Ich unterrichte im Hauptberuf Deutsch als Fremdsprache. Wenn neue Kurse beginnen und die Teilnehmer*innen noch kein Wort Deutsch können, geht es mit dem Lernen meist sehr schnell, weil fast alle schon eine europäische Sprache sprechen und sich viele Wörter über andere Sprachen herleiten können. Das macht den Start ziemlich einfach. Anders sieht es aus, wenn jemand noch gar keinen Kontakt mit einer dem Deutschen verwandten Sprache hatte. Dann muss ich mich als Lehrer ziemlich verrenken, um den Start gut hinzubekommen. So etwas Ähnliches simuliert das Spiel First Contact von Damir Khusnatdinov, das ich letztes Jahr in Essen erstanden habe und das uns seither eine Menge Spaß bereitet hat.
Worum geht’s?
Aliens landen im alten Ägypten und wollen nicht etwa die Weltherrschaft an sich reißen, sondern nur ein paar schöne Souvenirs von ihrer Reise mitbringen. Also wenden sie sich an die Einheimischen und erklären ihnen, was sie gern hätten. Die gastfreundlichen Menschen würden ihnen das auch alles gern mitgeben, nur leider gibt es da ein Problem: Niemand versteht die Sprache der Anderen. Aber mit ein bisschen gutem Willen geht das schon: Die Menschen versuchen einfach, die Symbolschrift der Aliens zu lernen und damit die Wünsche zu erfüllen.
Das Ganze funktioniert ungefähr so:
Auf der einen Seite des Tisches sitzen die Aliens mit einem gemeinsamen Sichtschirm, auf der anderen Seite die Menschen mit jeweils einem eigenen. In der Mitte des Tisches liegen 25 Gegenständekarten aus. Zuerst findet die Menschenrunde statt. Wer dran ist, dreht eine bis fünf Karten um 90 Grad. Die Aliens versuchen dann herauszufinden, welches der 25 Symbole ihrer Schrift diese Karten repräsentieren könnten. Das entsprechende Symbol schreiben sie dann auf eine Tafel und halten diese hoch. Die Menschen machen sich Notizen und hoffen, dass keine Seite das Ganze missverstanden hat. Wenn alle Menschen damit fertig sind, geht es mit der Alienrunde weiter. Die Aliens haben hinter ihrem Sichtschirm nämlich nicht nur eine Sprachtafel, sondern auch eine Codekarte, auf der vier Positionen rot, fünf blau und sechs grün markiert sind. Die Gegenstände, die auf der entsprechenden Position in der Gegenständematrix liegen, wollen sie haben (nahezu genauso wie bei Codenames, nur ohne Attentäter).
Zuerst ist der rote Alien dran und schreibt beliebig viele Symbole auf die Tafel und hält diese hoch. Die Menschen suchen nun simultan einen Gegenstand aus, von dem sie glauben, dass der Alien diesen haben möchte, und decken ihre Auswahl gleichzeitig auf. Wer richtig liegt, bekommt dann einen roten Chip vom Alien, der außerdem den enstprechenden Gegenstand in der Matrix markiert. Bietet man einen Gegenstand an, der auf der Codekarte in blau oder grün (oder gar nicht) markiert ist, passiert einfach gar nichts. Dann ist der blaue, schließlich auch der grüne Alien an der Reihe. Anschließend wieder die Menschen, und so weiter. Das Spiel endet, sobald ein Alien drei der gewünschten Gegenstände eingesammelt (also in der Matrix markiert) hat. Dieser Alien gewinnt. Unter den Menschen gewinnt, wer zu diesem Zeitpunkt die meisten Chips aller Farben gesammelt hat. Es gewinnen also mindestens zwei Spieler*innen (unter den Menschen sind Gleichstände möglich), ohne dass sie ein Team bilden würden.
Und? Macht das Spaß?
