Zu meiner großen Freude fand ich neulich das Spiel Conejos en el huerto in der Post, ein Geschenk des Autoren Luis Marcantoni (und des Verlages Ruibal Hermanos). Das Spiel, das auf Deutsch etwa „Kaninchen im Gemüsegarten“ heißen würde, hatte ja im Mai den Premio Alfonso X gewonnen, und da ich den Vorjahressieger KINMO ja sehr genossen hatte, war ich allemal neugierig. Und angesichts der ansprechenden Gestaltung hatte ich auch im Nu genug Interesse in meinem Umfeld, um es diverse Male in verschiedenen Besetzungen zu spielen.
Worum geht’s?
In einem ringförmig zusammengepuzzelten Gemüsegarten sind pro Spieler/in zwei Kaninchenfiguren unterwegs und versuchen, möglichst viel Gemüse einzusacken. Von jeder der fünf Gemüsesorten gibt es pro Spieler/in sechs Chips (weniger, wenn man ein kürzeres Spiel wünscht), die zu Beginn in der Mitte sortenrein aufgestapelt sind. Jedes Feld im Garten ist nicht nur einer Gemüsesorte zugeordnet, sondern trägt auch noch eine Würfelzahl. Wer an der Reihe ist, zählt die Zahlen auf den Feldern seiner Kaninchen zusammen und zieht mit einem Kaninchen so viele Felder im Uhrzeigersinn weiter. Am Ende des Zuges schnappt sich das Kaninchen einen Gemüsechip der Sorte, auf deren Feld es gelandet ist. Eingesammeltes Gemüse landet hinter einem Sichtschirm. Stehen aber Kaninchen auf Feldern mit der gleichen Gemüsesorte, sammelt man gleich zwei Chips ein, stehen sie gar auf dem gleichen Feld, gibt es gleich drei.
Wer mit seinen Zugmöglichkeiten nicht zufrieden ist, kann einen zuvor gewonnenen Gemüsechip einsetzen, um damit eine je nach Sorte vorgegebene Zahl von Feldern voranzuziehen (etwa, wenn man einen Chip opfert, um dafür zwei oder gar drei einzusammeln.
Das Spiel endet, wenn entweder drei Gemüsesorten komplett verbraucht sind, oder wenn von keiner Gemüsesorte mehr als drei Chips übrig sind. Dann zählt jedes Gemüse, das es im Garten noch gibt, pro Chip 2-3 Punkte (je nach Sorte), jedes, das komplett abgeerntet wurde, 0-1 Punkt. Um ein bisschen Variation ins Spiel zu bringen, gibt es drei verschiedene Wertungstafeln, von denen man sich vor Spielbeginn auf eine einigt. Es geht also darum, möglichst viel Gemüse von den Sorten einzusammeln, die am Ende noch übrig sind. Oder anders gesagt: Man muss verhindern, dass das Gemüse, von dem man viel hat, von den anderen komplett aufgefuttert wird.
Wie kann man das verhindern? Da kommt der Hund ins Spiel. Der soll nämlich den Garten bewachen, ist aber leider von den vielen Hoppelviechern in seinem Revier ein bisschen überfordert. Immer, wenn ein Kaninchen das Feld mit der Hundehütte betritt, läuft es sofort noch einmal genauso viele Felder weiter, wie es bis hierhin gelaufen ist. Der arme Hund wird davon alarmiert, springt sofort auf einen der Gemüsestapel in der Mitte und bewacht ihn. Das entsprechende Gemüse ist jetzt für die Kaninchen außer Reichweite – und zwar so lange, bis wieder ein Kaninchen durch das Hundehüttenfeld hoppelt und der Hund hektisch kläffend auf einen anderen Gemüsestapel springt.
Und? Macht das Spaß?
