Drei Tage im Oktober – die Messevorschau 2018 (Teil 5)

Ich hatte eigentlich wirklich nicht vorgehabt, meine Vorschau auf fünf Artikel ausdehnen zu müssen. Aber als die Ausstellerliste online ging, waren natürlich sämtliche Pläne wieder über den Haufen geworfen, denn da standen noch eine Menge asiatischer Verlage drin, die mir bisher nirgends über den Weg gelaufen waren.

Ich fange jetzt aber trotzdem mit einem Spiel aus Europa an, das mir wegen seiner frischen Thematik ins Auge gesprungen ist, und zwar mit First Contact von Damir Khusnatdinov. Da sind nämlich Aliens im alten Ägypten gelandet und wollen gern landestypische Souvenirs erwerben. Leider gibt es dabei ein Problem, nämlich das der Verständigung. Die Einheimischen sind durchaus hilfsbereit, aber unsicher, was diese fremden Götter gern haben wollen. Die Spieler*innen teilen sich auf die beiden Parteien auf. Nun lernt jede Partei die Hieroglyphen der anderen (die in jedem Spiel neu verteilt werden). Als Alien versucht man, zuerst drei begehrte Gegenstände zu erhalten, als Erdling versucht man, den Aliens möglichst viele passende Gegenstände zu geben. Am Ende gewinnt aus jedem Team ein*e Spieler*in. Das ganze hat einen kleinen Codenames-Touch und klingt wunderbar schräg. Das möchte ich mir gern mal in Aktion ansehen – und das mache ich bei Cosmodrome am Stand 4-G114.

Wie wäre es ansonsten zum Beispiel mit einem Besuch beim japanischen Verlag Group SNE an Stand 1-G131? Dort gibt es drei Spiele für jeweils €25 zu entdecken. Ziemlich heiß bin ich auf Proud Patissier von Kashio Tadahide, das schon bald nach den ersten begeisterten Reaktionen einiger verlässlicher Freunde auf meine Wunschliste gewandert war. Es ist eine Mischung aus Deckbau – und Auktionsspiel, bei dem wir uns in die Rolle von Konditor*innen am französischen Königshof versetzen. Da werde ich wohl nicht widerstehen können. Wer weniger süß sein möchte, kann vielleicht Hell Village von Shogo Kuroda ausprobieren, in dem der König der Unterwelt einen Nachfolger braucht. Dafür qualifiziert man sich natürlich nur, wenn man so richtig ordentlich böse ist. Ob das Boardgame of Death von Kotaro Kanda vielleicht noch böser ist, habe ich noch nicht herausgefunden, aber es klingt zumindest dem Namen nach schon mal so.

Bei Hobby Japan (4-D103) findet Ihr in diesem Jahr Master of Respect von Kentaro Yazawa. Hier übernehmen die Spieler*innen die Rolle von Kampfkunstmeister*innen in alter Zeit und müssen sich den Respekt der anderen verschaffen. Dazu bilden sie Schüler*innen aus, holen neue heran oder bilden sich selbst weiter. Alle Aktionen müssen vorausgeplant und dann nach und nach aufgedeckt und ausgeführt werden. Will jemand anders die Aktion ebenfalls durchführen, muss er oder sie einen Respektspunkt dafür bezahlen. So sammelt man im Idealfall nach und nach Respekt, um am Ende auf der Verehrungsskala ganz oben zu stehen. Master of Respect könnt Ihr in Essen für €25 käuflich erwerben.

Hoot Games aus Korea ist an Stand 5-G120 zu finden und bringt zwei kleinere Spiele mit, nämlich Courier und Surfer. In Courier von Jaeyoung Jeong, Seongjin Park und Jeongmin Song führen die Spieler*innen Kurierdienste und müssen die anderen Kurierdienste buchstäblich aus der Stadt schieben. Außerdem gibt es bei Hoot noch Surfer von Jaeyoung Jeong und Seongjin Park, bei dem ein paar süße Surf-Meeples sich in die Wellen wagen. Die Wellen werden wohl durch Würfel generiert, und man sehen, wie viel man sich zutraut. Da ich Push-Your-Luck-Spiele in der Regel mag, bin ich da recht neugierig drauf. Courier und Surfer werden laut Verlag auf der Messe zur Markteinführung gleich mal zum halben Preis (je €9 statt €18) angeboten. Insbesondere auf Surfer werde ich zu diesen Bedingungen einen genaueren Blick werfen wollen.

