Es hat sich wieder einiges an Nachrichten angesammelt – im Moment komme ich kaum hinterher, aber es sollen ja auch noch weitere Artikel folgen.
Argentinien
Zum mittlerweise fünften Mal fand am vorletzten Wochenende in Buenos Aires das Geek Out! Fest statt. Das ist mit rund 3000 Besucher*innen der größte und wichtigste Con in Argentinien, und es gab wieder einige Neuheiten rund 1um das Event.
Den König-Alfonso-Preis hat El Camarero vom Autorenkollektiv Maldón gewonnen. Dieses Team ist für seine oft sehr schön gestalteten Spiele bekannt (mein Favorit ist La Macarena). Nun gewannen sie beide Kategorien, nämlich das beste Spiel und die beste Gesamtpräsentation. Ich hatte in Essen schon 2018 Gelegenheit, El Camarero auszuprobieren. Es ist ein Konzentrations- und Erinnerungsspiel, das aber idealerweise von den Spieler*innen auch mit etwas Rollenspiel begleitet wird. Ein Kellner wird arg gefordert, er muss sich alle Bestellungen merken und die richtigen Sachen zu den richtigen Leuten bringen. Leider wechselt die Rolle des Kellners, sodass man dann auch selbst zu spüren bekommt, wie schwierig das ist. Neue Spiele aus Lateinamerika, Teil 11/2019 weiterlesen →
Was hat Alfons X., der von 1221 bis 1284 lebte und König von Kastilien und Leon war, mit der Spieleszene zu tun? Einiges. In seinem Auftrag entstand das Libro de los Juegos, das „Buch der Spiele“, das Spielregeln, Schachprobleme und weiteres enthielt. Es ist eines der bedeutendsten mittelalterlichen Bücher zum Thema Spiele überhaupt. Gut 730 Jahre später beschlossen einige Leute in Argentinien, einen Spielepreis zu vergeben und nannten ihn Premio Alfonso X. Dieses Jahr wird er zum zweiten Mal vergeben. Am zehnten Januar ist die Einsendefrist abgelaufen und die Jury hat ihre Arbeit aufgenommen.
Dass ich angefangen habe, mich für lateinamerikanische Spiele zu interessieren, hatte ich ja neulich mit der Rezension zu KINMO schon angedeutet. Erst nachdem ich jenen Artikel geschrieben hatte, erfuhr ich, dass KINMO einen argentinischen Spielepreis gewonnen hatte, und beschloss, mir die Sache mal ein bisschen genauer anzusehen. Das war – Ihr ahnt es schon – der Premio Alfonso X gewesen, und zwar im Jahr 2016, bei dessen erster Verleihung.
Nun gibt es in sehr vielen Ländern Spielepreise. Zwar hat keiner von ihnen auch nur annähernd die gleiche Bedeutung wie der Titel Spiel des Jahres, aber man liest doch immer mal wieder, dass dieses oder jenes bekannte Spiel nun auch noch in Norwegen, Portugal und San Marino als bestes Spiel des Jahrgangs ausgezeichnet worden sei. Die Preise haben in der Regel natürlich das Ziel, dem Publikum im jeweiligen Land die interessantesten aktuellen Neuerscheinungen vorzustellen. Für Deutsche ist das meist weniger spannend, weil man die meisten Titel eben doch schon kennt, wenn man sich einigermaßen für die Spieleszene interessiert.
Wenn ich jetzt allerdings die Kandidat/innen für den diesjährigen Premio Alfonso X aufzähle, vermute ich mal, dass kaum jemand von Euch auch nur von einem einzigen dieser Spiele jemals was gehört hat. Bitte schön:
– Chernobyl
– Ciudadano Ilustre
– Código Enigma
– Conejos en el Huerto
– Cultivos Mutantes
– Dinosaurus
– La Macarena
– Venecitas
– ZUC!
Dass wir jetzt hier in eine völlig neue Welt eintauchen, hat einen ganz einfachen Grund: Der Premio Alfonso X wird nur an argentinische Autor/innen verliehen (oder an Leute, die seit mindestens zwei Jahren in Argentinien leben). Paradoxerweise war es nämlich so, dass die einheimischen Spiele in der Spieleszene kaum beachtet wurden. Teilweise lag das auch daran, dass in Argentinien die Produktionsqualität von Spielen oft miserabel war. Ein Argentinier schrieb mir, wenn ich das Spielmaterial der argentinischen Ausgabe der Siedler von Catan sehen könnte, würde ich weinen (ein Unboxing-Video gibt es hier – die Schachtelqualität könnt Ihr bei etwa 7:45 bewundern, danach dann die Passgenauigkeit der Teile). Das muss sich also bessern. Auch dazu soll der Preis beitragen, und es gibt auch einen Sonderpreis für die beste Produktionsqualität. Und schließlich sind nur Spiele zugelassen, bei denen der Name des Autors oder der Autorin genannt ist. Das liegt mir natürlich besonders am Herzen, weil es mich an die Situation in Deutschland vor 30 Jahren erinnert, als die Autor/innennennung auch erstmal durchgesetzt werden musste. Selbst die Jury Spiel des Jahres nannte in den ersten Jahren die Autor/innen in ihren Publikationen nicht.
