Taiwan Boardgame Design (TBD)

Zum Abschluss meines spielerischen Reiseberichts erzähle ich Euch noch kurz was über Taiwan Boardgame Design (TBD), eine Art Dachorganisation kleinerer taiwanischer Verlage. Wer regelmäßig in Essen ist, kennt sicher ihren charakteristischen orangen Stand. Ihr Auftrag ist aber nicht nur, taiwanische Spiele im Ausland bekannt zu machen, sondern auch in Taiwan selbst. Ich hatte das Glück, in Taipei zu sein, als eine ihrer Spieleveranstaltungen stattfand, und bin mit meiner Tochter hingegangen.

Taiwan Boardgame Design

Taiwan Boardgame Design
Klein, aber fein: Das Weihnachtsspielen von TBD

Es waren ungefähr 35 Besucher*innen da und alles war einfach sehr charmant organisiert. Für ein moderates Eintrittsgeld gab es nicht nur Pizza und Freigetränke, sondern auch noch die Möglichkeit, sich etwas zu erspielen. Die Organisator*innen hatten nämlich für jedes Spiel winzige Aufkleberchen gedruckt, die man bekam, wenn man das entsprechende Spiel gespielt hatte. Mit diesen Aufkleberchen konnte man dann einen Teilnahmeschein bekleben und dafür Prämien bekommen. Es gab Felder für die größeren und die kleineren Spiele, und wer zwei kleinere und drei große Spiele gespielt hatte, konnte sogar ein kostenloses Spiel aus dem TBD-Programm bekommen. Wer mehr kleinere Spiele spielen wollte, kriegte immerhin einen Rabatt auf den Kauf eines Spiels. Da es jeden Monat TBD-Veranstaltungen gibt (wenn auch in anderem Rahmen), kann man auch über mehrere Monate hinweg seine Punkte sammeln. Ein schönes System, wie ich finde.

Taiwan Boardgame Design
Nachdem wir Colortopia gespielt hatten, haben wir unseren ersten Aufkleber bekommen (erste Reihe oben links). Die dunkleren Felder unten stehen für größere Spiele, und je weiter rechts die Spalte steht, desto attraktiver sind die Prämien. Wir hatten nicht genug Zeit für mehrere größere Spiele und haben lieber links geklebt.

Wir haben es immerhin geschafft, die erste Reihe vollzukriegen, überwiegend mit kleineren Spielen, die wir mit drei anderen Leuten zusammen gespielt haben. Das waren vor allem Reaktionsspiele verschiedener Art, die auch alle recht ansprechend waren, aber Reaktionsspiele sind grundsätzlich eher nicht so mein Ding (habe einfach schon zu viele davon gespielt). Apart war allerdings Crazy Adam von Poki Chen, dessen Wiederspielreiz unter anderem darin liegt, dass man abwischbare Karten mit Stiften verschönern kann, um sich individuelle Charaktere zu erschaffen. Wichtiger war mir aber noch die gute Atmosphäre, die die anderen Besucher*innen hoffentlich auch dazu bringt, wiederzukommen.

Taiwan Boardgame Design
Colortopia von Poki Chen. Man muss versuchen, die Farbenvorgaben mit seinen eigenen Karten möglichst schnell abzubilden.
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Crazy Adam, auch von Poki Chen – herrlich dadurch, dass man seine Karten selbst verschönern kann.
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Banana Man Goes to Work von Tonia Tsai. Ein Beobachtungsspiel, das viel schwieriger ist, als es aussieht. Ich bin mächtig abgeschmiert.
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My Life, ein Deckbauspiel von Smoox Chen. Das einzige größere Spiel, das wir angehen konnten. Leider reichte die Zeit nicht, um es fertig zu spielen.
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Eine Art Außenseiter war Chope! von Daryl Chow. Das kommt nämlich aus Singapur und nicht aus Taiwan. Aber Daryl Chow war auch in Essen schon am TBD-Stand vertreten.

Am nächsten Tag hatten wir dann noch die Gelegenheit, die Räume von Taiwan Boardgame Design zu besuchen. Das war ein kleines Highlight für uns. Auch diese Räumlichkeiten dürft Ihr Euch nicht zu riesig vorstellen. Bei TBD arbeiten drei Leute an zwei Tischen in einem Büro, ansonsten gibt es noch ein paar kleinere Räume, in denen vor allem Spiele lagern, nicht nur TBD-Spiele, sondern auch eine erkleckliche Sammlung mehr oder weniger exotischer Sachen. Eine wahre Fundgrube für jemanden wie mich.

Taiwan Boardgame Design
So sieht Taiwan Boardgame Design von innen aus.

Gründer Smoox Chen hatte seine Kinder mitgebracht, sodass auch unsere Kinder beschäftigt waren, und so ergab sich ein bisschen Spielraum, ein paar vor allem japanische Spiele auszuprobieren, unter anderem das wirklich ungewöhnliche Photome’s, bei dem man kooperativ eine Stadt so aufbaut, dass jede*r nachher von der eigenen Tischseite aus ein Foto mit bestimmten Motiven drauf machen kann. Sehr ungewöhnlich, aber eher eine schräge Idee als ein Spiel mit hohem Wiederspielwert. Immerhin habe ich jetzt endlich mal ein interessantes Spiel mit Cthulhu-Thema spielen können.

