Neue Spiele aus Lateinamerika, April 2018

Willkommen zu einer neuen Ausgabe meiner Lateinamerika-Nachrichten. Wie immer kann ich schwer einschätzen, wie viele Leute sowas wirklich interessiert. Aber hey, mich selbst ganz bestimmt, daher mache ich damit auch weiter, zumal ich davon überzeugt bin, dass die lateinamerikanischen Spiele in den nächsten Jahren stärker in den internationalen Markt integriert sein werden als jetzt. Das haben viele asiatische Spiele ja auch geschafft. Also: Viel Spaß beim Lesen.

Argentinien

Noch zwei Wochen, dann ist es so weit: In Buenos Aires findet zum vierten Mal das Geek Out Fest statt. Zum dritten Mal wird dabei der König-Alfonso-Preis verliehen. Über die Kandidatenspiele hatte ich ja hier schon berichtet. Nun sind die Finalisten bekannt gegeben worden. Da ich selbst ja nur ein einziges der Spiele gespielt hatte, war es für mich natürlich ein bisschen schwer, mich da auf Favoriten festzulegen, aber ich hatte meine Lauscherchen natürlich ein bisschen aufgestellt. In der Endrunde vertreten sind nun also Corona de Hierro von Franco Toffoli, was nach allem, was ich gehört hatte, keine Überraschung war. Ich hoffe, dass ich das Spiel nächste Woche endlich spielen kann, dann kann ich auch selbst was dazu sagen. Außerdem sind in der Endrunde noch Geek Out! Masters von Matías Saravía, das ich hier ja schon besprochen hatte, sowie Magus: Aura Mortis von Martin Oddino.

Während die Spannung beim Premio Alfonso also auf ihren Höhepunkt zuläuft, tut sich natürlich auch außerhalb davon einiges. Mandalas von Mauro Guarino ist schon einmal in einer Mini-Auflage erschienen, befindet sich aber derzeit in einer Neubearbeitung, um demnächst in besserer Materialqualität zu erscheinen. Es geht bei diesem Spiel darum, aus 13 Puzzleteilen je ein Mandala zu legen, in dem passende Muster und Farben möglichst aneinander grenzen sollen. Auch ohne Spanischkenntnisse kann man aus diesem kurzen Erklärvideo einiges herauslesen, glaube ich. Der Verlag heißt Old Skull Ideas.

Bolivien

Leider habe ich noch keine Verlage oder Autor/innen aus Bolivien ausfindig machen können. Aber dafür habe ich die Nachricht gefunden, dass das Goethe-Institut in La Paz seit dem 3. März 2018 auch über eine Ludothek verfügt, in der man sich europäische Spiele ausleihen kann. Das finde ich ja eine sympathische Idee. Wer sich also mal in La Paz langweilen sollte, weiß, wo er oder sie Abhilfe finden kann. Hier ist der Katalog., der leider eine Menge Tippfehler enthält – was bei einem Bibliothekskatalog natürlich ein Problem sein kann. Da hat das Goethe-Institut noch Nachbesserungsbedarf.

Brasilien

Ein ganz wunderbares Projekt gibt es hier zu bestaunen. Der Clube do Tabuleiro de Campinas (Brett(spiel)club aus (der Stadt) Campinas) entwickelt Spiele für diejenigen, die sich normalerweise keine Spiele leisten könnten. Es ist geradezu eine neuartige Form des Print-and-Play-Konzepts, denn die Spiele sind so gemacht, dass man sie aus Dingen selbst bauen kann, die normalerweise im Müll landen. Sie stellen sie entsprechend kostenlos zur Verfügung. Das aktuelle Spiel heißt Batalha espacial (Raumschlacht) und ist von Wagner Gerlach. Neben ein paar Ausdrucken braucht man noch den Deckel einer in Brasilien offenbar handelsüblichen Butterdose. Im Spiel bekämpfen sich zwei Raumschiffe, die von zwei Spielfeldrändern aufeinander schießen. In der Mitte liegt aber der beklebte Deckel, den man drehen kann. Dann haben die Schüsse, je nachdem, was für ein Feld auf dem Deckel man trifft, verschiedene Auswirkungen.
Spielentwicklung als Hilfe zur Teilhabe ist ein tolles Konzept, finde ich. Und ein Beitrag zum Recycling ist es auch noch. Toll!

Weiß es jemand noch nicht? Seit dem 27. März gibt es eine Kickstarter-Kampagne für Arena – the Contest von Alexandre Aboud und Danilo de Alcantara. In diesem Spiel befinden wir uns in einer fernen Zukunft, wo Krieg verboten ist und bewaffnete Konflikte nur in speziellen Arenen stattfinden. Sie werden von speziell ausgebildeten Miniaturen, äh, Heldinnen und Helden durchgeführt, die man in den Arenen aufeinander hetzen kann. Natürlich gibt es jede Menge Kombinationen aus Waffen, Fähigkeiten und Situationen, und wer auf Spiele mit großem Materialaufkommen steht, wird hier sicherlich fündig. Folgerichtig wurde das Spiel auch in Nullkommanichts finanziert und ist jetzt schon ein reichlicher Erfolg. Die Kampagne läuft noch bis zum 27. April und der Verlag heißt Dragori Games.

