Heute kommt noch mal ein längeres Elaborat von mir, mit so gut wie allem, was ich aus Asien oder Lateinamerika noch so gefunden habe. Es war viel mehr Arbeit als ursprünglich geplant und ich bin ziemlich platt, aber es war auch jetzt schon eine tolle Reise. Ob ich das nächstes Jahr noch mal in dieser Form durchhalte, muss ich mal sehen. Vielleicht sollte ich einfach schon im Juli anfangen… aber genug gelabert, hier kommt der Rest:
TAIWAN
Es ist ja nicht so, dass Taiwan die asiatische Präsenz in Essen nicht ohnehin schon ziemlich dominieren würde, aber es tröpfeln immer noch weitere Nachmeldungen herein. EmperorS4, deren Angebot ich hier vorgestellt hatte, hat noch Geometric Art (€28) von Romain Caterdjian, Hsu Wun Hao und Eros Lin nachgereicht. Das ist ein Malspiel, in dem man kaum Zeichentalent braucht, denn welche Formen man benutzen darf, wirf von Würfeln vorgegeben, auf deren Seiten geometrische Formen abgebildet sind. Aus diesen versucht man dann, ein Bild zu erschaffen, das jemand anders erraten soll. Errät er oder sie es allerdings falsch, verlieren beide Punkte.
Am Stand von TBD (5C-122, siehe hier) hat sich auch noch einiges getan, da sind noch 3 Spiele dazugekommen. Einmal ein Spiel von Tonia Tsai für Kinder ab 4, das den herrlichen Titel Banana Man Goes to Work trägt (€10). Auf Karten sind bananenähnliche Leute abgebildet, die in verschiedenen Berufen arbeiten, dazu gibt es Karten mit den Gegenständen, die sie für diese Berufe benötigen. Da heißt es, schnell Zusammenhänge zu erkennen und auf die richtigen Karten draufzuhauen. Der Verlag heißt Organics Based on Ideas.
Für die älteren Semester unter uns hat TBD auch noch zwei Neuheiten von Blue Magpie Games im Angebot. Nachdem Yu Wangs Majolica letztes Jahr sehr gut angenommen worden war, setzen sie jetzt mit Majolica Painting (€22) noch einen drauf. Während es in der ersten Folge um das Sammeln einer bestimmten Art von Kacheln ging, muss man diese nun bemalen. Dazu hat man Bögen, auf denen man mit Stiften Muster zu füllen versucht, wobei es Sonderpunkte für verbundene Felder in der gleichen Farbe gibt. Welche Farben man benutzen darf, wird durch das Aufdecken von Karten entschieden.
Außerdem hat Blue Magpie noch T-Rex’s Holiday (€ 18, auch von Yu Wang) im Gepäck, ein Roll-and-Write-Spiel. Der Tyrannosaurus ist in diesem Fall eine schnuckelige Katze, die mit ihren Freund*innen eine Wohnung durcheinanderbringt. Es gibt in jeder Runde zwei öffentliche und einen verdeckten Wurf, den man nur nach bestimmten Regeln eintragen darf und den der oder die aktive Spieler*in vor allen anderen angucken darf. Wichtig sind Kekse, die man für bestimmte Eintragungen bekommt und die man nutzen kann, um unliebsame Würfelergebnisse zu löschen. Wie in vielen anderen Roll-and-Write-Spielen gibt es eine Menge Wege, dabei Punkte zu sammeln.
