Sonntags spiele ich abends oft online mit einer Gruppe aus Nordamerika, die ich von Boardgamegeek her kenne. Mit denen kann ich meiner Leidenschaft für absonderliche Kartenspiele frönen. Meist tummeln wir uns auf playingcards.io, wo man selbst Spiele erstellen kann – ohne die Originalgrafiken, aber man kann halt die Mechanismen mal ausprobieren. So konnte ich schon letzten Sommer Scout kennen und lieben lernen und machte mir gerade Gedanken, wie ich mir das aus Japan besorgen könnte, als Oink Games eine auch in Deutschland erhältliche Ausgabe ankündigte. Da ich nicht nach Essen fahren konnte und es danach erstmal nicht lieferbar war, hat es jetzt bis März gedauert, bis ich es mir selbst zulegen konnte. Mittlerweile habe ich es oft genug gespielt, um es Euch ein bisschen näherbringen zu können.
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Alle kriminell! Außer dem Phantom.
Oink Games gehört zu diesen Verlagen, bei denen mich jedes Spiel neugierig macht. Das liegt am kleinen Format, an der oft spektakulären grafischen Gestaltung, aber vor allem daran, dass ich schon eine ganze Reihe von kleinen Perlen bei Oink entdeckt habe. Wie auch Tricks and the Phantom, das ich vor einer Weile netterweise von Oink Games zur Verfügung gestellt bekommen habe und Euch hier vorstellen möchte.
Vorbericht zur Spiel Digital: Oink Games (Japan)
Unter den asiatischen Verlagen gehört Oink Games zu den ganz wenigen, die eine Zweigstelle in Deutschland haben. Das macht es erheblich einfacher, hierzulande an ihre Spiele heranzukommen. Dass sich das sehr lohnen kann, hat Oink Games ja schon häufiger bewiesen. Auch auf der Spiel Digital ist der Verlag mit den kultigen kleinen Schachteln mit ein paar Neuheiten vertreten, wobei zum aktuellen Zeitpunkt noch gar nicht klar ist, bei welchen der Spiele eine deutsche Version rechtzeitig fertig ist. Auch über eventuelle elektronische Umsetzungen weiß ich noch nichts.
Ich freue mich zum Beispiel schon auf Fafnir von Jun Sasaki. Darin geht es um ein Huhn, das Edelsteine legt. Wie diese unter den Spieler*innen aufgeteilt werden, hängt davon ab, wie viele schon gesammelte Edelsteine man zu opfern bereit ist. Der Wert dieser Juwelen hängt allerdings davon ab, wie viele Leute sie besitzen, sodass man durch seine Opfer diese Werte schnell durcheinander bringen kann.
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Messevorschau 2019, Japan (Teil 2) – Oink Games, Grandoor Games, Gotta2 und andere
Endspurt! Hier kommen noch ein paar japanische Verlage, die auf der Messe vertreten sein werden. Der erste Teil war hier.
JAPAN
Der in Deutschland wahrscheinlich bekannteste japanische Verlag ist Oink Games (5-D100), die ja sogar eine deutsche Zweigstelle haben. Oink Games stellt in Essen diesmal vier Spiele vor, von denen ich zwei schon in Nürnberg gesehen hatte, allerdings noch nicht in deutschen Versionen.

Das von mir bislang am heißesten erwartete Spiel der Messe ist Mr. Face von Jun Sasaki. Das Spiel basiert auf einem an und für sich bekannten Mechanismus: Jemand zieht eine Aufgabe und erschafft etwas, die anderen werfen Aufgaben aus ihrer Hand in den Topf und dann muss man herausfinden, welche Aufgabe die Originalaufgabe war. Das Ganze findet bei Mr. Face mit Gesichtsausdrücken statt, die man aus wenigen simplen Teilen auslegen muss. Wenn man sich drauf einlässt, kann man Messevorschau 2019, Japan (Teil 2) – Oink Games, Grandoor Games, Gotta2 und andere weiterlesen
Drei Tage im Oktober – die Messevorschau 2018 (Teil 3)
In diesem dritten Teil schreibe ich noch mal was über weitere Stände aus Asien, die mich interessieren. Einen vierten und wahrscheinlich fünften Teil wird es auch noch geben, denn gerade asiatische Stände entdecke ich immer noch am laufenden Band. Aber danach wird es auch irgendwann mal Zeit, sich einfach nur noch auf die Messe zu freuen. 🙂
Den indonesischen Pavillon, der unter dem Namen Archipelageek an Stand 3-Q106 zu finden sein wird, hatte ich ja hier im Blog schon angekündigt. Dort sind so viele Spiele zu finden, dass es mir ganz schwer fällt, eine enge Auswahl zu treffen. Da ich Bluffspiele mag, interessiert mich Bluffing Billionaires von Darwin, Desyanto Lie, und Nata Chen (€20), bei dem Superreiche mit ihrem Reichtum einerseits angeben, ihn andererseits aber auch mehren wollen. Mittlerweile habe ich das Spiel übersetzt, das wird es also auch auf Deutsch geben.
Math Cat (€10) stammt von Senno Adi und Ergiena Tria Siani, ist bei Hompimpa erschienen und könnte was für meine Kinder sein, aber da muss ich mir erst mal den Schwierigkeitsgrad angucken.
Aus irgendeinem Grund zieht mich auch Flipeek: Medieval (€20) an, das von Lovita Darwin und Febndy Kwik entwickelt wurde und bei Coralis erschienen ist. Es ist ein sehr kurzes Memory-Spiel, bei dem man jeweils Aufträge erfüllen muss. Kurze Spiele sind bei mir ja ohnehin immer willkommen. Es gibt übrigens auch einen Solitärmodus. Flipeek: Medieval kann man hier vorbestellen. Drei Tage im Oktober – die Messevorschau 2018 (Teil 3) weiterlesen
Sieben Siebener-Siebenecke
Die kleinen Oink-Games sind ja eigentlich immer einen Blick wert, nicht zuletzt deshalb, weil sie sehr attraktiv gestaltet sind. So war ich auch auf Troika wieder sehr gespannt, dessen Schachtel so aussieht, wie ich mir Spieleschachteln wünsche. Klare Linien, viel Atmosphäre, kein hektisches Überfrachten mit irgendwelchen heroisch aussehenden Figuren (was auf so kleinen Schachteln ohnehin nicht wirken würde). Ob sich meine Hoffnung auf ein tolles Spiel erfüllt hat, erfahrt Ihr in dieser Rezension.