Neu bei Mandala Jogos ist Covil: Mestres das Trevas (Covil: Meister der Dunkelheit) von Luís Brüeh (der es auch illustriert hat). Dunkle Meister sammeln morgens ihre Truppen, prügeln sich tagsüber und gucken nachts, wer gewonnen hat. Das Ganze geht über vier Tage, und wer dann der dunkelste aller Meister ist, gewinnt. Die Mandala-Ausgabe ist auf Portugiesisch, aber im kanadischen Verlag Vesuvius Media ist auch eine englischsprachige Ausgabe erschienen. Da die meisten Leute hierzulande des Portugiesischen nicht mächtig sein dürften, ist das vielleicht eine beruhigende Nachricht.

Außerdem ist in Brasilien der Prêmio Ludopedia wieder vergeben worden (rückblickend für das Jahr 2017). Bei diesem Preis gibt es mittlerweile sechs Kategorien. Für Expert/innen, für Familien und für Kinder (dass das auf der Ludopedia-Webseite in dieser Reihenfolge aufgeführt wird, finde ich interessant – ein deutlicher Unterschied zur Spiel-des-Jahres-Tradition), und beides jeweils für internationale und einheimische Spiele. Mich interessieren natürlich vor allem die einheimischen. Gewonnen hat bei den Expert/innen Os Reinos de Drunagor (Die Reiche von Drunagor) von Daniel Alves und Eduardo Cavalcante, erschienen bei HISTERIA GAMES. Das ist ein aufwendiges Miniaturenspiel mit allem Drum und Dran, das über die brasilianische Crowdfunding-Plattform Kickante finanziert wurde. Schon bemerkenswert – man würde annehmen, dass Crowdfunding-Projekte nur weltweit funktionieren, aber dem ist offenbar nicht so.
Bei den Familienspielen ging der Preis an Dwar7s: Outono (Zwerge: Herbst) von Luís Brüeh, verlegt bei Mandala Jogos (als Dwar7s Fall auch schon außerhalb Brasiliens erschienen). In diesem Worker-Placement-Spiel versuchen ein paar Zwerge mit Rechtschreibschwäche, Vorräte für den Winter anzulegen, indem sie möglichst viele Juwelen sammeln, die sie dann gegen Essen eintauschen können.
Bei den Kinderspielen hat das sehr hübsche Belo Jardim von Marta Giardini gewonnen, das im Verlag Mitra erschienen ist.  Ich glaube, es geht darum, einen besonders schönen Garten zu bauen, denn das ist es, was der Name auf Deutsch bedeutet. Wenn ich das Material sehe, kriege ich gleich Lust zu spielen, obwohl meine eigenen Kinder aus dem reinen Kinderspielalter ja schon seit einer Weile raus sind (Belo Jardim ist ab 5).
Es ist ein klein wenig frustrierend für mich, die sonstige Empfehlungsliste durchzulesen, denn von den dort aufgeführten weiteren zehn Spielen hatte ich bisher nur von dreien etwas gehört. Ich habe noch viel zu tun und zu lernen…

Chile

In diesem Blog habe ich ja zwei regionale Schwerpunkte, nämlich Lateinamerika und Asien. Wenn ich dann von einem Spiel höre, das sozusagen aus beiden gleichzeitig kommt, ist das für mich natürlich ein besonderes Fest. Demnächst gibt es eine Crowdfunding-Kampagne für die Spielesammlung Primar, für die Hacko Games aus Taiwan und Ludoismo aus Chile zusammenarbeiten. Sie enthält Primar Yellow von Victor Hugo Cisternas und Pablo Céspedes (über deren Los Tesoros del Rey Pirata ich hier schon berichtet hatte), Primar Blue von Martin Windischer und Primar Red von Odd Hackwelder, der auch für den Druck und die Crowdfunding-Kampagne verantwortlich ist. Alle drei Spiele sind Mikrospiele, für die man jeweils nicht mehr als 18 Karten braucht (das ganze Set enthält 50 Karten). Die Gestaltung hat Pablo Céspedes übernommen. Regeln in verschiedenen Sprachen sollen enthalten sein, darunter auch Deutsch. Ich habe eine Vorabversion schon spielen können und sie gefällt mir sehr gut. Eine ausführlichere Rezension folgt.

