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„Push your luck“ mit immer mehr Tiefgang

Eigentlich bin ich ja der mit den exotischen japanischen Spielen, aber heute betrete ich mal eine Grauzone. Japanisch ja, aber eigentlich geht es heute gar nicht um ein exotisches Spiel, sondern um Tiefseeabenteuer von Jun und Goro Sasaki, erschienen bei Oink Games, sogar in einer deutschen Ausgabe. Das Spiel ist mittlerweile zwei Jahre alt und längst normal erhältlich, und als Insidertipp geht es sicher nicht mehr durch. Ich finde es aber so gut, dass ich nicht umhin kann, es auch in diesem Blog mal zu loben.

Der Verlag Oink Games ist für seine Spiele in kleinen, schön gestalteten Schachteln bekannt, die ganz wunderbar in jede Regallücke passen, sich aber auch als Sammlung gut ausmachen. Tiefseeabenteuer ist da keine Ausnahme. Das Schächtelchen ist randvoll mit schön gestaltetem Material in guter Qualität, da gibt es nichts zu meckern.

Deep Sea Adventure

Die Spieler/innen wollen von einem etwas klapperigen U-Boot aus in die Tiefsee tauchen und möglichst wertvolle Schätze heraufbringen. Unter dem Boot liegen diese Schätze in Form von verdeckten Plättchen aus, wobei die Plättchen in geringerer Tauchtiefe von geringem Wert, die in großer Tiefe aber sehr wertvoll sind. Natürlich gilt es, möglichst wertvolle Schätze einzusammeln und rechtzeitig zum U-Boot zurückzubringen, bevor der Sauerstoff ausgeht. Dabei gilt: Je mehr Schätze man trägt, desto langsamer bewegt man sich und desto mehr Sauerstoff verbraucht man. Der Haken an der Sache ist, dass alle am gleichen Sauerstofftank hängen. Wenn also die anderen zu gierig sind, kann das auch die eigenen Chancen deutlich mindern.

Die Spielfiguren bewegen sich mit Hilfe von zwei Würfeln fort, die jeweils die Zahlen eins bis drei zeigen. Zunächst bewegt man sich in die Tiefe. Je nachdem, wie geduldig die Runde ist, kann man problemlos ganz bis nach unten zu den lukrativsten Schätzen tauchen. Allerdings ändert sich alles, sobald jemand ein Schatzplättchen oder mehrere Schatzplättchen an sich nimmt und wieder nach oben zum U-Boot zurückkehren will. Denn für jedes Schatzplättchen, das jemand mit sich führt, wird vor seiner/ihrer Runde eine Einheit Sauerstoff verbraucht und ein Würfelpunkt abgezogen. Man wird also mit der Last langsamer und der Sauerstoff wird knapper. Die gesamte Gruppe hat leider nur 25 Einheiten Sauerstoff zur Verfügung, und so muss man sich gut überlegen, wann man umkehrt.

Eine Runde endet, wenn alle 25 Einheiten Sauerstoff verbraucht sind. Wer bis dahin im Boot ist, kann seine/ihre Schätze umdrehen und begutachten (auf der Rückseite steht der genaue Wert), wer es nicht geschafft hat, lässt alle Sachen zum Meeresgrund sinken, wo sie dann eine Art Über-Schätze bilden.

Auf diese Weise werden insgesamt drei Runden gespielt, wer bis dahin am meisten Schatzpunkte in Sicherheit gebracht hat, gewinnt die Partie. Durch die im Spielverlauf abgeräumten Schätze wird der Weg nach unten in jeder Runde kürzer, sodass man zum Ende hin realistische Chancen auf die ganz wertvollen Schätze hat.

Tiefseeabenteuer
Man kann die Chips auch spiralförmig auslegen, aber ich finde, dass es so wie hier ein besseres Tauchgefühl gibt.

Und? Macht das Spaß?

Ja, sehr. Tiefseeabenteuer ist nicht das erste Spiel, bei dem man selbst entscheidet, wie weit man sein Glück herausfordern möchte. Can’t Stop, Diamant oder Kleine Fische sind bekannte (und großartige) Vertreter des sogenannten „Push-Your-Luck“-Genres, das sich auch gut für das Spielen mit Kindern eignet. Oft ist dabei allerdings die Entscheidung eine einsame, die man für sich allein trifft. Hier hat Tiefseeabenteuer mit dem gemeinsamen Sauerstofftank eine wunderbare Verbindung zwischen den Spieler/innen eingerichtet. Wer zu gierig ist, gefährdet nicht nur den eigenen Erfolg, sondern kann auch die Mitspieler/innen in die Bredouille bringen. Oder gar, wenn er oder sie merkt, dass das U-Boot unerreichbar ist, so viele Schätze aufsammeln, dass es für die anderen ebenfalls knapp wird. Das ist ganz wunderbar umgesetzt. Auch der Spannungsbogen funktioniert prima. In den ersten Runden gibt man sich oft mit kleineren Schätzen zufrieden, denn der Weg von ganz unten bis zum U-Boot ist noch sehr weit und riskant. In den folgenden Runden kann man sich mehr zutrauen, und wenn man die ersten Runden leer ausgegangen ist, mit einer waghalsigen Tauchaktion noch gut Punkte aufholen. Abgerechnet wird eben erst zum Schluss.

