Meinen heutigen Beitrag beginne ich mit einer kleinen Rätselfrage. Was haben die folgenden Spielecover wohl miteinander gemeinsam? Ich meine jetzt nur die Bilder, nicht irgendwas, das man über die Verlage oder die Illustrator/innen wissen müsste.
Na? Habt Ihr’s rausgefunden? Richtig – Frauen sind auf ihnen, sagen wir mal vorsichtig, unterrepräsentiert. Na klar, es gibt auch eine Menge Gegenbeispiele, aber wer es jetzt für eine gemeine Idee von mir hält, just diese Titel auszusuchen, kann ja mal im eigenen Regal nachschauen, wie da so die Abbildungsquote ist. Oder gleich diesen Artikel lesen, der die bittere Erkenntnis beleuchtet, dass Spiele mit Schafen auf dem Cover mehr Chancen haben, erfolgreich zu sein, als solche mit (menschlichen) Frauen.
Aber woran liegt das eigentlich? Klar, viele Spiele beschäftigen sich mit Themen, die assoziativ eher männlich besetzt sind: Krieg, Abenteuer, Weltraum und so weiter. Aber auch bei denen, die das nicht tun, sieht es finster aus (zu trauriger Bekanntheit ist das ansonsten recht populäre Spiel Istanbul auch deshalb gekommen, weil dort insgesamt 82 Männer und 0 Frauen abgebildet sind, was sich, anders vielleicht als bei einem Spiel über die Invasion in der Normandie oder so, inhaltlich auch mit erheblichem Aufwand eher nicht rechtfertigen lässt). Soll hier eine Zielgruppe bedient werden, die als männlich empfunden wird, oder ist die Zielgruppe deshalb männlich, weil das vorhandene Angebot eben eher Männer anlockt? Das befördert sich natürlich gegenseitig.
Die extremeren Auswüchse des Sexismus bei Spielen sind dabei für mich gar nicht so sehr präsent. Zwar sind Kickstarter-Kampagnen im Moment automatisch erfolgreich, wenn ein paar Miniaturen von leicht bekleideten Frauen dabei sind1, aber das sind auch nicht unbedingt die Spiele, denen ich selbst als Vielspieler begegne, weder in den örtlichen Spieleläden, noch auf Cons und auch nicht in den Spielegruppen, in denen ich mich so bewege. Sowas sehe ich fast nur im Internet (wo dann natürlich auch die meisten Diskussionen darüber stattfinden). Im Internet ist die männliche Dominanz auch noch größer als im wirklichen Leben (auf boardgamegeek waren laut einer Umfrage 2013 nur 7,7% der User/innen weiblich, und es gibt tatsächlich einen Bodensatz von Männern, denen selbst das noch zu viel zu sein scheint). Aber auch auf Cons, in Spieleverlagen, unter den Autor/innen und so weiter sind Frauen in der Minderheit. So ganz schnell wird sich das auch nicht ändern, fürchte ich. Denn obwohl die Entwicklung in den letzten Jahren durchaus schon ein eine ganz optimistisch stimmende Richtung ging, gibt es immer noch massenweise Geschichten über schroffe Ausgrenzung und miese Behandlung von Frauen. In den USA scheint es (auch unter Männern) eine ganze Reihe von Leuten zu geben, die Spieleläden deshalb nicht betreten, weil diese vor allem von sozial schwierigen Männern bevölkert sind. Obwohl ich das hier in Göttingen zum Glück nicht so kenne (was auch daran liegen mag, dass die einschlägigen Spieleläden hier auch Spielzeug verkaufen), hört man diese Erzählungen derartig häufig, dass es keine Einzelfälle zu sein scheinen.
Eine Untersuchung über die unterschiedlichen Motivationen von Brettspieler/innen ergab übrigens, dass das Geschlecht eine wesentlich größere Rolle spielen als zum Beispiel das Alter der Spielenden. Das wird in Kontrast gesetzt mit Videospielen, wo es andersherum zu sein scheint.
Was kann man aber nun tun, damit Frauen sich in der Spieleszene willkommener fühlen? Man kann wahrscheinlich nicht alles auf einmal verändern, aber irgendwo muss man ja anfangen. Dass das geht (und das Bedarf besteht), zeigt Lady Lúdica, eine Initiative aus Rio de Janeiro. Sie besteht aus fünf Frauen, die im Mai dieses Jahres einen kleineren Con ins Leben gerufen haben, bei dessen ersten beiden Ausgaben immerhin ein Frauenanteil von rund 44 Prozent erreicht wurde. Das ist in jedem Fall eine ungewöhnliche Quote, die bei normalen Cons auch in Deutschland eher nicht vorkommt. Wie haben sie das nun angefangen? Offenbar vor allem mit zwei Ankündigungen. Erstens mit der, dass das gesamte Orga-Team aus Frauen besteht. Zweitens dadurch, dass es Spieleverlosungen gab, an denen nur die anwesenden Frauen teilnehmen konnten. Das hat gereicht, um eine annähernde Parität im Publikum herzustellen (in einem Land, in dem das Geschlechterverhältnis in der Spieleszene ansonsten eher noch schlechter ausbalanciert ist als in Deutschland). So schafft Lady Lúdica einerseits Aufmerksamkeit für das Problem, andererseits liefert die Initiative auch gleich einen Lösungsansatz mit.
Ich finde dieses Vorgehen toll. Ich glaube, man würde es sich zu leicht machen, den Erfolg des Konzepts vor allem auf die Verlosungen zu schieben. Klar ist es für viele Leute ein Anreiz, wenn es irgendwo was umsonst gibt. Ich vermute aber, dass das weibliche Orga-Team mindestens ebenso viel zum Erfolg beigetragen hat. Denn das schafft ein Gefühl der Sicherheit vor unerwünschtem Verhalten, das vermutlich viele zu schätzen wissen, und entsprechend sah das Feedback am Ende auch aus.
Lady Lúdica soll zu einer zweimonatlichen Veranstaltung werden (die zweite Ausgabe hat mittlerweile stattgefunden und war ähnlich erfolgreich wie die erste), und es gibt schon Bestrebungen, so etwas auch in anderen Städten zu machen (das nächste Mal findet es in Sao Paulo statt). Ich bin sehr neugierig darauf, wie es sich weiter entwickelt. Ich glaube, so etwas könnte auch ein Vorbild für Spielerinnen in anderen Ländern sein.
1 Ein besonders skurriles Beispiel fiel mir neulich hier auf Facebook auf. Da haben sich doch allen Ernstes ein paar Männer drüber ausgelassen, dass auch im alten Griechenland und anderswo Kämpfer nackt in den Kampf gezogen seien, um ihre Furchtlosigkeit zu beweisen, da sei also nichts dabei. Auf die Nachfrage, wie viele von ihnen mit hochhackigen Schuhe und einem Lendenschurz in den Nahkampf gegangen wären, wurde dieser Teil der Diskussion dann gelöscht.