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Messevorschau 2019: Taiwan (Teil 3) – TBD

Hier kommt wie angekündigt der Rest der TBD-Spiele. Über die anderen hatte ich hier berichtet. 

TAIWAN

Messevorschau 2019: Taiwan (Teil 3)Kung Fu (€20) von Zong-Hua Yang erscheint in seinem Selbstverlag Good Game Studio und ist ein kombiniertes Karten- und Würfelspiel. Die Spieler*innen treten in einem Kampf Alle gegen Alle an. In jeder Runde greift eine*r alle anderen an. Man wählt drei Handkarten aus und ordnet diesen seine persönlichen Würfelergebnisse zu. Natürlich versucht man, als Letzte*r übrig zu bleiben (oder zumindest am wenigsten Schaden davonzutragen. Zong-Hua Yangs massives Spiel Taiwan war schon letztes Jahr erhältlich und hat einige Freund*innen gefunden. Nun ist es wieder mit von der Partie (für €40). Man spielt darin den Bauboom und den wirtschaftlichen Aufschwung Taiwans zum „Tigerstaat“ nach. Dabei muss man Messevorschau 2019: Taiwan (Teil 3) – TBD weiterlesen

Drei Tage im Oktober – die Messevorschau 2018 (Teil 2)

Im zweiten Teil meiner Essen-Vorschau geht es um Spiele aus Taiwan. Zu Taiwan habe ich eine besondere Beziehung, da gucke ich besonders genau hin. „Leider“ kommen mittlerweile viel zu viele Spiele aus Taiwan, als dass ich alle ausprobieren könnte. Auch  mischen sich die Nationalitäten längst – es kommen Spiele von Autor*innen aus anderen Ländern aus Taiwan – nicht mehr nur aus Japan. Aber interessant finde ich trotzdem vieles, und ich habe zumindest versucht, mir einen Überblick zu verschaffen. Also, auf geht’s:

Taiwan Boardgame Design (TBD) ist, wie das auch bei Japon Brand der Fall ist, ein Zusammenschluss von taiwanischen Verlagen, die einen gemeinsamen Stand in Essen betreiben (5-C122). Aus diesem Stand sind in den letzten Jahren immer wieder Perlen hervorgetreten, und ein genauerer Blick lohnt allemal. In diesem Jahr sind gefühlt mehr große Spiele dabei als in den letzten (ich selbst stehe ja mehr auf kleinere Sachen, und mein Budget reicht auch kaum dafür, mehrere größere Sachen zu kaufen). Aber auch für die großen Schachteln finden sich ja immer viele Interessent*innen, also wollen wir mal gucken:
Am meisten lockt mich persönlich Dice Fishing (€18) von Satoru Nakamura, obwohl ich ja eigentlich gar kein so großer Würfelspieler bin. Es gibt eine Art Versteigerungsmechanismus, bei der man damit bietet, mit wie wenigen Würfeln man ein bestimmtes Ergebnis erreichen zu können glaubt. Bei Push Your Luck werde ich leicht schwach, solche Spiele mag ich einfach. Dice Fishing erscheint bei Homosapiens Lab. Cat Rescue von Ta-Te Wu erscheint bei Sunrise Tornado Studio und ist in zwei Versionen erhältlich, einer kompakt eingetüteten für €8 und einer schicken mit Schachtel für €13. Es ist ein kooperatives Spiel, bei dem man streunende Katzen versorgt, in ein Tierheim bringt und dann zur Adoption vermittelt. Wer es vorbestellt, bekommt noch einen rosa Katzenmeeple dazu. Auch Zong-Hua Yangs Spiel mit dem schlichten Namen Taiwan (Good Game Studio, €42) zieht mich an, obwohl es mir am Ende wahrscheinlich zu groß sein wird. Aber immerhin geht es um die Entwicklung Taiwans nach dem zweiten Weltkrieg, und ein Spiel aus Taiwan über Taiwan finde ich natürlich spannend, weil ich selbst mal zwei Jahre dort gewohnt habe. Das sind so die Sachen, die mich am meisten interessieren, aber das ist noch lange nicht alles, was es am TBD-Stand zu entdecken geben wird. Wer mehr über die vielen anderen Spiele wissen will, kann sich auf der Vorbestellungsseite umsehen, wo es auch noch ein paar Spiele aus dem letzten Jahr zu ergattern gibt. Drei Tage im Oktober – die Messevorschau 2018 (Teil 2) weiterlesen