Worum geht’s?
Die Spieler/innen befinden sich auf einem Planeten, um Rohstoffe einzusammeln. Leider haben sie keinen Treibstoff mehr, sodass sie auch diesen aufsammeln müssen, um nicht zu stranden. Die gute Nachricht: Man kann jeden Rohstoff auch als Treibstoff benutzen, wenn man genügend davon hat.
In der Tischmitte liegen 49 verdeckte Plättchen – je dreimal die Zahlen 1 bis 6 sowie 8 bis 15, dazu siebenmal die 7. Ein Plättchen wird zu Beginn aufgedeckt und jede/r Spieler/in nimmt sich ein Plättchen verdeckt auf die Hand. Wenn man dran ist, deckt man zunächst ein Plättchen auf und hat dann drei Möglichkeiten: Entweder nimmt man sich ein offenliegendes Plättchen und legt es offen vor sich, oder man nimmt sich ein verdecktes Plättchen auf die Hand (bei einem Handplättchenlimit 3), oder man wirft ein Plättchen ab (verdeckt, wenn es aus der Hand kommt; offen, wenn es auch vorher schon offen dalag). Das macht man solange, bis alle Plättchen aufgedeckt sind. Dann wird gewertet. Ein Drilling aus drei gleichen Plättchen zählt als Treibstoff. Der ist null Punkte wert, aber wer keinen Treibstoff hat, strandet und verliert die Runde auf jeden Fall. Ansonsten sammelt man aufsteigende Reihen aus genau drei Plättchen. Die sind soviele Punkte wert wie die letzte Ziffer der Reihe. 4-5-6 sind also 6 Punkte, 11-12-13 sind 3 Punkte und 8-9-10 ist gar nichts wert. Jedes nicht in eine Kombination eingebaute Plättchen zählt als Müll einen Minuspunkt. Wer die meisten Punkte gesammelt hat, bekommt einen Zweipunktechip, für den zweiten Platz gibt es einen Einpunktechip und wer ohne Treibstoff gestrandet ist, bekommt zwei Minuspunkte. Das spielt man drei Runden lang, um eine/n Gesamtsieger/in zu bestimmen.

Und was ist mit dem Titel Troika? Man kann Troika ansagen, sobald man mindestens fünf Plättchen offen vor sich liegen und Treibstoff, aber keinen Müll hat (auch nicht auf der Hand). Wer zuerst Troika sagt, bekommt fünf Extrapunkte bei der Rundenauswertung. Wichtiger noch kann sein, dass die Runde vorzeitig endet, wenn nur eine Person noch nicht Troika gesagt hat. So kann man also andere unter Druck setzen (in der Zweipersonenversion fällt das Ansagen weg).

Und? Macht das Spaß?
Hmnja. Eigentlich schon. Es ist ein simples Sammeln von Zahlen mit einem clever aufgebauten Wertungskonzept. Dadurch, dass man ein Dreierset sammeln muss, unterbricht man zwangsläufig irgendwo die Möglichkeit, aufeinanderfolgende Reihen zu sammeln. Da außerdem ein Teil des Sammelns verdeckt auf der Hand stattfindet, bleibt man in einem angemessenen Umfang darüber im Unklaren, was noch möglich ist und was vielleicht schon zum Scheitern verurteilt ist. Bei den Siebenern hat man die besten Chancen auf einen Dreier hat, daher reißen sich alle darum, und das macht wiederum das Sammeln der wertvollsten Kombination 7-8-9 schwierig. Das passt schon alles zusammen, Kompliment. Das Troika-Rufen ist hingegen relativ schwierig und funktioniert normalerweise nur, wenn man auch mal das eine oder andere Plättchen abwirft, was wiederum dafür sorgt, dass man Plättchen nicht gern nur deshalb nimmt, damit andere sie nicht kriegen können. Hier hat alles Hand und Fuß, da gibt es nichts zu meckern. Es gibt halt so ein leichtes Rommee-Gefühl, ist aber hinreichend anders, um unabhängig davon Spaß zu machen.
Aber.
Während ich noch bei jedem Oink-Spiel darüber gestaunt habe, wie perfekt genau das benötigte Material in die kleine Schachtel gepasst hat, habe ich bei Troika erstmals ein anderes Gefühl. Die Regeln sagen (genau wie beim neulich besprochenen Star Plus), man solle drei Runden in Folge spielen und dann die Punkte zusammenzählen. Die Punkte bekommt man in Form von kleinen Chips, die einen nicht unerheblichen Teil des Schachtelvolumens füllen. Aber wozu? Ich sehe wiederum keinerlei Grund, nicht einfach eine Runde als eine Partie zu betrachten. Damit brauche ich aber auch diese ganzen Chips nicht. Stattdessen hätte ich mich über mehr Atmosphäre unheimlich gefreut. Irgendein kleines Raumschiff, irgendwas, das mir das Gefühl gibt, tatsächlich auf einem Planeten Treibstoff und Resourcen einzusammeln. Stattdessen gibt es nur Plättchen mit Zahlen drauf. Atmosphärisch war das ein bisschen eine verschenkte Chance, finde ich, und dafür habe ich erstmals bei Oink das Gefühl, es sei zu viel in der Schachtel. Darüber können auch die originellen siebeneckigen Plättchen nicht hinwegtrösten.

