Mit Raketen auf Superhelden schießen

Bin ich ein Geek? Ich mache mir darüber eigentlich nicht so viele Gedanken. Wenn es um Brett- und Kartenspiele geht, dann sicher. Bei anderen Sachen stehe ich manchmal etwas unbeteiligt daneben – ich spiele höchst selten Spiele am Computer, habe nicht die geringste Ahnung über die Unterschiede zwischen Marvel und DC und habe nach dem Desaster mit den Star-Wars-Episoden I bis III keinen Antrieb gehabt, mir VII und VIII anzusehen. Von Dr. Who glaube ich nur zu wissen, dass es in einer Telefonzelle spielt, und dass man sich im Internet gern drüber streitet, wer da die besten Schauspieler waren. Und so weiter.

In Deutschland habe ich manchmal das Gefühl, dass all die verschiedenen Geekbereiche ziemlich getrennt voneinander sind. In der Presse wird zum Beispiel vor allem der Kontrast zwischen Computer- und Analogspielen hervorgehoben, viel seltener die Gemeinsamkeiten. Von anderen Geek-Themen mal ganz zu schweigen. In anderen Ländern mit kleineren Geek-Szenen ist das zum Teil anders, da finden wesentliche Cons statt, die verschiedene Geekthemen vereinen, und die Abgrenzungen scheinen weniger wichtig zu sein.

Bei den Ausmaßen, die wir von den Riesenveranstaltungen Spiel und GamesCom gewohnt sind, wäre das hierzulande aber wohl auch gar nicht mehr möglich. Die Messe in Essen ist jetzt schon viel zu groß, als dass ich mir in vier Tagen alles ernsthaft ansehen könnte (selbst wenn ich den Comicteil ausspare). Wenn ich mir jetzt vorstellen sollte, dass da auch noch andere Genres vertreten wären, wäre ich vollends überfordert (von der RPC in Köln habe ich erst kürzlich zum ersten Mal gehört, der ist aber kleiner. Vielleicht zeigt es auch einfach nur, dass ich nicht der größte Geek auf Erden bin).

In Argentinien hingegen gibt es die Community Geek Out!, die sich einfach mal mit allem beschäftigt, was Geeks so mögen. Das ist für mich ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber ich kann ja die Sachen ignorieren, die mich nicht so locken. In Essen habe ich ein kleines Spiel namens Geek Out! Masters bekommen*, ein Würfelspiel für Geeks. Es besteht aus zehn Würfeln, bei denen jede Seite für ein Geekthema steht. Es gibt einen Drachen für Fantasy, eine Rakete für Science Fiction, einen Meeple für Brettspiele, ein Herz für einen zusätzlichen Lebenspunkt in Computerspielen, einen Superhelden für Comics und die Zahl 42.

Geek Out! Masters

Um zu spielen, legt man Schachtel und Deckel offen vor sich. In den Schachtelboden legt man zunächst drei Würfel hinein, die sind zunächst inaktiv. Mit den anderen sieben würfelt man und versucht, möglichst oft die Zahl 42 zu erreichen. Jede der anderen Seiten hat eine Funktion im Spiel:
– Der Superheld dreht einen Würfel auf die Rückseite
– Die Rakete schießt einen Würfel ab (der kommt dann zu den inaktiven Würfeln)
– Mit dem Meeple kann man einen Würfel erneut würfeln
– Mit dem Herzen kann man einen inaktiven Würfel nehmen und zu den anderen dazuwürfeln
– Der Drache ruiniert alles – wenn ich am Ende meines Zuges noch einen Drachen liegen habe, mache ich in der kompletten Runde null Punkte.
Benutzte Würfel kommen in den Schachteldeckel. Wenn am Ende meines Zuges alle Würfel, die nicht die 42 zeigen, im Deckel liegen, darf ich die 42er beiseite legen und alle benutzten Würfel herausnehmen und erneut würfeln. Und so weiter, bis ich nicht mehr möchte. Dann bekomme ich für meine 42er Punkte – einen für einen Würfel, drei für zwei, sechs für drei und so weiter bis 55 für zehn.
Das Ganze spielt man über fünf Durchgänge. Wer dann am meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt. Es gibt noch ein paar Details, die ich hier der Übersicht halber ignoriere, aber Geek Out! Masters ist dennoch ein Spiel mit einfachen Regeln.

