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Nerve Split

Meistens schreibe ich in diesem Blog über Spiele, die mir gefallen. Wenn ich ein Spiel nicht mag, spiele ich es normalerweise gar nicht oft genug, um eine wirklich fundierte Meinung darüber kundzutun. Heute müsste ich mal wieder eine Ausnahme machen. Meine Kinder haben mich mittlerweile zu rund dreißig Partien Banana Split genötigt, und da muss ich meinen Frust über diesen Müll doch mal rauslassen.

Banana Split

Wir befinden uns in einer Eisdiele und konkurrieren darum, die lukrativsten Eisbecherbestellungen fertigzustellen. Je nach benötigter Menge der insgesamt vier Topping-Sorten ist das unterschiedlich aufwendig und bringt unterschiedlich viele Punkte.
Auf dem Spielplan liegen jeweils vier Eisbecher aus. Wer dran ist, kann entweder alle Toppings, die für einen davon benötigt werden, ablegen, sich den Eisbecher schnappen und Punkte dafür kassieren (zwei pro Topping) und schließlich zwei Toppingkarten nachziehen. Oder aber nur das oberste Topping ausspielen und den Becher vor sich auslegen, um ihn später (meist irgendwo gegen Ende des Spiels) fertigzustellen. Dann zieht man nur eine Karte nach. Zwei Banana Splits sind im Spiel – sie sind 20 Punkte anstatt der sonst zu ergatternden 4 bis 14 wert und können nicht nur mit einem Satz aller vier Toppingkarten eingesammelt werden, sondern auch mit einer Jokerkarte (dafür muss man sie sofort fertigstellen und kann sie nicht zurückstellen).
Ein paar Sonderkarten erlauben es, zusätzliche Karten nachzuziehen oder einen zusätzlichen Zug zu machen. Schließlich sind da noch die Löffelkarten, mit denen man einen unfertigen Eisbecher übernehmen kann. Das Ganze setzt man solange fort, bis alle Bestellungen abgearbeitet sind. Wer dann die meisten Punkte kassiert hat, gewinnt das Spiel.

Banana Split

Und? Macht das Spaß?
Nein. Eine Partie lässt sich durchhalten, zwei mit netten Kindern auch noch, danach wird es zur Qual. Die Probleme liegen in diesem Fall für mich eher auf Verlags- als auf Autorenebene: Es hätte ein leidlich ordentliches Spiel daraus werden können, aber die Fehlentscheidungen springen einen geradezu an. Es beginnt beim Material. Der Spielplan ist sehr dünn und liegt nicht flach auf, sondern funktioniert überhaupt nur dann schlecht und recht, wenn der Toppingkartenstapel ihn runterdrückt. Vielleicht ist das der Grund, dass so viele Karten im Spiel sind? Ansonsten sind die Bestandteile reichlich wahllos hinzugefügt. Wozu überhaupt Zählchips beiliegen, erschließt sich nicht, die abgehandelten Karten lassen sich genauso leicht auszählen. Das wiederum hat aber bei US Games offenbar niemand gemacht, denn es sind mehr Chips in der Schachtel, als man brauchen kann (das Spiel endet ja erst mit dem letzten Eisbecher, es ist also von vornherein ganz genau klar, wie viele Chips nötig sind). Die Sichtschirme falten sich von sich aus zu einer Art Dreieck zusammen, das ist zum Verstecken von Karten dahinter eher unpraktisch (und auch unsere Sechsjährige hält die Karten lieber in der Hand, als sie hinter dem Schirm zu verstecken – sie lässt diesen als Dreieck stehen und wirft ihre Punktechips hinein wie in ein Sparschwein). Stattdessen sorgen sie dafür, dass die Schachtel, deren Deckel an einer Seite befestigt ist, nicht ganz plan schließt.

Banana Split
Zu Beginn legt man den Plan, äh, flach auf den Tisch.