Die Verwandtschaft zu Codenames ist natürlich nicht zu verkennen. Man hat richtiggehend das Gefühl, dass der Autor Codenames geliebt hat, es aber gern etwas schräger und lustiger machen wollte. Das ist voll und ganz gelungen. Nicht nur das Gefühl, sich innerhalb kurzer Zeit immer besser verständigen zu können, ist befriedigend, sondern es kommen oft ziemlich lustige Missverständnisse heraus. Der Schwierigkeitsgrad ist nämlich ziemlich perfekt gewählt, wie ich finde. In einer normalen Partie versteht jeder Mensch ein oder zwei Sachen falsch oder ist sich über sie im Unklaren – gerade so viel, dass es nicht zu frustrierend wird, dass die Menschen aber trotzdem zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Nur eher selten kommt es vor, dass alle Menschen alle Gegenstände richtig identifizieren und damit im Gleichschritt vorangehen. Bei den Aliens hingegen beruht die Dynamik vor allem darauf, dasss die Taktik sich unterscheiden muss. Der rote Alien hat einen Startvorteil, den die anderen bei einem für Rot optimalem Spielverlauf nur dadurch zunichte machen können, dass sie in einer Runde mehrere verschiedene Gegenstände einsammeln, also Tipps geben, die auf mehrere gewünschte Gegenstände passen und darauf hoffen, dass die Menschen sich dabei nicht einig sind. Wenn ich als grüner Alien zum Beispiel „Essen“ und „groß“ anfordere, kann ich das Schwein bekommen, aber die Spielerin, von der ich weiß, dass sie Vegetarierin ist, denkt hoffentlich stattdessen an die Melone. So kann ich meinerseits Rot unter Druck setzen.
In jedem Fall kann ich mich aber drauf einstellen, dass es viele ratlose Blicke, ungläubiges Staunen und absurde Interpretationen gibt. Diese Mischung aus geschicktem Umgang mit dem Wissen und albernen Momenten ist klasse und macht einfach Spaß. Natürlich führt auch die Vorstellung, dass die Aliens gern sowohl ein paar getrocknete Kräuter als auch eine komplette Pyramide oder gar den Pharao höchstpersönlich in ihr Raumschiff laden möchten, gelegentlich zu Lachern.
Gibt’s auch was zu meckern? Ja, etwas ziemlich Ungewöhnliches. Die Schachtel ist einfach viel zu klein, um alles sinnvoll unterzubringen. Entweder schmeißt man das Insert weg oder findet sich damit ab, dass der Deckel nicht mehr richtig schließt. Dabei sind die Sichtschirme noch zu klein geraten, insbesondere der der Aliens wäre doppelt so groß viel praktischer.
Außerdem ist das Englisch nicht ganz frei von Fehlern, was aber eigentlich kaum ins Gewicht fällt. Und das wars dann auch schon. Mit First Contact bekommt man ein wunderbar schräges Spiel mit sehr großem Wiederspielreiz, das bei uns in fast allen Runden bestens ankommt. Nur wenn Spieler*innen sich auf das Konzept nicht recht einlassen wollen, was ich einmal erlebt habe, zieht sich das Ganze ziemlich in die Länge. Ansonsten liegt es aber allemal nahe, nach einer Partie gleich mal die Rollen zu tauschen und den Anderen zu beweisen, dass man das alles viel besser kann. In diesem Sinne ist eine gerade Spieler*innenzahl am besten (4 oder 6). Aber es funktioniert auch mit den anderen Besetzungen von 4 bis 7 Leuten gut. Für Partien zu zweit und dritt gibt es noch einen speziellen Regelsatz, aber das mag ich nicht recht ausprobieren, denn dann fehlt dem Alien der Wettstreit. Da greife ich dann doch lieber zu anderen Spielen.
Wer die Grundidee von Codenames toll findet, aber gern mehr Lacher und ungläubige Blicke und Albernheiten erleben möchte, sollte First Contact unbedingt mal ausprobieren. Wie man hört, sind Neuausgaben in Vorbereitung, sodass es hoffentlich bald auch ein bisschen leichter wird, an das Spiel heranzukommen. Wenn dann auch noch die wenigen Schwächen ausgebessert werden, hat First Contact das Zeug zu einem Dauerbrenner.
First Contact
für 2 bis 7 Leute (ideal 4 bis 6)
von Damir Khusnatdinov
Illustriert von Alexandra Sharyapova
Cosmodrome Games, 2018
Update: Ich habe soeben erfahren, dass First Contact zur Messe 2019 auch auf Deutsch erscheinen soll.
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Ich weiß nicht recht, warum die Farben auf meinen Fotos heute so seltsam aussehen. Die Farben sind im Original kräftiger.