Wenn dort jetzt also ein Preis nur für Einheimische ins Leben gerufen wird, ist das eher kein nationalistischer Unfug, sondern ein ehrlicher Versuch, die einheimische Autor/innenschaft zu stärken und innerhalb des Landes zu zeigen, dass auch von dort gute Spiele kommen können. Wenn ich nicht aus Deutschland, einem Land mit einer sehr stark entwickelten Spieleszene kommen würde, würde ich mir so etwas hier vielleicht auch wünschen.
In Argentinien gibt es insgesamt allemal eine viel kleinere Szene als hierzulande. Die neun genannten Spiele sind nämlich nicht irgendwie die, die in die Endrunde gekommen sind, sondern das gesamte Teilnehmer/innenfeld (na gut, das stimmt nicht ganz, es gibt noch eine Art Prototypen- und Kleinstauflagenwettbewerb mit vier teilnehmenden Spielen). Anders ausgedrückt: In Argentinien sind 2016 ungefähr neun Spiele einheimischer Autor/innen erschienen. Ich vermute mal, einige meiner geschätzten Leser/innen haben in diesem Jahr schon mehr Spiele gekauft als neun…
Was gibt es über die Spiele zu sagen?
Es war gar nicht so einfach, etwas über die Kandidat/innen herauszufinden. Aber einiges ist doch zusammengekommen – hier ist eine Übersicht:
Chernobyl ist ein kooperatives Spiel, bei dem es darum geht, Überlebende aus dem havarierten Reaktor zu retten. Um das Spiel zu gewinnen, muss man sie zum Hubschrauberlandeplatz bringen können. Auch ein kompetitiver Modus ist dabei. Chernobyl stammt von Gonzalo Emanuel Aguetti und ist bei Yamat erschienen.
Ciudadano Ilustre („Berühmter Bürger“) ist mit einer Crowdfunding-Kampagne finanziert worden, die das bescheidene Ziel von 737 US$ locker übertroffen hat. Es handelt sich um ein Quizspiel mit Fragen zu geographischen Themen. Die Autorinnen sind Vera Mignaqui und Eugenia Pérez. Von letzterer stammt auch die Gestaltung. Die Webseite zum Spiel ist hier zu finden.
Código Enigma („Enigma-Code“) spielt im zweiten Weltkrieg und es geht natürlich darum, deutsche Codes zu entschlüsseln. Dazu sammelt man Kartensets und versucht, die anderen daran zu hindern. Offenbar spucken einem die Deutschen auch gelegentlich in die Suppe. Autor/innen sind Joel Pellegrino Hotham und Silvina Fontenla, die Illustrationen stammen ebenfalls von den beiden. Der Verlag heißt JuegosdeMesa.com.ar.
Bei Conejos en el Huerto („Kaninchen im Obstgarten“) haben die Spieler/innen je zwei Kaninchenfiguren und ziehen damit durch den zufällig aufgebauten Garten. Dabei versuchen sie, möglichst wertvolles Gemüse einzusammeln, wobei ihre Position bestimmt, welches Gemüse sie sich holen können. Ein Wachhund tut sein Bestes, das zu verhindern. Das Spiel stammt von Luis Marcantoni und wurde von Celeste Barone gestaltet. Erschienen ist es bei Ruibal Hermanos S.A.
Cultivos Mutantes („Mutierte Feldfrüchte“) ist ein kurzes Worker-Placement-Spiel von Sebastián Koziner (mit Illustrationen von Rocío Ogñenovich), bei dem man versucht, mutierte Pflanzen anzubauen und damit Punkte einzustreichen. Erschienen ist es bei El Dragón Azul und OK Ediciones.
Dinosaurus ist ein Kartenspiel mit nur 36 Karten. Auf einer fantastischen Insel laufen Dinosaurier aus verschiedenen Zeiten herum und balgen sich um Nahrung. Besonders gern fressen sie Pflanzen, Säugetiere und natürlich einander. Erschienen ist es bei Rewe Juegos. Die Autor/innen und Künstler/innen sind Amelia Pereyra und Matías Esandi.
