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Aus Bohnen Pampe machen

Völlig an mir vorbeigegangen war bisher die Existenz eines japanischen Gerichtes namens Nattō. Dabei handelt es sich um fermentierte Sojabohnen, die man mit verschiedenen Zutaten zu einer Pampe zusammenrührt. Woher ich das weiß? Ich habe mir dieses Wissen angelesen, um im Auftrag von Japon Brand eine deutsche Übersetzung der Spielregeln von Risou no Natto (Das perfekte Nattō) anfertigen zu können. Es ist eins der Spiele, die Japon Brand auf der Messe in Essen in zwei Monaten präsentieren wird. Ich habe mehrere davon übersetzt und von einigen schon vorab Exemplare bekommen. Risou no Natto habe ich mittlerweile öfter gespielt und möchte es hier weiterempfehlen.

Risou no Natto
Die Schachtel sieht so ähnlich aus wie wirkliche Natto-Packungen

Auf dem Tisch liegen so viele Karten mit Zutaten aus, wie Leute mitspielen. Zusätzlich bekommt jede/r verdeckt zwei Karten – das sind die eigenen Lieblingszutaten. Ein weiterer Stapel enthält weitere Zutatenkarten sowie Rührkarten mit verschiedenen Zahlen drauf. Von diesem Stapel nimmt man vier Karten auf die Hand, und schon kann es losgehen.

In einem Zug spielt man entweder eine Zutatenkarte offen auf einen der Zutatenstapel (und deckt dabei jeweils die bisher oben liegende Zutat ab), oder man legt eine Rührkarte verdeckt unterhalb eines Zutatenstapels in einer Reihe aus. Jeder Zutatenstapel bildet zusammen mit der darunter liegenden Rührkartenreihe ein komplettes Nattō. Damit es wirklich das perfekte Nattō wird, muss die Summe auf den Rührkarten allerdings zwischen 10 und 15 liegen. Ist das Gericht zu wenig oder zu oft umgerührt worden, ist es ungenießbar und gibt keine Punkte. Die Punkte wiederum bekommt man für jede Zutatenkarte, die mit einer der eigenen Lieblingszutaten übereinstimmt (drei für jede Übereinstimmung, minus einen für jede andere Karte). Schließlich gibt es noch Senf- und Sojasoßenkarten. Die schmecken allen, daher geben die automatisch einen beziehungsweise zwei Pluspunkte.

So legt man also reihum Zutatenkarten auf die Stapel und Rührkarten darunter, und zwar so lange, bis man glaubt, das perfekte Nattō vor sich zu haben. Dann kann man statt eines normalen Zuges einen ganzen Stapel samt Rührkarten abräumen und ihn zunächst unbesehen vor sich hinlegen. Die anderen spielen weiter, bis alle sich ein Nattō genommen haben. Dann wird ausgewertet – man berechnet die Punkte durch Zutaten und deckt dann nacheinander die Rührkarten auf, um zu sehen, ob die Leckerei etwas geworden ist. Falls ja, notiert man sich die entsprechenden Punkte, falls nein, gibt es nichts.

Auf diese Weise spielt man zwei Durchgänge, wer dann die meisten Punkte hat, gewinnt.

Risou no Natto
Auslage bei drei Spieler/innen

Und? Macht das Spaß?

Das kommt darauf an. Die erste Partie hatten wir blöderweise zu zweit gespielt, das war in Ordnung, aber es hatte kein rechter Funke überspringen wollen. Auch die nächste Partie (zu dritt mit meinen Kindern) riss mich nicht vom Hocker, was auch daran gelegen haben mag, dass ihnen das Thema weniger interessant vorkam. Erst dann war ich auf die Idee gekommen, mal auf die Schachtel zu gucken, und siehe da, statt der vermuteten 2-4 Spieler/innen ist es für 3-5 (und mit mehr Leuten eher lustiger als mit weniger). In den Regeln hatte das gar nicht explizit drin gestanden, daher hatte ich es nicht mit übersetzt und es war mir entgangen.

