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Mikro-Mikrokosmos

Ich sitze gerade an einigen Übersetzungen japanischer Spiele für die Messe in Essen (aus dem Englischen ins Deutsche) und komme erschreckend wenig zum Spielen. Immerhin hat es mal wieder für eine Partie Greedy Kingdoms gereicht, ein Spiel, das ich zwar eher selten raushole, das mich aber doch immer wieder reizt.

Greedy Kingdoms
Das Cover sieht ein bisschen aus wie so eine Städtepostkarte mit den 12 größten Sehenswürdigkeiten von Kleinkleckersdorf

Jede/r Spieler/in hat einen Satz Karten, der von eins bis acht nummeriert ist und acht verschiedene Figuren zeigt. Auf jeder Karte stehen Kosten und Ertrag, wobei einige Karten gar nichts kosten. Eine/r greift an und legt verdeckt drei von den acht Karten auf den Tisch, der/die Andere tut das ebenso. Dann wird gemeinsam aufgedeckt. Der/die Angreifer/in zahlt alle Kosten für die drei eingesetzten Karten und bekommt den Ertrag derjenigen Karten, die von dem/der Verteidiger/in nicht geblockt wurden. Blocken heißt, die gleiche Kartennummer auszuspielen. Kosten und Ertrag gibt es in Form von vier verschiedenen Rohstoffplättchen: Geld, Land, Nahrung und Ehre.

Mit den Rohstoffen kann man zwei verschiedene Dinge tun. Entweder erweitert man sein Königreich durch den Kauf von ausliegenden Karten. Gebäude werfen dabei sofort Rohstoffe ab und bringen später einen Rabatt beim Anheuern von Einwohner/innen, letztere bringen in jeder Runde Rohstoffe ein und sind entsprechend wertvoll. Oder aber man verbessert seine Figuren. Es gibt nämlich noch einen verdeckten Stapel, in dem von jeder Figur eine verbesserte Variante steckt. Für zwei beliebige Rohstoffe kann man eine davon ziehen und dafür die entsprechende normale Karte abwerfen. Da es von jeder verbesserten Figur nur eine gibt, mahlt zuerst, wer zuerst kommt.

Wer eine Weile lang Rohstoffe gespart hat, kann sich einen der recht teuren Paläste kaufen. Wer zuerst zwei Paläste ausgelegt hat, gewinnt.

Greedy Kingdoms
Durch Klicken auf das Bild lässt sich die Schrift womöglich bis in den lesbaren Bereich vergrößern.

Und? Macht das Spaß?

Ja, eigentlich schon, wenn auch nicht uneingeschränkt. Ich bin ja normalerweise nicht so ein Freund von Kartenspielen, bei denen jede Karte einen speziellen Text hat, der ihre Funktion erklärt. Bei Greedy Kingdoms kann ich das verschmerzen, weil es nur um wenige Karten geht und sich die Funktionen sehr schnell einprägen. Und das schon aus purer Not, denn die unglaublich winzige Schrift ist für mich nicht überblicksweise lesbar, da muss ich die Karten schon geradezu anstarren. Selbst die Icons, die in den Text integriert sind, kann ich nur noch gerade so erkennen. Bringt Euch ein Mikroskop mit – aber wie gesagt, nach einer oder zwei Runden hat man die Funktionen der Karten eigentlich parat. Der Stil der Illustrationen ist jetzt auch nicht so meiner, aber er lenkt mich auch nicht ab, das ist also in Ordnung.

Sehr gelungen finde ich auf jeden Fall den grundsätzlichen Mechanismus des Spiels. Da alle Möglichkeiten, Resourcen auszugeben, offen liegen, kann man gut abschätzen, welche Rohstoffe der oder die Gegner/in am dringendsten braucht. Dann versucht man halt, genau die Karten abzublocken, die diese Rohstoffe abwerfen würden. Für den/die Angreifer/in geht es nun darum, dieses Problem zu umgehen, entweder durch komplexere Kartenketten oder dadurch, erstmal andere Rohstoffe einzusammeln, um in der nächsten Runde mehr Möglichkeiten zu haben. In vielen Runden, die ich gespielt habe, sind zwei der drei Karten geblockt worden und nur die dritte konnte ihre Wirkung entfalten. Kommt gar keine durch, ärgert man sich, kommen zwei durch, ist das schon Grund zum Jubeln. So entsteht eine angenehme Spielgeschwindigkeit, denn gleichzeitig gibt es nicht zu viel Anlass zu endlosen Grübeleien. Und wenn mein heimtückischer Plan durchkreuzt wird, habe ich vielleicht immer noch zwei Rohstoffe übrig, um zumindest eine meiner Figuren zu verbessern. So hält sich der Frustfaktor in Grenzen (obwohl man manchmal trotzdem gehörig auf die Nuss bekommt).