Und doch kommt Troika bei uns immer mal wieder auf den Tisch, nicht zuletzt, weil unsere Achtjährige es sehr mag und öfter danach verlangt, es zu spielen. Das ist mir natürlich wichtiger als all der Kleinkram, an dem ich eben herumgemeckert habe. Am Ende steckt doch einiges an Spielspaß in der kleinen Schachtel, und so wird es erstmal in der Sammlung bleiben.
Troika
für 2 bis 5 gestrandete Raumfahrer/innen
von Jun Sasaki, der auch die Illustrationen gemacht hat
Oink Games, 2017 (eine grafisch leicht aktualisierte deutsche Version erscheint 2018)
Vielen Dank an Oink Games für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars.
39 zum Ersten… zum Zweiten… uuund… ?
Es gibt so Spiele, die ein Genre geradezu definieren. Das muss nicht unbedingt daran liegen, dass sie komplett neue Mechanismen einführen. Manchmal schaffen sie es auch einfach, das Wesentliche an einer Spielidee in den Vordergrund zu stellen.
Ein solches Beispiel ist Reiner Knizias Klassiker Modern Art, der mittlerweile 25 Jahre auf dem Buckel hat und in der Zeit in rund einem Dutzend verschieden gestalteter Ausgaben erschienen ist. Zur Messe in Essen kam mal wieder eine neue heraus, nämlich von Oink Games. Als ich erstmals davon hörte, hab ich mich kaum eingekriegt, denn Oink hatte Modern Art schon einmal als „Stamps“ herausgebracht, aber in einer so kleinen Auflage, dass das heutzutage unerschwinglich ist (selbst wenn es einem mal über den Weg laufen sollte). Aber die neue Ausgabe ist tatsächlich neu, nur für den deutschsprachigen Markt lizenziert, und zwar doppelt so groß wie das gewohnte Oink-Format, aber dennoch mit allen Merkmalen, die für den Verlag üblich sind.

Worum geht’s?
Die Spieler/innen führen Auktionshäuser in den Metropolen der Welt. Dort handeln sie mit modernen Bildern von fünf Künstler/innen, die im Spiel durch Karten dargestellt sind. Reihum versteigern sie ein Bild. Wer am meisten bietet, bekommt das Bild, und der/die Auktionator/in das Geld. Sobald von einer/einem Künstler/in fünf Bilder angeboten wurden, endet die Runde und die Bilder werden bewertet. Die Bilder von der/dem Künstler/in, von dem oder der am meisten Bilder angeboten wurden, sind nun 30 wert, für den zweiten Platz gibt es 20 und für den dritten 10. Man verkauft die Bilder sofort (sie kommen aus dem Spiel). Das Ganze spielt man vier Runden lang durch, wobei die Werte der Bilder aufsummiert werden, also am Ende jeweils zwischen 0 und 120 liegen können. Wer anschließend am meisten Geld besitzt, gewinnt.
Auf jedem Bild ist eine Auktionsform abgebildet, die man anwenden muss, wenn man das entsprechende Bild versteigern will. Beispielsweise durch verdeckte Gebote, Reinrufen, einmaliges Steigern reihum, und so weiter. Natürlich versucht man immer, ein Bild mit der besten Auktionsform für die jeweilige Situation auszuwählen.
Und? Macht das Spaß?
Modern Art ist auch nach 25 Jahren über jeden Zweifel erhaben. Da passt so ziemlich alles. Es gibt eine vernünftige Spannungskurve, da die Bilder immer wertvoller werden, man kann taktieren oder vorpreschen, man kann einigermaßen kalkulieren, was der eigene Optimalzug ist, aber dennoch durch einen überraschenden Schachzug anderer Spieler/innen ins Hintertreffen geraten. Das ist einfach eine runde Sache. Richtiges Timing ist dabei das Wichtigste. Das fünfte Bild, das das Ende der Versteigerung auslöst, schenkt man nämlich sozusagen her (man hat keine Einnahmen daraus, kann aber die Runde im richtigen Moment beenden). Das ist immer wieder eine schwere Entscheidung und ein sehr cleverer Mechanismus. Ja, keine Frage, Modern Art ist ein tolles Spiel. Klare Voraussetzung ist allerdings, dass man Versteigerungsspiele mag. Wer daran keine Freude hat, wird Modern Art verabscheuen, weil das Spiel eben nahezu nur aus Versteigerungen besteht. Ich selbst mag das Genre sehr und bin einfach fasziniert davon, wie Knizia es hier auf seine Essenz reduziert hat.
Jahrelang hatte ich eine alte Hans-im-Glück-Ausgabe im Regal, deren Schachtel zwar schon ziemlich runtergerockt war, die aber Kultstatus genoss. Ich erinnere mich gut an die Bieter/innenschlachten um die Bilder fiktiver Künstler/innen wie Yoko, Krypto und Karl Gitter. Allerdings hatten sich die Zeiten etwas gewandelt, und die Leute, mit denen ich das Spiel früher öfter gespielt hatte, waren nicht mehr ohne Weiteres verfügbar. Neuen Spieler/innen den Charme dieser Ausgabe von Modern Art nahezubringen, war aber manchmal schwer, sie sahen darin wohl doch eher so einen Spiele-Oldtimer.