Hände hoch! Pfoten weg!

Für Spieleautor/innen ist es sehr schwierig, etwas wirklich Neues zu erfinden. Die meisten Spiele sind Weiterentwicklungen von bekannten Ideen, in mindestens einigen Aspekten. Also klebt man als Renzensent ein Label drauf: Stichspiel, Bluffspiel, erinnert an Diesundjenes, für Liebhaber/innen von Ihrwisstschon. Ab und zu wird ein innovatives Spiel selbst zum Kategorien definierenden Trendsetter, wie etwa Caylus für die Worker-Placement-Spiele, Dominion für die Deckbuilder oder Love Letter für die Mikrospiele und zuletzt Risk Legacy für die Legacy-Spiele. Aber das passiert bestenfalls alle paar Jahre mal. Ja, und dann hat man plötzlich doch ein Spiel in der Hand, das in keine Kategorie zu passen scheint und das einen an schlicht gar nichts erinnert. Man schaut einigermaßen verständnislos in die Regel und muss erstmal das Spielmaterial vor sich ausbreiten, um überhaupt zu erahnen, worum es geht. Ein solches Spiel möchte ich heute besprechen, nämlich Hand Made Wonders von Bono Light (陳小光).

Hand Made Wonders
Das Cover

Als ich das Spiel erstmals in den Händen hielt, war ich gleich begeistert von der Titelgrafik, bei der das Kolosseum aus einer Hand gebildet wird. Auch das ist eine Illustration, die aus dem Rahmen fällt, während ich Illustrationen von deutschen oder sonstigen westlichen Spielen oft wenig inspirierend finde (von Hand Made Wonders ist übrigens soeben eine polnische Neuauflage erschienen, die eine für mich völlig nichtssagende Titelgrafik ziert).

Erstes ungewöhnliches Spielelement sind Armbänder in drei Farben. Je nach Zahl der Spielenden werden diese verteilt, und man macht sich an jedes Handgelenk eins (die beiden haben immer verschiedene Farben). Dann gibt es Bauwerkkarten, die auf der Rückseite mit II, III, IV oder V markiert sind. Sie werden nach Nummern getrennt gemischt und von jeder Zahl wird eine aufgedeckt.

Spielmaterial
Spielmaterial

Auf Kommando streckt nun jede/r einen beliebigen Arm vor, zählt durch, wie viele Armbänder mit der gleichen Farbe zu sehen sind und bildet mit deren Spieler/innen ein Team, das das Gebäude auf der Karte mit der entsprechenden Nummer mit den ausgestreckten Händen nachbilden muss. Wer damit fertig ist, ruft „Stop!“ Ist das Gebäude korrekt errichtet, bekommen die beteiligten Spieler/innen jeweils eine Belohnungskarte für den rechten oder linken Arm, je nachdem, welchen sie benutzt haben. Wer zuerst drei Links- und drei Rechts-Karten gesammelt hat, gewinnt das Spiel.

Sollte man allein in einem Team sein, muss man eine spezielle Mission erfüllen. Dafür muss man ein Symbol auf der aktuellen Karte mit der II suchen, dann solange Karten aus einer speziellen Auslage umdrehen, bis man die Karten mit dem entsprechenden Symbol gefunden hat, und schließlich mit einer Hand die entsprechende Haltung einnehmen.

