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Mittendrin statt nur dabei.

Auf der Nürnberger Messe hatte ich noch ein weiteres Rezensionsexemplar von Oink Games bekommen, nämlich das Partyspiel Insider.

Insider

Worum geht’s?
Die mindestens 4 (besser mehr) Spieler/innen ziehen Rollenkarten, nämlich Spielleiter/in (der/die sich outen muss), Insider/in und Bürger/innen. Anschließend wird aus einem Kartenstapel ein Begriff ausgelost, den nur Spielleiter/in und Insider/in erfahren (letztere/r, ohne, dass die anderen es merken). Dann wird eine Sanduhr umgedreht, und alle versuchen, herauszufinden, was der Begriff ist, indem sie dem/der Spielleiter/in Ja-Nein-Fragen stellen. Wird der Begriff erraten, wird die Sanduhr sofort wieder umgedreht. Jetzt beginnt eine Diskussion darüber, wer der/die Insider/in war. Für diese Diskussion gibt es genauso viel Zeit, wie zum Erraten des Begriffes benötigt wurden. Wird der/die Insider/in (in einem zweistufigen Verfahren) von der Mehrheit der anderen (einschließlich Spielleiter/in) identifiziert, gewinnen alle, falls nicht, gewinnt der/die Insider/in.

Wird der Begriff aber gar nicht erraten, verlieren gleich alle. Das sollte im Normalfall eigentlich nicht vorkommen, denn der Insider/in kennt ja den Begriff und kann ihn jederzeit „raten“.

Und? Macht das Spaß?
Ja, das ist lustig. Wer Kinder hat, wird wahrscheinlich sowieso öfter in längere Sitzungen von Tiere-Raten oder sonstigen Ja-Nein-Fragespielen verwickelt, und da schadet es nicht, diesen ein bisschen Pep zu verleihen. Das ist bei Insider eindeutig gelungen. Aber warum eigentlich?

Das einzig Komplizierte an dem Spiel sind die Diagramme, anhand derer erklärt wird, wer eigentlich gewonnen hat. Wenn man es einmal verstanden hat, ist es aber kein großes Problem mehr. Der einfachste Fall ist, dass alle verlieren, wenn der Begriff gar nicht erraten wird. Das hat am Ende der/die Insider/in ja in der Hand. Wenn diese/r entweder weniger motiviert ist oder nicht weiß, was er/sie fragen soll oder nichts verstanden hat, werden sozusagen alle mitbestraft. Das passt zwar zum Spiel, ist aber durchaus schräg (und in einer unserer Partien tatsächlich vorgekommen und war recht unbefriedigend). Der Mechanismus dient aber sicherlich eher für das Gegenteil, nämlich um zu verhindern, dass die Bürger/innen nichts sagen und damit den/die Insider/in outen.

Insider

Es sind eben alle Leute verschieden. Einige haben Spaß am Fragen und stoßen so ungeniert Richtung Lösung vor, dass der/die Insider/in sich eigentlich fast im Hintergrund halten kann, während andere fast gar nichts sagen, weil sie vielleicht etwas schüchterner sind oder gerade keine Ideen haben. Und erst, wenn man drei oder vier Runden hintereinander weggespielt hat, lernt man, die feinen Veränderungen im Verhalten der Leute zu bemerken. Ist jemand, der sonst sehr still war, plötzlich aktiver? Oder anders herum? Wenn man so weit ist, so etwas beobachten zu können, wird Insider ein richtig schönes Detektivspiel. Das merkt man an der Diskussionsphase – während man bei den ersten Partien vor allem darauf achtet, was gesagt wird, geht es später mindestens genauso stark darum, wie etwas gesagt wurde.

Eine für mich interessante Beobachtung war, dass ich, ähnlich wie bei A Fake Artist Goes to New York, beim Spielende eigentlich gar nicht in der Kategorie Gewinnen und Verlieren gedacht habe. In beiden Fällen freut man sich, wenn man unerkannt geblieben ist. Dass man von der Spielregel als Gewinner/in oder Verlierer/in bezeichnet wird, ist eigentlich nur dazu da, um das Spielziel zu erläutern. Wenn ich zum Beispiel ein Wirtschaftsspiel spiele, weiß ich, dass ich mehr Geld sammeln muss als die anderen, um zu gewinnen. Darüber denke ich beim Zählen meines Geldes durchaus aktiv nach. Ebenso weiß ich bei einem Rennspiel jederzeit, dass ich der Gewinner bin, wenn ich zuerst im Ziel ankomme. Noch extremer ist es bei einem Punktesalat-Spiel, wo ich im Kopf ständig meine Punkte zähle und überlege, ob es wohl mehr sind als den anderen. Bei Insider oder A Fake Artist Goes to New York dagegen fühlt sich Gewinnen und Verlieren anders an, es tritt in den Hintergrund, vielmehr dominiert die kichernde Freude über das Ertappen oder über das Nicht-Ertapptwerden. Das mag ich.1

Das ist ein Teil der Siegbedingungen…

Letztlich steht und fällt Insider wie so viele Partyspiele mit der Gruppe. Man braucht ein paar kommunikative Leute, die Lust an Knobelei haben, dann gibt es viel zu lachen. Wenn man die zusammenhat, fällt es kaum noch ins Gewicht, dass das Spiel nicht unbedingt ausbalanciert ist. Es geht um den Moment und nicht um die langfristige Planung. Und am Ende sagen alle: „Noch mal!“
Trotzdem gefällt mir der Fake Artist noch ein klein wenig besser, weil er innovativer ist, einen intuitiveren Einstieg und noch ein wenig mehr zu lachen bietet. Ich würde aber beide jederzeit gern spielen und kann auch den Insider bedenkenlos weiterempfehlen.

Gesamteindruck: 7/10

Insider
von Akihiro Itoh, Kwaji, Daichi Okano, Kito Shinma
für 4 bis 8 Leute
Gestaltung von Jun Sasaki
Oink Games, 2016

 

1 Mit diesem Thema habe ich mich im Rahmen einer Spielentwicklung mal länger beschäftigt. Bei jenem Prototypen gab es keine formelle Siegbedingung, sondern nur ein „Das Spiel endet, wenn bei jemandem das und das passiert.“ Was das bedeutete, wurde aus dem Spiel selbst klar. Ich träume bis heute davon, dass wir dieses Spiel mal wirklich fertig kriegen.