Big Boss – ein katarisches Spiel in Essen

Bis vor Kurzem habe ich beim Thema Katar eher nicht als allererstes an Spiele gedacht (wenn wir mal von Fußball absehen). Aber Ihr kennt mich ja: Ich gehe gerne genau da hin, wo es Überraschungen zu erleben gibt. Und kürzlich habe ich erfahren, dass dieses Jahr auf der Messe in Essen ein kleiner Verlag aus Katar vertreten sein wird, um sein Spiel Big Boss vorzustellen. Also habe ich mich mit Autor und Verleger Abdulrahman Al-Homaid in Verbindung gesetzt und ihm ein paar Fragen geschickt, die er mir netterweise ausführlich beantwortet hat.

Moder Kaber

Wie immer interessierte mich zuerst mal die örtliche Spieleszene. So hörte ich, dass für viele Leute Tischspiele noch immer sehr ungewohnt sind, also müssen einheimische Spiele möglichst zugänglich sein, um das Publikum anzusprechen. Natürlich gibt es auch Leute wie Al-Homaid, die ausländische Spiele von höherer Komplexität importieren und spielen, aber der Markt dafür ist offenbar noch recht klein. Es kursieren aber wohl schon eine Reihe arabischer Spiele aus den verschiedenen Ländern des Golfkooperationsrats, das war mir bisher völlig entgangen. Ich kannte aus dem Nahen Osten bisher nur Spiele aus Israel und dem Iran; Al-Homaid nannte aber auch zum Beispiel Kuwait und Saudi-Arabien. Dass er selbst angefangen hat, Spiele zu entwickeln und zu vermarkten, war dann auch weniger von den uns bekannten Bestsellern inspiriert, sondern von der Erkenntnis, dass es so etwas aus anderen arabischen Ländern ebenso gibt – warum also nicht auch in Katar? Einen besseren Zusammenhalt zwischen den verschiedenen Autor:innen aus den Golfstaaten bezeichnet er denn auch als Ziel für die Zukunft. Wenn ich mir zum Beispiel diese Seite nur mit kuwaitischen Spielen ansehe, weiß ich, dass ich da noch viel zu erforschen habe.
Europäische und amerikanische Spiele gibt es auch in ein paar größeren Läden zu kaufen, aber den Massenmarkt erreicht das eben noch nicht, da greifen die Leute lieber auf die arabischen Spiele zurück, die ihnen vermutlich auch thematisch näher stehen. Themen, die für die eigene Zielgruppe relevant sind, sind ja in vielen Ländern zentral für die Entwicklung einer Spieleszene, das habe ich ja auch schon aus Indien und Nigeria berichtet.

Moder Kaber

Big Boss ist ein Diskussionsspiel, in der eine Person eine Karte mit einem Job drauf ausspielt, den es neu zu besetzen gibt. Nun spielen alle anderen eine Jobkarte aus ihrer Hand, die ihre aktuelle Beschäftigung angibt. Diese Karten werden gemischt und dann aufgedeckt, sodass niemand weiß, was von wem kam. Anschließend können alle noch je eine Karten mit Qualifikationen auf eine beliebige der Jobkarten spielen. Das kann eine nützliche oder eine hinderliche Eigenschaft sein. Nun müssen alle so überzeugend wie möglich argumentieren, warum sie selbst am besten für den Job geeignet sind, und dabei die auf ihre Jobkarte gespielten Qualifikationskarten berücksichtigen. Am Ende entscheidet die erste Person, wer den Job bekommt – wer diese Karte ausgespielt hatte, punktet.


Moder Kaber ist offenbar Arabisch für jemanden, der die endgültige Entscheidung fällen darf, und Moder Kaber ist auch der Name für die arabische Ausgabe des Spiels, die bereits 2018 erschienen ist. In Essen wird Al-Homaid das Spiel dann erstmals außerhalb Arabiens präsentieren (auf Englisch), und will gleichzeitig auch nach Spielen Ausschau halten, die er für den arabischen Markt für geeignet hält.

Auffällig fand ich den Preis für Big Boss. Das Spiel enthält 300 Karten mit einer Menge Illustrationen, aber in Deutschland dürfte der Preis von umgerechnet 42 Euro trotzdem eher nicht als Schnäppchen gelten. Für katarische Verhältnisse ist dieser das aber offenbar weder sehr hoch noch sehr niedrig. Für Deutsche ist die Messe in Essen dafür sicher eine seltene Gelegenheit, mal ein Spiel aus Katar in die Finger zu kriegen. Der Verlag Majlis Shabab wird an Stand 2A132 zu finden sein, wo Ihr Euch dann einen eigenen Eindruck verschaffen könnt.

Big Boss
von Abdulrahman Al-Homaid
für 3 bis 8 Leute ab 7 Jahren
Englische Ausgabe: Majlis Shabab, 2021
Arabische Originalausgabe unter dem Titel Moder Kaber (مدير كبير): Majlis Shabab, 2018

 

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