Einige der Bauwerkkarten
Einige der Bauwerkkarten

Und? Macht das Spaß?

Auf alle Fälle. Das Spiel ist laut, hektisch und chaotisch. Auf Kommando schießen lauter Hände nach vorn, und während einige Spieler/innen noch verzweifelt nachzählen und versuchen, ihr Team und ihre Aufgabe zu finden, sind andere schon dabei, irgendwelche Bauwerke zu formen und gleichzeitig ihre Teammitglieder zu instruieren, was sie machen sollen. Man ist eigentlich ständig damit beschäftigt, lauter Dinge gleichzeitig zu machen, und eine verbale Koordination ist schwierig. Da hält jemand eine flache Hand über den Tisch, ich halte meine Hand in irgendeinem Winkel daran, um weiterzubauen und stelle fest, dass der/diejenige im Glauben, im anderen Team zu sein und etwas ganz anderes bauen zu müssen, die Hand wieder wegzieht, mich womöglich noch schief anguckt und wir nun gemeinsam versuchen, herauszufinden, was gerade Sache ist. Inzwischen macht das das andere Team natürlich auch, und es gibt ein wildes Durcheinander mit viel Gelächter.

Während es in den ersten Runden noch ziemlich zufällig ist, wie die Teams aussehen, gibt es gegen Ende des Spiels erste Hinweise, weil jemandem eben noch eine bestimmte Karte fehlt und man sich einigermaßen drauf verlassen kann, dass er oder sie die entsprechende Hand wählt. Um das wirklich zu verfolgen und zu nutzen, geht das Spiel aber eigentlich viel zu schnell voran, und so wird daraus einfach eine zusätzliche Sache, die man im Auge zu behalten versucht. Ich selbst habe dabei eine ganze Menge Pläne verhunzt, und kann nicht behaupten, dass ich ein besonders guter Spieler bei Hand Made Wonders wäre. Vielleicht lösen meine bescheidenen Fähigkeiten einfach immer mehr Herumdenken aus, was manchmal alles noch schlimmer macht. Trotzdem hatte ich viel zu lachen und wäre jederzeit wieder bei einer Partie dabei.

Doch bei aller Innovation: Ob ich das in einigen Jahren noch regelmäßig spielen werde, weiß ich nicht. Es ist durchaus ein anstrengendes Spiel, trotz des hohen Spaßfaktors. Ich kann es daher vor allem denen empfehlen, die etwas wirklich radikal Neues kennen lernen möchten und nicht davor zurückschrecken, mal ein bisschen die Sau rauszulassen.

Gesamteindruck: 7/10

Hand Made Wonders (手造奇觀) (Link zum BGG-Eintrag)
für 4 bis 8 Spieler/innen – am besten viele!
von Bono Light (陳小光)
Illustrationen: Yun Long
Auf Chinesisch erschienen bei TwoPlus Games, 2014 auf Polnisch bei Portal Games unter dem Namen Rączki Złączki. Englische Regeln gibt’s im Netz.

Was für ein Hammer.

Irgendwann 2013 wurde ich auf Boardgamegeek auf ein taiwanisches Spiel namens Castle Crush! aufmerksam, das mich gleich lockte. Es landete dann auf meiner Wunschliste, auf der ich Spiele parke, die ich gern mal in die Finger kriegen würde, aber nicht sofort kaufen würde – zumal es gleich klar war, dass dieses Spiel nur in Taiwan oder Japan zu kriegen sein würde und es außerdem erheblich Porto kosten würde, es nach Deutschland zu verschicken. Als sich dann einige Monate später eine Neuauflage ankündigte, beschloss ich, einfach mal nachzufragen. Der Autor warnte mich dann erwartungsgemäß, es sei zu teuer, es nach Europa zu verschicken, was mir einleuchtend erschien. Allerdings würde er nach Essen kommen und könnte wohl was mitbringen. Einige Tage später kam allerdings die Kehrtwende: Ob ich die Regeln ins Deutsche übersetzen könnte? Dafür gäbe es dann ein Exemplar samt Porto. Da konnte ich nicht widerstehen.