Als mir vor einigen Wochen dann die neue Oink-Ausgabe ins Haus flatterte, war das daher doppelt gut für mich. Erstens konnte ich plötzlich auch Neulinge für das Spiel interessieren (und am Ende auch überzeugen), und zweitens den benötigten Regalplatz um mindestens 80% reduzieren. Und sie ist in meinen Augen sehr gut geworden – prima Materialqualität, keine Luft (das Spielmaterial passt gerade so in die Schachtel hinein), sehr gutes Design. Oink Games hat sogar einen längeren Artikel veröffentlicht, in dem man nachlesen kann, warum das Material so geworden ist, wie es ist. Das ist ungewöhnlich, so etwas habe ich noch nie gesehen (dort gibt es auch bessere Fotos als meine). Aber wahrscheinlich ist es eine gute Idee, denn die Ausgabe kostet 39 Euro, und ob solch ein Preis für die kleine Schachtel am Markt durchsetzbar ist, muss man erstmal sehen. Ich sage immer, dass ich selten große Spiele kaufe, aber das heißt eben auch, dass ich selten teure Spiele kaufe. Normalerweise geht das eben Hand in Hand, und 39 Euro gebe ich extrem selten aus. Es herrscht ja auf alle Fälle eine gewisse Freude an opulenten, großen Schachteln vor (obwohl das Geschrei dann groß ist, wenn so eine Schachtel viel Luft enthält). In jedem Fall ist der Preis ein Wagnis und ich bin gespannt, ob das so funktionieren wird. Als ich in Essen am Stand ein paar weitere Exemplare für andere Leute kaufte, sah ich aber, dass ich nicht der Einzige war, der gleich mehrere eingepackt hat. Irgendwo freue ich mich auch über dieses Experiment. Nicht, weil ich finde, dass Spiele unbedingt teurer werden sollten, sondern weil ich, wenn ein Spiel schon mal im oberen Preissegment angesiedelt ist, nicht auch noch mein Regal mit einer überdimensionierten Schachtel verstopfen möchte.
Auf der Messe in Essen wurden übrigens gleich drei Ausgaben des Spiels vorgestellt – neben der von Oink noch eine aus Korea und eine aus China. Die koreanische (von DiceTree Games) habe ich gesehen, die sah auch klasse aus. Tolles Material (allerdings auch ein in meinen Augen eher sinnloser überdimensionierter Holzhammer), aber eben auch eine wesentlich größere Schachtel. Und in Deutschland natürlich kaum zu bekommen. Aber letztlich zeigt es auch nur, wie attraktiv Modern Art nach all den Jahren immer noch ist.
Gesamteindruck: 9/10
Modern Art
für 3 bis 5 Leute
von Reiner Knizia
Illustrationen von Hick, Ivory, Kaminsky, Mondrian und Okamoto
Oink Games, 2017
Das Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise von Oink Games zur Verfügung gestellt.
Vier Tage im Oktober – Teil 1
Ich kann es nicht leugnen – die Messe in Essen ist ein echter Fixpunkt in meinem Leben geworden. 1990 war mein erstes Mal, und seit 1995 habe ich sie nur zweimal verpasst. Für mich ist es schon immer ein harter Schlag, wenn es mit dem Urlaub nicht hinhaut und ich nur über das Wochenende hin kann. Dieses Jahr sieht es wieder gut aus, ich fahre Mittwochnachmittag hier los und kann dann Donnerstag früh am Start sein.
In den Wochen und Monaten vorher bin ich im Kopf aber mit der Messe auch schon gut beschäftigt. Ich habe nämlich eigentlich kein Budget für Spiele und muss da ein bisschen erfinderisch sein. Meine Fahrkarten habe ich früh und preisgünstig gebucht, Eintrittskarten habe ich über die Spieleautorenzunft bestellt, und ich kann bei Freund/innen in der Nähe von Essen übernachten. Verpflegung bringe ich mir überwiegend selbst mit (obwohl ich abends auch mal essen gehe). So kann ich die Kosten für das Drumherum sehr niedrig halten – aber da sind ja auch noch die Spiele. Auch da muss ich erfinderisch sein. Ich versuche, viele Tauschgeschäfte für gebrauchte Spiele zu organisieren (meist über Boardgamegeek), ebenso verkaufe ich einiges aus meiner Sammlung und kaufe andere gebrauchte Spiele und organisiere jedes Jahr einen Autor/innentausch, bei dem Spieleautor/innen überzählige Exemplare ihrer eigenen Spiele untereinander tauschen können. Für Spiele, die in Essen neu erscheinen, nützt mir allerdings auch das nicht viel, da muss dann doch Geld an den Start. Deshalb mache ich für verschiedene Verlage Übersetzungen und manchmal sonstige Arbeiten, um mir ein Essen-Budget zu verdienen. Das fällt im Vergleich zu dem mancher anderer Leute wahrscheinlich eher bescheiden aus, aber am Ende komme ich doch immer mit sehr vielen tollen Sachen nach Hause. Da hilft es mir, dass ich mich vor allem für die kleineren Spiele begeistern kann (und dass es seit letztem Jahr einen Versandservice von der Messe gibt. Vorbestellungen und Belegexemplare sammele ich möglichst schon am Donnerstag ein und schicke sie dann ab, bevor die Schlangen zu fies werden). Außerdem fahre ich ja hauptsächlich deshalb nach Essen, um tolle Leute aus der ganzen Welt zu treffen und mit ihnen glücklich zu sein. Ich muss ja gar nicht alles haben, und ein Impulskäufer war ich noch nie.
Aber trotz alledem muss ich wählerisch sein. Es gibt hunderte von Neuerscheinungen in Essen, die ich einigermaßen interessant finde, und es ist für mich wichtig, mich vorher genau zu informieren, um dann so gut wie möglich auszusuchen. Manchmal liege ich natürlich dann trotzdem daneben, aber ich tue mein Bestes, Enttäuschungen zu minimieren. Hier kommen jetzt wenige größere und viele kleinere Spiele, auf die ich ein Auge geworfen habe. Das könnt Ihr als Empfehlungen sehen, aber bitte denkt daran, dass ich die Sachen selbst auch noch nicht gespielt habe. Ich lasse jetzt ein paar deutsche Neuerscheinungen von größeren Verlagen weg, die ich hinterher ohnehin problemlos im Spieleladen finden kann. In Essen bin ich auf der Suche nach anderen Dingen. Also, folgendes ist mir ins Auge gefallen (und leider werde ich mir das selbst auch nicht alles leisten können – aber einiges möchte ich mir auch einfach nur angucken):
Wer am Donnerstag auf der Messe ist, sollte sich überlegen, schnellen Schrittes zu Cwali zu gehen und zu sehen, ob noch ein Restexemplar von Powerships von Corné van Moorsel zu kriegen ist. Ich hatte das Glück, hiervon einen Prototypen spielen zu können und habe es auch auf Kickstarter unterstützt (mein erstes erfolgreiches Kickstarter-Spiel), und ich finde es toll. Würfelspiele haben es bei mir immer ein bisschen schwer, aber bei Powerships ist das Würfeln mit einem sehr schönen Mechanismus eingebaut. Der Vorgänger Powerboats war schon schön und wird heiß gesucht. Ich hoffe für Powerships auf etwas besseres Material (bei Powerboats war der zusammengepuzzelte Plan ein bisschen wellig), aber in jedem Fall bekommt man hier ein tolles Rennspiel, wo es richtig zur Sache geht und wo man auch mal gegen einen Asteroiden dengeln kann. Macht man im Alltag ja doch eher selten.