Taiwan Boardgame Design
Photome’s von Iori Tsukinami
Taiwan Boardgame Design
insect inc. von Masaki Suga, ein grafisch ungewöhnliches Spiel, bei dem man schnell Insekten erkennen muss.
Taiwan Boardgame Design
During Spring, Summer and Winter ist ein forderndes Deduktions- und Gedächtnisspiel von Hinata Origuchi. Würde ich jederzeit wieder spielen.

Dadurch kann ich von der alltäglichen Arbeit bei Taiwan Boardgame Design zwar nicht so sehr viel berichten, aber es war trotzdem toll, mal einen Blick in die heiligen Hallen werfen zu können. Dann sieht man den nächsten Essen-Stand mit ganz neuen Augen.

Und weil hier gerade noch Platz ist und ich noch eine Menge Fotos auf dem Smartphone habe, kommt hier noch eine kleine kommentierte Bildergalerie. Ich beginne mit ein paar spielrelevanten Dingen. Im Artikel über MOZI hatte ich ja schon deren Laden gezeigt. Hier kommen noch ein paar:

Die Zugkraft deutscher Verlage ist auch in Taiwan offenbar hoch. In diesem Laden in Taipei gibt es nicht nur HABA-Spiele, aber sie machen doch einen größeren Anteil des Sortiments aus.
Auch gängige europäische Bestseller sind problemlos zu bekommen.
Aber machen wir uns nichts vor: Auch die Standardkost ist reichlich vorhanden.

Noch was eher Trauriges, das auch Relevanz für die Spielewelt hat: In einem Schreibwarenladen sah ich unter anderem das hier:

Von der bekannten Bausteinfirma LEBQ. Kennt Ihr alle, oder? Sieht aus einem Meter Entfernung täuschend echt aus.

Dass man bei Bestellungen im Internet gelegentlich an dubiose Produktfälschungen gelangen kann, ist nichts Neues. Auch auf den Nachtmärkten in Taiwan hatte ich so etwas immer mal wieder gesehen, und in China natürlich sowieso (wobei meine Chinareisen Jahrzehnte her sind). Aber wenn solche dreisten Produkte auch in ganz normalen Läden verkauft werden, dann fällt der Kampf gegen die Produktpiraterie natürlich schwer. Es gibt aber eine ziemlich große taiwanische Facebookgruppe „War on BG Piracy“, die sich diesen Kampf auf die Fahnen geschrieben hat. Viel Erfolg!

Diese plumpe Fälschung der Bremer Stadtmusikanten dagegen habe ich als alter Bremer sofort durchschaut.

Hier kommen noch ein paar Fotos von taiwanischen Kaufhäusern.

Wenn ich ein neues Kaufhaus eröffnen will und das Kaufhaus auf der anderen Straßenseite schon ein Riesenrad auf dem Dach hat…
… dann muss ich natürlich zumindest eine Eislaufbahn in meins einbauen.
Oder ich siedle mich in der Nähe von Taipei 101 an, dem einst höchsten Wolkenkratzer der Welt. Da immer, wenn ich in Taipei bin, schlechtes Wetter ist, war ich noch nie oben.

In Taichung waren wir außerdem bei einem bekannten Laternenfest, das dort bereits im Vorfeld des chinesischen Neujahrs beginnt. Hier ein paar Eindrücke:

Einer der Eingänge
Das Fest fand in einem Park statt und gewann durch die beleuchteten Wolkenkratzer der Umgebung eine besondere Atmosphäre.
Nicht nur unsere Tochter …
… war nachvollziehbarerweise …
… ziemlich begeistert.
Als Deutscher zucke ich immer ein bisschen zusammen, wenn ich sowas sehe. Aber das Hakenkreuz ist andersrum als bei den Nazis, und dies ist ein schön gelegener buddhistischer Tempel im Süden Taiwans (nahe Pingtung), in dem wir sehr freundlich empfangen wurden.
Kennt noch jemand das Computerspiel „Ports of Call“? Das gab’s in meiner Jugend, und da musste man immer nach Kaohsiung fahren. Das ist auch heute noch einer der größten Häfen der Welt.
Deutschland so: Ihr nächster Zug kommt irgendwann demnächst. Oder morgen. Oder gar nicht. Taiwan so: In 45 Sekunden steht Ihre Bahn auf dem Gleis. Tut sie dann auch.

Das war’s dann mit meinem kleinen Reisebericht. Ich bin sehr froh dafür, dass ich noch mal Gelegenheit hatte, dieses tolle Land und seine lebendige  Spieleszene ein bisschen von innen zu erleben. Vielen Dank an alle, die dazu beigetragen haben!

3 Gedanken zu „Taiwan Boardgame Design (TBD)

    1. Ja, ich habe gesehen, dass die usprüngliche Version ganz anders war. Ich stecke in dieser ganzen Lovecraft-Thematik selber auch überhaupt nicht drin, daher hätte mir eine andere Version vielleicht auch noch besser gefallen. Aber interessant war es trotzdem.

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