Und? Macht das Spaß?

Das Schöne an Würfelspielen ist, dass man nicht weiß, wie es ausgeht (ganz frei nach Sepp Herberger). Geek Out! Masters findet hier die richtige Mischung aus Taktik, Push Your Luck und simplem Glück (hey, es ist ein Würfelspiel – wenn man immer nur Drachen würfelt, hilft die schönste Strategie nichts). Entscheidend ist, dass man die Fähigkeiten der Würfel in der richtigen Reihenfolge einsetzt, um entweder das Risiko zu minimieren oder in einem Husarenstreich die letzten Punkte herauszukitzeln. Da jede zusätzliche 42 ja immer mehr Punkte gibt, ist die Versuchung da dann schon ziemlich hoch. Man kann auf die Raketen setzen, die störende Würfel abschießen können, das ist sicher, aber dann ist halt der Raketenwürfel verbraucht und der abgeschossene inaktiv. Oder man kann riskieren, mit dem Meeple einen Würfel neu zu würfeln, mit komplett unsicherem Ausgang. Eine besondere Rolle kommt den Herzen zu, mit denen man inaktive Würfel wieder aktiviert. Das sollte man einerseits oft machen, denn damit bekommt man eben viele Würfel auf den Tisch. Andererseits sind die Herzen auf der Rückseite der 42, und die Versuchung ist groß, sie einfach mit einem Superhelden umzudrehen und in die Wertung einzubringen. Und so weiter. Diese Abwägungen machen mir Spaß, obwohl ich eigentlich ja nicht der ganz große Würfelspieler bin.

Andererseits ist die Zahl der Spieler/innen zwar offiziell 1-4, aber da die Länge einer Runde im Prinzip unbegrenzt ist (solange man noch Würfel im Deckel hat, kann man ja immer noch weitermachen, wenngleich das nicht immer sinnvoll ist), können die Wartezeiten sehr erheblich sein. Eine Interaktion irgendeiner Art gibt es auch nicht, das Spiel ist ein reines Solitärspiel, bei dem man seine Ergebnisse vergleichen kann. Da Interaktion für mich beim Spielen enorm wichtig ist, fehlt mir hier etwas. Eine klare Empfehlung kann ich für den Einsatz als Solitärspiel geben, auch zu zweit klappt es noch gut. Mit mehr Leuten ist es für mich nicht erste Wahl (zu viert würde ich es eigentlich gar nicht mehr spielen wollen). Die Produktionsqualität der Würfel und der Schachtel ist aus hiesiger Sicht vielleicht nicht überragend, und die Gestaltung ist Geschmackssache, aber wer sich dessen bewusst ist, findet hier ein schönes Solitärspiel für Geeks, und dann bin ich vielleicht doch wieder einer…

Geek Out! Masters
für 1-4 (besser: 1-2) Geeks
von Matías Saravia
Illustrationen von Gabriel Pintueles
El Dragón Azul, 2017

P.S.: Obwohl ich auch nicht so der Weihnachtsgeek bin, nehme ich mir jetzt erstmal eine kleine Auszeit. Ich melde mich voraussichtlich im Januar wieder. Bis dann!

* Das Spiel wurde mir freundlicherweise von El Dragón Azul zur Verfügung gestellt. 


Update, am späteren Abend: Soeben habe ich festgestellt, dass in der spanischen Anleitung noch interaktivere sowie eine kooperative Variante enthalten sind, die in der englischen Regelübersetzung fehlen (ich kann zwar langsam Spanisch lesen, aber wenn ich englische Regeln habe, gucke ich meistens doch nur in die). Das wertet das Spiel vermutlich noch weiter auf, aber die muss ich halt erst selbst noch ausprobieren.

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