Castle Crush!
Die Schachtel

Das Spiel besteht zunächst mal aus fünf Sätzen von je sechs Bauteilen aus Holz. Dazu hat jede/r der bis zu vier Spieler/innen je einen König und einen General, und im Spiel gibt es noch ein paar Grundplatten und einen „Hammer“. Mit diesem Material kann man zwei verschiedene Spielmodi spielen, dazu gibt es noch einen Solo-Baumodus.

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Erstklassige Materialqualität

Im „normalen“ Spiel bekommt jede/r zu Beginn einen Satz Bauteile, baut sich auf einer Grundplatte eine Burg auf und stellt den König und den General drauf. Je höher die Konstruktion ist (das heißt, je mehr Steine aufeinander stehen), desto mehr Punkte gibt es für die Burg – aber desto wackeliger ist sie auch.
Alle Grundplatten stehen in gleichem Abstand zu einer zentralen Platte, auf die nun der/die erste Spieler/in den Hammer stellt (der „Hammer“ ist eine gedrechselte Stange) und fallen lässt – natürlich in Richtung auf eine gegnerische Burg, in der Hoffnung, dieser möglichst viel Schaden zuzufügen. Für von der Grundplatte heruntergefallene Figuren oder Bauteile gibt es Punkte. Nachdem jede/r zwei Angriffe durchgeführt hat, bekommt man ein paar neue Bauteile, um seine Burg zu reparieren beziehungsweise zu erweitern. Das ganze geht über drei Durchgänge, und am Ende bekommt man noch einmal Punkte für das, was stehen geblieben ist.

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Leb wohl, grüne Burg.

In der schnellen Variante gibt es keine Baupunkte, es wird einfach eine möglichst stabile Burg gebaut und reihum angegriffen, bis ein/e Spieler/in eine bestimmte Punktzahl erreicht hat. Und in der Solovariante geht es darum, ein möglichst wertvolles Gebäude zu errichten. Da die Punktzahl für jedes Bauteil mit der Bauhöhe multipliziert wird, muss man für eine hohe Punktzahl möglichst hoch hinaus, so dass es eine wirkliche Herausforderung ist, denn viele der Bauteile sind oben abgeschrägt und keinesfalls flach. Einfaches Aufeinanderstapeln funktioniert also nicht.

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305-Punkte-Burg in der Abendsonne

Die Bauteile von Castle Crush! kommen in erstklassiger Holzqualität daher, es macht richtig Spaß, die anzufassen. Auch das sonstige Design überzeugt sehr – eine wirklich robuste Schachtel und eine Spielanleitung im packpapierbraunen Retrodesign. Nur das Cover ist für den deutschen Markt vielleicht nicht so geeignet, die sieht zu wenig nach Spiel aus, finde ich. Aber für ein Spiel, das ohnehin keinen deutschen Vertrieb hat und nur über das Internet zu kriegen ist, fällt das ja nicht so ins Gewicht.

Der Spielreiz besteht aus mehreren Dingen: Einmal dem Ehrgeiz, eine möglichst stabile Burg aufzubauen, die trotzdem möglichst viele Punkte einbringt. Da die Berechnung der Baupunkte (Bauteilpunkte mal Bauhöhe) nicht ganz trivial ist, geht das beim Spiel mit jüngeren Kindern ein bisschen verloren – die haben aber trotzdem Spaß dran, weil das Bauen mit schönen Bauklötzen ja ohnehin eine tolle Sache ist ist. Das Zerstören anderer Burgen ist natürlich auch eine schön unmittelbare Erfahrung Und schließlich fällt der Hammer leider manchmal nicht so, wie man es geplant hatte. Dass man die eigene Burg beschädigt, ist zwar selten, aber es wird durchaus mal eine andere Burg in Mitleidenschaft gezogen als geplant. Das passiert natürlich umso häufiger, je näher die Burgen aneinander stehen. Deshalb finde ich Castle Crush! auch zu viert deutlich am besten. Zu dritt ist es auch schön, zu zweit schon wesentlich weniger spannend.
2015 ist eine Erweiterung namens Cubes & Cards erschienen. Neben diversen weiteren Spielelementen (Bauteilen und Karten und Geld als Punkte) enthält sie auch eine vereinfachte Wertungsregel, die das Gerechne vielleicht etwas entschärft. Die habe ich aber leider noch nicht in die Finger bekommen. Aber auch das Grundspiel bietet schon eine Menge Spielspaß in erstklassiger Materialqualität mit einem großartigen Coolness-Faktor.

