Morde durch Stiche aufklären

Ich will jetzt nicht in den Verdacht geraten, dem flächendeckenden Einsatz von Überwachungskameras das Wort zu reden, aber es gibt so Orte, wo einem dadurch eine Menge Ärger erspart würde. So ein Ort ist das Crime Hotel von Susumu Kawasaki, das letztes Jahr in Essen bei Happy Baobab erschienen ist. In diesem Hotel verstecken sich nämlich in einer einzigen Nacht nacheinander gleich drei Mörder*innen!

Ich finde das Fragezeichen sehr gelungen.

Worum geht’s?

Der Spielplan zeigt ein Hotel mit drei Stockwerken, die jeweils 9 Zimmer haben. Für jedes Zimmer gibt es eine Karte. Eine davon wird verdeckt ausgelost, diese gilt es herauszufinden, denn dort hat sich ein*e Mörder*in versteckt. Man bekommt je sechs Karten auf die Hand, die restlichen Karten werden offen auf die entsprechenden Zimmer gelegt.

Das Spielfeld ist aus so einem edlen Seidenstoff. Sehr schick!

Nun beginnt ein Stichspiel. Jedes Stockwerk hat eine Farbe. Man muss die angespielte Stockwerkfarbe bedienen, solange man kann, ansonsten spielt man irgendetwas. Wer die höchste Karte gespielt hat, darf einen Verdacht äußern, wo sich der oder die Mörder*in versteckt; ebenso, wer die niedrigste Karte gespielt hat. Wer dazwischen liegt, darf Unterstützung anfordern und sich eine Spezialaktion aussuchen, die sofort oder später eingesetzt werden kann. Zu beachten ist, dass jeder Verdacht nur einmal ausgesprochen werden darf; man kann sich also nicht einfach an die Erkenntnisse anderer anhängen.

In den Räumen, in denen schon Licht brennt, versteckt sich sicher niemand mehr.

Wenn fünf Stiche gespielt wurden, erfolgt die Auflösung. Wer mit einem Verdacht richtig gelegen hat, bekommt Punkte: 2 für das richtige Stockwerk, 5 für die richtige Endziffer der Zimmernummer, 10 für das richtige Zimmer. Dazu kommen gegebenenfalls Bonuspunkte aus den Unterstützungsaktionen. Nun wird alles Material abgeräumt und der zweite Durchgang beginnt. Wer nach drei Durchgängen die meisten Punkte hat, gewinnt das Spiel.

Und? Macht das Spaß?

Zunächst mal ist Crime Hotel ein ziemlich faszinierendes Spiel. Bei Stichspielen ist es ja im Allgemeinen so, dass man im Spiel herauszufinden versucht, wer was auf der Hand hat, um daraus eine passende Strategie zu entwickeln. Aus diesem Aspekt des Stichspiels hat Autor Susumu Kawasaki eine schöne Geschichte gesponnen, die zusammen mit der tollen Ausstattung des Spiels einiges hermacht. Auch die taktischen Überlegungen sind interessant. In den ersten Stichen versucht man eher, im Mittelfeld zu landen, um sich Bonusaktionen zu sichern. Nachdem man die ersten Erkenntnisse gesammelt hat, muss man aber die höchste oder niedrigste Karte abspielen können, um überhaupt Tipps abgeben zu dürfen. Wie man sich denken kann, klappt das oft nicht so, wie man es gern hätte.

Fümf verschiedene Aktionen stehen zur Verfügung, wenn man in der Mittelposition gelandet ist und keinen Verdacht äußern darf.

Und an dieser Stelle kann leicht Frust ansetzen. Wenn man es in den letzten beiden Runden nicht schafft, Meeple einzusetzen, kann man leicht mit null Punkten aus der Runde gehen, während andere den dicken Reibach machen. Das wäre eigentlich nicht so tragisch, wenn das Spiel dann zu Ende wäre und man sich sagen könnte: Schwamm drüber, probieren wir’s noch mal! Allerdings ist das Spiel dann eben nicht zu Ende, sondern es wird ja über drei Runden gespielt, die völlig gleich ablaufen. In unseren Partien kam es mehrfach vor, dass mindestens eine*r nach zwei Runden keinerlei Chance mehr auf den Sieg hatte. Da ist es dann natürlich nicht besonders motivierend, noch einen dritten Kriminalfall durchzuspielen. Einmal haben wir uns dann nach zwei Runden darauf geeinigt, das Spiel zu beenden, obwohl noch nicht mal feststand, wer gewinnen würde. Das ist eigentlich kein so richtig gutes Zeichen. Ich habe das Gefühl, dass mit den zusätzlichen Runden eine Möglichkeit gegeben werden sollte, einen Rückstand aufzuholen, aber in meinen Augen war diese Entscheidung eher kontraproduktiv. Ich bevorzuge da kurze, knackige Spiele – und wenn ich dann mal eins auf die Fresse kriege, dann kann ich damit leben.

Das deutlich einfachere Vorgängerspiel, das 2016 unter dem Namen Trick of Spy und 2018 unter dem Namen Spy Tricks erschienen ist, hatte noch einen Aufholmechanismus. Ich habe das nie in den Händen gehabt, aber es macht mich neugierig, das mal auszuprobieren. Andererseits haben viele Leute im Netz die schlechte Materialqualität bemängelt. Im Gegensatz dazu ist Crime Hotel trotz der sehr kleinen Karten eine echte Augenweide, nicht nur wegen des wunderbaren Spielplans mit dem Mond als Rundenzähler, sondern auch durch sein schickes Schachteldesign.

Ich bin ein wenig hin- und hergerissen. Einerseits ist das Spiel sehr schön und ich mag auch das Spielgefühl ziemlich. Ich würde auch gern weitere Partien spielen wollen (lieber zu dritt als zu viert, weil dann mehr Chancen bestehen, einen Meeple zu setzen). Andererseits wirkt Crime Hotel mit seinen Wertungsoptionen etwas unfertig auf mich, und ich werde den Verdacht nicht los, dass man da mehr draus hätte machen können.

Crime Hotel
für 3 oder 4 Personen
von Susumu Kawasaki
Gestaltet von Christopher Matt und Ian Parovel
Happy Baobab, 2018

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