La Macarena ist eine Hexe oder Magierin, die eine neue Auszubildende sucht. Die Spieler/innen sammeln Karten mit vier Elementen, und wer am meisten von einer Sorte hat, kann sie irgendwann gegen Amulette eintauschen, womit man dann die Gunst der Macarena gewinnt. Das Spiel ist bei Maldón erschienen, das ist ein Autor/innenkollektiv aus fünf Leuten, und der Illustrator ist Alberto Montt. Einer aus dem Kollektiv kommt auch zur Messe nach Nürnberg, und ich freue mich schon sehr auf ein Treffen.
Mit Venecitas ist Joel Pellegrino Hotham ein zweites Mal im Rennen (und die Illustrationen hat er ebenfalls zusammen mit Silvina Fontenla zusammen gemacht). Ich bin nicht ganz schlau draus geworden, was Venecitas genau heißt, aber es geht darum, Farben zu sammeln. Man würfelt mit einem sechsseitigen Farbwürfel, kann diesen um eine Kante drehen und dann erhält jede/r die Farbe, die ihm oder ihr zugewandt ist. Der oder die aktive Spieler/in erhält außerdem die Farbe, die oben liegt. Bestimmte Farbkombinationen kann man dann gegen Siegpunktchips tauschen. Auch hier ist der Verlag JuegosdeMesa.com.ar.
ZUC! stammt von Agustin Carpaneto. Es ist ein lockeres Kartenspiel, bei dem man versucht, keine Bombenkarte zu ziehen (dann hat man nämlich verloren). Wer dran ist, kann mit Handkarten zum Beispiel verhindern, selbst Karten zu ziehen oder andere dazu bringen, mehr Karten zu ziehen. Die Illustrationen sind von Mariana Ponte. Es ist im Eigenverlag erschienen – die Facebook-Seite ist hier.
Wer wird gewinnen? Das entscheidet sich auf drei Ebenen. Die gewichtigste Stimme hat eine Jury aus acht Spielern und Autoren, der unter anderem der Vorjahressieger Bruss Brussco angehört. Außerdem fließen die Stimmen aus dreizehn argentinischen Spieleclubs mit ein (womit gewährleistet ist, dass eine Menge Leute die Spiele überhaupt spielen). Auch auf Facebook soll es noch eine Abstimmung geben. Zu bewerten sind die fünf besten Spiele mit 5-4-3-2-1 Punkten. Ein weiterer Preis geht an das am besten gestaltete Spiel. Die Preisverleihung findet dann am 6. Mai auf dem Geek-Out!-Festival in Buenos Aires statt, zu dem diesmal mehr als die 1500 Leute vom letzten Jahr erwartet werden. Danach werde ich natürlich wieder berichten, was herausgekommen ist.
Wer Spanisch lesen kann, findet übrigens auch auf der Geek-Out!-Seite viele Informationen über die Spieleszene in Argentinien. Ich bin wirklich beeindruckt, was dort im Moment auf die Beine gestellt wird und freue mich, daran ein bisschen teilhaben zu können.
Alle Spiele-Bilder und Logos mit freundlicher Genehmigung der Rechte-Inhaber/innen. Vielen Dank!
Meistens orientiere ich mich ja eher nach Osten, wenn es um Spiele geht. Aber auch der Westen hat Spiele zu bieten, die man hier eher selten zu Gesicht bekommt. Zu diesen gehört zum Beispiel KINMO aus Argentinien, das ich mir zur Spielemesse in Essen hatte mitbringen lassen und das mittlerweile in unserer Familie des Öfteren auf den Tisch kommt.
Der Name KINMO kommt aus einer Kombination von KINg und MOnkey, es geht also sozusagen darum, der König der Affen zu werden. Das kann man dadurch erreichen, dass man vier verschiedene Juwelen in Besitz nimmt. Leider wollen die anderen Affen das auch, und so beginnt ein wildes Gehaue und Geklaue.
In der Tischmitte liegen zunächst (je nach Spieler/innenzahl unterschiedlich viele) Juwelen in vier Farben, wobei die Farben unterschiedlich häufig vertreten und auch verschieden viel wert sind. Auf der Hand hat man fünf Karten. Darunter gibt Juwelenkarten, Hammerkarten, Sackkarten und Pflasterkarten. Wer dran ist hat fünf Möglichkeiten:
– Mit jemandem eine Karte austauschen (wobei Absprachen unverbindlich sind)
– Beliebig viele Karten abwerfen und wieder auf fünf Karten auffüllen
– Die oberste Karte vom Ablagestapel nehmen und dafür zwei andere Karten abwerfen (dann hat man eben eine Karte weniger auf der Hand)
– Drei gleiche Karten ausspielen und die Hand wieder auf fünf Karten auffüllen. Bei drei Juwelenkarten nimmt man sich ein Juwel aus dem Vorrat (die Karten gibt es in vier Farben, so dass man keine freie Auswahl hat), mit drei Hammerkarten kann man jemanden auf den Kopf hauen und ihm einen Schadenspunkt zufügen, mit drei Pflasterkarten kann man einen Schadenspunkt heilen und mit drei Sackkarten kann man jemandem das am wenigsten wertvolle Juwel abnehmen.