Ein ziemlich ungewöhnliches Spiel ist Who is Stronger von Po Yang Wu, das vom taiwanischen Verlag The Wonderful Island am Stand 5-D128 vorgestellt wird. Die Spieler*innen bekämpfen eine Invasion von zahlenmäßig weit überlegenen Aliens, um ihr Land zu retten. Dabei übernimmt man eine der verschiedenen Fraktionen – die einen wollen sich mit den einfallenden Aliens gut stellen, andere sie wirtschaftlich übertrumpfen und wieder andere sie bis aufs Letzte bekämpfen, aber letztlich wollen alle ihre eigenen Hauptquartiere schützen. Das Ganze ist eine kaum versteckte Anspielung auf die dauerhaften Kriegsdrohungen gegenüber Taiwan (auch Tibet, die Mongolei oder Xinjiang kommen vor), auch wenn die Bedrohung durch das Alien-Szenario ein bisschen abstrahiert wurde. Ich bin durchaus gespannt darauf, wie das bei einem internationalen Publikum ankommt. Who is Stronger wird für €30 erhältlich sein.

Ebenfalls aus Taiwan kommt David Wang Studio (5-F112) nach Essen, um East Indiaman vorzustellen, das allerdings voraussichtlich nur auf Vorbestellung im Moaideas-Webshop zu bekommen sein wird und $50 kosten wird (Achtung: Dollar, nicht Euro). Der Autor ist (wenig überraschend) David Wang. Im Spiel baut man Handelsrouten von Europa nach Indien auf, kauft und verkauft Waren und errichtet Handelsposten – das Ganze natürlich möglichst besser als die Konkurrenz. David Wang wird an seinem Stand außerdem noch drei kleinere Spiele in kleiner Stückzahl haben: Das apart aussehende Ninja Scroll, My Booty! und Dragon & Lyre. Außerdem teilt er sich den Stand mit Sharp Point Publishing, die Terra Shifter (das Eric Martin als Solospiel ziemlich gelobt hat, €22) sowie Game of Suspicion (€18)mitbringen,.

Der in Deutschland vielleicht bekannteste taiwanische Verlag ist Swan Panasia, was möglicherweise nicht so sehr an ihren Spielen oder an Swans spektakulärer Kopfbedeckung, sondern an der reichhaltigen Auswahl an Sleeves für alle möglichen Kartengrößen liegt. Aber Swan Panasia veröffentlicht durchaus auch Spiele, und da sind immer mal wieder Perlen dabei. Und dieses Jahr werden die Neuheiten an einem anderen Stand gezeigt als die Hüllen (die es wie gewohnt in Halle 4 an Stand 4-F121 gibt).  An Stand 1-D148 findet Ihr für €15 Monster Arena von Lin Zhenyou, das wahrscheinlich erste Spiel der Welt, dessen Anleitung das Wort „Monsteraufzuchtologie“ enthält. Die Spieler*innen haben genau das gelernt und schicken jetzt ihre gezüchteten Monster in Kämpfe gegeneinander. Sie müssen aber vor Beginn ihre 12 Monster in drei Trupps aufteilen, mit denen sie in die drei Kämpfe ziehen. In jeder Runde müssen sie geschickt bluffen oder Stärke demonstrieren, um siegreicht zu bleiben und die Wetteinsätze der anderen zu kassieren.
Am Stand 1-D148 findet Ihr außerdem noch Smiling Monster Games mit Princess Legend (ebenfalls €15), der neu gestalteten deutschen Ausgabe von Tofu Kingdom von Kuraki Mura, das ich hier schon mal rezensiert hatte und das Smiling Monster gemeinsam mit Blue Orange herausbringt. Neben der neuen Gestaltung sind allerdings auch die Regeln verschlankt worden, das Klauen entfällt und es spielen auch nicht immer alle Charaktere mit. Autor Kuraki Mura wird am Donnerstag und Freitag jeweils von 12 bis 13 Uhr am Stand anwesend sein.