Gesamteindruck: 8/10

Castle Crush!
von Tsai Huei-Chiang
für eine bis vier Personen
erschienen bei Soso Studio, 2013

Hasen sind keine Elefanten. Oder jedenfalls nicht so viele.

Im Frühjahr 2012 war ich für ein paar Wochen in Taiwan, und ich wollte die Gelegenheit nutzen, mich mal mit ein paar taiwanischen Autoren zu treffen. Der Boardgamegeek-User Smoox (denen, die sich für taiwanische Spiele interessieren, sicherlich gut bekannt) war so nett, zwei Treffen für mich zu organisieren. Das eine davon fand in einem Spielecafe in Taichung statt, wo ich mich mit Bono Light (陳小光) traf, der mir zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannt war. Wir hatten ein spannendes Gespräch, haben ein Spiel von mir gespielt, und schließlich zeigte er mir noch einen Protoypen eines Kartenspiels, das er gemacht hatte und das von Swan Panasia bereits zur Veröffentlichung angenommen worden war (bis zur Veröffentlichung aber noch eine ganze Weile brauchte). Es handelte sich um ein kleines Bluffspiel namens Bluff im Zoo (動物園吹牛), und wir spielten eine Runde zu zweit. Ich tat das, was mir sinnvoll erschien und wurde derartig über den Tisch gezogen, dass ich sofort fasziniert war.
Wir blieben dann in Kontakt und als das Erscheinen nach Monaten immer noch nicht in Sicht war, bettelte ich ihn um einen Prototypen an, einmal, um das Spiel selbst wieder spielen zu können, zum anderen, weil ich dachte, dass ich ja auch mal bei deutschen Verlagen ein bisschen Werbung dafür machen könnte. Bald darauf begann ich also meine Versuche, das Spiel in Deutschland bekannt zu machen. Ich zeigte es auf dem Spieleautorentreffen in Göttingen ein paar Verlagen und bekam insgesamt gute Rückmeldungen, landete aber leider keinen Treffer („schön, aber gerade nicht das, was wir suchen“, „Bluffspiele haben wir schon genug“, „das ist mir jetzt zu kompliziert“). 2013 bekam ich in Essen einen Stapel Exemplare der Swan-Ausgabe, für die ich die Regeln übersetzt hatte. Als ich es 2014 erneut versuchte, bekam ich dann schon zu hören, dass ich zu spät sei und Zoch sich die Rechte geangelt hätte. Also einer der wenigen größeren Verlage, denen ich es nicht gezeigt hatte (sie waren offenbar direkt über Swan Panasia gegangen, sonst hätte ich es vielleicht schon früher erfahren). Wie auch immer, ich freute mich, dass es von diesem tollen Spiel eine deutsche Ausgabe geben würde.

