gab. An touristischen Sehenswürdigkeiten? Nix da, touristisch war Taiwan damals ohnehin noch nicht übermäßig erschlossen. Nur in einigen größeren Buchläden fand ich ein paar, meist mit historischen Aufnahmen. Schon damals fragte ich mich, warum da nicht einfach mal jemand ein paar schicke Aufnahmen von wunderbarem Essen machte und sie als Postkartenmotive verwendete. Wohlgemerkt, das war, bevor das Zurschaustellen von Mahlzeiten überall stattfand. Ich muss da den richtigen Riecher gehabt haben.
Nun, in Taiwan hat sich einiges verändert, und Jahre später bekam ich mit, dass meine drei Leidenschaften vereint worden waren: „Taste Taiwan: Warrior“ – ein verschickbares Spiel im Postkartenformat. Postkarte, Spiel und Geschmack (im Titel)! Was sollte da noch schief gehen? Ich besorgte mir also ein paar Exemplare und legte sie zu den kleinen Spielen. Und dann… ja, irgendwie war es dann doch so klein, dass es sich mir nicht aufdrängte, und es dauerte weitere Jahre, bis wir es endlich mal ausprobiert haben.
Worum geht’s?
Das Spiel hat tatsächlich Postkartenformat, ist aber aus dicker Pappe – die Karte enthält nämlich noch 14 auspöppelbare Pappcounter. Das verbleibende Pappding stellt dann die Spielfläche dar (man kann die Ränder abschneiden, wenn einen die Form stört). Damit nichts rausfällt, ist das Ganze in Plastikfolie eingepackt. Was das Porto für so eine dicke Postkarte gekostet hätte, weiß ich nicht. Das Spiel selbst kostete etwa €1,30.
Auf den Pappcountern sind im Comicstil gezeichnete Krieger von 14 taiwanischen indigenen Völkern abgebildet, mit ihrer typischen Kleidung (wie typisch die wirklich ist, kann ich nicht beurteilen). Außerdem hat jeder Counter einen Punktwert zwischen 1 und 3 Punkten. Auf der Rückseite steht, zu welchem Volk die Figur gehört, und dazu ein weiterer Punktwert, der zwei Punkte höher ist als der auf der Vorderseite. Zu Beginn legt man die Counter mit der Bildseite nach oben auf die passenden Felder auf dem Spielplan. Dann gucken sich alle die Auslage eine Minute lang intensiv an, und anschließend werden die Counter gemischt. Es folgt eine Teilen-und-wählen-Runde: Eine/r zieht zufällig fünf Counter und teilt sie in so viele Gruppen, wie Leute mitspielen. Die nächste Person darf sich eine der Gruppen aussuchen und versuchen, die Figuren auf die richtige Position auf dem Spielfeld zu legen. Wenn man sich seiner Sache sicher ist, kann man die Richtigkeit überprüfen, indem man das Plättchen umdreht. War es korrekt platziert, bekommt man den Punktewert auf der Rückseite. Falls nicht, wird das Plättchen einfach abgeworfen. Ist man sich nicht sicher, kann man sich das Plättchen einfach so nehmen, dann bekommt man aber nur den niedrigeren Wert, der auf der Vorderseite aufgedruckt ist. Wer nach drei Runden die meisten Punkte hat, gewinnt. Ganz einfach, eigentlich.
Und? Macht das Spaß?
Nun ja, das kommt jetzt ein bisschen auf den Maßstab an, mit dem man hier den Spielspaß messen möchte. Natürlich endet der in dem Moment, in dem man sich die 14 Figuren eingeprägt hat, was je nach Memory-Training nach einer bis mehreren Runden passieren dürfte. Dann ist die Luft raus, weil man dann nur noch nach Punkten aufteilt und nicht danach, was man selbst weiß oder auch nicht. Es ist auch nicht wirklich dazu geeignet, es nacheinander mit mehreren verschiedenen Leuten zu spielen, weil man dann einfach schnell einen großen Vorteil hat. Aber hey, das ist hier ein Postkartenspiel, das nur ein bisschen Kleingeld kostet. Und dafür wiederum ist es ziemlich beeindruckend, denn erstens braucht die Welt mehr bespielbare Postkarten und zweitens sind die Regeln als solche alles Andere als primitiv. Man wettet auf sein eigenes Erinnerungsvermögen und auf das seiner Gegenspieler/innen und hat einen Teile-und-Wähle-Mechanismus – wie einfach wäre es gewesen, einfach eine grafisch aufgepeppte Version eines bekannten (und möglichst langweiligen) Spiels herauszugeben. Wahrscheinlich hätte ich sogar das gekauft, einfach aus Prinzip. Wer mit dieser Erwartungshaltung an die Sache herangeht, dürfte auf alle Fälle positiv überrascht sein. Einziger Schwachpunkt (der bei einem größeren und teureren Spiel noch mehr ins Gewicht gefallen wäre) ist eben der kaum vorhandene Wiederspielreiz (und vielleicht noch die Tatsache, dass die Postkarte selbst eigentlich lediglich ein aufgeklebtes Adressfeld hat und keinen beschreibbaren Teil – auf der Rückseite der Spielfläche ist die Spielanleitung). Insgesamt würde ich das Preis-Leistungs-Verhältnis aber auf alle Fälle als gut bezeichnen.
Und noch etwas möchte ich lobend erwähnen, nämlich die Thematik. Der Autor entwickelt eigentlich vor allem Kriegssimulationen, da sticht dieses Spiel hier schon ein wenig heraus. Natürlich ist das Aussehen der Figuren im Comic-Stil nur so halb-authentisch, aber er stößt hier schon in eine interessante Lücke. Selbst meine Frau, die aus Taiwan stammt, erzählte mir, dass sie in der Schule über die indigenen Völker ihrer Heimat überhaupt gar nichts gelernt hatte, das war ein Tabu-Thema in der Zeit der Diktatur gewesen. Zwar hat sich die politische Lage deutlich gewandelt und die Minderheiten werden wesentlich weniger herablassend behandelt als früher, aber die meisten Leute in Taiwan sind trotzdem nur selten mit dem Thema konfrontiert und wissen deshalb auch heute nur wenig darüber. Eine spielerische Annäherung an das Thema ist also allemal eine gute Idee. Für Deutsche gilt das natürlich noch viel mehr, schließlich können hierzulande viele Leute nicht mal zwischen Thailand und Taiwan unterscheiden oder assoziieren Taiwan immer noch mit der Produktion billiger Kleidung (eine Industrie, die seit Jahrzehnten nur noch eine marginale Rolle spielt). Ein bisschen was zu lernen schadet also nicht.
Übrigens kam ein Jahr nach den Kriegern noch ein zweites Postkartenspiel namens Taste Taiwan: Princess heraus, das ich aber leider nie in die Finger bekommen habe. Vielleicht war es dann aber auch nicht der ganz große Verkaufsschlager, denn der Postkartenmarkt in Taiwan scheint seither nicht gerade mit bespielbaren Postkarten überschwemmt zu werden. Schade eigentlich.
Gesamteindruck als Spiel: 6/10
Gesamteindruck als Postkarte: 10/10
Taste Taiwan: Warrior
für 2 oder 3 Leute
von Wei-Cheng Cheng
Formosa Force Games, 2009
Danke für den interessanten Artikel. Es ist toll mal was ganz anderes im Bereich der Brettspiele zu sehen. Und ich finde es zudem sehr interessante auf diese Weise mal wieder etwas über ein anderes Land zu lernen.