Neue Spiele aus Lateinamerika, Teil 5/2020

Brasilien

Regelmäßige Leser*innen dieses Blogs kennen schon die brasilianische Crowdfunding-Plattform Catarse.me. Dort ist vor einigen Tagen eine Kampagne für Wagner Portos Spiel Paranauê gestartet. Dieses befasst sich mit dem Thema Capoeira. Capoeira ist eine Art Mischung aus Tanz und Kampfsport, die zum Zeitpunkt, in dem die Handlung des Spiels angesiedelt ist (Ende des 19. Jahrhunderts) verboten war. Die Spieler*innen leiten sogenannte Capoeira-Kreise (roda) und müssen sich neben dem Anheuern weiterer Mitglieder sowie dem Anfertigen von Instrumenten und Kleidung auch mit dem Vermitteln der dazugehörigen Werte befassen. Nur so können sie ihren Kreis zum erfolgreichsten Capoeira-Kreis des Untergrunds machen. Der Name Paranauê bezieht sich übrigens auf Sklav*innen, die vor Verfolgung über den Paraná-Fluss geflüchtet sind. Die Illustrationen von Paranauê stammen von Lucas Xisto und Autor Wagner Porto, und das Spiel wird bei Ludens Spirit erscheinen. Der Link zur Kampagne ist hier.

Kolumbien

Neu auf dem kolumbianischen Markt ist JuAna Games. Wie unschwer zu erraten war, setzt sich der Verlagsname aus den beiden Vornamen Juan und Ana zusammen. Der Verlag nennt allerdings keine Autor*innen auf der Schachtel (und auch nicht auf Nachfrage). In Deutschland würde das bei mir für Stirnrunzeln sorgen, aber da es sich um einen Familienbetrieb handelt, scheint da nichts Halbseidenes dabei zu sein. JuAna Games hat im Oktober mit gleich drei Spielen debütiert, und ein weiteres soll schon im April dazukommen.
Check funktioniert so ähnlich wie Stadt, Land, Fluss. Allerdings wird hier nicht ein Buchstabe, sondern eine Zahl zu einer Kategorie ausgewürfelt und dann schreibt man ganz schnell so viele Begriffe zu der Kategorie auf, wie die Würfelzahl angibt. Auch hier gilt, dass man für originelle Begriffe mehr Punkte bekommt als für solche, die alle aufgeschrieben haben.
Tumbilis erinnert mich dagegen an das Schokoladenwettessen, das wir hier früher auf Kindergeburtstagen gespielt haben. Man würfelt reihum, und wer den Bleistift erwürfelt, nimmt sich diesen und fängt an, ein Labyrinth zu zeichnen. Die anderen würfeln allerdings unterdessen weiter und können bei einem erneuten Bleistiftwurf den Bleistift an sich reißen und an ihrem eigenen Labyrinth weiterzeichnen. Um für Abwechslung zu sorgen, gibt es verschiedene Labyrinthe, und wer zuerst mit Zeichnen fertig ist, gewinnt natürlich.
Ein Salpicón ist ein kolumbianischer Fruchtcocktail. Das SalpicónSpiel zum Getränk ist ein Kartenspiel, in dem die Spieler*innen versuchen, möglichst schnell ihre Karten loszuwerden. Dazu werfen sie sie auf einen gemeinsamen Stapel in der Tischmitte, wobei sie darauf achten müssen, dass die Zahl auf der gespielten Karte um genau eins höher oder eins niedriger ist als die zuoberst liegende Karte. Alle spielen dabei gleichzeitig, sodass sich die Situation jeweils schnell ändern kann. Wer zuerst seine Karten los ist, gewinnt.
Alle Spiele von JuAna Games kommen in kleinen Schachteln daher und sollen so auch für Leute finanzierbar sein, die nicht viel Geld für Spiele übrig haben.

Mexiko

In Cleopatra Against the Gods von Rubén Rolón spielt man gleich zwei antike Gottheiten auf einmal. Jede Gottheit hat einen Kartenstapel, und man mischt seine beiden Stapel zusammen, um in jeder Partie Cleopatra Against the Godsneue Kombinationen zu erhalten. Mit den Karten kann man seine Würfel manipulieren, mit denen man wiederum die anderen Gottheiten bekämpft. Man zieht mit Minaturen durch das Hochland von Gizeh und versucht, andere in seine Schusslinie zu bekommen – leider sind hier und da die Pyramiden im Weg, die das Ganze etwas unübersichtlich machen. Der Verlag heißt Inefable Games und produziert werden soll das Ganze von Tecolote Games – an beiden Verlagen ist Rubén Rolón beteiligt. Die zum Teil stark sexualisierten Illustrationen sind Geschmackssache. Sie  stammen von einer ganzen Reihe von Leuten, die zähle ich hier jetzt nicht einzeln auf. Vor einigen Tagen ist eine Kickstarter-Kampagne für Cleopatra Against the Gods gestartet.