Das Cover von Bluff im Zoo

Aber worum geht es denn nun?
Die Spieler/innen treffen sich nach einem Zoobesuch und prahlen damit, wie viele Tiere sie gesehen haben, und wie groß diese Tiere doch waren. Dabei muss man einander immer überbieten – entweder, indem man behauptet, mehr Tiere gesehen zu haben als der oder die Vorgänger/in, oder indem man behauptet, mindestens gleich viele, aber größere Tiere gesehen zu haben. Das geht so lange weiter, bis jemand die Geschichte des Vorgängers/der Vorgängerin anzweifelt. Dann wird geprüft, ob im Zoo wirklich so viele Tiere der angegebenen Tierart waren, und entweder Zweifler/in oder Angezweifelte/r bekommen Strafkarten.
Im Einzelnen funktioniert das so:
Man bekommt fünf Karten auf die Hand. Auf den normalen Karten sind immer ein bis drei Tiere von einer der fünf Tierarten (Maus, Hase, Fuchs, Löwe, Elefant) zu sehen. Außerdem gibt es Jokerkarten (mit ein oder zwei Tieren einer beliebig wählbaren Art) und Spezialkarten (dazu später mehr). Wer dran ist, wählt zwischen folgenden Zugmöglichkeiten:
– Eine Karte aus der Hand verdeckt auf den Tisch spielen und eine Anzahl und eine Tierart ansagen. Bei der ersten Karte muss die Anzahl eins sein, bei den folgenden Karten muss man die vorherige Ansage überbieten (entweder mit einer höheren Zahl oder mit der gleichen Zahl und einem größeren Tier).
– Eine Karte vom Stapel ziehen, ansehen und verdeckt auf den Tisch spielen (Rest wie oben)
– Gar keine Karte spielen und die Ansage erhöhen
– Anzweifeln, dass die aktuelle Aussage stimmt. Dann werden alle Karten in der Mitte umgedreht, sie bilden den Zoo. Wenn mindestens so viele Tiere der angesagten Art vorhanden sind, wie angegeben, nimmt der /die Zweiflerin den gesamten Zoostapel als Minuspunkte, sind es weniger, bekommt der/die Angezweifelte den Stapel.
Achtung: Nachgezogen wird nicht. Wer keine Karten mehr hat, kann die erste Möglichkeit nicht mehr wählen. Erst nach einem Zweifel füllen alle ihre Handkarten wieder auf fünf auf und eine neue Runde beginnt.
Gespielt wird, bis jemand 30 Minuspunkte gesammelt hat. Wer dann die wenigsten Punkte hat, gewinnt das Spiel.

So weit so gut – aber das ist noch nicht alles. Es gibt da noch drei Sonderkarten. Eine macht aus allen Karten Einer-Karten, eine wandelt alle Karten in welche von der Sorte um, die gerade angesagt wurde, und die Stopschildkarten neutralisieren die beiden anderen Sonderkarten (oder einander, wenn eine gerade Anzahl von ihnen im Stapel liegt).

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Eine typische Runde könnte ungefähr folgendermaßen laufen:
A (spielt eine Karte vom Stapel): „Eine Maus.“
B (spielt eine Karte aus der Hand): „Ein Fuchs.“
C (spielt eine Karte aus der Hand): „Zwei Mäuse.“
A (spielt eine Karte aus der Hand): „Drei Mäuse.“
B (spielt nichts): „Drei Füchse.“
C: (spielt eine Karte aus der Hand): „Drei Löwen.“
A (spielt eine Karte aus der Hand): „Acht Löwen.“
B: „Zweifel…“
Acht Löwen sind in dieser Runde aber durchaus realistisch, wenn A zum Beispiel im ersten Zug eine Umwandlungskarten gespielt hat, die alle Tiere in Löwen verwandelt, oder auch nur selbst drei Löwen und zwei Joker (und C glaubt). Solche Verläufe sind typisch – es plätschert ein bisschen vor sich hin, bis plötzlich jemand eskaliert. Entweder soll das dann ein Bluff sein, oder der Bluff hat schon vorher stattgefunden. Hier heißt es ein bisschen mitzurechnen und die anderen gut einzuschätzen.