Gleich fünf Mathematikspiele für Kinder hat Victor Ponce 2017 bei Langley herausgebracht. Die Mitarbeiter/innen seines Lernzentrums waren frustriert über die schlechte Qualität der zur Verfügung stehenden Lernmittel, und der Direktor gab ihm den ambitionierten Auftrag, gleich 100 Mathespiele zu entwickeln. Aus den 100 Ideen wurden dann tatsächlich (vorerst) fünf Spiele, wobei weitere folgen könnten. Ein wichtiges Element dieser Spiele ist, dass die Kinder für sich selbst lernen können, dass also keine Lehrkraft nötig ist. Das heißt, dass jedes Spiel ein Kontroll- beziehungsweise Korrekturement enthalten muss. Die bisherigen Spiele heißen Cuncuna Friends 1, Cuncuna Friends 2, MatematiKart, Treasure Times!! und The Tricky Turtles und wurden von Paula „Supergato“ Cortés illustriert (nur bei MatematiKart stammen die Illustrationen von Claudia Zavala).

Kolumbien

Ich muss gestehen, dass mir der Name Nairo Quintana bis vor Kurzem noch nichts gesagt hatte. Das liegt wahrscheinlich daran, dass mein Fahrrad für mich ein reines Transportmittel ist und ich mich für Radsport nie großartig interessiert hatte. Quintana ist ein kolumbianischer Radrennfahrer, der schon einige internationale Erfolge feiern konnte, und das hat sicherlich mit dazu beigetragen, dass Radsport in Kolumbien sehr populär ist. Da liegt es doch nahe, dass dort auch Brettspiele zu dem Thema erscheinen. Wie zum Beispiel La Vuelta – una clásica mundial, das im Verlag Board and Chips erschienen ist (ein/e Autor/in ist nicht angegeben. Die Illustrationen stammen von Jhon Cardenas). Es handelt sich dabei um ein Würfelspiel, bei dem man seine drei Würfel möglichst sinnvoll auf seine beiden Fahrer und das Begleitfahrzeug aufteilen muss, damit man bei den vier Rennen in verschiedenen Ländern am Ende die Nase vorn hat. Ein spanisches Regelvideo in vier Teilen gibt es hier.

Manche Verlagsnamen sind einfach cooler als andere. Drei Hasen in der Abendsonne zum Beispiel, oder Wattsalpoag („With All That Talent Sitting Around, Let’s Put Out A Game“). Noch so ein Fall ist der kolumbianische Verlag Creo Mi Juego, von dem in diesem Blog schon hier und da die Rede war. Der Name heißt eigentlich „Ich erschaffe mein Spiel“, kann aber auch als „Ich glaube meinem Spiel“ verstanden werden. Bei diesem Verlag sind derzeit diverse Spiele in Arbeit und zum Teil schon weit fortgeschritten. Bereits erschienen ist Flynn’s Scape, das sich an die Serie TRON: Der Aufstand anlehnt. Es ist eine aufgepumpte Variante des Klassikers Mille Bornes (in Deutschland auch als 1000 Kilometer bekannt), wobei die Fahrer/innen in dieser Version verschiedene Spezialfähigkeiten haben. Offenbar gibt es auch wesentlich mehr verschiedene Karten als bei Mille Borne. Autor ist Carlos Reyes.

Mexiko

Eine recht erfolgreiche Kickstarter-Kampagne hat das Kartenspiel Cooks & Crooks von Luis Muñoz (der es auch illustriert hat) und Andrés Novelo kürzlich hingelegt. Die Spieler/innen sind Köch/innen, die in einer Fernsehshow gegeneinander antreten. Dabei wollen sie nicht nur die Jury beeindrucken, sondern auch dafür sorgen, dass die Konkurrenz durchfällt. Also klauen sie fleißig Zutaten oder lassen irgendwas Ekliges in die Töpfe der Andern fallen. Motto: Experience the satisfaction of ruining food (Erlebe, wie befriedigend es ist, Essen zu ruinieren). Erschienen ist es bei Detestable Games (wobei die Kickstarter-Kampagne unter dem Label La Caravana lief).

Uruguay

Und noch einmal betrete ich in diesem Artikel Neuland – aus Uruguay hatte ich auch noch nichts berichtet. Aber wie überall gibt es dort natürlich Leute, die gern spielen, und einen Verlag habe ich auch aufgetan, nämlich Arnár Estudios. Sie haben schon einige Spiele herausgebracht, unter anderem Anfang 2017 das sehr ansprechend gestaltete Warnimal. Neu ist jetzt Undead Road von Federico Franco, ein endloses Zombie-Spiel. Endlos heißt, dass es kein fest definiertes Spielziel gibt. Man kämpft sich kooperative durch Welle auf Welle von Zombies. Jede Welle entspricht dem Durchspielen des Kartenstapels, der eben Zombies, aber auch Waffen und sonstige Ausrüstung enthält. Immer, wenn man den Stapel durch hat, hat man eine Welle überstanden und es beginnt die nächste. Man versucht also, möglichst viele Wellen durchzustehen, bevor es einen doch erwischt. Bei der nächsten Partie kann man dann versuchen, sein letztes Ergebnis zu überbieten.

 

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung durch die Rechteinhaber/innen. Danke!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert