Schlagwort-Archive: Uwe Rosenberg

Auf dem Weg zum Klassiker

Unter den im Vorfeld am heißesten gehandelten Neuerscheinungen auf der Messe war mir eine besonders ins Auge gefallen, nämlich Hanamikoji von Kota Nakayama. Was so unglaublich japanisch klingt, stammt zwar tatsächlich ursprünglich aus Japan, war dort aber 2013 zunächst in völlig unscheinbarer Aufmachung mit irgendso einem Blumenthema erschienen. Erst in diesem Jahr wurde es vom taiwanischen Verlag EmperorS4 mit einer Japan-Grafik versehen neu herausgebracht. Diese Aufmachung hat wohl allein schon viele Leute neugierig gemacht, und dann kamen auch noch die ersten Hinweise darauf, wie toll das Spiel wäre, und so brachen alle Dämme. Ich bin jedenfalls froh, dass ich mir schon lange vor der Messe ein paar Exemplare vorbestellt hatte, denn erwartungsgemäß war das Spiel bereits am Donnerstag Mittag ausverkauft. Ob es einen Anlass zu Verzweiflungskäufen bei Ebay gibt, muss sich zeigen. Ich bin mir völlig sicher, dass das Spiel schon bald auch in Deutschland erhältlich sein wird, und wenn nicht ein eventueller neuer europäischer Verlag törichterweise die Grafik ändert, kann man da getrost noch ein bisschen abwarten. In den USA ist eine Neuauflage noch für dieses Jahr angekündigt (Quick Simple Fun Games). Na ja, ich hab gut Reden, ich hab ja schon ein Exemplar. Aber dieses Spiel hat das Potenzial, sehr erfolgreich zu werden.

Hanamikoji

Wie geht das?

Auf dem Tisch liegt eine Reihe Geisha-Karten mit den Werten 2-2-2-3-3-4-5 aus. Jede Geisha hat einen Lieblingsgegenstand, mit dem sie besonders gern auftritt. Von diesen Gegenständen gibt es jeweils genau so viele, wie die entsprechende Zahl angibt. Die 21 Gegenstände werden gemischt, eine ungesehen entfernt und sechs an jede/n der beiden Spieler/innen verteilt.

Wer dran ist, zieht zunächst eine Karte und führt dann eine von vier möglichen Aktionen aus. Wenn beide alle vier Aktionen ausgeführt haben, endet eine Runde und die Spieler/innen erlangen die Gunst der Geishas, bei denen sie mehr Karten angelegt haben als der oder die Gegner/in. Dazu wird ein Chip von der entsprechenden Geisha-Karte auf die Seite mit mehr Karten verschoben. Hat nun noch niemand entweder die Gunst von 4 Geishas oder 11 Gesamtgunstpunkte erlangt, beginnt eine neue Runde, wobei die Chips allerdings an der aktuellen Position liegen bleiben, also nicht wieder auf ihre Startposition zurückgelegt werden.

Hanamikoji
Startauslage

Die Aktionen im Einzelnen sind:
– Eine Karte verdeckt vor sich legen, die am Ende der Runde an die passende Geisha angelegt wird.
– Zwei Karten verdeckt vor sich legen, die am Ende der Runde abgeworfen werden.
– Drei Karten spielen, von denen der/die Gegner/in sich eine aussucht und man die anderen beiden selbst bekommt. Die Karten werden sofort angelegt.
– Vier Karten in zwei Pärchen spielen. Der/die Gegner/in sucht sich ein Pärchen aus, das andere bekommt man selbst. Die Karten werden sofort angelegt.

Das ist auch schon alles. Man kann also im ersten Zug zwischen vier Aktionen wählen, im zweiten zwischen dreien, dann zweien. Am Ende muss man die verbleibende Aktion ausführen, ob man will oder nicht.

Hanamikoji
Ende einer Runde

Und? Macht das Spaß?