Ein schönes Element sind auch die Figuren-Upgrades, die ein bisschen die Statik aufbrechen. Man muss dann eben ein bisschen mehr spekulieren, ob man die normalen Karten mit den wichtigsten Rohstoffen blockt, oder die wertvolleren, aber vielleicht aktuell nicht perfekt passenden verbesserten.

Eine Neuausgabe von Greedy Kingdoms von Alderac war für 2014 mal angekündigt worden, ist aber meines Wissens nie erschienen. In Japan ist das Spiel wohl nach wie vor erhältlich, da gibt es auch Erweiterungen und es gibt außerdem Princess Wonder, in dem es zusammen mit weiteren Spielen enthalten ist (allerdings in veränderter Grafik, die mir noch weniger gefällt, und nur in Japanisch). Ich glaube, dass das Spiel auch in Europa erfolgreich sein könnte, wenn die anstrengende Schriftgröße angepasst würde (ob man die Grafik beibehalten sollte, kann ich nicht recht beurteilen). Schließlich bietet es einigen Wiederspielreiz in einer kleinen Kartenspielschachtel.

Gesamteindruck: 8/10

Greedy Kingdoms (よくばりキングダム)
für 2 Leute
von Hayato Kisaragi (木皿儀隼一)
Illustrationen von Keita Komiyama und Minat’s
Erschienen bei One Draw/Japon Brand, 2009

Ach wie gut, dass niemand weiß, ob ich wirklich Rumpelstilzchen heiß.

Als mir auf der Spielemesse 2012 ein damals noch wenig bekannter japanischer Spieleautor namens Seiji Kanai einen Briefumschlag mit ein paar Karten drin in die Hand drückte, konnte ich noch nicht ahnen, dass dieses Spiel bald zu einem der einflussreichsten der letzten Jahrzehnte werden würde. Die Rede ist natürlich von Love Letter, das einen wahren Boom an sogenannten Mikrospielen auslöste. Love Letter bestand aus 16 Karten plus zwei Ersatzkarten (einem Prinzen und einer Prinzessin ohne Brille, für diejenigen, die da etwas Abwechslung haben wollten), einer Anleitung und einem Briefumschlag. Das war’s. Verkauft wurde das, wenn ich mich richtig erinnere, für drei oder vier Euro.

Auf der gleichen Messe hatte Alderac allerdings schon eine „internationale“ Ausgabe im Programm. Hübsch aufgemachter Stoffbeutel, darin Karten (in völlig anderer Aufmachung und mit ein paar kleineren Regeländerungen) und ein paar Holzklötzchen zum Punkte zählen. Das war zwar nicht wesentlich teurer, aber man sah der Ausgabe halt schon an, dass sie mehr auf Verkauf getrimmt war. Für mich kam sie kaum in Frage, denn nachdem ich das Original gesehen hatte, war die Alderac-Ausgabe mit ihrer völlig konventionellen Grafik für mich einfach nicht mehr vermittelbar. Die Prinzessin hatte ja nicht mal eine Brille auf. Später fiel mir dann doch noch mal ein Exemplar dieser Ausgabe in die Hände, aber das habe ich nach einer Partie wieder weitergegeben, weil ich mich damit einfach nicht anfreunden konnte – zu bunt, zu konventionell, zu unübersichtlich, dennoch auch in der deutschen Ausgabe bei Pegasus ein Erfolg. Nicht mein Geschmack. Dafür hat Alderac dann noch mal eine „Nostalgie“-Ausgabe herausgegeben, mit der Originalgrafik, aber auch mit Zählklötzchen, damit man auf eine Punktezahl spielen kann (völlig überflüssig in meinen Augen).

Springen wir drei Jahre weiter in die Gegenwart. Love Letter hat seither einen Siegeszug um die ganze Welt angetreten (wir haben in mehr als anderthalbtausend Partien drei oder vier Exemplare zuschanden gespielt), und viele Autor/innen und Verlage haben versucht, auf den Mikrospiele-Zug aufzuspringen. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Dieses Jahr kam in Essen wieder mal was bei Alderac heraus, und das ist auf Umwegen bei mir gelandet. Das Spiel heißt Rumpelstiltskin (was der englische Name für Rumpelstilzchen ist), stammt von Nate Heiss und ist illustriert von Felicia Cano. Es kommt in einer zwar leidlich kleinen, aber dennoch völlig überdimensionierten Schachtel daher. Dafür sind zu den 20 Karten erneut ein paar Zählklötzchen beigefügt worden, die keine wesentliche Spielfunktion haben.