Aber auch bei den Spielregeln gibt es für mich viel zu kritisieren. Einen ersichtlichen Grund, mehr als eine Karte auf einen Eisbecher zu legen, den man nicht fertigstellen kann, gibt es nicht – es erhöht nur die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ihn klaut, ohne dass dieses Risiko irgendwelche Vorzüge hätte – schließlich gibt es kein Handkartenlimit. Die Banana-Split-Eisbecher, die ein Spiel dann einigermaßen sicher entscheiden, wenn jemand beide ergattert, sind eigentlich reine Zufallselemente. Allenfalls kleinere Kinder würden nicht darauf achten, sich jederzeit die vier für einen Banana Split nötigen Zutaten zurückzuhalten. Oder, besser noch, einen Joker, mit dem man den Banana Split aus in keiner Weise mit dem Spielkonzept zusammenhängenden Gründen geschenkt bekommt.
Man stelle sich vor, der/die Startspieler/in habe zwei Joker und eine „Mache noch einen Zug“ auf der Hand, und es liegen zu Beginn beide Banana Splits aus… dann ist das Spiel mit dem ersten Zug entschieden. Bis es dann allerdings wirklich vorbei ist, kann man entspannt Tolstois Gesamtwerk durchlesen oder ein bisschen der Kontinentalverschiebung zusehen. Das Fürchterlichste am ganzen Spiel ist nämlich das Ende. Das tritt allen Ernstes erst dann ein, wenn alle Eisbecher abgearbeitet sind. Wenn nun jemand noch zehn unerledigte Eisbecher vor sich liegen hat und die anderen keine mehr, kann er oder sie diese in Ruhe abarbeiten, während die anderen Runde um Runde je eine Karte ziehen und auf einen Eislöffel hoffen, um eventuell noch ein paar Punkte aufholen zu können. Das ist derartig stupide, dass man eine solche Regel kaum glauben kann. Da hätte die Redaktion unbedingt eingreifen müssen. Und wieso man überhaupt in einer Eisdiele einen Haufen halbfertige Eisbecher herumstehen lässt, weiß der Habicht. Das Eis schmilzt doch. Meine zur Wahrung der Contenance empfohlene Hausregel ist, dass das Spiel endet, wenn nur noch eine/r unerledigte Eisbecher vor sich liegen hat – dann kommt so ein kleiner Hauch Taktik dazu. Aber leider will meine Tochter sich nicht so recht darauf einlassen…

Banana Split
Fünf unvollständige Eisbecher

Ob man die Illustrationen nun mag oder nicht, ist Ansichtssache. Ich finde sie nichtssagend, aber meiner Tochter gefallen sie. Also stelle ich meinen Geschmack da mal ein wenig zurück.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass mir nichts aufgefallen ist, was die Existenz dieses Spiels irgendwie rechtfertigen würde. Was aber bringt einen renommierten und allemal für Qualität bekannten Verlag wie Amigo dazu, sowas rauszubringen? Wie mir mal zugeflüstert wurde, war die Lizenz von U.S. Games Teil eines Pakets, geknüpft an die Bedingung, es unverändert zu lassen. Das erscheint mir plausibel, denn sowas kennt man von Amigo ansonsten nicht.

Banana Split ist übrigens eine Weiterentwicklung eines Werbespiels namens PEZ von Mike Fitzgerald aus dem Jahre 2000. Auf der Webseite von U.S. Games wird sein Name aber gar nicht genannt, sondern der von Lynn Araujo und Judy Boginski, die es lediglich in ein Spiel über Eis umgewandelt hatten. Das finde ich schon ein bisschen schäbig, insbesondere weil die Bearbeitung ja nichts ist, worauf man stolz sein könnte (die genauen Unterschiede kenne ich ansonsten nicht). Dass Fitzgerald nicht vorn auf der Schachtel genannt wird, führt bei einer Rezension normalerweise zur Abwertung, aber hier gibt es nicht mehr viel abzuziehen – da ist nichts zu retten.

Wer jetzt meint: „Aber es könnte meinen Kindern gefallen“, sollte die Möglichkeit im Hinterkopf behalten, dass diese Kinder es dann auch mit einem spielen wollen könnten. Und es gibt ja nun wirklich eine Menge besserer Kinderspiele. Also: Finger weg von Banana Split.

So, das hat gut getan.

Gesamteindruck: 2/10

Banana Split
für 2 bis 4 Opfer
von Mike Fitzgerald (Urversion), Lynn Araujo und Judy Boginski (Bearbeitung)
Illustrationen von Judy Boginski
U.S. Games 2007, Amigo 2014