Dann aber hatte ich endlich Gelegenheit, das Spiel zu viert mit Erwachsenen zu spielen, und dabei hat es mich dann überzeugt. Das Gefühl der Überforderung schlug voll ein, wir mussten versuchen, den anderen an vielen Stellen gleichzeitig in die Suppe zu spucken und dabei auf unsere eigenen Gerichte aufzupassen. Dabei stellte sich heraus, dass das Rühren das alles entscheidende Element des Spiels ist; wenn man ein vernünftig gerührtes Gericht abbekommt, ist es gar nicht mehr so schlimm, wenn da ein paar ungeliebte Zutaten drin sind. Hauptsache ein paar Punkte bekommen, denn wer das in beiden Runden schafft, hat schon gute Chancen. Da man aber nicht immer Rührkarten in der Hand hat, ist man oft gezwungen, Zutaten zu spielen, und sobald man die ungefährlichen Sachen wie Senf oder Sojasauce einsetzt, fangen plötzlich die anderen an, sich für das „eigene“ Gericht zu interessieren. Man möchte eigentlich überall gleichzeitig eingreifen können, aber das geht nun mal nicht. Bei unserer Gruppe führte das zu lautem Lachen und gelegentlichem Fluchen – ein richtig vergnügliches Ärgerspiel also. Wenn einmal jemand ein Gericht abgeräumt hat, drängeln sich die anderen natürlich erst recht um das, was übrig bleibt. Das gilt insbesondere dann, wenn man schon recht sicher ist, dass eins der Gerichte zu oft umgerührt wurde. Es ist eine hohe Kunst, dann im richtigen Moment zuzugreifen.

Normalerweise finde ich es übrigens sinnlos, mehrere völlig gleiche Runden eines Spiels spielen zu müssen und erst dann das Spiel offiziell beendet zu haben. Meist kommt mir dann eine Runde wie ein Spiel vor. Aber bei Risou no Natto fand ich es doch spannend, in der zweiten Runde noch mal eine Chance zu bekommen, weil Null-Punkte-Runden doch häufiger vorkommen, und man hat dann in der zweiten Runde tatsächlich nochmal die Chance, ganz nach vorne zu kommen. Das ist also in meinen Augen sinnvoll gelöst.

Die Aufmachung der Schachtel ähnelt übrigens tatsächlichen Nattō-Packungen. Und auch die Karten stellen natürlich tatsächliche Zutaten dar. Aber obwohl ich an der Gestaltung gar nichts auszusetzen habe, hätte ich anhand der Karten doch Probleme gehabt, einige der Zutaten zu identifizieren. Kabeljaurogen sieht aus wie eine Wurst, Kimchi (dieser koreanische sauer-scharfe Kohl) wie irgendwelches Fleisch, finde ich. Aber das liegt wohl einfach daran, dass wir diese Sachen nicht aus dem Alltag gewohnt sind. Und dem Spielspaß schadet es auch nicht.

Risou no Natto
Das Anleitungsheftchen sieht aus wie Nattō.

 

So weit wie Andreas Buhlmann, der für seine Rezension auch gleich mal ein paar Packungen Nattō geordert und probiert hat, bin ich nicht gegangen. Aber Lust, das mal zu probieren, habe ich auch bekommen. Insofern hat das Spiel seinen Bildungsauftrag voll erfüllt, denn das wird von der „Japan Natto Cooperative Society Federation“ unterstützt. Aber auch ohne diesen Überbau bleibt es ein schönes Ärgerspiel mit simplen Regeln, bei dem das Element des Rührens ebenso wie die Gesamt-Aufmachung ein passendes thematisches Eintauchen ermöglicht.

Gesamtwertung 7/10 (ab 4 Personen)

Risou no Natto (理想の納豆)
für 3 bis 5 Personen
von Kengo Otsuka (大塚健吾)
Illustrationen von Kotaro Kawa (川孝太郎) und Youko Nakata (ナカタヨウコ)
KUA, 2014 (erscheint zur Messe in Essen 2016 bei Japon Brand)