 

Worum geht’s? Na ratet mal – um’s Raten natürlich. Wir haben hier ein reines Zweierspiel vor uns. Es besteht aus zwei gleichen Sätzen von je zehn verschiedenen Karten. Auf jeder Karte ist ein Name und eine Kartenfunktion zu lesen. Man mischt seinen Satz, legt ihn verdeckt vor sich als Stapel hin und zieht die obersten fünf Karten auf die Hand. Zusätzlich darf man sich die unterste Karte des Stapels ansehen, denn der Name dieser Karte ist der eigene Name, den das Gegenüber erraten muss, um zu gewinnen.

Abwechselnd spielt man nun je eine Karte und führt jeweils die darauf beschriebene Funktion aus. Zusätzlich können Karten zwei Sonderfunktionen haben, nämlich entweder „Guess“ oder „Reaction“. „Guess“ bedeutet, dass man erraten kann, welche Karte beim Gegenüber unten liegt. Stimmt der Tipp, hat man das Spiel gewonnen. „Reaction“-Karten sind eben Gegenreaktionen, die man auf Aktionen des/der anderen spielen kann – sie manipulieren den eigenen Stapel (in der Regel nach einem erfolgreichen Rateversuch, um den Kopf gerade noch aus der Schlinge zu ziehen).

Ausgespielte Karten legt man in eine eigene Auslage, so dass man immer sehen kann, welche Karten schon verbraucht sind (und daher nicht mehr unter dem Stapel stecken können). So kommen die Einschläge immer näher – sind es am Anfang noch zehn Namen, von denen man einen raten kann, werden es im Lauf des Spiels immer weniger. Wenn man alle fünf Handkarten aufgebraucht hat (das passiert unterschiedlich schnell, weil zum Beispiel Reaktionskarten ja zusätzlich zum eigenen Spielzug gespielt werden können), zieht man, wenn man dran ist, die oberste Karte vom Nachziehstapel und muss diese ausspielen – das ist nicht immer ein Traumzug. Am Ende geht es dann entsprechend meist recht schnell mit dem Raten (aber es kann natürlich auch passieren, dass man mit dem ersten Blindversuch gleich einen Treffer landet und das Gegenüber keine Reaktionskarte auf der Hand hat. Glück gehabt und auf eine Revancheforderung einstellen).

Macht das Spaß? Ja, mit Einschränkungen durchaus. Ein Spiel namens Rumpelstilzchen, bei dem man einen Namen erraten muss – eigentlich eine naheliegende Idee, warum gab’s das nicht schon früher? Vielleicht musste da wirklich erstmal die Mikrospielwelle über uns hereinbrechen. Die Kartenfunktionen finde ich nicht immer superinnovativ, aber da funktioniert alles, keine Klagen. Leider habe ich aber am Gesamtprodukt doch was zu meckern. Dass der Verlag diese komischen Klötzchen beilegt und in der Regel geradezu darum bettelt, dass man doch mehrere Runden in Folge spielen soll, um eine/n Gesamtsieger/in zu küren, finde ich befremdlich und überflüssig. Warum spielt man nicht einfach so viele Partien, wie man Lust hat, und freut sich daran? Aber gut, das kann man ja einfach ignorieren. Schwieriger ist es allerdings, das Kartendesign zu ignorieren. Die Karten sind schreiend bunt und völlig unfunktional. Wilde Fonts, der Funktionstext mit Hintergrundmustern unterlegt – man muss auch nach diversen Partien jede Karte neu studieren, um sie einsetzen zu können. Ein automatisches Wiedererkennen, das den Spielfluss ja erheblich steigern könnte, hat sich bei uns überhaupt nicht eingestellt. Hier wären ein paar klarere Linien und eindeutigere Farben viel besser gewesen (etwa wie beim Love-Letter-Original, aber da hatte Alderac ja auch schon an der Grafik herumpfuschen müssen). Ich finde die Bilder von Felicia Cano gar nicht mal schlecht, aber als Spielgrafiken sind sie in meinen Augen leider unbrauchbar. Auch wenn mein Geschmack da wahrscheinlich nicht allgemeingültig ist, fürchte ich, dass das den Erfolg des Spiels mindern könnte. Ich glaube, ich hätte es noch öfter zum Einsatz gebracht, wenn es übersichtlicher gestaltet wäre.

Rumpelstiltskin
Kann wirklich jemand die 4 und die 7 unterscheiden, ohne genau hingucken zu müssen?

Noch eine Kuriosität am Rande:

Rumpelstiltskin
Machen jetzt die ersten oder die zweiten fünf Minuten Spaß?

Titel: Rumpelstiltskin
Autor: Nate Heiss
Illustrationen: Felicia Cano
Verlag: Alderac Entertainment Group (AEG), 2015 – in englischer Sprache, bisher gibt es noch keine deutsche Ausgabe.