Paleo: Auf der Jagd nach Mammuts (und nach den benötigten Regeln)

Komplexere Spiele kommen bei mir ja eher selten auf den Tisch. Das liegt einerseits an den Spielgruppen, mit denen ich normalerweise spiele, andererseits daran, dass sie mich meist nicht so lange fesseln können wie gute simple Spiele. Die Ablehnung ist aber eher keine prinzipielle, und so bin ich vor einer Weile tatsächlich mal in den Spieleladen meines Vertrauens gestiefelt und habe mir Paleo zugelegt, um es mit meiner am Thema interessierten Tochter zu spielen. Und ich habe das fast gar nicht bereut.

Paleo

Worum geht‘s?

Kooperativ führen wir eine steinzeitliche Menschengruppe. Wir gehen auf die Jagd, um Nahrung und Felle zu erlangen, sammeln Holz im Wald und Steine in den Bergen, und versuchen, aus den so eingesammelten Rohstoffen Werkzeuge und andere nützliche Dinge herzustellen.
Es gibt dabei sieben verschiedene Missionen mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad. Das Ziel ist zwar (fast) immer das Gleiche, wir müssen ein Mammut an eine Höhlenwand malen. Die Schwierigkeiten, die sich uns dabei in den Weg stellen, sind aber unterschiedlich. Einzelne Puzzleteile für unser Mammutbild bekommen wir nämlich nur in gefährlichen oder anderweitig besonderen Situationen. Dabei spielen wir eine Mission in der Regel über mehrere Tage hinweg. Jeweils nachts müssen wir die ganze Gruppe ernähren und meist auch gesammelte Rohstoffe abgeben. Haben wir nicht genügend oder stirbt jemand, bekommen wir Totenköpfe. Wenn wir fünf Totenköpfe gesammelt haben, bevor das Mammutpuzzle fertig ist, verlieren wir die Mission.

Paleo
Level geschafft! Ein komplettes Mammutpuzzle und nur zwei Totenköpfe. Unter den Totenköpfen wird links angezeigt, dass wir für jeden Menschen eine Nahrung abgeben müssen oder einen Totenkopf bekommen. Rechts davon steht noch mal das gleiche. Und ganz rechts erneut das gleiche, aber in blass. Was das bedeutet, habe ich nicht herausgefunden.

Die Zusammenarbeit läuft so ab, dass wir jeweils eine Karte von unserem persönlichen Stapel aufdecken und uns der darauf abgebildeten Herausforderung stellen. Kann jemand das nicht allein (was der Regelfall ist), können andere zu Hilfe eilen. Dann müssen sie ihre eigene Herausforderung allerdings abwerfen. Es lassen sich also nahezu nie alle Herausforderungen einer Runde lösen.
Das ist allerdings auch nicht so wild, denn in jeder Nacht werden die meisten abgeworfenen Karten wieder zusammengemischt und neu ausgeteilt.

Für den Aufbau muss man schon ein bisschen Zeit einplanen. Für jeden Level braucht man halt andere Kartensets, und auch der Kleinkram will aus seinen Tütchen gefischt werden.

Und? Macht das Spaß?

Paleo ist eine Serie von Herausforderungen, die uns ziemlich gepackt haben. Die meisten Missionen konnten wir im ersten oder höchstens zweiten Anlauf erfolgreich bestreiten. Bei einer haben wir gleich vier Anläufe gebraucht, und an der letzten (Schwierigkeitsgrad „tödlich“) haben wir uns bisher die Zähne ausgebissen (wir bleiben dran!). Wer mit allen Missionen fertig ist, kann sich selbst weitere erschaffen, denn jede Mission besteht aus zwei sogenannten Modulen, also Kartenpäckchen, die man nach Belieben auch anders kombinieren kann als von den Regeln vorgegeben. Das ist sehr clever ausgedacht, aber ob wir das machen werden, weiß ich nicht, vielleicht legen wir das Spiel nach dem Ende der „offiziellen“ Missionen auch weg, aber bis dahin haben wir in unseren (bisher) 15 Partien viele Stunden Spaß gehabt. Das jederzeit drohende Aussterben des Stammes hält einen einfach jederzeit in Atem.

Jedes Modul hat eigene Aufgaben, die man abends erfüllen muss. In der ersten müssen wir zum Beispiel nach dem Ernähren unseres Stammes noch drei Nahrung, ein Fell und ein Zelt übrig haben.