Aber hallo. Hanamikoji ist ein schlichtweg sensationelles Spiel, drunter mach ich’s nicht. So begeistert war ich von einem Zweierspiel zuletzt bei Uwe Rosenbergs Patchwork. Hier stimmt einfach alles. Die Regeln sind sehr eingängig, die hat man schnell gelernt. Also grübelt man über seine Taktik nach anstatt über die Regeln. So soll es sein. Und man staunt, was in den vier Aktionen alles drinsteckt. Das Anlegen an eine Kartenreihe, um einzelne Karten zu gewinnen, ist ja erstmal nicht neu, das kennt man zum Beispiel von Reiner Knizias Klassiker Schotten-Totten. Aber Hanamikoji fühlt sich völlig anders an – man kann ja nur eine einzige Karte direkt anlegen. Die drei anderen Aktionen, die man im Laufe einer Runde ausführen kann, sind letztlich eher schmerzhaft, man wirft Karten weg oder gibt sie dem/der Gegenspieler/in. Das gibt dann doch noch mal ein frisches Spielgefühl.
Auch sonst greift alles wunderbar ineinander. Von den zehn Karten, die man im Laufe einer Runde spielen kann und muss, kennt man vor seiner ersten Aktion sieben, so dass man schon mal einen grundsätzlichen Plan machen kann. Aber dann geht es schon los: Welche Aktion führt man zuerst durch? Zu Beginn ist noch einiges unklar, da muss man ein bisschen spekulieren. Aber in jedem Fall muss man für seine letzte Aktion auch alle seine verbleibenden Karten einsetzen, da gibt es in dem Moment nichts mehr zu taktieren, was das Rundenende beschleunigt – Pläne muss man eben vorher machen. Einerseits fühlt sich das ein bisschen wie ein Worker-Placement-Spiel an, man kann halt nicht überall gleichzeitig sein. Andererseits ist es auch das Gegenteil, denn während man sonst bedauert, dass man nicht alles machen kann, was man will, bedauert man bei Hanamikoji eher, dass man nicht alles vermeiden kann, was man will. Drei der vier Aktionen, die man machen kann, helfen halt dem/der Gegenspieler/in. Dadurch ist es eben auch ein hochinteraktives Spiel. Vor sich hinwurschteln ist nicht.

Gleichzeitig sorgt die geringe Auswahl an Aktionen doch dafür, dass es nicht in eine endlose Grübelei ausartet. Dass die Geishas, die einmal ihre Gunst vergeben haben, nicht mehr neutral werden, führt dazu, dass eine Partie auch nicht ewig dauert, da ist man oft mit 15 Minuten durch, wenn man es einmal kennt. Bisher hat keine meiner Partien mehr als zwei Runden gedauert.

Hanamikoji

Muss ich zu den Illustrationen noch viel sagen? Die setzen dem Gesamtwerk die Krone auf. Auch eine Geisha mit Brille ist wieder dabei, die mich natürlich an die Love-Letter-Prinzessin erinnert. Sowas würde ich gern öfter sehen.

Ihr seht schon, ich bin begeistert und kann gar nicht genug von Hanamikoji kriegen. Wenn Euch also eins vor die Füße fallen solltet, bückt Euch danach, das bereut Ihr nicht.

Gesamtwertung: 9/10

Hanamikoji
von Kota Nakayama
für zwei Personen
Illustrationen: Maisherly  (Facebook-Seite)
Erschienen bei EmperorS4 Games, 2016 (Erstausgabe mit anderer Grafik bei Takamagahara, 2013)

Spiele, die’s nicht geben kann

Colors of Kasane hat zuerst mein Interesse geweckt, weil es so unfassbar schön aussieht. Deutsche, die die Schachtel unvorbereitet irgendwo herumliegen sehen würden, würden wahrscheinlich nicht mal auf die Idee kommen, dass da ein Spiel drinstecken könnte. Aber sie ist randvoll mit Spielmaterial, das der Schachtel in Schönheit nicht nachsteht. Ich habe es von einem Spieler in Singapur eingetauscht und das keineswegs bereut.

Colors of Kasane
Die Schachtel

In Colors of Kasane geht es um Kimono-Stoffe, die man in verschiedenen Kombinationen sammelt. Das sind die Spielkarten. Dazu gibt es noch Wertungskarten, auf denen die punktebringenden Kombinationen angezeigt sind, eine Wertungsleiste und Spielmarker. Letztere sind keineswegs schnöde Pappmarker, sondern solche bunten Glassteine, und dazu gibt es noch echte stoffüberzogene Knöpfe. Das ganze Spielmaterial ist schlicht spektakulär, bis hin zur Schachtel.

Zählsteine
Zählsteine

Nun würde das allein ja nicht viel wert sein, wenn das Spiel nichts taugen würde. Aber immerhin bringt es einen schon mal dazu, es schnellstmöglich ausprobieren zu wollen, wenn man es einmal in den Fingern hat – der Aufforderungscharakter ist also enorm.

