Jedes Jahr erscheinen in Japan Hunderte von neuen Spielen – die meisten allerdings in sehr kleiner Auflage, sodass normalerweise bestenfalls eine Handvoll Exemplare außer Landes gelangen. Einige wenige Spiele werden außerhalb Japans bekannt, aber nur ein japanischer Verlag dürfte Spielefans, die sich nicht speziell mit der dortigen Spieleszene beschäftigen, durch seinen Stil aufgefallen sein, nämlich Oink Games, die mit ihren kompakten Schachteln und klaren Farben mittlerweile sehr bekannt geworden sind. Mit itten hat in meinen Augen nun ein zweiter Verlag das Potential dazu, einen solchen Status zu erreichen. Vor drei Jahren hatte er mit Tokyo Highway viel Aufsehen erregt, einem Spiel, das sich der Frage entzog, ob es nun mehr ein Taktik- oder mehr ein Geschicklichkeitsspiel sein sollte. Und so habe ich den Eindruck, dass itten immer wieder versucht, solche Grenzen zu überschreiten und mit schönem und ungewöhnlichen Spielmaterial besondere Spielerlebnisse zu ermöglichen. Eine Ausnahme bildet allenfalls das Legespiel Hatsuden. So war ich auch gleich interessiert, als ich gefragt wurde, ob ich in diesem Jahr für itten Regeln ins Deutsche übersetzen würde.
Eins der Spiele, das ich auf diese Weise bearbeiten soll, heißt Moon Base und ist wie alle itten-Spiele von Naotaka Shimamoto. Ich habe es bereits vom Verlag bekommen und ausprobieren können. Hier kommt meine Einschätzung dazu.
Worum geht’s?
Das Spielbrett zeigt den Mond, der von kleinen und großen Kratern überzogen ist. Diese Mondlandschaft bebauen wir mit Ringmodulen, Siedlungen und einem Forschungsturm. Zu Beginn des Spiels werden die 24 großen und 24 kleinen Ringe nach dem Zufallsprinzip zu je vier Stapeln à sechs Ringe aufgebaut. Die Ringe haben übrigens drei Farben, obwohl Moon Base ein Zweierspiel ist: Die blauen Ringe sind neutral, müssen aber ebenfalls verbaut werden.


Die Spieler*innen sind in den sechs Runden abwechselnd Startspieler*innen. Jede*r nimmt die beiden obersten großen Ringe von einem Stapel, dann die beiden obersten kleinen Ringe von einem Stapel. Abwechselnd platziert man die je vier genommenen Ringe nun auf dem Spielbrett, zunächst direkt auf den Kratern, später dann auf anderen Ringen, wobei einfache Regeln zur Anwendung kommen: Ein Ring muss auf genau zwei anderen Ringen auf der gleichen Ebene aufliegen, von denen mindestens einer die gleiche Farbe haben muss wie der neu gelegte. Allerdings kann man einen großen Ring auch auf zwei Ringe der beiden anderen Farben auflegen – dann wird der Forschungsturm hineingestellt und bleibt dort stehen, bis eine weitere dreifarbige Konstruktion entsteht.
Liegen am Ende einer Runde große Ringe der eigenen Farbe oben, legt man je eine Siedlung hinein, die am Ende 2 Punkte wert ist. Wer keine Siedlung platzieren kann, darf eine Ressourcenbasis in einen leeren Krater legen. Diese ist einen Trostpunkt wert und kann gelegentlich eine Baumöglichkeit blockieren. Nach sechs Runden, also 48 gelegten Ringen, gibt es noch Bonuspunkte: je zwei für die meisten zusammenhängenden Ringe und den höchsten Ring, und drei, wenn der Forschungsturm in einem Ring der eigenen Farbe steht. Wer dann die meisten Punkte hat, gewinnt.
Und? Macht das Spaß?