Dass sich die taiwanischen Spiele mittlerweile auch in Deutschland einen gewissen Ruf erarbeitet haben, sieht man ja nicht zuletzt daran, dass es in Essen immer mehr taiwanische Stände gibt. Aber auch in Festlandchina ist man nicht untätig. Z for Zombie von Percy Chan zum Beispiel beruht auf einem Roman und einer Comicserie über einen Zombieeinfall in Hongkong. Die Spieler*innen versuchen, inmitten dieses Horrors an Lebensmittel zu kommen – und natürlich außerdem nicht selbst von den Zombies verspeist zu werden. Am Ende gewinnt von den Überlebenden, wer sich am meisten Nahrung sichern konnte. Für €20 seid Ihr dabei. Z for Zombie erscheint beim chinesischen Verlag Gamdow Games, der am Stand 5-C104 zu finden sein wird und auch noch weitere Spiele vorstellen wird.
Gamdow Games teilt sich den Stand mit dem Pekinger Verlag Activate, bei dem Ihr gleich mehrere Spiele von Liu Xianmao kennenlernen könnt. Da ist zum Beispiel Four Big Strata (€20), in dem Ihr die Gesellschaft im alten China ausbaut. Dabei müsst Ihr darauf achten, dass keine der gesellschaftlichen Klassen vernachlässigt wird, denn Eure Punkte hängen von denen Eurer schwächsten Klasse ab. Wer nicht so sehr in größeren Epochen denken möchte ist vielleicht mit dem Spiel Quick! quick! quick! (€20) besser beraten. Hier muss man unter Zeitdruck Erdbebenopfern helfen. Man puzzelt da auf Geschwindigkeit Wege zusammen und muss Werkzeuge richtig einsetzen und die Erdbebenopfer versorgen. 72 hours hat das gleiche Thema und Grundkonzept, ist aber ein wesentlich komplexeres und längeres semikooperatives Spiel, das leider nur als Demoversion am Stand sein wird. Für die meisten Deutschen sind Erdbeben ja eher was Abstraktes. Ich habe in meiner Zeit Taiwan ein paar miterleben müssen, daher interessiert mich das schon ein bisschen mehr. Ansonsten gibt es am Stand noch Fight! Chicken (€30) zu entdecken, bei dem man die Zahl seiner Hühner zu mehren versucht.

Aus Hongkong kommt Pat Piper mit seinem selbst verlegten Spiel Crossroads of Heroes (5-D132). In diesesm Spiel übernehmen die Spieler*innen die Rolle von Kampfkunst-Novizen und müssen sich durch eisernes Training und tugendhaftes Verhalten einen Ruf erarbeiten. Leider geht das nicht immer so einfach, denn wenn man sich zweifelhafter Methoden bedient, um seine Ziele zu erreichen, kann man auch auf der Seite des Bösen landen. Aber auch in dieser Rolle kann man gewinnen – welche Rolle man im Laufe des Spiels für sich wählt, kann man selbst entscheiden. Crossroads of Heroes wird €42 kosten, und am Stand gibt es auch ein paar besondere Aktionen. Näheres dazu findet Ihr hier.

Ebenfalls aus Hongkong stammt der etablierte Verlag Capstone, der in Essen in diesem Jahr mit Incoherent an Stand 4-C115 vertreten sein wird. Die Spieler*innen erzählen darin kleine Geschichten, müssen aber ein bestimmtes Wort, das in jedem Satz mindestens einmal vorkommen muss, durch ein anderes ersetzen. Die nicht eingeweihten Mitspieler*innen müssen dann herausfinden, welches das ursprüngliche Wort war. Incoherent wurde von ER Family entwickelt, was das Pseudonym der Inhouse-Redaktion von Capstone ist.

Schließlich ist noch BRam Games an Stand 4-K104 vertreten und stellt Mythbond: Wake of Monsters von Lith Fung vor. Der Hongkonger Verlag plant für Dezember eine Kickstarter-Kampagne (für die es in Essen eine „Super Early Bird“-Vorbestellungsmöglichkeit geben soll) und präsentiert das Spiel vorab. Die Spieler*innen müssen in diesem semi-kooperativen Spiel versuchen, Monster am vollständigen Erwachen in dieser Welt zu hindern. Im Mittelpunkt steht eine über 40 cm große Drachenfigur aus Pappe, die im Lauf des Spiels erweitert wird, während sich die Charaktere von Kapitel zu Kapitel kämpfen.

