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Stolperfußball auf unebenem Grund

Die Fußball-EM lässt mich persönlich vergleichsweise kalt, ich gucke hier und da mal rein, wenn ich nichts Besseres zu tun habe. Wenn ich stattdessen die Gelegenheit zum Spielen habe, ziehe ich das unbedingt vor. Trotzdem freue ich mich, dass die EM stattfindet, denn während dieser gibt es die Geschicklichkeits-Fußballsimulation Schnipp Es! von Axel Hennig und Matthias Schmitt beim Verlag zum deutlich reduzierten Preis, und da habe ich einfach mal zugeschlagen. Und ich habe es nicht bereut.

Schnipp Es!

Das Spiel besteht aus einem zweiseitig (Ascheplatz/Rasenplatz) bedruckten Spielplan mit einem Fußballfeld drauf, Toren (aus einer Karte und zwei Standfüßen zusammengesteckt), zweimal drei mehrfarbigen Spielerpöppeln, einem Ball und gelben und roten Karten. Außerdem gibt es noch einen Würfel.

Wer dran ist, würfelt auf das Spielfeld und darf seine Figuren so oft schnippen, wie das Würfelergebnis anzeigt. Allerdings darf man nur dreimal in einem Zug mit dem gleichen Pöppel schnippen, was eine wichtige Einschränkung ist. Natürlich versucht man, mit dem geschnippten Pöppel den Ball in Richtung gegnerisches Tor zu bewegen oder sich gegebenenfalls einem Angriff in den Weg zu stellen. Die Zugweite eines Pöppels ist außerdem dadurch beschränkt, dass man seine restlichen Punkte verliert, wenn man eine Figur umwirft. Schnippt man also zu doll, ist der Zug vorbei. Wirft man gar einen gegnerischen Pöppel um, bekommt man eine gelbe Karte, im Wiederholungsfall eine rote. Dann muss man mit zwei Pöppeln weiterspielen (ein gravierender Nachteil). Nach drei roten Karten hat man keine Figur mehr und das Spiel verloren. Das ist mir tatsächlich einmal bei einer 3:0-Führung passiert.

Schnipp Es!
Eine hundertprozentige Torchance – aber leider vergeben, weil eine Figur umgefallen ist.

Man spielt entweder über eine bestimmte Zeit oder bis zu einer bestimmten Zahl von Toren. So ein Tor fällt nicht sehr oft, da muss man schon ein paar Minuten einplanen. Wie im echten Fußball auch, wird auch mal ein Ball aus schier aussichtsloser Position ins Tor gedroschen oder ein todsicherer Ball landet am Pfosten. Oder man schafft es, den Ball einem gegnerischen Pöppel sozusagen vom Fuß zu nehmen. Ein paar Regeln für Eckbälle, Abstöße und Einwürfe runden das Ganze ab. Eine simple Form der Fußballregeln eben.

Und? Macht das Spaß?

Ja. Sehr sogar. Und süchtig. Die Regeln sind simpel und eingängig und bieten dennoch viele Möglichkeiten. Der/die Gegner/in ist durchgebrochen, meine Spieler sind weit weg und ich würfle eine Eins? Dann kann ich eine Figur vom Feld schnippsen und sie anschließend an einer beliebigen Stelle wieder aufstellen – gelegentlich ist das besser als nichts (auch wenn ich dann ja nicht mehr dran bin). Trotz der wenigen Figuren kann man manchmal schöne Ballstafetten durchführen, sich zum Tor hinarbeiten und gleichzeitig den Ball abschirmen. Würfe über drei müssen ja auf verschiedene Figuren aufgeteilt werden, so dass man zum Kombinationsspiel sozusagen gezwungen wird. So entsteht ein gutes Fußballgefühl, trotz der abstrakten Form.

Schnipp Es!
Ob die Pöppel wohl auf die Anweisungen des Trainers hören?