Aus THAILAND gibt es offenbar dieses Jahr keinen Stand, wobei eine Gruppe von Autor*innen (Board Game Designer Thailand) im Prototypenbereich etwas ausstellen will. Genaueres über Standnummern oder präsentierte Spiele weiß ich allerdings noch nicht. Die Stände aus CHINA sind in ihrer überwiegenden Mehrzahl nicht von Verlagen, sondern von Hersteller*innen. Yoka Games ist der einzige Verlag, den ich finden konnte. Ich werde jetzt gleich vergessen, dessen Standnummer hier hinzuschreiben, denn Yoka Games ist bekannt für San Guo Sha, das nach meinem Kenntnisstand ein (wenn auch gut gemachtes) Plagiat von Bang! ist. Sowas muss ich nicht unbedingt unterstützen. Achtung: Es gibt einen luxemburgischen Verlag namens Yoka by Tsume, der ebenfalls auf der Messe vertreten sein wird und mit dem chinesischen Verlag meines Wissens nichts zu tun hat.
Ja, und was ist mit Lateinamerika? Ich habe jetzt hier wohl über hundert asiatische Spiele vorgestellt, und eigentlich ist ja Lateinamerika mein Spezialgebiet. Aber leider ist Lateinamerika auch nach wie vor sehr wenig vertreten, und manches habe ich erst auf den letzten Drücker herausgefunden. Im SPIEL-GUIDE steht nur ein Verlag, nämlich Learning & Fun aus CHILE an Stand 5L-122, der MiniCity und MiniCity Postmen (je €30, beide von Paulina Gacitúa und Paulina Mujica) vorstellt. MiniCity ist ein Spiel zum Englischlernen, bei dem die Spieler*innen durch eine Stadt laufen, in Monopoly-ähnlicher Weise Dinge kaufen, um dann damit Geld zu verdienen, und sich außderm in sozialen Netzwerken vergnügen. Da man das Ganze auf Englisch spielt und dazu bestimmte Interaktionen erforderlich sind, soll man durch das Spiel lernen, alltägliche Dialoge auf Englisch zu beherrschen. In MiniCity Postmen übernehmen die Spieler*innen die Rolle von Briefträger*innen, die ihren Weg durch die Stadt finden müssen, um ihre Briefe auszutragen. Im Mittelpunkt stehen dabei Dialoge über Orte, Routen und Orientierung in der Stadt.
Angekündigt hat sich ansonsten Bureau de Juegos aus ARGENTINIEN, die mit der Übernahme von Redbox aus Brasilien zum multinationalen Unternehmen geworden sind und nun auch in Spanien Fuß gefasst haben, denn sie sind an einem spanischen Stand zu finden (4F-111). Wie schon im Vorjahr (damals noch unter dem Redbox-Label) werden sie Tsukiji von Leandro Pires dabei haben (siehe meine Rezension hier), außerdem Prototypen von Cangaço von Sanderson Virgolino (das gab es ebenfalls schon im Vorjahr zu sehen), von dem hübschen Papertown von Rodrigo Rego sowie von dp6 von Nordan Manz. In letzterem befinden sich die Spieler*innen in einer Unterwasserstation, in der plötzlich etwas unbeschreiblich Böses auftaucht. Gern würde man sich jetzt an die Oberfläche retten, wo aber dummerweise gerade der Dritte Weltkrieg ausgebrochen ist. Alle drei Spiele sollen 2020 erscheinen (und sind wie Tsukiji sämtlich von brasilianischen Autoren). Ich bin gespannt und hoffe, dass künftig auch die argentinische Seite nicht zu kurz kommt.
Schon älter ist die Ankündigung einer Essen-Präsenz von Conclave Editora aus BRASILIEN, aber da war zuletzt Funkstille, sodass ich mir nicht völlig sicher bin, ob sie wirklich kommen oder gar, was sie dabei haben werden.
Das ist alles, was dieses Jahr aus Lateinamerika kommt – ich träume ja davon, dass die Verlage aus Lateinamerika auch eines Tages so ein Gemeinschaftsprojekt aufziehen wie es in Taiwan, Korea, Japan, Indonesien und nächstes Jahr vielleicht auch Malaysia geschieht. Immerhin sind viele Autor*innen und Verlagsleute als Gäste anwesend, sodass ich eine Menge Gelegenheit haben werde, interessante Menschen zu treffen.
Am Schluss muss ich aber leider doch noch mal nach Asien zurückkehren, nämlich in den IRAN. Wenn wenige Minuten nach Toresschluss der diesjährigen Messe wieder die typischen Artikel wie „Was waren Eure Highlights auf der Messe?“ in den sozialen Medien auftauchen, werde ich kurz mit der Schulter zucken und sagen: „Wie soll ich das jetzt schon wissen? Fragt doch bitte in einem halben Jahr noch mal wieder nach.“ Sollte ich allerdings die Frage bekommen, was meine größte Enttäuschung der diesjährigen Messe war, dann werde ich die Frage schnell beantworten können, denn das steht jetzt schon fest. Es ist die deutsche Botschaft in Teheran, die mit einer Ausnahme sämtliche Visumsanträge der iranischen Verleger*innen abgelehnt hat. Einzig Ashkan Javaheri von Dorehami Games scheint sicher dabei zu sein, von Hoopa Games habe ich noch nichts gehört, denn deren Visumsantrag geht durch ein anderes europäisches Land, weil die Reise offenbar nicht nur nach Essen führt. Reality Game muss ebenso zu Hause bleiben wie Bahamzi und Fekrkade Complex, die sich einen weiteren Stand (5M-117) teilen wollten sowie Roomiz Games, die meiner Information zufolge als Gäste da gewesen wären. Es ist eine Tragödie, dass die aufblühende Spielkultur in Iran, wo es mitterweile mengenweise tolle Spielecafés gibt, wie ich höre, so sinnlos daran gehindert wird, sich mit dem Ausland zu vernetzen. Das ist der zweite harte Schlag, nachdem es ja nicht gelungen war, eine deutsche Spedition zu finden, die die Spiele aus dem Iran hier in Deutschland in Empfang nimmt. Allerdings haben die Verlage zugesichert, dass die Vorbestellungen erfüllt werden, denn einige Exemplare kriegen sie wohl doch nach Deutschland, und sie haben hier Freundinnen und Freunde, die ihnen helfen, die Stände zu besetzen.
Ich bin nicht der Einzige, der in den letzten Tagen an die deutsche Botschaft in Teheran geschrieben hat, um höflich um ein Überdenken der Entscheidung zu bitten. Eine ganz kleine Hoffnung habe ich natürlich bis zum Schluss, dass sich noch was bewegen lässt, aber die Tage verstreichen schnell. Die Internationalität der Messe in Essen gehört zu den Dingen, die mich am meisten an ihr faszinieren, und es macht mich einfach traurig, wenn die große Politik da einen Riegel vorschiebt. Wer auf Twitter ist, darf auch gerne das hier teilen.
Von Fekrkade habe ich dennoch ein paar weitere Bilder von Neuheiten bekommen. Neben Bazaar 1295, das ich bereits besitze (das aber eventuell noch mal überarbeitet wurde), sind noch zwei weitere Spiele geplant, nämlich Chef und Don (allesamt von Amin Nasri) Da belasse ich es einfach mal bei Bildern. Was es dann in Essen zu sehen gibt, gucke ich mir an. Über die Spiele von Dorehami Games und Reality Game hatte ich ja hier schon berichtet.
Und damit bin ich nun wirklich am Ende meiner Vorschau-Reihe. Am Sonntag gibt es noch mal einen kurzen Artikel, in dem ich Euch erzähle, was ich eigentlich selbst auf der Messe so machen werde, wo man mal ein schräges brasilianisches Spiel mit mir spielen kann und auch, wo man mich sonst antreffen kann. Diesen Artikel werde ich vielleicht nicht in den einschlägigen Facebookgruppen verlinken, da er doch eher persönlich ausfallen könnte. Wer den also lesen möchte, sollte direkt bei mir vorbeigucken (und was ich länger nicht gesagt habe: Über ein „Like“ für Du bist dran! freue ich mich auch). Bis dann!
Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung durch die Rechte-Inhaber*innen.