Ein schöner Aspekt daran, dass ich manchmal Zugriff auf exotische Spiele habe, ist, dass ich sie bei Nichtgefallen (oder doppeltem Vorhandensein) gelegentlich auch mal gegen andere exotische Spiele eintauschen kann, an die ich entweder nicht so leicht herangekommen wäre oder von denen ich womöglich gar nicht erst erfahren hätte. In die letztere Kategorie gehört das japanische Spiel Yin-yang dice, das mir jemand zum Tausch anbot, der meine Interessengebiete offenbar ganz gut einschätzen konnte.
Worum geht’s?
Auf einer vier mal vier Felder großen Spielfläche werden nach und nach 16 Würfel platziert, von der der vier Farben vier. Die bis zu vier Spieler/innen erhalten eine der vier Farben verdeckt zugelost. Aus einem unglaublich schönen Stoffbeutel zieht man zuerst zufällig vier Würfel raus und würfelt damit, dann stellt man sie auf vier zusätzliche Eckfelder, wobei man ihre Ausrichtung nur insofern leicht verändern darf, dass sie parallel zur Spielbrettkante liegen.
Wer an der Reihe ist, hat nun drei Möglichkeiten:
– einen Würfel von einem der Eckfelder auf eines der eigentlichen Spielfelder zu legen, ohne seine Ausrichtung zu ändern, und einen neuen Würfel aus dem Beutel zu ziehen, zu würfeln und auf das nun freie Eckfeld zu legen
– einen Würfel über eine Kante auf ein freies Nachbarfeld zu kippen. Diese Aktion darf man allerdings nur in jedem zweiten Zug ausführen.
– einen Würfel über eine Kante auf ein freies Nachbarfeld zu kippen, wobei ein Höhenunterschied überwunden werden darf. an kann also einen Würfel auf einen anderen Würfel hinaufrollen. Diese Aktion darf man allerdings nur einmal im ganzen Spiel machen und „bezahlt“ sie damit, dass man seine Farbkarte aufdecken muss.
Das Spiel endet, wenn alle Würfel auf der Spielfläche liegen. Dann gibt es eine Wertung. Man zählt die Würfelaugen aller Würfel, die man sehen kann, wenn man von seiner Spielfeldseite frontal auf die Würfel guckt (in der zweiten Ebene liegende Würfel kann man eben oft auch sehen, andererseits sieht man eben immer nur den jeweils vordersten Würfel; dahinterliegende werden verdeckt. Schließlich gibt es noch Bonuspunkte für jeden Würfel der eigenen Farbe, den man sehen kann, sowie dafür, dass drei der vier eigenen Würfel auf drei verschiedenen Eckfeldern liegen und dafür, dass drei der eigenen Würfel obenauf die gleiche Würfelzahl zeigen. Wer nun die meisten Punkte hat, gewinnt ein Juwel. Gewinnt man ein zweites Juwel, gewinnt man das Spiel.
Und? Macht das Spaß?
Das ist sicherlich Geschmackssache. Yin-yang dice ist eben ein abstraktes Spiel mit sehr wenigen Glückselementen (nur die Aufstellung der neuen Würfel ist zufällig). Sowas muss man mögen, dann ist Yin-yang dice durchaus reizvoll. Ich muss dabei aber ganz klar sagen, dass ich es zu zweit wesentlich weniger interessant finde als mit vier Leuten, während es mit drei Leuten recht gut funktioniert (nicht so gut wie zu viert, aber trotz der Asymmetrie überraschenderweise besser als zu zweit). Wenn ich wirklich zu zweit spielen will, finde ich eine Menge abstrakte Spiele, die mir besser gefallen. Yin-yang dice kann zu zweit schon deshalb nicht überzeugen, weil es keinen Mechanismus gibt, der ein Rückgängigmachen des vorherigen Zuges verbietet. Spielt man mit mehreren, lassen sich solche Aktionen mit ein bisschen Zusammenspiel besser verhindern, sodass das Spiel weniger statisch wirkt.
Die englischen Spielregeln sind gut verständlich, aber sehr knapp gehalten. Das eine oder andere zusätzliche Beispielbild wäre ganz schön gewesen, aber das klappt schon. Dafür wurde an den sonstigen Materialien keinesfalls gespart, die sind nicht nur von herausragender Qualität und sehr schön, sondern auch im Überfluss vorhanden. Der zweite kleine Stoffbeutel erfüllt etwa nur die Funktion, im Zweierspiel einen Würfel jeder Farbe aufzunehmen (man spielt mit drei Würfeln pro Farbe und einer drei mal vier Felder großen Spielfläche). Auch die Juwelen sind wohl nur um ihrer selbst willen drin; mir erschließt sich nicht, warum das Spiel nicht nach einer Runde vorbei sein soll.
Bei all der Liebe zum Detail wundert es fast, dass auf der Kartenrückseite und auf dem Cover einer der abgebildeten Würfel nicht der Konvention folgt, dass gegenüberliegende Seiten immer eine Summe von Sieben aufweisen – das finde ich ziemlich überraschend, weil das in diesem Spiel natürlich eine große Rolle bei der Berechnung meiner Züge spielt und die Grafik vom Autoren Roy Nambu selbst stammt, also nicht von irgendjemandem, der oder die das Spiel gar nicht kannte.
Aber machen wir uns nichts vor: Yin-yang dice hätte ohne sein spektakuläres Material kaum aus der Masse herausgestochen. Das ist gar keine Kritik, denn es gibt viele gute Spiele, die nur deshalb keine Verkaufsschlager werden, weil es so viele andere gute Spiele gibt. Yin-yang dice war von vornherein ein Nischenprodukt, denn wenn ein größerer Verlag das Konzept übernommen und neu herausgebracht hätte, dann bestimmt nicht mit solchem Material. Das ist ein bisschen wie mit Colors of Kasane. Von dem war zwar eine französische Neuauflage angekündigt, von der man dann aber doch nichts mehr gehört hat (und die auf der Webseite von Superlude auch aktuell nicht zu sehen ist). Vielleicht haben sie gemerkt, dass ihr Neudesign doch eher wenige Interessierte anlocken wird?
Yin-yang dice bleibt also ein Spiel, das man gelegentlich mal in ein paar besonderen Momenten herausholen kann, wenn man Besuch von Leuten hat, die Freude am Schönen haben oder einfach gern mal was Ungewöhnliches ausprobieren möchten. Wenn man es zum ersten Mal sieht, möchte man es sofort spielen. Ein Dauerbrenner wird es aber eher nicht.
Gesamteindruck: 7/10 (zu viert)
Yin-yang dice (陰陽賽)
von Roy Nambu (ろい), der es auch gestaltet hat
für zwei bis vier Leute
Pen and Dice (ペンとサイコロ), 2015