Verlag: Cwali (1-G125)
Preis: €32. Wird vermutlich schnell ausverkauft sein – wenn es überhaupt rechtzeitig fertig wird. Es wird ein Rennen von der Fabrik zur Messe. Hoffen wir das Beste.
Ein weiteres teureres Spiel, das ich mir vorbestellt habe, ist Tokyo Highway von Naotaka Shimamoto und Yoshiaki Tomioka. Man baut aus einer Art Eisstäbchen ein Gewirr an Straßen, sehr schön dreidimensional und unregelmäßig. Als ich vor einigen Monaten zum ersten Mal davon gehört hatte, hatte ich noch gedacht: Seufz, da werde ich wohl nie drankommen. Aber dann wurde es doch ein ziemlicher Erfold, und der Verlag itten wird sogar einen eigenen Stand auf der Messe haben. Und wo ich schonmal dabei war, habe ich mir auch das Kartenspiel Hatsuden von Naotaka Shimamoto mit vorbestellt, das mir sehr empfohlen wurde.
Verlag: itten (8-C136)
Preis: €35 (Tokyo Highway), €15 (Hatsuden). Vorbestellung hier.
Kurz vor dem Hyperventilieren stand ich vor einigen Tagen, als ich von Oink Games hörte, dass sie Modern Art von Reiner Knizia neu rausbringen würden. Die Mutter aller Auktionsspiele ist ja in vielen verschiedenen Versionen erschienen, darunter einigen hübschen und einigen legendären. Keine aber ist derartig begehrt wie die, die Oink Games vor einigen Jahren unter dem Namen „Stamps“ herausgebracht hat und bei der man um Briefmarken handelt. Winzige Schachtel, tolles Design – aber Sammler/innen müssen heutzutage locker mehrere Hunderter für dieses Kleinod auf den Tisch legen, und das ist für mich außer Reichweite. Ich habe dann nachgefragt und erfahren, dass es sich um ein völlig neues Design handeln wird, das exklusiv für Deutschland und Österreich ist. Es wird größer und teurer werden als die normalen Oink-Spiele, aber es enthält eine kleine Holzstaffelei. Ich glaube, ich bin verliebt… und wenn man dann noch bedenkt, dass ich sowieso bei Oink vorbeigucken möchte, um mir Startups von Jun Sasaki zuzulegen, werde ich allemal einen genauen Blick draufwerfen. Startups ist ja schon ein Weilchen im Umlauf, aber noch auf keiner Messe präsentiert werden. Mein geschätzter Bloggerkollege Daniel von Knopfspiele nannte es neulich mal sein Lieblings-Oink-Spiel, und da kann ich dann wohl nicht dran vorbei.
Verlag: Oink Games (6-D101)
Preis: Noch unklar (Modern Art), vermutlich rund €18 (Startups)
Bleiben wir noch einen Moment bei den japanischen Spielen und wenden uns dem Stand von Japon Brand zu. In den letzten Jahren war das ja immer ein wirklich heiß umlagerter Ort, und von dort haben einige Spiele ihren Siegeszug um die Welt angetreten, wie zum Beispiel Love Letter oder Machi Koro. Japon Brand ist so eine Art Dachverband japanischer Kleinverlage. Die Spiele sind immer ein bisschen eine Wundertüte, man weiß nicht recht, was einen erwartet, auch wenn man die Regeln liest. Einige der Spiele, manchmal auch gute, findet man anschließend nie wieder irgendwo, und daher sollte man gut hingucken. Da ich für Japon Brand ein paar Spiele übersetzt habe, habe ich eine Art Extra-Budget für meinen Einkauf dort zur Verfügung… und ich werde voraussichtlich 13 der 17 angebotenen Spiele mitnehmen. Am meisten haben es mir die beiden folgenden angetan:
Da ist einmal Sakura Hunt von Yu Maruno, bei dem es darum geht, den perfekten Anblick der japanischen Kirschblüte zu erleben. Das ist eins der Spiele, die ich übersetzt habe, und die Regeln gefallen mir sehr gut, es scheint kurz und interaktiv zu sein. Das ist sicherlich auch was für einen größeren Markt, und ich würde mich nicht wundern, wenn wir das nochmal in einem anderen Verlag wiedersehen würden. Das spektakulärste Spiel, was Japon Brand mitbringt (oder sogar: was es auf der Messe geben wird), ist dieses Jahr allerdings sicherlich Samurai Dori von kamado und nettaigyo, ein Fächerwurfspiel. Sowas gibt es in Japan wohl schon länger, aber das hier ist offenbar eine neuere Version, und an die traditionellen Sachen kommt man hierzulande ja auch nicht so einfach dran. Ich habe keine Ahnung, wie oft ich die Gelegenheit haben werde, das zu spielen, aber ich freu mich drauf wie ein Schneekönig. Ihr könnt Euch ja mal dieses Video ansehen, um einen Eindruck zu bekommen.
