Wenn man fremde Länder bereist, muss man sich gelegentlich damit auseinandersetzen, dass die Toiletten nicht dem Sauberkeitsstandard genügen, den man gern hätte (nun ja, in Deutschland kann das auch passieren). Hock-Klos, Klos ohne Brille, Toiletten ohne Türen und so weiter – an manche Dinge muss man sich vielleicht auch erst gewöhnen. Seltener ist es, dass man eine Toilette aufsucht und keine Ahnung hat, wie man sie benutzen soll. Das ist mir bisher nur in Japan passiert, wo ich eine Toilette mit so viel Bedienelementen vor mir hatte, dass ich nicht nur keine Ahnung hatte, wie ich die Spülung betätigen sollte, noch, was all die anderen Knöpfe möglicherweise auslösen könnten.
Als dann Japon Brand für die bevorstehende Messe in Essen ein Toilettenspiel ankündigte, war ich entsprechend neugierig auf die Regeln. Und ich kann Euch beruhigen: Sie sind einfacher zu verstehen, als die Bedienung mancher tatsächlichen Toiletten in Japan (ich habe sie entsprechend einigemaßen problemlos ins Deutsche übersetzen können).
Who Soiled the Toilet? (Wer hat die Toilette eingesaut?) ist ein Deduktionsspiel mit geheimen Rollen, ähnlich dem Mafia/Werwolf-Konzept, allerdings mit einem schrägen Thema und einem sehr ungewöhnlichen Mechanismus für dieses Genre. Die Spieler/innen sind entweder Schmutzfinken oder Sauberkeitsfanatiker/innen (das wird zu Beginn ausgelost; die Schmutzfinken kennen einander, die anderen nicht).
Irgendwo außerhalb des Spielbereichs, zum Beispiel im tatsächlichen Badezimmer der Wohnung, legt man eine Karte hin, deren eine Seite eine blitzsaubere Toilette zeigt, die andere eine völlig verdreckte. Darauf legt man eine Toilettentürkarte.
Das Spiel verläuft über fünf Runden. Bleibt die Toilette in dreien dieser Runden sauber, gewinnen die Sauberkeitsfanatiker/innen, wird sie dreimal eingesaut, gewinnen die Schmutzfinken. In jeder Runde gibt es eine bestimmte Anzahl von Leuten, die auf die Toilette müssen (das wird abhängig von der Zahl der Spieler/innen festgelegt). In jeder Runde macht eine/r Vorschläge, wer auf die Toilette muss und in welcher Reihenfolge. Dann geht eine Pümpelkarte herum – wer diese auf die Rückseite dreht, legt ein Veto ein, sodass eine neue Auswahl getroffen werden muss. Dieses Veto kann man allerdings später auch noch für andere Dinge brauchen, und man darf es nur einmal im gesamten Spiel einsetzen. Das sollte man sich also gut überlegen.
Wenn die Auswahl getroffen ist, gehen die Auserwählten der Reihe nach auf die Toilette. Schmutzfinken dürfen dort die Toilettenkarte umdrehen, die anderen gucken nur. Der oder die letzte, bringt die Toilettenkarte samt Tür mit, die Tür wird geöffnet und man sieht, wer die Runde gewonnen hat.
In einer sogenannten Actionrunde (davon gibt es eine bis zwei) gehen alle auf die Toilette. Das funktioniert aber anders. Man hat dann einen Kacke-Chip, den man aus einer bestimmten Entfernung auf den Schachteldeckel werfen muss, sodass er liegen bleibt. Bleibt eine gewisse Anzahl drauf liegen, gilt die Toilette als sauber, geht viel daneben, ist sie eingesaut. Die Schmutzfinken müssen also so tun, als würden sie genau zielen, aber trotzdem daneben treffen (oder gar andere Chips mit runterschubsen), die Sauberkeitsfanatiker/innen sollten versuchen zu treffen oder ihre Fehlwürfe überzeugend erklären können…
Das ist es im Groben. Natürlich geht es darum, aus den ersten Runden die richtigen Schlüsse über die Identität der anderen zu ziehen und in den nächsten Runden die Toilettengeher/innen entsprechend auszuwählen.
Und? Macht das Spaß?