Die Altersangabe ab sechs ist einerseits mit Vorsicht zu genießen, denn Sechsjährige sind auf Anhieb eher nicht in der Lage, mit Erwachsenen mitzuhalten, andererseits kann man die Regeln einfach ein bisschen großzügiger auslegen. Ich habe gegen unsere Sechsjährige zuerst mit zwei statt mit drei Spielfiguren gespielt, und da kamen einigermaßen ausgeglichene Partien heraus. Auch das Würfeln auf dem Spielfeld würde ich mit jüngeren Kindern eher nicht empfehlen, da fällt zu viel um. Das macht aber auch gar nichts, ich finde die Regel, auf dem Spielfeld zu würfeln, ohnehin eher überflüssig – die Zahl der Fouls ist ohne diese Regel in meinen Augen ohne diese zusätzliche Gefahr genau richtig.Das Problem an Schnipp Es! sind nämlich leider ohnehin die teilweise eher wackeligen Materialien. Die Spielfiguren und der Ball sind super, da gibt es nichts zu meckern. Die Tore sind Kärtchen, die in hochkant stehende Plastikstandfüßchen gesteckt werden – wackelig genug, um manchmal umzufallen, schwer genug, um dabei Spielfiguren mit umzureißen. Und die Spielfläche besteht aus einem zweifach gefalteten Plan, der nicht völlig flach aufliegt. Seine Kanten sind zusätzliche Hindernisse, über die die Spielfiguren leichter stolpern können als auf freier Fläche.
Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen negativer als nötig, denn es schafft eigentlich nur zusätzlichen Nervenkitzel. Einzig die Tatsache, dass umgefallene Spielfiguren teilweise sehr weit rollen (wahrscheinlich unterstützt durch die leicht abschüssige Spielfläche) stört mich ein bisschen. Ansonsten passt das schon so. Trotzdem ertappe ich mich gelegentlich beim Gedanken an ein selbstgebautes Spielfeld aus massivem Holz mit einsteckbaren Toren… na ja. Wer weniger Wert auf Seitenauslinien und Mittelkreis und sowas legt, kann Schnipp Es! übrigens auch einfach auf einer Tischplatte spielen. Tore aufstellen, los geht’s. Überhaupt gilt: Mit Regelfanatiker/innen würde ich das Spiel nicht unbedingt spielen wollen. Man schnippt schon mal versehentlich mit der Hand einen gegnerischen Pöppel zur Seite. Fällt der um, ist die Sache klar – gelbe Karte. Bleibt er aber stehen, wird das nicht sanktioniert. Ein Schelm, wer das ausnutzen würde.

Übrigens ist in unserem Exemplar der Ascheplatz um Einiges schwerer zu bespielen als der Rasenplatz. Zwar liegt er flacher auf, aber die Faltkanten des Spielplans sind stärker ausgebildet, so dass die Pöppel leichter mal umfallen. Das ist aber wohl realistisch, und man kann sich seinen Lieblingsplatz ja ohnehin frei wählen .

Schnipp Es!
Über diese Kante auf dem Ascheplatz kann man schon mal stolpern…

Was gibt es noch zu sagen? Die Schachtel ist völlig überdimensioniert, was für Leute mit vielen Spielen immer ein Problem ist. Aber na gut, das lässt sich für mich verschmerzen. Wenn Ihr die Trikotfarben Eures Lieblingsvereins im Basisspiel vermisst (welche drin sind, weiß man vorher nicht), dann könnt Ihr Euch grün-weiße Figuren dazukaufen. Auch Pfützen als Hindernisse gibt es separat (die kann man einfach auf das Spielfeld legen und muss sie umspielen), Für reichlich Spielspaß reicht aber die normale Schachtel völlig aus.

Übrigens kann man auch zu dritt oder viert spielen, dann teilt man sich eben ein Team. In meinen Augen ist es aber ein klassisches Zweierspiel, das mit mehr Leuten nicht besser wird. Also sucht Euch einfach eine/n Gegenspieler/in und schnippt los – und dann versucht mal, wieder aufzuhören…

Eigentlich wäre das ein schönes Ende für diese Rezension. Leider gibt es noch ein „Aber“ einzufügen. Wenn ich Schnipp Es! mit meiner sechsjährigen Tochter spiele, sind wir beide gleichermaßen begeistert und können gar nicht wieder aufhören. Aber bisher hat niemand von den anderen Leuten, mit denen ich gespielt habe, einen ähnlichen Enthusiasmus aufbringen können. Entweder fanden sie es zu wackelig (und damit zu frustrierend) oder sahen keinen Langzeitspielspaß drin oder die Materialien gefielen ihnen nicht oder sonstwas. Daher möchte ich hier ganz deutlich drauf hinweisen, dass sich diese Rezension auf meinen ganz persönlichen Spaß an dem Spiel bezieht. Ich bin froh, mit meiner Tochter eine Gegnerin zu haben, die diese Freude teilt.

Gesamtwertung: 8/10

Schnipp Es!
für zwei (bis notfalls vier) Leute von Axel Hennig und Matthias Schmitt
Grafik von Christian Opperer
erschienen bei Mücke Spiele, 2013