Dornröschen? Sagt Euch das was? Das ist dieses Märchen, wo ein fremder Typ bei einer hundertfünfzehnjährigen Frau ins Schlafzimmer eindringt, sie schlummernd vorfindet und solange küsst, bis sie aufwacht und ihm dann nicht etwa mächtig eine schallert, sondern ihn heiratet. Dieser krasse Fall von sexueller Belästigung begeistert seit Jahrhunderten Jung und Alt gleichermaßen. Ein offenbar großer Fan dieser Geschichte war die damals sechsjährige Miranda Evarts, die daraus gleich eine ganze Menge schlafender Königinnen gemacht hat, die wachgeküsst werden müssen. Daraus wurde dann 2005 ihr Spiel Sleeping Queens, das zwar internationalen Bestsellerstatus erlangte, aus unerfindlichen Gründen aber den deutschen Markt nie erreicht hat. Vor längerer Zeit fiel mir mal mehr oder weniger zufällig eine israelische Ausgabe in die Hände, und es war sofort ein echter Hit bei meinen Kindern, den wir auch nach knapp zweihundert Partien immer noch mal rausholen, obwohl sie mittlerweile an der Schwelle zu den Erwachsenenspielen stehen.
Bei Sleeping Queens gibt es zwölf schlafende Königinnen, die Werte von 5 bis 20 Punkten haben. Wer es schafft, zuerst eine bestimmte Anzahl von Königinnen oder Königinnen mit einem bestimmten Gesamtwert aufzuwecken, gewinnt (die Details hängen von der Zahl der Spieler/innen ab).
Die Königinnenkarten liegen zu Beginn verdeckt auf dem Tisch aus, was bedeutet, dass die Königinnen schlafen. Aufgedeckte Königinnen sind entsprechend wach. Die Spieler/innen haben jeweils fünf Karten auf der Hand. Im Idealfall sind darunter Königskarten – wenn man eine solche ausspielt, kann man eine beliebige Königin aufwecken und vor sich auslegen. Ritterkarten erlauben es einem, eine bereits wache Königin zu sich zu entführen, wovor wiederum Drachenkarten schützen. Mit Schlaftrunkkarten lässt man wache Königinnen anderer Spieler/innen wieder einschlafen (auch dagegen gibt es ein Gegenmittel, nämlich Zauberstabkarten). Schließlich gibt es noch Narrenkarten, mit denen man entweder einen zusätzlichen Spielzug bekommt oder die es einer zufällig ausgewählten Person erlauben, eine Königin zu wecken.
Der größte Teil des Kartendecks aber besteht aus Zahlenkarten mit Zahlen von eins bis zehn. Diese haben überhaupt keine Funktion, man kann sie abwerfen und eine Karte nachziehen (wobei man natürlich auf eine Karte ohne Zahl hofft) und der Zug ist zu Ende. Da das ziemlich unbefriedigend ist, versucht man, von den Zahlenkarten möglichst gleich mehrere auf einmal loszuwerden. Das kann man machen, indem man entweder zwei gleiche spielt (und zwei Karten nachzieht), oder eine Additionsaufgabe daraus macht (so kann man zum Beispiel eine Zwei, eine Drei und eine Fünf zusammen abwerfen und dafür drei Karten nachziehen).
Diese Konzept funktioniert verblüffend gut. Anstatt sich zu grämen, dass man aufgrund schlechter Karten nichts wirklich Sinnvolles anstellen kann, beschäftigt man sich eben damit, ein bisschen zu rechnen. Gerade für kleinere Kinder war das bei uns eine attraktive Alternative. Und wer noch gar nicht rechnen kann, kann einfach die Symbole auf den Karten zählen. Mindestens unsere jüngere Tochter hat das Addieren im Zehnerraum mit diesem Spiel aber nebenbei mitgelernt.
Ein ganz großer Teil des Erfolges von Sleeping Queens ist mit Sicherheit den Illustrationen zu verdanken. Man mag von Königinnen mit Wespentaillen halten, was man will, die Umsetzung der Ideen von Miranda Evarts durch Jimmy Pickering ist toll gelungen. Pfannkuchenkönigin, Kaugummikönig, Seesternkönigin, Schachkönig – jede Figur hat ihren ganz eigenen Charakter, und das passt alles wunderbar zusammen.
Sleeping Queens bietet also Interaktion, ein bisschen Taktik, einen kleinen Ärgerfaktor und eine tolle Gestaltung. Mehr braucht man eigentlich nicht. Für Erwachsene sind die einfachen Mechanismen vielleicht nicht unbedingt herausfordernd genug für langfristigen Spielspaß, aber da hat man auch schon erheblich Nervigeres erlebt. Ich hatte jedenfalls kaum mal das Bedürfnis, die Bitte meiner Kinder nach einer Partie Sleeping Queens abzulehnen.
Ein Blick auf die Amazon-Kundenbewertungen zeigt, dass offenbar einige Leute Probleme mit der Qualität der Karten hatten. Das kann ich für unser israelisches Exemplar nicht bestätigen, das zwar mittlerweile auch seine besten Zeiten hinter sich hat, aber wir haben es wie gesagt auch schon extrem oft gespielt. Dafür ist in dieser Ausgabe auf einer Karte ein Fehler passiert (die Sieben hat nur fünf Symbole, was für kleinere Kinder, die noch zusammenzählen, anstatt zu rechnen, natürlich ein bisschen blöd ist. Wirkliche Probleme hat das aber auch nicht verursacht).
Insgesamt also eine klare Empfehlung für Familien mit Kindern im Alter von fünf bis sieben Jahren oder so.
Gesamteindruck: 7 von 10 (für Eltern etwas niedriger, für Kinder etwas höher)
Sleeping Queens
für zwei bis fünf Personen ab acht Jahren (Verlagsangabe, bei uns deutlich früher)
von Miranda Evarts
Illustrationen: Jimmy Pickering
erschienen bei Gamewright und vielen anderen Verlagen.