Stern auf Tier

Wie ich neulich schon mal geschrieben hatte, zeichnet sich ein gutes Kinderspiel dadurch aus, dass es Kindern und Erwachsenen zusammen Spaß macht und dass die einen wie die anderen Gewinnchancen haben (wenn es nicht sowieso ein kooperatives Spiel ist). Tolles Spielmaterial ist definitiv ein Bonus. Sowas ist leider nicht völlig einfach zu finden. Spiele, bei denen man schnell Gemeinsamkeiten erkennen muss, sind für mich meist völlig langweilig, wenn ich sie gegen Kinder spiele – ich muss mich zurückhalten, um nicht zu schnell zu gewinnen. Spiele, die Erinnerungsvermögen einsetzen, haben oft ein ähnliches Problem. Und von beiden Kategorien gibt es schon so viele, dass da selten wirklich was Innovatives dabei ist. Geschicklichkeitsspiele sind meist ebenfalls für Kinder schwieriger als für Erwachsene. In reinen Glücksspielen sind zwar die Chancen gleichmäßig verteilt, dafür sind sie für Erwachsene meist schrecklich langweilig.

Ja, was bleibt denn da noch übrig? Ein Spiel wie Raben stapeln mit Schnabelgrün zum Beispiel. Eigentlich ist das gar nicht ein Spiel, sondern das Regelheft enthält gleich vier Spielideen. Die ersten drei davon sind allerdings wirklich für die Allerkleinsten, und daher beziehe ich mich hier nur auf das vierte Spielidee, die alle von mir gerade geforderten Eigenschaften aufweist.

Das Spiel besteht aus einem Farbwürfel und 25 dicken Holzteilen: sieben Raben, zwölf Sternen (vier- und fünfzackig) sowie sechs runden Scheiben. Zunächst baut man je nach gewünschtem Schwierigkeitsgrad ein bis vier der Teile auf dem Tisch auf. Danach geht es reihum. Man würfelt, nimmt ein Teil in der gewürfelten Farbe und stellt es auf die schon aufgestellten Teile drauf. Wer Rot, Grün oder Gelb würfelt, darf zwischen einem Farbteil oder einem Raben wählen, denn die ansonsten schwarzen Raben haben einen roten Hut mit gelben Sternen auf, und ihr Schnabel ist eben grün. Wer eine bereits verbrauchte Farbe würfelt, darf/muss aussetzen; bei wessen Zug alles zusammenstürzt, hat verloren. Schafft man es aber, alle Teile aufeinanderzustapeln, gewinnen alle gemeinsam.

Den Würfel muss man natürlich nicht mitstapeln. Kann man aber.

Wer jetzt an Tier auf Tier erinnert wird, liegt nicht ganz falsch. Der genrebegründende Klassiker ist ja mittlerweile in massenweise Varianten erhältlich, und das Originalspiel nach wie vor wirklich zeitlos und schön. Nach einigen Dutzend Partien beider Spiele muss ich allerdings sagen, dass mir Raben stapeln noch ein klein wenig besser gefällt. Der krumme Rücken des Krokodils bei Tier auf Tier ist zwar eine schöne Ausgangsbasis, aber nach ein paar Stapeleien werden die Konstruktionen beim Raben stapeln weitaus gewagter und nervenkitzliger. Das mag daran liegen, dass die deutlich breiteren Teile mehr Grundstabilität bieten und man dadurch mehr überhängen kann. Auch die einfacheren Würfelregeln beim Raben stapeln sind in meinen Augen besser als die verschiedenen Aktionen bei Tier auf Tier, die letztlich dazu führen können, dass man kaum an der Reihe ist (wenn man ständig seine Tiere anderen in die Hand drückt), oder dass bei mehreren Krokodilswürfen das Ende sehr unspektakulär daherkommt, weil man schon weiß, dass nicht wirklich mehr was umfallen kann. Solche Situationen gibt es beim Raben stapeln nicht – alle sind beteiligt, und das Stapeln ist nie einfach. Wer sich an der Möglichkeit stört, aussetzen zu müssen (wenn alle Teile einer Farbe schon verbraucht sind), kann stattdessen auch die Regel einführen, dass man bei einer gewürfelten Fehlfarbe einfach ein beliebiges Teil stapelt.

Der von Johann Rüttinger gezeichnete Zauberrabe Schnabelgrün taucht mittlerweile in mehreren Spielen und einem Kinderbuch auf. Er sieht sehr sympathisch aus, und überhaupt ist das ganze Design des Spiels stimmig und einladend. Wärend eine einzelne Partie nur vielleicht zehn Minuten dauert, spielt man erstens meist mehrmals nacheinander, und zweitens sollte man sich nicht darauf einstellen, nach dem Spielen die Teile gleich einräumen zu können. Irgendjemand greift immer danach und versucht etwas Spektakuläres zu bauen, das machen durchaus nicht nur die Kinder. Im Regelheft sind dann auch gleich eine ganze Menge Bauten abgebildet, die es in sich haben und für die man teilweise beim Bauen eigentlich drei Hände braucht. Das lässt einen einfach nicht los.
Also unbedingt eine Empfehlung für alle Leute mit Kindern. Schon die Kleinsten werden gern damit spielen (und wirklich verschluckbar ist da auch nichts), und sobald sie groß genug sind, um zu würfeln und eine Zugreihenfolge einzuhalten, geht’s mit dem eigentlichen Spiel los. Klasse.

Man kann auch Tier auf Tier und das Rabenmaterial zusammen stapeln. Das Foto hat meine fünfjährige Tochter gemacht.

Raben stapeln mit Schnabelgrün
für 1-viele Personen ab drei Jahren
Autor: Paul Kappler
Gestaltung: Johann Rüttinger
Verlag: Drei Hasen in der Abendsonne, 2014

4 Gedanken zu „Stern auf Tier

  1. Ich habe kürzlich auf der Veranstaltung „Talk & Play“ hier in Berlin ein weiteres Tier-Stapel-Spiel gesehen: Fabulous Beasts (ein Kickstarter-Projekt). Es handelt sich um ein hybrides Spiel: echte Spielsteine plus einer dazugehörigen App. Mittels RFIDs und einem Gewichtsensor registiert der Sockel, auf dem die Steine platziert werden müssen, welche Teile gespielt wurden, die Spielwelt reagiert dann darauf (zählt die Punkte, aktiviert besondere Herausforderungen u.a.). Netter Ansatz, aber da der Spielspaß weiterhin das geschickte Bauen von absurden Türmen ist per Hand, bringt der Einsatz der ganzen Technik hier m.E. keinen herausragenden Mehr(spiel)wert. Außerdem können die verwendeten Kunststoffteile nicht mit schönen Holzspielsteinen à la Tier auf Tier mithalten. Sympathisch ist allerdings der kooperative Ansatz – alle spielen zusammen, nicht gegeneinander.

  2. Hui … Kritisch anzumerken ist auch noch, dass Kunststoff wahrscheinlich nicht das beste Material für ein Spielkonzept ist, bei dem die Spielsteine regelmäßig vom Tisch poltern – da kann schnell was kaputt gehen.

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