Ebenfalls sehr ansprechend finde ich Perfect Hotel von Hiroshi Kawamura (ich denke, Ihr könnt selbst erraten, was man in dem Spiel machen muss) und das abstrakte Tagiron von Ryohei Kurahashi. Dann gibt es noch Wing Spirits von Satochika Daimon, bei dem man Tischtennisbälle anschnibbeln muss (Geschicklichkeitsspiele mag ich ja ohnehin oft), und wer eine echte Wundertüte haben will, sollte sich Ars Combinatoria von Sugioka Kazuki angucken, das ist eine Sammlung von fünf Spielen rund um die Themen Zeit und menschliche Interaktion.
Stand: Japon Brand (7-D100)
Preis: €17 (Sakura Hunt), €52 (Samurai Dori). Vorbestellung hier. Die Spiele sind ohne Vorbestellung vor Ort einen oder zwei Euro günstiger, aber wenn man darauf spekuliert, sollte man am Donnerstag auch schnell sein.
Etwas Ähnliches wie Japon Brand gibt es auch für die taiwanischen Verlage, nämlich TBD (Taiwan Boardgame Design). Da ich selbst einige Jahre in Taiwan gewohnt habe, liegt mir die dortige Szene besonders am Herzen, und ich freue mich sehr darüber, wie viele toll aussehende Spiele dieses Jahr von dort kommen. Der Renner wird sicherlich Shadows in Kyoto von Wei-Min Ling sein, über das ich ja schon etwas geschrieben hatte. Der bis vor Kurzem hierzulande noch völlig unbekannte Verlag EmperorS4 wird langsam zu einer echten Erfolgsgeschichte. Neben Shadows in Kyoto bringt er gleich noch vier weitere Spiele an den Start, von denen ich Crows Overkill von Roy Nambu sicherlich haben möchte. Dabei dreht es sich um ein Zitat aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, bei dem ein Mann, der das Rotlichtviertel verlassen muss, wenn man die ersten Vögel hört, diese am liebsten alle umbringen würde. Was ist das denn bitte für eine Thematik? Auch Herbalism von Eros
Lin und Liu Xiao ist und Mystery of the Temples (ebenfalls von Wei-Min Ling) gehören in die gleiche Reihe wie Hanamikoji und Shadows in Kyoto, also fackele ich da ebenfalls nicht lange. Mystery of the Temples ist noch dazu von Maisherly illustriert und interessiert mich schon deshalb. Aber TBD hat auch noch andere leckere Sachen zu bieten: Birdie Fight von Yuo suche ich schon länger, nun kommt es offenbar unter dem Namen Songbirds neu heraus, und in der aktuellen Ausgabe kann ich es mir erheblich besser leisten als vorher, zumal ja keine Portokosten dazukommen. Man legt Vogelkarten in Reihen aus und versucht dabei, Mehrheiten zu erlangen. Erst am Ende offenbart man allerdings, welche Vogelart man unterstützt hat. Hier heißt es, sich viele Optionen bis zum Schluss aufzubewahren. Harvest Island von Chen Chih-fan spricht mich auch sehr an, das ist wieder ein ganz anderer Stil, obwohl es auch hier wieder um Natur und Pflanzen und sowas geht.
Offenbar muss man das Wetter richtig deuten, um die beste Ernte einzufahren. Taiwan Monsters Brawl von Lin Hung-Che ist wahrscheinlich außerhalb meiner persönlichen Preisklasse, sieht aber einfach sagenhaft aus. Ich freue mich ja immer, wenn Verlage mal einen neuen Weg gehen, was die Gestaltung angeht. Und hier istdas eindeutig der Fall, etwas in dieser Art habe ich noch gar nicht gesehen. Man übernimmt die Rolle eines Monsters und versucht, das Mächtigste von allen zu werden. Nebenbei lernt man als Spieler/in etwas über die Monster aus der taiwanischen Mythologie. Auch immer nützlich.
Village of Horror von Tsai Huei-Chiang und Chiu Tacheng (das ich ebenfalls übersetzt habe), habe ich schon bekommen und einmal gespielt, das hat auch einen guten Eindruck gemacht. Es ist ein Werwolfspiel, aber nicht sowas, wie man denkt (es geht eher darum, sich im Laufe einer Spielrunde auf die Siegerseite zu schlagen). Schließlich habe ich gerade mit der Übersetzung zu My Story von Smoox Chen begonnen – da ist es noch ein bisschen früh, etwas Relevantes dazu zu sagen. Ihr seht hoffentlich, dass es unumgänglich ist, dem TBD-Stand einen ausgiebigen Besuch abzustatten.
Stand: TBD (7-D108)
Preise: je nach Spiel. Vorbestellung hier. Anders als bei Japon Brand sind die Spiele bei Vorbestellung ein paar Euro günstiger.
Das war’s für diese Woche. Im zweiten Teil erwarten Euch dann meine Eindrücke von ein paar Spielen, die nicht aus Asien kommen.
Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber/innen.
Mittendrin statt nur dabei.
Auf der Nürnberger Messe hatte ich noch ein weiteres Rezensionsexemplar von Oink Games bekommen, nämlich das Partyspiel Insider.
Worum geht’s?
Die mindestens 4 (besser mehr) Spieler/innen ziehen Rollenkarten, nämlich Spielleiter/in (der/die sich outen muss), Insider/in und Bürger/innen. Anschließend wird aus einem Kartenstapel ein Begriff ausgelost, den nur Spielleiter/in und Insider/in erfahren (letztere/r, ohne, dass die anderen es merken). Dann wird eine Sanduhr umgedreht, und alle versuchen, herauszufinden, was der Begriff ist, indem sie dem/der Spielleiter/in Ja-Nein-Fragen stellen. Wird der Begriff erraten, wird die Sanduhr sofort wieder umgedreht. Jetzt beginnt eine Diskussion darüber, wer der/die Insider/in war. Für diese Diskussion gibt es genauso viel Zeit, wie zum Erraten des Begriffes benötigt wurden. Wird der/die Insider/in (in einem zweistufigen Verfahren) von der Mehrheit der anderen (einschließlich Spielleiter/in) identifiziert, gewinnen alle, falls nicht, gewinnt der/die Insider/in.