Am Wochenende war außerdem Mexikos größte Spieleveranstaltung, nämlich MEGA XP. Dort wurde auch ein Autor*innenwettbewerb durch Abstimmung entschieden. Drei Finalisten waren noch im Rennen:

Office workOffice Work stammt von Ángel Vásquez. Es ist ein kooperatives Hektikspiel, für das man allerhand schräge Materialien braucht, die man zum Teil aber im Haushalt findet: Tassen, Kartons, Zuckerzangen und so weiter. Eine Schlange namens Serpy hat in ihrem Büro Chaos angerichtet, und ihre Freund*innen kommen ihr nun zum Aufräumen zu Hilfe. Leider haben sie von Büroarbeit gar keine Ahnung, und es bleiben nur wenige Minuten, bis der Kaffee für das Meeting serviert werden muss. In jeder Runde bekommt jede*r die Aufgabe, die wichtigen Dokumente einer Farbe nach einem jeweils zugelosten Muster zu sortieren und auszurichten. Bei einigen Aufgaben muss man alle zehn Dokumente verwenden, bei anderen einige davon in den Mülleimer werfen. Wenn man fertig ist, legt man seine Aufgabe in die „Erledigt“-Kiste und füllt seine Kaffeetasse mit Kaffeebohnen und Würfelzucker, wobei es allerdings erstens nur zwei Zuckerzangen gibt und man gegebenenfalls auf andere warten (und diese antreiben) muss, und zweitens auf den Tisch gefallener Kaffee (den man aus einer Kanne in seine Tasse schütten muss) oder Zucker Minuspunkte einbringt. Wenn die vorgegebene Zeit abgelaufen ist, werden für perfekt erledigte Aufgaben Auszeichnungen verteilt und für Fehler welche abgezogen. Die Strafen für Fehler werden im Spielverlauf größer, und nur wenn die Gruppe am Ende mindestens noch eine Auszeichnung übrig hat, hat sie das Spiel gewonnen.

Der zweite Finalist mit dem schönen Namen Graveyard Builder stammt von Alex Colin, der neben Brettspielen auch Computerspiele entwickelt. Graveyard Builder ist ein Draft-and-Write-Spiel, in dem man in jeder Runde fünf Friedhofskarten draftet. Die Karten sind in zwei Hälften aufgeteilt. Auf der oberen Seite ist ein Element des Friedhofs abgebildet, zum Beispiel ein Grabstein, Blumen, eine Laterne oder sowas. Auf der unteren Seite ist ein Polyomino aus vier Quadraten abgebildet (so ein Ding wie bei Tetris). Die fünfte Karte, die man bekommt, gibt mit ihrem Polyomino vor, in welcher Anordnung man die vier Elemente der anderen Karten auf seinen Friedhofsplan einzeichnen muss. Passt das Polyomino nicht mehr auf den Plan, wählt man das Polyomino einer anderen seiner Karten, muss dafür aber ein Gespenst einzeichnen, das am Ende keine Punkte einbringt. Punkte gibt es, wenn bestimmte Elemente zueinandere benachbart oder nicht benachbart sind.

Wild LifeDie Gunst des Publikums hat am Ende Wild Life von Leo Córdoba und Mich Camacho gewonnen, ein Kartenspiel, bei dem man versucht, seine Auslage am besten gegen die Gefahren der Natur (und natürlich die anderen Spieler*innen) zu verteidigen. Die Auslage besteht aus verschiedenen Tieren und ein paar anderen Karten, wie Wetter- oder Jahreszeitenkarten. Man spielt immer drei seiner sechs Handkarten aus, entweder in sein eigenes Habitat oder als Angriffe auf die Auslagen der Anderen – zum Beispiel mit Jägerkarten, Feuersbrünsten und so weiter. Nach mehreren Lebenszyklen gewinnt, wer die blühendste Landschaft gebaut hat.

Dass sich bei allen Prototypen die Regeln und die Illustrationen noch ändern können, sollte sich von selbst verstehen.

Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung durch die Rechte-Inhaber*innen. 

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