Ein gutes Bluffspiel baut die Spannung innerhalb der Partie oder zumindest innerhalb der Spielrunde langsam auf, so dass man entweder immer verzweifelter oder immer tollkühner blufft (und der Einsatz steigt). Das ist in Bluff im Zoo wunderbar umgesetzt. Anders als in anderen Bluffspielen, die ich kenne, hat halt jede/r etwas in den Topf gelegt und muss über den gesamten Topf spekulieren. Einen Teil davon kennt man und kann ihn einschätzen, beim Rest muss man sinnvoll vermuten. Das ist ein wunderbarer Nervenkitzel.
Ebenfalls innovativ ist es, dass man nicht zwangsläufig eine Karte aus der Hand spielen muss. Eine Karte vom Stapel zu ziehen ist außer bei einem noch sehr kleinen Stapel eine ziemliche Verzweiflungstat. Keine Karte aus der Hand zu spielen ein Zeichen großer Coolness. Durch diese Züge hat man aber jeweils eine Karte mehr auf der Hand als die anderen (sofern sie es einem nicht nachmachen), was ein großer Vorteil sein kann.
Bluff im Zoo funktioniert in meinen Augen am besten zu dritt, sehr gut zu zweit und gut zu viert. Zu fünft oder sechst (laut Angabe auf der Schachtel möglich) taugt es für mich gar nichts, weil der eigene Anteil am Stapel so winzig ist, dass man gar nichts sinnvoll sagen kann, und man bei sehr nervösen Mitspieler/innen oft nur eine einzige Karte gespielt hat, bis der erste Zweifel kommt. Das ist völlig unbefriedigend, und warum diese Angabe für die Spieler/innenzahl gewählt wurde, ist mir schleierhaft.
Bluff im Zoo punktet also mit einem schnellen Spannungsaufbau und hat ein paar durchaus innovative Mechanismen. Und es gibt genügend Lacher. Schwächen sehe ich dagegen kaum. Der deutsche Titel ist furchtbar, denn er klingt einfach zu ähnlich wie das legendäre Zoff im Zoo, das ein völlig anderer Spieltyp ist. Die Grafik ist für Europäer/innen etwas gewöhnungsbedürftig, das ist halt dem taiwanischen Geschmack angepasst und nicht dem deutschen. Damit kann ich selbst aber ganz gut leben. Und natürlich ist es in Deutschland nicht so völlig einfach zu bekommen.
Dafür gibt es jetzt bei Zoch ein deutsches Spiel namens YAK, das auf der Basis von Bluff im Zoo funktioniert. In meinen Augen ist es allerdings doch etwas anderes als eine bloße Neuauflage, denn einige der innovativeren Mechanismen sind getilgt worden. So zieht man am Ende des Zuges nach und muss immer eine Karte aus der Hand spielen. Gespielt wird einfach, bis der Stapel aufgebraucht ist. Das mag durchaus Spaß machen (ich hatte noch keine Gelegenheit, es auszuprobieren) und vielleicht auch massenmarkttauglicher sein, aber mir würde wohl etwas dabei fehlen, weil ich das Original kenne. Andererseits hindert einen natürlich auch nichts weiter daran, YAK mit den Bluff-im-Zoo-Regeln zu spielen, denn das Material ist das Gleiche. Ob sich Zoch einen echten Gefallen mit den Änderungen getan hat, weiß ich nicht, denn YAK scheint nicht unbedingt in aller Munde zu sein. Schlecht ist es aber im Zweifelsfall auch nicht.

Wer Bluffspiele mag, sollte auch diesem eine Chance geben. Der Nervenkitzel ist sein Geld allemal wert.

Gesamtwerung: 8/10

Bluff im Zoo ( 動物園吹牛)
für zwei bis vier (offiziell bis sechs) Spieler/innen
von Bono Light (陳小光)
Illustrationen: Mozi
Verlag: Swan Panasia, 2013

YAK
Illustrationen: Gabriela Silveira
Verlag: Zoch, 2015