Oh ja. Conejos en el huerto ist ein nahezu ideales Familienspiel. Der Einstieg fällt sehr leicht, weil die Regeln kurz und nachvollziehbar sind (allenfalls muss man sich dran erinnern, dass man in den ersten beiden Runden nicht mehr als ein Gemüse nehmen darf – das ist sicherlich eine gute Regel, um einen eventuell vorhandenen Vorteil aus den unterschiedlichen Startpositionen abzufedern). Dann kann man sich so von Zug zu Zug hangeln und versuchen, einfach möglichst viel Gemüse abzugreifen. Und spätestens gegen Ende der ersten Partie kommt man von selbst drauf, warum der Hund so wichtig ist. Wer das Spiel ein bisschen kennt, fängt dann an, auch mal einen oder zwei Züge vorauszuplanen. Oder auch nicht – unsere Siebenjährige, die eher noch nicht so viel vorausplant, hat trotzdem Spaß an der Sache.
Trotzdem kann das Spiel ziemlich in die Tiefe gehen. Das liegt vor allem am schönen Wertungsmechanismus. Ich bin zwar nicht so sicher, warum Kaninchen vor allem Gemüse lieben, von dem am Ende noch welches im Garten verblieben ist. Das kann ich thematisch nicht recht einsortieren. Aber im Spiel funktioniert das prima. Es ist fast ein bisschen wie ein Push-your-Luck-Spiel: Erfolgreich bin ich dann, wenn ich möglichst viel von einer Gemüsesorte nehme und dann dafür sorge, dass sie nicht komplett aufgebraucht wird. Wenn ich aber zu viel nehme, steigt natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende gar nichts mehr davon übrig ist. Um das zu verhindern, brauche ich vor allem den Hund, aber ich muss dann auch im richtigen Moment versuchen, die letzten Exemplare des anderen Gemüses zu schnappen, von dem ich wenig habe, um es abzuwerten. So wird das Spiel gegen Ende interessanter, weil man langsam eine Ahnung dafür bekommt, was wichtig ist, andererseits interaktiver, da man stärker versucht, in die Pläne der anderen einzugreifen. Dadurch ist eine schöne Spannungskurve gewährleistet.
Dennoch ist Conejos en el huerto kein sonderlich konfrontatives Spiel. Ich kann niemanden daran hindern, bestimmte Gemüsesorten anzusteuern, sondern nur über das Aufbrauchen von Gemüse versuchen, den anderen die Wertung zu versauen und sie über den Hund daran hindern, das Gleiche bei mir zu machen. Normalerweise mag ich es mit etwas mehr Interaktion, aber es fühlt sich auch nicht an wie ein Multiplayer-Solitärspieler. Ich persönlich empfehle trotzdem, die am Ende vorgeschlagene Variante mit etwas weniger Gemüse zu spielen, um schneller in die interessantere Endphase vorzudringen. Aber das mag man halten, wie man will. Wiederspielbarkeit ist ohnehin gewährleistet, denn durch den flexiblen Aufbau und die verschiedenen Siegbedingungskarten nutzt sich das Spiel nicht so schnell ab.
Dass die Materialqualität nicht so ist, wie wir es in in Deutschland gewohnt sind, liegt an den besonderen Bedingungen in Argentinien (nicht für alles gibt es Produktionsstätten und die Einfuhrzölle sind enorm). Es fällt aber bei diesem Spiel wenig auf, bis auf den reichlich wabbeligen Karton, den man etwas mit Samthandschuhen anfassen sollte. Auch die Kaninchen wären aus Holz noch schöner. Dafür ist der Hund sehr originell, und die grafische Gestaltung gefällt mir allemal überhaupt sehr. Geradezu ein bisschen verliebt bin ich in die angebissene Möhre, die auf der Schachtel das „J“ darstellt. Kompliment also auch an die Illustratorin Celeste Barone.
Auf jeden Fall halte ich Conejos en el huerto für ein Spiel, das auch in Europa gut ankommen könnte. Das braucht mal einen deutschen Verlag, würde ich sagen.
Gesamteindruck: 8/10
Conejos en el huerto
für 2 bis 4 Leute (in meinen Augen umso besser, je weniger mitspielen)
von Luis Fernando Marcantoni
Illustrationen: Celeste Barone
Ruibal Hermanos, 2016