Neue Spiele aus Lateinamerika, Teil 5/2021

Brasilien

Ziemlich viel Aufmerksamkeit hat die Ankündigung von Jogos da Estrela ausgelöst, eine Premium-Spielereihe ins Programm aufzunehmen. Dazu muss man wissen, dass Estrela einer der ganz großen Spielzeughersteller in Brasilien ist, der aber im Spielesektor bisher nur durch absolute Massenmarktspiele wie Cluedo oder Monopoly aufgefallen ist. Diese sind dafür aber auch außerhalb spezialisierter Spieleläden zu finden. Mit der Premiumreihe sollen jetzt zunächst drei Autorenspiele verlegt werden. Die Startauflage von 5000 Stück ist für brasilianische Verhältnisse ziemlich beeindruckend, und man darf gespannt sein, ob das Konzept aufgeht, modernere Spiele in den Massenmarkt hineinzuschleusen; das wäre sicherlich ein gehöriger Fortschritt.

Die ersten drei Spiele der Serie sind Herdeiros do Khan von Lucas Ribeiro und Rodrigo Rego, Totemonstros von Daniel Martins und Leandro Pinto sowie Rasher von Alexander Francisco. In Herdeiros do Khan (Erben des Khan) streitet man sich um die Herrschaft über das mongolische Reich in der Nachfolge Dschingis Khans. Dazu marschiert man durch Asien, plündert Städte aus und schickt die Beute an einflussreiche Personen in der Mongolei, um sich deren Stimme zu sichern.

Im Würfel-Schnippsspiel ToteMonstros treten verschiedene Monster in einer Arena gegeneinander an, wobei man Würfel zu Türmen aufstapelt, denn von diesen Türmen aus kann man Würfel auf andere Monster schnippen, um ihnen Schaden hinzuzufügen oder sie aus der Arena zu schubsen, wobei man nur angreifen kann, wenn man selbst auf dem höheren Turm steht.

Rasher ist ein Autorennen, bei dem man mangelnde Motorenleistung mit unfairen Mitteln wie Raketenwerfern, Sägen und so weiter ausgleicht. Insgesamt startet die Reihe also mit eher martialischen Titeln, aber angesichts der blühenden und vielfältigen Autor:innenszene in Brasilien kann ich mir bei einem Erfolg gut vorstellen, dass das auch thematisch noch ausgeweitet wird.

Chile

Ich hatte hier schon mal Tough Calls: Dystopia von Diego Burgos und Margarita Pino gelobt, das ich in Essen 2019 als Prototypen genießen durfte und das damals zu meinen Messehöhepunkten gehört hatte. Nun ist es veröffentlicht, und zu meiner Freude gibt es neben der spanischsprachigen Ausgabe auch eine kleine Anzahl englischer Exemplare, um das Spiel auch internationalen Verlagen schmackhaft zu machen. Zu meiner noch größeren Freude habe ich eins dieser Exemplare vom Verlag Fractal Juegos zugeschickt bekommen. Mein Bedauern darüber, dass ich das gar nicht gespielt kriegen würde, weil ich im Moment fast nur Zweierspiele auf den Tisch kriege, war eher ein blödsinniger Reflex, denn natürlich ist ein Debattenspiel wie Tough Calls hervorragend für Videokonferenzen geeignet, und das haben wir dann auch gleich mal ausprobiert. Es ist einfach wunderbar. Aus einem Ausgangssituation (in unserem Fall: Wir haben uns in einem Hochsicherheitsgefängnis verschanzt, weil draußen die Zombie-Apokalypse tobt, und nun müssen wir unser Überleben sichern und uns überlegen, wie wir das in der Gesellschaft von lauter skrupellosen Schwerstkriminellen am besten hinkriegen) entwickelt sich durch ein paar Fragenkarten ein immer detaillierteres Szenario, denn reihum bringt man neue Aspekte in die Geschichte ein, die dann wiederum von allen aufgegriffen werden können.

Das Wertungssystem, das eigentlich über eine geheime Abstimmung läuft, haben wir online stark vereinfachen müssen, aber das war eigentlich auch völlig egal, denn das ist nicht nur verbesserungsfähig, sondern es geht wirklich ausschließlich um die Geschichte, die man gemeinsam entwickelt. Ich denke, beim nächsten Mal spielen wir das ganz ohne Wertung. Bleibt zu hoffen, dass Tough Calls einen deutschen Verlag findet, der sich auf ein wirklich ungewöhnliches Spiel einlassen möchte. Ich denke, ich werde dazu auch noch mal Ausführlicheres schreiben.

Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung durch die Rechte-Inhaber*innen.

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