Jetzt wird es leider mal wieder persönlich.
Anfang 2008 habe ich mit Reinhold Wittig und Ingo Althöfer mal in ganz kurzer Zeit ein Spiel namens Omba entwickelt. Es war mein zweites veröffentlichtes Spiel, und das erste, das über eine Kleinauflage hinaus Erfolg hatte. Es muss 2010 gewesen sein, dass ich online mit dem wohl größten Fan des Spiels in Kontakt kam, nämlich mit Martijn Althuizen aus den Niederlanden. Er hatte ungefähr zur gleichen Zeit mit dem Entwickeln von Spielen angefangen wie ich, und wir fingen an, uns darüber per Email auszutauschen. 2011 erschien sein Spiel Tix in einer winzigen Auflage – der Verlag verschwand nahezu sofort nach Drucklegung in der Versenkung, ähnlich wie Giseh, der erste Verlag, der Omba übernommen hatte. Da hatten wir so eine Art gemeinsame Leidensgeschichte, aber Martijn schickte mir eins der raren Exemplare von Tix. Und ich war vollkommen hin und weg, es war eins der tollsten abstrakten Zweierspiele, die ich je gesehen hatte. Aus dieser gegenseitigen Wertschätzung entspann sich ein reger Mailwechsel über viele Jahre hinweg. Martijn war oft einer der ersten, dem ich neue Ideen vorgestellt habe, und sein Input war für mich unheimlich wertvoll. Ich hoffe, das war auch in der Gegenrichtung der Fall.
Jahrelang haben wir uns jeweils nur sehr kurz in Essen persönlich treffen können. Martijn hatte verschiedene gesundheitliche Probleme und das Reisen fiel ihm zunehmend schwer, sodass er meist nur für einen Tag dort war. Erst 2016 konnten wir uns in Maastricht (wo ich ungefähr einmal im Jahr bin) ein bisschen ausgiebiger treffen. 2017 wurde das für ihn schon schwierig, also habe ich ihn zu Hause in Helmond, ungefähr anderthalb Stunden von Maastricht entfernt, besucht. Beides waren tolle Begegnungen, wir konnten zusammen spielen, über Ideen diskutieren und uns gegenseitig inspirieren. Leider konnten wir diese Besuche 2018 und 2019 nicht wiederholen, und auch 2020 wird es dazu nicht mehr kommen: Martijn Althuizen ist am ersten Februar verstorben. Das ist nicht nur ein bitterer persönlicher Verlust für mich, sondern auch für die Spieleszene. Denn auch wenn keins seiner Spiele ein riesiges Publikum erreicht hat, war Martijn als Spieleautor ein wirklich brillianter Kopf.
Oft wird darüber diskutiert, welche Spiele Thematik und Spielmechanik besonders elegant miteinander verbinden. Es mag jetzt ein bisschen seltsam klingen, wenn ich da Tix in den Ring werfe, weil es ja ein abstraktes Spiel ist und nicht einmal vorgibt, eine Thematik zu haben. Aber in Tix zeigen die abstrakten Spielsteine ein nachvollziehbares Verhalten, das ich immer als geradezu logisch empfunden habe. Form, Spielmechanik und Spielablauf greifen als Einheit so schön ineinander, wie ich es nur selten bei anderen Spielen erlebt habe.
Martijn hat über Jahre hinweg versucht, Tix noch weiterzuentwickeln. Mit einem der Nachfolger, Tixel, ist es ihm gelungen, noch einmal auf den Markt zu kommen. Es ist nach wie vor bei nestorgames erhältlich, und es gibt Erweiterungssteine, um das Original-Tix auf dem Tixel-Spielplan zu spielen. Auch wenn Tixel genauso wie Tix in sich sehr stimmig ist, ist mir das simplere Tix immer näher geblieben. Wer anspruchsvolle abstrakte Zweierspiele mag, ist aber mit beiden Spielen auch heute noch bestens beraten.
Martijn ist mit seinen schweren Erkrankungen immer sehr offen umgegangen und hat versucht, sich bestmöglich mit ihnen zu arrangieren. Leider wurden zusätzlich seine Depressionen immer gravierender, und am Ende haben sie ihn überwältigt. In seinen Spielen – und ein bisschen auch in meinen eigenen – lebt er für mich weiter. Ich werde ihn in dankbarer Erinnerung behalten.