Moon Base ist im Herzen ein abstraktes Spiel, das aber dennoch dadurch ins Auge sticht, dass eine sehr greifbares Gebilde entsteht. Dieses ist spektakulär, es ist eine wahre Freude, nach den an und für sich einfachen Regeln weitere Ringe aufzutürmen und zu versuchen, dabei möglichst weit in die Höhe zu bauen und möglichst viele Ringe miteinander zu verbinden. Andererseits werden diejenigen, die abstrakte Spiele gewohnt sind, sich unter Umständen schwer tun. Moon Base entzieht sich einer mathematischen Analyse ein Stück weit, denn es ist zwar wichtig, ein bisschen vorausschauend zu planen, welche Ringe man wann nehmen kann oder sollte, aber das Stapeln selbst findet eben nicht auf festgelegten Plätzen statt, und damit sind die Kombinationsmöglichkeiten grundsätzlich unendlich zahlreich. Das fühlt sich toll an, kann aber meiner Erfahrung nach im späteren Verlauf des Spiels auch zu unnötigem Grübeln führen – wenn die Zahl der Möglichkeiten abnimmt, starrt man oft trotzdem gebannt auf das Spielfeld und fragt sich, ob man nicht doch noch was übersehen hat. Die verbleibenden Platzierungsmöglichkeiten für Ringe kann man eben erst ganz am Ende einer Partie einigermaßen einschätzen. Das wird zwar mit wachsender Spielerfahrung (etwas) einfacher, aber wenn man dann mit neuen Leuten spielt, kann es sich doch ein wenig hinziehen.

Nein, wirklich, das Auszählen geht schnell.
Noch etwas ist ungewöhnlich: Wenn man Ringe legt, und besonders, wenn man Siedlungen in die Ringe legt, wackelt oder verschiebt sich schon mal etwas, und das lässt sich auch nicht mehr wirklich rückgängig machen. Für das Spiel ist das eher irrelevant (ich habe nie beobachtet, dass etwas zusammengestürzt wäre, dafür sorgt eine Regel, nach der man die Ringe nicht zu knapp Rand auf Rand legen darf), aber es fühlt sich in einem abstrakten, vermeintlich berechenbaren Spiel irgendwie seltsam an, und ich habe ein paar Partien gebraucht, um es zu ignorieren.
Auch wenn nicht wirklich das Gefühl aufkommt, sich auf dem Mond zu befinden, ist die thematische Aufmachung originell und es macht Spaß, einen Moment innezuhalten und sich vorzustellen, wie man auf dem Mond gewagte Gebäude errichtet. Die Materialqualität ist, wie bei itten gewohnt, erstklassig. Einzig die grelle Farbe des Forschungsturms will nicht so recht zu den elegant-schlichten Ringen und Siedlungen passen.
Positiv aufgefallen ist mir ansonsten noch, dass unsere Partien meist leidlich knapp ausgegangen sind, auch wenn Neulinge mitgespielt haben. Das Gros der Punkte kommt nun mal aus den Siedlungen, und davon gibt es eben nur sechs (die man auch quasi nie alle platzieren kann). Wenn man mal keine legen kann, gibt es immerhin noch den Trostpunkt aus der Ressourcenbasis, die ansonsten nur als kleinere Blockade fungiert und das Spiel nur in wenigen Situationen wirklich beeinflusst. Aber sie sorgt eben dafür, dass am Ende niemand so ganz ohne Punkte dasteht. Und so fühlt es sich auch nicht nach einem Debakel an, wenn die Gegenpartei alle Bonuspunkte einkassieren kann und letztlich ungefährdet gewinnt. Das ist schön.
Letztlich lebt Moon Base davon, dass es gewohnte Konzepte durchbricht und damit zum Spielen und Erkunden einlädt. Man sollte aber abstrakten Spielen nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen. Inwieweit es das Zeug zu einem Dauerbrenner hat, muss jede*r selbst entscheiden. Ich jedenfalls freue mich auf ein paar weitere Partien.
Moon Base
für 2 Spieler*innen
von Naotaka Shimamoto
gestaltet von Yoshiaki Tomioka
itten, 2019
In Essen erhältlich für €26 am Stand von itten, 4-J120.
Stonehenge sieht auch interessant aus,aber ich finde es kompliziert,irgendwo einen Haken in die Decke zu machen.Das Spiel Moon Base werde ich kaufen.Danke für den Bericht.
Schön. Den Haken musst Du aber übrigens nicht in die Decke machen, den kann man auch an einer Lampe oder sowas aufhängen. Das ist schon ganz cool gelöst. Aber natürlich aufwendiger als Moon Base.
Weisßt Du,ob man Moon Base vorbestellen kann?Letztes Jahr konnte man das noch.
Von einer formalen Vorbestellungsmöglichkeit weiß ich nicht. Aber der Verlag antwortet auf Emails prompt, vielleicht kannst Du einfach nachfragen.
Danke für die prompte Antwort 🙂