Für die Auswertung des Gewinnspiels brauche ich noch einen Moment, dazu poste ich dann in den nächsten Tagen was. Um Euch die Wartezeit zu versüßen, kommt hier mal wieder ein Nachrichtenüberblick über neue Spiele aus Lateinamerika.
Argentinien
Aus Argentinien habe ich nur zwei kurze Meldungen.
Das vor ein paar Monaten schon angekündigte Spiel Clash of Armies: Medieval von Pablo Guevara ist mittlerweile auf Kickstarter. Neu ist vor allem, dass unmittelbar vor Start der Kampagne mit Taverna Ludica Games ein deutscher Verlag mit eingestiegen ist, der mit War for Chicken Island auch schon ein Spiel aus Mexiko in Arbeit hat, also ebenfalls einen Blick auf lateinamerikanische Spiele zu haben scheint. Clash of Armies ist ein Deckbauspiel für zwei Personen, in dem man mittelalterliche Armeen aufeinander hetzt.
Eine weitere internationale Zusammenarbeit gibt es für Quién quiere ser presidente von Nicolás Martínez Sáez (das hier schon mal Thema war) zu vermelden. Das soll nämlich 2021 in überarbeiteter Form bei Ludens Games in Mexiko erscheinen. Für deutsche Leser*innen ist so eine Meldung vielleicht nicht so direkt relevant, aber dass sich die lateinamerikanischen Märkte stärker untereinander vernetzen, halte ich allemal für eine sehr gute und erwähnenswerte Entwicklung.
Brasilien
Wenn man an Brasilien denkt, ist der Gedanke an Karneval sicherlich nicht weit. Und da nimmt es schon ein bisschen Wunder, dass es zu diesem Thema noch kein prominentes Spiel zu geben schien. Das ändert sich gerade, denn derzeit befindet sich das Spiel Carnavalesco des in Brasilien lebenden Kanadiers Ron Halliday im Crowdfunding auf Catarse. Ich hatte die Gelegenheit, es auf Tabletopia ausprobieren zu können, passenderweise just am 11.11. (ein Datum, das in Brasilien mit dem Karneval allerdings nichts zu tun zu haben scheint). Daher kann ich über dieses Spiel ein bisschen mehr erzählen als ich das sonst tue.
Carnavalesco ist ein Würfeldraftingspiel mit der imposanten Zahl von 150 Würfeln in sechs Farben. Davon werden jeweils 12 gezogen und gewürfelt, und man nimmt sich reihum jeweils zwei davon, die man auf seine Spieltafel legt. Auf dieser Tafel befinden sich neun Felder, die jeweils vier Würfel aufnehmen können. Die Felder entsprechen den 9 Kategorien, nach denen die Sambaschulen bei ihren Umzügen bewertet werden. Ebenso wie beim echten Karneval versucht man, in möglichst vielen Kategorien eine „perfekte 10“ zu erreichen. Dafür gibt es in jeder Kategorie eine andere Aufgabe, die man erfüllen muss. Interessanterweise ist es auch dann möglich, zehn Punkte in einer Kategorie zu erhalten, wenn man die Aufgabe nicht perfekt erfüllt. Daher liegen die Ergebnisse am Ende in der Regel bei allen Spieler*innen recht nahe an der Maximalzahl von 90 – bei Gleichstand entscheidet dann aber die Anzahl der perfekten Zehnen.
Ich habe am Mittwoch eine ganze Menge über den brasilianischen Karneval gelernt, zum Beispiel wie die Bewertung organisiert ist und dass es eine Art Ligensystem gibt, innerhalb dessen die Schulen auf- und absteigen können. Carnavalesco bildet in seinen Mechanismen viele dieser Details ab, und so kann man das Spiel auf zwei Weisen betrachten: Viele Deutsche dürften es als relativ abstraktes Würfeldraftingspiel erleben, das eine sehr geringe Einstiegshürde hat und bis zum Schluss spannend bleibt, weil man normalerweise nahe beieinander liegt. Wer aus Brasilien kommt und mit dem dortigen Karneval vertraut ist, wird das Spiel als wesentlich thematischer empfinden, denn die einzelnen Kategorien, die Bewertungen, Auf- und Abstieg und so weiter haben eben alle ihre Entsprechung im brasilianischen Karneval. Das Spiel kann dadurch eine Brücke schlagen, und ich könnte mir gut vorstellen, dass es auch unter europäischen Spielefans populär werden könnte. In Brasilien dürfte es dagegen auch eine Zielgruppe ansprechen, die sich bisher eher für den Karneval als für Brettspiele interessiert. Dazu trägt auch die Gestaltung von Gustavo Torqueto bei, die die auch im brasilianischen Karneval prominent vertretenen People of Color in den Mittelpunkt stellt. Carnavalesco erscheint im Verlag Precisamente.
Chile
In Emporous von Nicolás Martínez-Conde Schell schlüpfen die Spieler*innen in die Rolle von Gesandten, die eine Insel vertreten und in den Rat des Archipels aufrücken möchten. Jede Insel produziert einen anderen Rohstoff, und man fährt nun von seiner Insel zur Hauptstadt, um seine Rohstoffe zu versilbern und Kunstwerke zu erschaffen, die einem am Ende Siegpunkte bringen. Neben einem Markt in der Tischmitte, in dem man Rohstoffe kaufen und verkaufen kann. Jede Insel füttert den Markt sozusagen mit einem Rohstoff, und je mehr Rohstoffe einer Sorte auf dem Markt liegen, desto billiger wird dieser Rohstoff, den sich nun auf dem Markt auch andere Spieler*innen kaufen können. Auch fast beliebige Tauschhändel sind zwischen den Spieler*innen möglich. Um Kunstwerke zu erschaffen und Aufträge zu erfüllen, braucht man natürlich auch Rohstoffe, die man selbst nicht produzieren kann. Der Rat vergibt außerdem ein Siegel, das einem viele Vorteile bringt. Dieses Siegel erhält man zum Beispiel durch Bestechung – sobald das allerdings jemand anders auch tut, ist man es schon wieder los.
Wer das Grundspiel, das sogenannte erste Kapitel, beherrscht, kann sich auf eine Variante einlassen, in der man auch Waren schmuggeln und geheime Aufträge erfüllen kann. Das Ratssiegel kann außerdem nicht mehr gekauft, sondern nur durch das Erfüllen von Aufträgen erlangt werden, und auch für den Handel zwischen den Spieler*innen gibt es neue Möglichkeiten.
Emporous ist im Selbstverlag erschienen und von Rodrigo Manríquez Jara illustriert worden. Wer möchte, kann das Ganze auf Tabletopia ausprobieren. Zusätzlich gibt es übrigens auch noch ein Emporous: Roll and Sail, das Ihr hier kostenlos herunterladen könnt.
Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung durch die Rechte-Inhaber*innen.