Diesmal ist die Frage nicht so ganz einfach zu beantworten. Der Geschicklichkeitsteil ist eine tolle Idee und hier doch sehr innovativ. Spaß macht er auch noch, und man fragt sich, ob man besser dem oder der Werfenden in die Augen gucken soll oder sich auf den Wurf selbst konzentrieren sollte, um Rückschlüsse zu ziehen. Oder auf die Mitspielenden? Die Schmutzfinken wissen ja, wer zu ihnen gehört und bräuchten gar nicht hinzugucken, was aber auch wieder auffällig wäre. Lässt ein unbeteiligter Blick darauf schließen, dass jemand ein Schmutzfink ist? Dieser Teil des Spiels ist allemal gut gelungen, finde ich. Leider ist sein Einsatz eben zufällig. Er kann einmal oder zweimal vorkommen. Ist zum Beispiel nur die letzte Runde eine Action-Runde, kann man tatsächlich nur noch zugucken, aber die daraus gewonnenen Erkenntnisse nicht mehr einsetzen. Sind dagegen die ersten beiden Runden Action-Runden, kann das schon einen reichlichen Vorsprung für die Schmutzfinken ergeben (das Werfen fällt den meisten Leuten doch nicht so leicht). Insgesamt aber vergebe ich hier einen dicken Domestos-Punkt, das ist eine schöne, schräge Idee.
Der Rest ist in meinen Augen allerdings trotz des ungewöhnlichen Themas eher konventionell und bietet mir weniger Spannung. Ich muss dazu sagen, dass ich nicht der allergrößte Fan des Werwolf-Genres bin. Positiv ist zwar, dass (wie beispielsweise bei „Der Widerstand“) niemand ausscheidet, aber trotzdem will bei mir nicht die ganz große Begeisterung aufkommen. Vielleicht hätte man einen weiteren Schritt gehen und ein Spiel mit verdeckten Rollen als reines Geschicklichkeitsspiel konzipieren sollen? Ich weiß es nicht. Aber es gibt ja genügend Fans von solchen Spielen, und bei denen wird auch dieses ankommen, denke ich. Sicher steht und fällt das Ganze mit der Spielgruppe, da kann man schon Begeisterung hineinbringen, aber es passiert eben nicht von allein. Über das vorgesehene Kommunikationsniveau schweigt sich die Regel aus, man kann das Ganze sogar schweigend absolvieren, wenn man möchte, der Mechanismus funktioniert auch so. Ein bisschen lebhafter ist es natürlich, wenn man sich gegenseitig öffentlich als Schmutzfinken verdächtigt. Aber das muss letztlich jede Spielgruppe selbst untereinander ausmachen. Der Einsatz des Pümpels schließlich erfordert ein bisschen Fingerspitzdengefühl oder zumindest Erfahrung, man kann also auch in diesem Spiel besser werden.
Die runde Schachtel, die ja auch ins Spiel eingebunden ist, ist originell. Wenn man sie aufmacht, findet man stilecht als Füllmaterial Klopapier vor. Da musste ich doch schmunzeln. Das Spielmaterial ist ansonsten auch in Ordnung (wenngleich mir die Grafik eher weniger sagt), aber leider ist besagte Schachtel sehr instabil, was an ihrer Form liegt. Der Deckel zum Beispiel besteht aus einer Pappscheibe, um die ein Pappring geklebt ist, was natürlich nicht so gut hält wie ein herkömmlicher Schachteldeckel, der aus einem Stück gemacht ist. Wenn die Oberfläche nur ein kleines bisschen in den Ring gedrückt ist, ändert sich der Geschicklichkeitsteil aber ziemlich, denn dann entsteht ein Rand, von dem die Chips nicht mehr so leicht herunterrutschen. Man muss das alles sozusagen mit Samthandschuhen (oder Gummihandschuhen?) anfassen. Das Spiel eignet sich also nicht besonders gut dazu, durch die Gegend geschleppt zu werden, und das ist ein bisschen schade, denn bei einem Spiel für 5 bis 8 Leute hätte ich diese Möglichkeit doch gern.
Insgesamt ist Who Soiled the Toilet? kein ganz großer Wurf geworden. Mit dem schrägen Thema und dem etwas wackeligen Material ist das nichts für den Massenmarkt, aber darüber muss man sich mangels Präsenz in Läden und so weiter auch keine weiteren Gedanken machen. Wer aber drankommt, eine Gruppe zur Verfügung hat, die nicht vor absonderlichen Spielen zurückschreckt und was immerhin teilweise Innovatives ausprobieren möchte, sollte es ruhig mal ausprobieren, für den einen oder anderen Lacher ist es allemal gut. Und zum Thema sage ich nur, dass ich lieber mal einer schmutzigen Toilette begegne, als einem echten Werwolf…
Gesamteindruck: 6/10
Who Soiled The Toilet? (トイレを汚したのは誰だ?)
für 5 bis 8 unterschiedlich reinliche Leute
Autor und Illustrator: Katsuya Kitano (北野克哉)
Verlag: New Board Game Party (新ボードゲーム党), 2016 (vertrieben durch Japon Brand auf der SPIEL 2016)