Wird der Begriff aber gar nicht erraten, verlieren gleich alle. Das sollte im Normalfall eigentlich nicht vorkommen, denn der Insider/in kennt ja den Begriff und kann ihn jederzeit „raten“.
Und? Macht das Spaß?
Ja, das ist lustig. Wer Kinder hat, wird wahrscheinlich sowieso öfter in längere Sitzungen von Tiere-Raten oder sonstigen Ja-Nein-Fragespielen verwickelt, und da schadet es nicht, diesen ein bisschen Pep zu verleihen. Das ist bei Insider eindeutig gelungen. Aber warum eigentlich?
Das einzig Komplizierte an dem Spiel sind die Diagramme, anhand derer erklärt wird, wer eigentlich gewonnen hat. Wenn man es einmal verstanden hat, ist es aber kein großes Problem mehr. Der einfachste Fall ist, dass alle verlieren, wenn der Begriff gar nicht erraten wird. Das hat am Ende der/die Insider/in ja in der Hand. Wenn diese/r entweder weniger motiviert ist oder nicht weiß, was er/sie fragen soll oder nichts verstanden hat, werden sozusagen alle mitbestraft. Das passt zwar zum Spiel, ist aber durchaus schräg (und in einer unserer Partien tatsächlich vorgekommen und war recht unbefriedigend). Der Mechanismus dient aber sicherlich eher für das Gegenteil, nämlich um zu verhindern, dass die Bürger/innen nichts sagen und damit den/die Insider/in outen.
Es sind eben alle Leute verschieden. Einige haben Spaß am Fragen und stoßen so ungeniert Richtung Lösung vor, dass der/die Insider/in sich eigentlich fast im Hintergrund halten kann, während andere fast gar nichts sagen, weil sie vielleicht etwas schüchterner sind oder gerade keine Ideen haben. Und erst, wenn man drei oder vier Runden hintereinander weggespielt hat, lernt man, die feinen Veränderungen im Verhalten der Leute zu bemerken. Ist jemand, der sonst sehr still war, plötzlich aktiver? Oder anders herum? Wenn man so weit ist, so etwas beobachten zu können, wird Insider ein richtig schönes Detektivspiel. Das merkt man an der Diskussionsphase – während man bei den ersten Partien vor allem darauf achtet, was gesagt wird, geht es später mindestens genauso stark darum, wie etwas gesagt wurde.
Eine für mich interessante Beobachtung war, dass ich, ähnlich wie bei A Fake Artist Goes to New York, beim Spielende eigentlich gar nicht in der Kategorie Gewinnen und Verlieren gedacht habe. In beiden Fällen freut man sich, wenn man unerkannt geblieben ist. Dass man von der Spielregel als Gewinner/in oder Verlierer/in bezeichnet wird, ist eigentlich nur dazu da, um das Spielziel zu erläutern. Wenn ich zum Beispiel ein Wirtschaftsspiel spiele, weiß ich, dass ich mehr Geld sammeln muss als die anderen, um zu gewinnen. Darüber denke ich beim Zählen meines Geldes durchaus aktiv nach. Ebenso weiß ich bei einem Rennspiel jederzeit, dass ich der Gewinner bin, wenn ich zuerst im Ziel ankomme. Noch extremer ist es bei einem Punktesalat-Spiel, wo ich im Kopf ständig meine Punkte zähle und überlege, ob es wohl mehr sind als den anderen. Bei Insider oder A Fake Artist Goes to New York dagegen fühlt sich Gewinnen und Verlieren anders an, es tritt in den Hintergrund, vielmehr dominiert die kichernde Freude über das Ertappen oder über das Nicht-Ertapptwerden. Das mag ich.1

Letztlich steht und fällt Insider wie so viele Partyspiele mit der Gruppe. Man braucht ein paar kommunikative Leute, die Lust an Knobelei haben, dann gibt es viel zu lachen. Wenn man die zusammenhat, fällt es kaum noch ins Gewicht, dass das Spiel nicht unbedingt ausbalanciert ist. Es geht um den Moment und nicht um die langfristige Planung. Und am Ende sagen alle: „Noch mal!“
Trotzdem gefällt mir der Fake Artist noch ein klein wenig besser, weil er innovativer ist, einen intuitiveren Einstieg und noch ein wenig mehr zu lachen bietet. Ich würde aber beide jederzeit gern spielen und kann auch den Insider bedenkenlos weiterempfehlen.
Gesamteindruck: 7/10
Insider
von Akihiro Itoh, Kwaji, Daichi Okano, Kito Shinma
für 4 bis 8 Leute
Gestaltung von Jun Sasaki
Oink Games, 2016
1 Mit diesem Thema habe ich mich im Rahmen einer Spielentwicklung mal länger beschäftigt. Bei jenem Prototypen gab es keine formelle Siegbedingung, sondern nur ein „Das Spiel endet, wenn bei jemandem das und das passiert.“ Was das bedeutete, wurde aus dem Spiel selbst klar. Ich träume bis heute davon, dass wir dieses Spiel mal wirklich fertig kriegen.
Das ist spitze! Oder mehrere.
Ich bitte eher selten Verlage um Rezensionsexemplare, weil ich dieses Blog aus Leidenschaft schreibe. Da möchte ich mich nicht verpflichtet fühlen, über etwas zu schreiben, was mir nicht so gefällt oder wozu ich (noch schlimmer) keine rechte Meinung habe, weil es sich nicht ergeben hat, es öfter zu spielen. Um also wirklich selbst initiativ zu werden, muss ich schon ziemlich überzeugt sein, dass es sich lohnt. Oink Games beziehungsweise die Spiele von Jun Sasaki sind so ein Fall – ich mag deren Stil einfach und war daher hoffnungsfroh, dass ich wieder etwas Interessantes finden würde. Zum ersten Mal seit dem Start dieses Blogs schreibe ich daher den Satz: Das Rezensionsexemplar von The Pyramid’s Deadline wurde mir freundlicherweise von Oink Games Deutschland zur Verfügung gestellt. Danke schön!
Worum geht’s?
Der kluge Pharao baut vor. Kaum ist er in Amt und Würden, denkt er schon an seinen Tod, denn das Grabmal, in dem er für die Ewigkeit ruhen will, muss erstens bis zu seinem Ableben fertig und zweitens möglichst imposant sein. Eine Pyramide wäre zum Beispiel schön. Falls es dafür nicht mehr reichen sollte, dann wenigstens sowas Ähnliches.
Die Spieler/innen sind Baumeister/innen, die nun aus grob gehauenen Steinen ein möglichst imposantes Grabmal für den Pharao bauen. Wer nicht fertig wird, bis der Pharao das Zeitliche segnet, wird gleich selbst begraben. Von den fertiggestellten Grabmälern sucht der Pharao sich dann das Imposanteste aus und der oder die verantwortliche Baumeister/in gewinnt das Spiel. Die Punkte für ein Bauwerk kann man nach einer simplen Formel berechnen: Breite mal Höhe minus Zahl der Spitzen. Fertig ist ein Bauwerk nur dann, wenn es erstens kein einziges Stück Flachdach mehr hat und zweitens keine senkrechte Wand mehr als einen Baustein lang ist.
Das Spiel besteht aus einer Menge kleiner Bauteile in fünf verschiedenen Formen. Die Formen sind auch auf den Seiten der sieben Würfel abgebildet, wobei das Quadrat auf jedem Würfel doppelt vorkommt. Die quadratischen Teile haben eine Sonderfunktion, denn sie sind nicht nur Bauteile, sondern stellen auch die Lebenszeit des Pharaos dar.
Ein/e Spieler/in würfelt mit allen Würfeln (wobei es von der Spieler/innenzahl abhängt, wie viele Würfel im Spiel sind). Der oder die nächste darf sich nun einen der Würfel aussuchen und das Teil an das eigene Grabmal anbauen, das dieser Würfel zeigt. Das machen nun alle anderen reihum auch, bis nur noch ein Würfel übrig ist. Dann wird erneut gewürfelt, und so weiter. Der Pharao stirbt, wenn jemand ein quadratisches Plättchen nehmen muss, aber keins mehr vorhanden ist. Dann werden alle fertigen Bauwerke gewertet.
Während des Bauens kann man das eigene Bauwerk jederzeit als fertig deklarieren und damit aus dem Spiel aussteigen. Das kann dazu führen, dass die anderen in der aktuellen Runde mehr Teile nehmen können (oder auch müssen), als sie eigentlich geplant hatten. Eine gewisse Unberechenbarkeit ist also im Spiel.
Ein paar Kleinigkeiten gibt es noch: Simple Bauregeln zum Beispiel, und ein Reservebauteil, was man jederzeit statt des gerade genommenen Teils in sein Bauwerk einbauen kann.

Und? Macht das Spaß?
Ja, durchaus. Die Zeitangabe 20 Minuten, die sich auf der Schachtel findet, ist schon recht hoch gegriffen, mit wenigen Spieler/innen geht es meist noch wesentlich flotter. Wir haben fast immer zwei oder drei Partien in Folge gespielt, denn das Spiel hat einen gewissen Suchtfaktor und man hofft von Partie zu Partie, es doch noch besser hinzukriegen. Dabei verhält es sich bei verschiedener Spieler/innenanzahl recht unterschiedlich. Weil zu zweit jede/r drei Würfel pro Runde nimmt, kann man einiges vorausberechnen, dafür kann das Spiel bereits nach der zweiten Runde vorbei sein Mit mehr als vier Leuten bekommt man nur einen Würfel pro Runde und es gibt auch mehr Runden. Meiner Erfahrung nach achtet man dabei hauptsächlich auf sich selbst, während man zu zweit auch mal das zweitbeste Bauteil nimmt, damit der oder die andere es nicht kriegt. Was man davon bevorzugt, muss man selbst wissen. Mit mehr Spieler/innen ist es eben lockerer, was dem letztlich harmlosen Spiel vielleicht eher gerecht wird. Seltsamerweise habe ich meine Dreierpartien am wenigsten genossen – entweder mit Haken und Ösen zu zweit oder als lockeres Bauspiel mit vier oder mehr Leuten. Das Dreierspiel hing so ein bisschen dazwischen. Das mag aber auch an den jeweiligen Runden gelegen haben.

Das Material ist, wie bei Oink Games gewohnt, erstklassig. Stabile Bauteile, Holzwürfel, die typische kleine Schachtel, die aber randvoll ist. Da stimmt alles. Der Titel des Spiels hatte mich zuerst stutzig gemacht, denn eigentlich hätte es nahe gelegen, das Spiel „The Pharao’s Deadline“ zu nennen. Aber mittlerweile habe ich meine Meinung da geändert. Nicht der Pharao gibt ja die Bauzeit vor, sondern man könnte es eher so verstehen, dass die stressigen Bauarbeiten an seiner Gesundheit zehren. Die Pyramiden haben dagegen schon fast ein Eigenleben.
Trotz des Push-your-Luck-Anteils kann The Pyramid’s Deadline es nicht ganz mit dem herausragenden Tiefseeabenteuer aufnehmen. Aber die beiden Spiele sind unterschiedlich genug, um für sich selbst zu stehen, diese kleinen Schachteln passen ja auch zu mehreren ins Regal; Platzprobleme kriege ich mit denen nicht.

Für Fans der Oink-Spiele ist es also allemal eine Empfehlung. Wer diesen kleinen Verlag noch gar nicht kennt und auf kleine Spiele steht, sollte ebenfalls dringend mal einen Blick drauf werfen.
Gesamteindruck: 7/10
The Pyramid’s Deadline (死ぬまでにピラミッド)
für 2 bis 6 Baumeister/innen
von Jun Sasaki (佐々木隼)
Gestaltung ebenfalls von Jun Sasaki
Oink Games, 2016