Die Gestaltung des Spiels gefällt mir bei aller Schlichtheit ausgesprochen gut. Die verschiedenen Tiefen sind durch verschiedene Blautöne sehr ansprechend dargestellt, die Schatzplättchen aus stabiler Pappe und die Figuren und Würfel aus Holz. Da kann man so viel eigentlich nicht besser machen. Allerdings sollte die Schönheit nicht darüber hinwegtäuschen, dass Tiefseeabenteuer ein richtig gemeines Spiel sein kann, bei dem man einander herzlich gern absaufen sieht (oder auch ein bisschen nachhilft). Beeindruckend ist dabei auch die Spielbalance. Natürlich ist es hilfreich, in jeder Runde etwas einzusacken, aber wer sich in einer Runde mal verschätzt und leer ausgeht, kann trotzdem durch ein gewagtes Manöver am Ende noch dick abräumen. 25 Sauerstoffpunkte sind genau richtig, und während am Anfang alles noch gemächlich geht, ist der Sauerstoff am Ende schnell verbraucht. Nach drei Runden ist alles soweit aufgebraucht, dass eine weitere Runde keinen Spaß mehr machen würde. Das hat also alles Hand und Fuß.

Angeblich kann man das Spiel übrigens auch zu zweit spielen. Wie das Spaß machen soll, erschließt sich mir allerdings kaum – drei oder vier Personen sind ideal.

Schließlich gehöre ich dann auch noch zu den Leuten, für die die kleine Schachtel ein echtes Kaufargument darstellt. Ich bin im Gegenteil von materialreichen Spielen eher abgeschreckt. Den Preis von rund 18 Euro mögen manche Leute für ein so kleines Spiel für unangemessen halten, aber insgesamt gibt der Erfolg dem Konzept wohl recht: Erstklassige Materialqualität bei einem erstklassigen Spiel kann auch bei diesem Preis zu einem Erfolg werden.

Gesamteindruck: 8/10

Tiefseeabenteuer (海底探険)
für 2 bis 6 Taucher/innen
von Jun Sasaki und Goro Sasaki
Illustrationen: Keine Angabe
Oink Games, 2014

Säcke und Eier

Wenn ich mir überlege, ob ein Spiel für mich in Frage kommt, ist eine flexible Spieler/innenzahl auf alle Fälle ein relevantes Kriterium. Eine gute Spielbarkeit zu zweit ist ein Plus für mich, aber Spiele brauchen allgemein eine Gelegenheit gespielt zu werden. Ich habe eine Reihe noch ungespielter Spiele zu Hause herumliegen, und in diversen Fällen ist daran die Tatsache Schuld, dass ich nie im richtigen Moment die richtige Gruppe dafür hatte. Was treibt mich also dazu, ein Spiel zu kaufen, das für exakt drei Leute ist? Neben Empfehlungen einiger vertrauenswürdiger Leute vor allem der Autor, Shimpei Sato. Seit ich Onitama kenne, war ich neugierig auf das zwei Jahre ältere Eggs of Ostrich. Ein Spiel über Straußeneier. Nun ja, warum nicht?

Eggs of OstrichIch denke, es geht im Spiel deshalb um Eier, weil man diese schlecht teilen kann. Ein halbes Straußenei ist doch nicht so prickelnd – nur die Ganzen zählen. Das geht ungefähr so:

Jede/r Spieler/in hat vor sich vier Säcke (in Form von Karten) liegen, und zwar mit den Werten 2, 3, 5 und 7 drauf. Einen Kartensatz mit den gleichen Werten sowie eine „Skip“-Karte hat man zusätzlich in der Hand. Straußeneieder und Bernsteine liegen in der Mitte, ebenso ein Kartenstapel mit Karten von 4 bis 10 sowie einigen Bernsteinkarten. Zwei dieser Karten kommen verdeckt aus dem Spiel.
Nun wird die erste Karte vom Stapel aufgedeckt und man sucht sich eine Handkarte aus, die man verdeckt spielt. Die gespielten Karten werden gleichzeitig aufgedeckt. Alle, die keine Skip-Karte gespielt hatten, teilen sich so viele Eier, wie auf der Karte vom Stapel zu sehen waren, und legen sie in den Sack, dessen Karte sie gespielt hatten. Ein eventueller Rest wird ignoriert. Das macht man so oft, bis der Stapel zu Ende ist. Anschließend zählt jeder Sack, der nicht ganz voll ist, halb so viele Punkte, wie Eier drin sind. Bei vollen Säcken werden die Punkte nicht halbiert.
Zwei Dinge sind dabei zu beachten. Erstens darf kein Sack überfüllt werden, sonst reißt er. Dann sind alle Eier darin verloren und man deckt den Sack mit der entsprechenden Handkarte ab. Zweitens darf man die Skip-Karte nicht vergessen. Wer eine Skip-Karte spielt, beteiligt sich nicht an der Aufteilung, die Eier gehen an die anderen. So kann man entweder verhindern, dass ein eigener Sack reißt, oder aber die Säcke der anderen womöglich stärker strapazieren, als von diesen eingeplant war.
Schließlich sind da noch die Bernsteinkarten. Wird eine solche aufgedeckt, bekommt man den Bernstein genau dann, wenn man als einzige/r eine Skip-Karte gespielt hat. Ein Bernstein wird neben den Säcken ausgelegt und ist respektable vier Punkte wert (das ist sehr viel, meist liegen die Ergebnisse am Ende irgendwo zwischen sieben und zwölf Punkten). Dass bei einer Bernsteinkarte nicht unbedingt alle Spieler/innen eine Skip-Karte spielen, liegt daran, dass man in aufeinanderfolgenden Runden nicht die gleiche Karte spielen darf. Hat man also eine Skip-Karte eben eingesetzt, kann man das in der folgenden Runde nicht gleich wieder tun.

Eggs of Ostrich

Und? Macht das Spaß?

Ja, Eggs of Ostrich ist ganz meine Kragenweite. Es dauert nur wenige Minuten (erfahrene Runden zocken das in fünf Minuten weg, beim ersten Mal dauert es vielleicht zehn), ist sehr schnell zu lernen, hat einen wunderbaren Ärgerfaktor und einen hinreichend manipulierbaren Glücksfaktor. Natürlich kann ich nicht wissen, was meine Mitspieler/innen auf den Tisch legen, aber sie haben auch nur bis zu vier Karten auf der Hand und manchmal kann man einige davon schon ziemlich ausschließen (etwa. wenn sie schon volle Säcke vor sich haben).
Eggs of Ostrich macht also genau das, was ein gutes Mikrospiel tun sollte, nämlich mit minimalen Regeln und wenig Material sehr viel Spielspaß bieten. Nun ja, durch die vielen Eier ist es gar nicht so wenig Material, aber es fühlt sich trotzdem an wie ein Mikrospiel.
Besonders gut gelungen finde ich die Skip-Karten. Einerseits möchte man sie behalten, weil man auf den sehr wertvollen Bernstein hofft. Andererseits kann man sie wunderbar einsetzen, um die Säcke seiner Mitspieler/innen reißen zu lassen – wenn etwa eine Sechserkarte aufgedeckt wird und man eine Skip-Karte spielt, kriegen die Mitspieler/innen statt der vielleicht erwarteten zwei gleich drei Eier, und wenn sie dann nur ihren Zweiersack geöffnet hatten, hat man diesen schon mal ausgeschaltet. Dabei sollte man natürlich auch darauf achten, welche Karte ihnen gerade nicht zu Verfügung steht, weil sie sie in der Runde zuvor gespielt hatten.
Die Illustrationen sind nicht so mein Fall, aber sagen wir mal, sie stören nicht. Dafür ist die Ausstattung mit den Eiern und dem Bernstein sehr schön für so ein kleines Kartenspiel. Die Altersangabe von 12 Jahren und aufwärts ist für den simplen Spielmechanismus sehr hoch angesetzt, aber ein wenig Frustrationstoleranz müssten die Spieler/innen halt mitbringen. Der Spielmechanismus selbst ist für unsere Diamant-erprobte Sechsjährige kein Problem.
Insgesamt also eine ganz klare Empfehlung für alle, die öfter mal Gelegenheit haben, kurze Ärgerspiele zu dritt zu spielen. Ich freue mich jedenfalls schon sehr auf die nächsten Partien.

Gesamteindruck: 8/10

Eggs of Ostrich (タマゴリッチ!)
für 3 Spieler/innen
von Shimpei Sato
Illustrationen von KONOKI
conception/Japan Brand, 2012