– Von drei Juwelen der gleichen Farbe zwei gegen ein beliebiges anderes aus dem Vorrat tauschen.
Wer den dritten Schadenspunkt bekommt, fällt in Ohnmacht und muss alle Juwelen in den Vorrat zurücklegen (bis auf einen, den der Affe bekommt, der einem den Schlag versetzt hat). Wird jemand zweimal ohnmächtig, verliert er oder sie das Spiel und es gewinnt, wer die wertvollsten Juwelen hat. Meist endet das Spiel allerdings schon vorher dadurch, dass jemand vier verschiedene Juwelen eingesammelt hat.
Und? Macht das Spaß?
Wenn man nicht allzu viel Tiefgang erwartet, dann durchaus – bei meiner Familie kommt es gut an. Langfristige Strategien kann man normalerweise nicht einsetzen, da man ja nur fünf Karten auf der Hand haben kann. Spielt man eine Dreierkombination aus, hat man bestenfalls noch zwei aufgesparte Karten plus das, was man zufällig nachzieht. Über eine gelungene Aktion hinaus kann man also kaum planen. Dafür macht es eben Spaß, andere Leute mit dem Hammer über den Kopf zu hauen und ihnen ihre Juwelen abzunehmen. Die einzelnen Mechanismen greifen dabei gut ineinander. Abgesehen von der selteneren Situation, wo ein/e Spieler/in in Ohnmacht geschlagen wird, wandern die Juwelen nur in eine Richtung, nämlich aus dem Vorrat zu den Spieler/innen, sodass das Spiel sich nicht ewig hinziehen kann. Man muss dann eben nur noch dafür sorgen, dass die Juwelen in der richtigen Kombination bei einem selbst landen. Zu schnell geht es aber auch nicht zu Ende, dafür sorgt die Regel, dass man beim Klauen das am wenigsten wertvolle Juwel nehmen muss, anstatt beliebig auszusuchen. Das hat also alles Hand und Fuß.
Dennoch gibt es öfter mal Situationen, wo man mit seinen Handkarten nicht viel anfangen kann. Am Anfang braucht man zum Beispiel noch keine Heilungskarten, solange einen niemand gehauen hat. Auch Klaukarten können nutzlos sein, solange noch niemand Juwelen hat. Und sinnvoll aufsparen kann man die Karten auch nicht, weil man eben nur Karten für eine gelungene Aktion auf der Hand halten kann. Dann kann es passieren, dass man eine Handvoll nicht benötigter Karten abwirft und die gleichen nachzieht. Wenn das mehrmals hintereinander passiert, ist es natürlich nicht besonders befriedigend – da das Spiel aber ziemlich flott voranschreitet, ist das insgesamt zu verschmerzen. Am Ende werden auch die Juwelenkarten weniger wertvoll, weil man sich die Juwelen ja nur aus dem allgemeinen Vorrat nehmen darf, und da liegt unter Umständen nichts mehr, was einen interessiert.
Und obwohl die Auswahl an Aktionen begrenzt ist, gibt es doch gelegentlich interessante Entscheidungen zu treffen. Soll ich jemanden auf den Kopf hauen, der schon einen Schadenspunkt hat? Dann könnte jemand anders ihn oder sie k.o. schlagen und sich ein Juwel unter den Nagel reißen. Die Dynamik dabei ist sehr unterschiedlich, je nachdem, wie viele Leute mitspielen. Zu zweit überzeugt KINMO nicht unbedingt. Je mehr Leute dabei sind, desto mehr Action ist (aber natürlich dauert es auch länger, bis man wieder dran ist. Zügiges Spiel ist unbedingt empfohlen und ergibt sich meist ohnehin).
Das Spielmaterial überzeugt insgesamt, und die Schachtel finde ich sogar richtig schön. Leider ist sie aus eher dünner Pappe, da hätte ich mir was Stabileres gewünscht. Für einen Verlagserstling ist das aber sehr ordentlich geworden. Argentinien hat halt nicht so eine ausgeprägte Spieleszene, daher ist das Spiel aus deutscher Perspektive auch eher teuer, aber bin trotzdem froh, dass ich es in die Finger gekriegt habe. Und jetzt entschuldigt mich, ich muss dringend wieder mit dem Hammer auf meine Familie losgehen…
Gesamteindruck: 7/10
KINMO
von Bruss Brussco
für 2 bis 10 hinterlistige Affen
Illustrationen: Juliana Bernabeu
Pasacronos, 2015
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