Und im allerletzten Moment kriege ich auch noch was aus Singapur rein, nämlich den Verlag Capital Gains an Stand 5-C119. Schön skurril klingt nicht nur dem Titel nach Debtzilla von Xeo Lye, in dem die Spieler*innen als Superheld*innen kooperativ gegen ein Schuldenmonster kämpfen. Leider kostet gute Ausrüstung einen Haufen Geld, und wer sich heftig verschuldet, um sie bezahlen zu können, lässt dadurch das Schuldenmonster gleichzeitig immer stärker werden. Debtzilla soll €35 kosten (angeschrieben wird nicht!) und spielt in der gleichen Welt wie Wongamania, mit dem der Verlag vor einiger Zeit schon auf sich aufmerksam gemacht hatte. Angesichts des Verlagsnamens sollte es kaum verwundern, dass es im zweiten Spiel ebenfalls um das Thema Finanzen geht, wenn auch in etwas realistischerer Weise. In Cryptocurrency von Steve Ng Wen Xi folgen die Spieler*innen den Verlockungen verschiedener digitaler Währungen, müssen aber auch die Risiken im Auge behalten, sonst kann man leicht betrügerischen Währungen auf den Leim gehen. Insbesondere natürlich dann, wenn die lieben Mitspieler*innen auch noch die lästige Konkurrenz ruinieren wollen… Wer das Spiel für €24 erwerben will, sollte wohl besser Bargeld statt Kryptowährungen mit sich führen.

Nachdem Ihr mir jetzt im Extremfall durch fünf proppevolle Artikel gefolgt seid, mit denen ich Euch Spiele vor allem aus Asien und Lateinamerika schmackhaft gemacht habe, muss ich doch mal um Verständnis dafür bitten, dass mich eine Veranstaltung wie diese etwas ratlos zurücklässt: „Wie spielen Deutschland und die Welt in Zukunft?“ Vielleicht könnte man das herausfinden, wenn man neben die Szene-Superstars (die ich ja durchaus auch schätze) mal jemanden auf das Podium setzen würde, der oder die nicht aus Nordamerika oder Europa stammt. Dass es da genügend Auswahl gäbe, habe ich hoffentlich in den letzten Wochen gezeigt. Viel Spaß auf der Messe!

 

Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung durch die Rechte-Inhaber*innen. Vielen Danke insbesondere an Ana Bortić. 

5 Gedanken zu „Drei Tage im Oktober – die Messevorschau 2018 (Teil 5)

  1. Danke Dir :),dass wir durch Dich die kleinen Verlage näher kennenlernen dürfen.Ich bin ehrlich,ich bin zwar immer die letzten Jahre durch die kleineren Hallen gelaufen,aber habe das Sortiment kaum beachtet.Natürlich ist es auch meine Schuld,aber es liegt auch daran,dass 95 % der Blogger fast nur über die Spiele der großen Verlage berichten.Die Essenlisten sind fast identisch 😉 Ich habe mich immer gefragt,bekommen sie keine Nachrichten von diesen kleineren Verlagen oder ist das finanziell zu unattraktiv,weil sie dadurch keine Klicks bei youtube bekommen? 😉
    Du hast vollkommen Recht,an einem Tisch gehören alle Nationalitäten.Keiner darf benachteiligt werden!!!
    Für mich ist das nicht akzeptabel.

    1. Danke für das Lob. 🙂 Es ist schon so, wenn ich über ein leidlich neues, populäres Spiel schreibe, das auf dem deutschen Markt bekannt ist, kriege ich viel mehr Klicks. Aber cih wollte mir halt meine Nische suchen, und gerade das Internationale reizt mich. Besonders auf einer Messe wie dieser, das ist ja eine der wenigen Gelegenheiten, wo ich mal an exotische Dinge rankomme. Die deutschen Spiele kann ich auch hinterher noch kennenlernen. Ansonsten: Alle Nationen müssen es ja gar nicht sein (sonst kommt ja niemand mehr zu Wort), aber ein bisschen mehr Vielfalt wäre schon schön.

      1. Ja, danke auch von mir!
        Tipp: Recurrring von Team Saien gibts bei Nicegameshop gerade im Angebot – wir habens am Dienstag zu dritt gespielt und es ist ein witziges und originelles Absackerspiel. Nachteil: Keine englsiche oder deutsche Regel, aber Eric Martins Video (auf BGG) erklärt alle Regeln.

  2. First Contact ist super und habs mir gleich gekauft 🙂

    Surfer war erst Samstag auf der Messe angekommen. Ich fands ziemlich banal und hatte nicht das Gefühl groß was beeinflussen zu können. Schade drum!

    1. Ach, schade – aber ich werd’s wohl noch kriegen, dann gucke ich selbst mal. Auf First Contact freue ich mich auch schon sehr, das habe ich auch von Hand mitgebracht. Von den anderen Sachen ist noch vieles per Paket unterwegs (die meisten echten Kostbarkeiten habe ich aber eben selbst mitgebracht).

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