Zu Beginn des Spiels werden so viele Reihen an Kimonokarten ausgelegt, wie Leute mitspielen. Wer dran ist, nimmt sich eine der Karten am Ende einer Reihe auf die Hand. In weiteren Runden aufgenommene Karten muss man immer nach vorne auf die Hand nehmen, wobei man die Reihenfolge der Handkarten nie verändern darf (wie beim von mir sehr verehrten Bohnanza). Wer auslegen will, nimmt nach dem Ziehen die obersten Karten aus der Hand und legt sie vor sich hin – diese müssen aber eine Punktekombination bilden. Dann deckt man die entsprechende Kombination auf der Wertungskarte mit einem Glasstein ab und blockiert sie damit für seine Mitspieler/innen (wobei es meist noch ähnliche Kombinationen gibt, die aber entweder weniger wert oder schwerer zu erreichen sind), und markiert die gewonnen Punkte auf der Wertungsleiste. Eine Besonderheit ist noch, dass man die oberste vor sich ausliegende Karte als unterste Karte für die nächste Kombination mitverwenden darf, was potentiell natürlich zusätzliche Punkte bringen kann.
So spielt man nun insgesamt so viele Auslagen weg, wie Leute mitspielen. Wer am Ende alle Karten ausgelegt hat, bekommt Bonuspunkte, weitere Boni gibt es für sehr viele oder sehr wenige verschiedene Kimonostoffe.

Kinomokarten
Kinomokarten

Der Spielverlauf ist eigentlich simpel und flüssig, aber es ist am Anfang schwer, einigermaßen einen Überblick über die zulässigen Kombinationen zu gewinnen. Daher gibt es eine gewisse Einstiegshürde. Aber schon in der ersten Partie kam Freude am Spiel auf. Dabei muss ich sagen, dass nicht nur diejenigen, denen schönes Spielmaterial am Herzen liegt, auf ihre Kosten kommen, sondern auch die kühlen Rechner/innen. Man sollte nämlich nicht nur drauf achten, welche der aktuell ausliegenden Karten man brauchen kann, sondern auch darauf, welche Auswahl man zu erwarten hat, wenn man das nächste Mal dran ist. Man kann es zwar auch locker runterspielen, aber gegen aufmerksame Konkurrenz hat man dann doch deutlich schlechtere Chancen.

Einige der Wertungskarten
Einige der Wertungskarten

Colors of Kasane ist nicht das innovativste aller Spiele – das Ziehen der Karten aus den verschiedenen Reihen erinnerte mich an Klaus-Jürgen Wredes Rapa Nui und die unveränderliche Kartenanordnung in der Hand natürlich an Uwe Rosenbergs Bohnanza, aber das sind auch Spiele, die ich sehr mag. Anders als bei Rommee und ähnlichen Spielen muss man bei Colors of Kasane wahrscheinlich sehr viele Partien gespielt haben, um alle möglichen Kombinationen wirklich im Blut zu haben und nicht ständig auf die Spielhilfen zu starren. Aber ich konnte mich trotzdem ziemlich in das Spiel vertiefen und habe es sehr genossen. Mit ein wenig Erfahrung ist es auch locker in zwanzig oder höchstens dreißig Minuten zu Ende, was ich als angenehme Länge empfinde. Und dann ist da ja noch das unglaublich schöne Spielmaterial… was will man mehr?

Na ja, wahrscheinlich will man an das Spiel überhaupt erstmal drankommen. Das war bisher schwierig, weil kaum jemand so ein Kleinod aus der Hand geben wollte. Für dieses Jahr ist eine französische Ausgabe von Superlude Éditions angekündigt. Aber es kommt, wie es kommen musste: Es gibt eine neue Grafik, die den Zauber des Originals komplett verloren hat (und, nebenbei, Japan-Kenner/innen Schweißausbrüche haben lässt, weil auf den Bildern Frauen zu sehen sind, die die Kimonos wie Totengewänder tragen). Aber man durfte wohl kaum Hoffnung haben, dass das Spiel außerhalb Japans nochmal in der Originalgestaltung erscheint, dafür hatte sie einfach zu sehr den Charme der Kleinproduktion (und wäre wohl auch viel zu teuer geworden). Tja, da schlagen die Gesetze des Marktes einfach gnadenlos zu – solche Spiele kann es eigentlich gar nicht geben. Schade finde ich es trotzdem.

Gesamtwertung: 8/10 für die Originalausgabe

Colors of Kasane (襲ノ色目)
von Hinata Origuchi (折口 日向)
für 3 oder 4 Personen
Illustrationen: Hunaoka (舟岡)
Verlag: Ouyuuan (桜遊庵) und Japon Brand, 2014. Ab 2016 auch bei Superlude Éditions unter dem Namen Les Kimonos de l’Empereur.