Sehr gut gefällt mir die Art, wie die Kooperation bei Paleo gelöst ist. Die Kartenrückseiten zeigen an, ob man in den Wald oder in die Berge oder ins Lager geht oder ob man sich auf die Jagd oder in Gefahr begibt. Gleichzeitig suchen sich alle eine ihrer obersten Karten nach der Rückseite aus und decken sie auf. Wenn ich dann freudig feststelle, dass ich heilende Wurzeln oder größere Holzvorräte entdeckt habe, kommt schon der Hilferuf meiner Tochter, die sich leider auf der Jagd übernommen hat und allein in Gefahr ist. Entscheide ich, meine eigene Karte zu ignorieren und ihr zu helfen, können wir ihr stattliches Mammut zwar erlegen, aber dafür fehlt uns das Holz von meiner Karte. Immerhin gehen wir mit ordentlich Nahrung nach Hause. Dieses Gefühl, dass unsere jeweils unterschiedlichen Stärken auch unterschiedlich zum Tragen kommen, ist für mich ein Qualitätsmerkmal eines kooperativen Spiels. Der Stamm kann jedenfalls nur überleben, wenn alle zusammenarbeiten. Aber irgendwas fehlt halt immer, und so ist man mit einer ständigen (und realistisch wirkenden) Mängelverwaltung konfrontiert.

Meine Gruppe innerhalb unseres Stammes. Ich glänze in Wahrnehmung, kann aber sonst nix.

Wer ein paar Partien hinter sich hat, kommt natürlich mit dem wachsenenden Schwierigkeitsgrad auch immer besser zurecht. Dabei sollte man vermeiden, sich die Karten der aktuellen Module vorab anzugucken – man ist dann ebenso von den Begegnungen überrascht wie der eigene Stamm. Das ist eine schöne Idee, die auch leidlich gelungen umgesetzt ist, allerdings hat das leider auch in die Regeln Einzug gehalten. Diese halte ich für ziemlich missraten (ich war bass erstaunt, als ich hörte, dass es bereits die überarbeitete Version noch schlechterer Regeln ist). Es findet sich nämlich nirgendwo eine Übersicht mit Erklärungen über alle Symbole, und es erschließt sich mir ohnehin überhaupt nicht, wo ich eine bestimmte Information finden kann. Das führt dann leider zu einer elenden Blätterei, und einige Sachen haben wir auch schlicht übersehen, weil sie so gut versteckt sind. Klar, wer Paleo öfter spielt (und das bietet sich an), muss dann nicht mehr ganz so oft blättern, aber ich habe selten bei einem Spiel so viel länger für die erste Partie gebraucht als für folgenden wie bei Paleo. Wer den recht aufwendigen Aufbau hinter sich hat und irgendwann weiß, wie es geht, wird dann allerdings mit einem flüssigen und manchmal richtiggehend schnellen Spiel belohnt. Wer etwas in den Regeln nachschlagen möchte, kann die werten Mitspielenden dagegen zwischendurch mal in die Kaffeepause schicken. Und auch wenn man die gewünschte Erklärung gefunden hat, ist diese nicht unbedingt vollständig. Hier hat Paleo leider eine Chance vergeben.

Trotzdem stürzen wir uns hoffentlich bald wieder ins Abenteuer. Ob die Regeln bei der Nominierung zum Kennerspiel des Jahre im Weg sein könnten, wage ich nicht zu beurteilen, zumal ich die potentiellen Konkurrenzspiele erwartungsgemäß nicht gespielt habe. Ich selbst wäre mit einer solchen Nominierung aber sehr einverstanden. Paleo ist nämlich atmosphärisch gut gemacht und bezieht alle Spielenden ständig in das intensive Spielerlebnis mit ein.

Im Laufe des Spiels kann unser Stamm neue Werkzeuge erfinden. Zu Beginn stehen nur Fackeln, Faustkeile und Speere zur Verfügung.

Paleo

für 2 bis 4 Personen ab 10 Jahren (läuft prima mit meiner Elfjährigen)
von Peter Rustemeyer
Illustrationen von Dominik Mayer
Hans im Glück, 2020

Hinweis: Meine Meinung zu Paleo stützt sich pandemiebedingt ausschließlich auf das Spiel zu zweit.
Und noch ein Hinweis: Die Spielkarten zeigen Menschen mit heller Haut. Das ist für einen großen Teil der Zeit, in der das Spiel angesiedelt ist, nicht authentisch. Näheres zu dieser Diskussion findet Ihr hier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert