Eine Spielereise nach Chile, Teil 2

Teil 1 war hier.

Am Dienstag bin ich dann mein Tourismusprogramm angegangen und habe mich in meinen (von Deutschland aus gebuchten) Bus nach La Serena gesetzt. Diese Stadt liegt rund 450 Kilometer nördlich von Santiago an der Pazifikküste und der Bus von Santiago braucht so 6 bis 7 Stunden. Das ist aber nicht so wild, denn wenn man für einen geringen Aufpreis die gehobenere Kategorie im unteren Busteil bucht, ist es wirklich recht bequem.

Die Sitzlehnen lassen sich sehr weit zurückklappen. Ziemlich bequem.

Die Abfahrt war ein bisschen stressig, weil ich meine Fahrerin vom Flughafenshuttle gebeten hatte, mich zum Busterminal zu bringen (ich hatte Angst, dass die U-Bahnen zu Stoßzeiten sehr voll sein könnten). Die kam dann leider deutlich zu spät und musste ziemlich durch die Stadt rasen, damit ich unmittelbar vor Abfahrt meines Busses ankam (habe den zum Glück schnell gefunden – der Busbahnhof ist extrem unübersichtlich und befindet sich oberhalb eines Einkaufszentrums, durch das man sich erstmal durchmanövrieren muss). Vom Bus aus konnte ich dann aber, nachdem wir uns eine Stunde oder so aus der Stadt herausgeschält hatten, die Landschaft bewundern. Die Gegend nördlich von Santiago ist zumindest in dieser Jahreszeit sehr trocken, was ich halt gar nicht so kenne. Sehr schön, aber auch karg.

Busterminal in La Serena
Was diese Dame hier tut, habe ich leider nicht herausgefunden.

Mein AirBnB lag nicht sehr zentral, sondern zwischen La Serena und der Nachbarstadt Coquimbo, so 20 Minuten per Stadtbus entfernt. Theoretisch. Ich war nämlich erst mal ein bisschen durch die Stadt gezogen und wollte ans Meer, was auch wirklich schön war.

Das Wahrzeichen von La Serena: Der Leuchtturm
Der Leuchtturm ist eine Art Wahrzeichen von La Serena.
Sieht imposant und historisch aus – ist aber aus den Fünfzigern. Was die Kanone da soll, erschließt sich mir nicht.
Chile ist Erdbebengebiet und besteht zu einem sehr großen Anteil aus Küste. Die Evakuierungsrouten bei Tsunami-Warnungen sind gut ausgeschildert.

Von dort konnte ich das Hochhaus mit meiner Ferienwohnung im 24. und obersten Stockwerk auch schon erspähen. Nur leider gab es keine Busverbindungen, die am Strand langfuhren, und zurück zur Hauptstraße hätte ich weitere 20 Minuten laufen müssen. Das wollte ich nicht. Also bin ich dann doch ganz zu Fuß gelaufen (eine Stunde oder so), was bei zwar angenehmen Temperaturen, aber ziemlicher Sonneneinstrahlung vielleicht nicht die schlauste Idee war, zumal ein Teil der Strecke nicht asphaltiert und sehr staubig war. Aber ich wurde dann vom Ausblick aus meinem Schlafzimmerfenster reichhaltig belohnt (auch wenn es lauter war als vermutet).

Strand in La Serena
Meine Wohnung: Da ganz hinten irgendwo.
Von außen keine Perle.
Aber der Blick aus dem Schlafzimmerfenster entschädigt dafür!

Für den nächsten Abend hatte ich mir einen Ausflug zu einem nahegelegenen Observatorium gebucht. Das Elqui-Tal, das sich außerhalb von La Serena in die Berge zieht, hat nämlich angeblich den klarsten Sternenhimmel der Welt. Vorher hatte ich aber noch viel Zeit, also bin ich diesmal mit dem Bus in die Stadt gefahren. Originell war die fliegende Händlerin, die zwischendurch einstieg und zwei Rollen doppelseitiges Klebeband für rund einen Euro feilbot. Samt Demonstration an den Haltestangen des Busses. Ich hatte jetzt keinen gesteigerten Bedarf an doppelseitigem Klebeband, aber sie hat tatsächlich in dem Bus eine Menge verkauft.

Auf meinem Spaziergang durch die Stadt habe ich auch bei zwei Spieleläden Halt gemacht. Der erste (Palitroque Games) war leider unerwartet geschlossen, aber im Schaufenster stand eine Telefonnummer, also habe ich per WhatsApp nachgefragt und erfahren, dass der Inhaber an diesem Tag einen Stand in einer Mall besetzte (samt Wegbeschreibung). Im zweiten Laden (Flexo Games) habe ich wieder ein sehr nettes Gespräch mit dem Inhaber und einer Kundin gehabt. Mir wurde ein chilenisches Trading-Card-Spiel vorgestellt und wir unterhielten uns unter anderem auch über meine Reise und mein Spiel Plan Ferpecto (die chilenische Ausgabe von Mission Impractical). Dabei erwähnte der Inhaber, dass er auch einen Spieleautor kennen würde, nämlich Miguel Suárez. Den kannte ich aus dem Netz natürlich auch und hatte mich schon gefreut, ihn auf dem Kongress zu treffen. Aber als ich gerade am Stand von Palitroque Games in der Mall stand und mich unterhielt, kriegte ich eine Nachricht von Miguel, der mir mitteilte, dass er in La Serena wohnen würde und ob ich in der Stadt sei? Er könne in einer halben Stunde da sein. Wieder eine nette und diesmal völlig unerwartete Begegnung. Miguel ist ein im Moment ziemlich erfolgreicher Autor, von dem nicht nur in kurzer Abfolge mehrere Spiele in Chile erschienen sind, sondern der auch zu den wenigen lateinamerikanischen Autor:innen gehört, von denen ein Spiel zunächst in einem anderen lateinamerikanischen Land (Mexiko) erschienen ist. Dazu später vielleicht noch mehr, das habe ich nämlich kurz vor dem Ende meiner Reise noch spielen können.

Chilenische Sammelkartenspiele bei Flexo Games
Palitroque Games konnte ich zunächst nur durchs Schaufenster besuchen …
… später dann anderswo aber auch live.
Mit Miguel Suárez.
Ikea La Serena
Ikea La Serena
Streunende Hunde sind kein seltener Anblick in den Städten (dazu später noch mal mehr).

Abends wurde ich dann von einem Kleinbus zu meiner Sternentour abgeholt (zusammen mit sieben anderen Leuten). Wir fuhren das Elqui-Tal hinauf, was wirklich beeindruckend war. Eine grüne Oase zwischen all den völlig kargen Berghängen, und entsprechend für die Landwirtschaft der Region  von großer Bedeutung.

Das Observatorium Mamalluca liegt auf einem der Berge, dort wird keine Wissenschaft betrieben, sondern es ist nur für die Öffentlichkeit bestimmt (die Profi-Observatorien kann man teilweise auch besuchen, aber das ist offenbar aufwendiger). Wir kriegten eine Menge Erklärungen über den Nachthimmel, von denen ich zumindest einiges verstanden habe – aber spektakulär war er dann leider nicht, denn der zunehmende Mond erleuchtete die Gegend ziemlich stark und es waren nicht außergewöhnlich viele Sterne zu sehen. Ich hoffe, dass ich irgendwann in meinem Leben noch mal bei Neumond in eine wirklich dunkle Gegend komme.

Gegen Mitternacht war ich zurück in der Ferienwohnung, und früh am nächsten Morgen sollte es gleich mit meinem anderen Programmpunkt weitergehen – ich hatte schon länger davon geträumt, mal Wale beobachten zu können. In Taiwan hatte ich das vor gut 20 Jahren mal versucht, aber wir hatten nur Delfine entdeckt (auch schön, aber nicht das Gleiche). Mein eigener Tourveranstalter hatte mir kurzfristig mitgeteilt, dass seine eigene Tour nicht zustande kommen würde und er mich daher in eine Gruppe eines anderen Veranstalters umgebucht hätte. Das war mir grundsätzlich egal – nicht erwartet hatte ich allerdings, dass der andere Veranstalter fließend Englisch sprach und ein erheblicher Teil der anderen Mitreisenden aus Deutschland kam. Das wurde dann also der einzige Tag der Reise, an dem ich nicht weit überwiegend mit Spanisch durchkommen musste.

Was „fuera“ bedeutet, lässt sich wohl unschwer erraten.

Das Naturreservat der Humboldt-Pinguine auf der Insel Chañaral de Aceituno liegt noch mal rund 140 Kilometer nördlich von La Serena. Sebastián, unser Reiseleiter, hatte seine Firma erst kürzlich gegründet und sprühte vor Energie. Während der zweistündigen Hinfahrt war er quasi durchgehend am Erzählen, jeweils auf Englisch und auf Spanisch (für mich ein ziemlich gutes Training). Aber es war durchaus alles sehr interessant, wie ich fand. Die Fahrt führt durch beeindruckende Landschaft. Der kalte Humboldtstrom, der die chilenische Pazifikküste hinauffließt, sorgt für Feuchtigkeit, die aber nicht gut aufsteigen kann. So gibt es häufige Nebelbänke und ein interessantes System für gestaffelte Geschwindigkeitsbegrenzungen: Je weniger Dreiecke man vor sich sieht, desto langsamer darf man fahren.

Wenn man zwei Dreiecke sehen kann, soll man 60 fahren (siehe nächstes Bild).
Wir hatten freie Sicht und durften schneller fahren.
Das hätte auch anders ausgehen können – solche Nebelbänke in geringer Entfernung haben wir mehrfach gesehen.

Unterwegs ging es ziemlich weit in die Berge (aber immer nahe an der Küste entlang) und dann wieder runter. Diese Fahrt gehört auf jeden Fall schon zum Programm dazu, denn wir sahen nicht nur Landschaft, sondern zum Beispiel auch diese Gruppe Guanacos (Guanacos sind eine Kamelart). Die sind ziemlich scheu, daher die mäßige Qualität des Fotos aus dem Busfenster raus.

Caleta Chañaral

Im Küstendorf Caleta Chañaral angekommen, wurden wir mit Schwimmwesten ausgestattet und bestiegen ein vielleicht sieben Meter langes Boot. Nach dem Verlassen des natürlichen Hafens nahm dieses ein gehöriges Tempo auf, was in Verbindung mit dem nicht unerheblichen Wellengang ein ziemlicher Ritt wurde. Ich bin im Allgemeinen seefest, aber das harte Aufschlagen des Bootsbodens auf die Wellentäler war nichts für schwache Gemüter.

Sebastián von Akana Tours (rechts) weist uns auf die Regeln im Boot hin.

Unterwegs sahen wir ein paar Seevögel (die Pelikane fand ich besonders beeindruckend), während wir unsere Augen nach größeren Tieren offenhielten. Aber erst kurz vor der Insel stoppte die Besatzung den Motor und gab uns eine Verschnaufpause. Es dauerte auch gar nicht lange, bis die ersten Fontänen auftauchten. Wir manövrierten uns in gemächlichem Tempo näher ran, bis die gewaltigen Finnwale (die zweitgrößten nach den Blauwalen) wenige Meter neben dem Boot auftauchten. Das Prusten hätte ich nicht für so laut gehalten. Toll! Die Finnwale springen normalerweise nicht und strecken auch nicht ihre Schwanzflossen aus dem Wasser (nur einmal tauchte kurz eine auf), aber es war trotzdem unheimlich beeindruckend. Und es waren viele unterwegs! Ich weiß natürlich nicht, wie viele wir mehrfach gesehen haben, aber es gab Dutzende Begegnungen. Jede einzelne davon war wieder aufs Neue beeindruckend. Auch ein paar Delfine zeigten sich zwischendurch, aber nur kurz.

(Dieses Video hat Sebastián von Akana Tours aufgenommen, die ich gern weiterempfehle.)

Nach geraumer Zeit steuerten wir dann etwas näher auf die Insel zu, denn da gab es noch mehr zu entdecken. Wir sahen zwei Arten von Seelöwen, Seeotter, jede Menge verschiedene Seevögel (einen Albatros, Austernfischer, Tölpel, Kormorane, jede Menge Möwen und andere) und schließlich auch drei von den nicht so einfach zu erspähenden Humboldtpinguinen. Das Bild von zwei Pinguinen neben einem Kaktus in sehr trockener Landschaft räumt mit unseren Pinguinklischees ziemlich gründlich auf.

Schwer zu erkennen: Zwei Humboldt-Pinguine direkt oberhalb der Bildmitte (rechts neben dem Kaktus).

Besuch vom Albatros.

Diese Geier (kleinere Verwandte des Kondors) gibt es in der Gegend überall, die fliegen auch im Tiefflug über La Serena – vor meinem Fenster gab es eine Menge davon. 

Seelöwen nach Feierabend.
Drei Pelikane, die sich zu fragen scheinen, warum da so ein Depp den Finger vor die Linse hält.

Wir müssen ziemliches Glück gehabt haben, denn welche Tiere sich zeigen, ist natürlich nicht immer so ganz planbar. Bei uns tauchte das volle Programm auf. Auf dem Rückweg sahen wir dann auch noch verwilderte Esel, eine Reihe Füchse und weitere Guanacos. Es war auf jeden Fall ein unvergesslicher Tag und die lange Fahrt nach La Serena und zurück für sich schon absolut wert.

Esel wurden früher in Minen eingesetzt. Irgendwann kamen dann motorisierte Fahrzeuge auf, und die Esel machten sich in der Halbwüste breit.
Auch Füchse haben wir diverse gesehen. Sie sind weniger scheu und nähern sich den Menschen, wohl in der Hoffnung auf Futter. Aber sie finden in der kargen Landschaft  offenbar auch Nahrung.
Schatten wissen sie aber auch zu schätzen.
Wunder der Natur.

Tags drauf bin ich dann wieder nach Santiago zurückgefahren, denn von nun an standen viele Begegnungen mit Leuten aus der Spieleszene auf dem Programm. Ich hatte mir für die knappe Woche ein anderes AirBnB gebucht, bei zwei sehr netten Leuten in einer vergleichsweise ruhigen Straße, die trotzdem nur ein paar Minuten von der U-Bahn entfernt lag. Ich bin abends dort angekommen und habe noch ein bisschen an meinem Vortrag gefeilt, der ja nun langsam näher rückte.

Dieser Teil hatte weniger mit Spielen zu tun als die anderen – das ändert sich im dritten Teil.

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