Aber ich mag Artischocken!

Gelegentlich lese ich die Empfehlung, fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag zu verzehren. Seltener findet sich schon der Hinweis, dass Artischocken nicht mitgerechnet werden dürfen. So ist es aber im Kartenspiel Artischocken von Emma Larkins.

Worum geht‘s?

Artischocken ist gleichzeitig ein Deckbau- und ein Deckabbauspiel. Meinen Stapel von zunächst zehn Artischockenkarten wandle ich im Laufe des Spiels in einen Stapel um, aus dem ich fünf Gemüsekarten ziehen kann, ohne dass eine Artischockenkarte dabei ist. Schaffe ich das, gewinne ich sofort. Um das zu erreichen, habe ich zwei Möglichkeiten: Ich versuche, möglichst viele andere Karten in den Stapel zu mischen, oder ich versuche, Artischocken auf den Kompoststapel zu werfen. Normalerweise mache ich beides parallel.

Die wollt Ihr nicht!

Die allgemeinen Spielregeln sind einfach. Fünf Karten liegen offen auf dem Tisch aus. Wenn ich dran bin, ziehe ich eine dieser Karten auf die Hand. Dann kann ich beliebig viele Gemüsekarten aus meiner Hand ausspielen. Jede der elf Gemüsesorten hat eine besondere Fähigkeit, die ich dann ausführe. Ungefähr die Hälfte davon wirken (auch) auf andere Stapel (und sorgen dadurch für Interaktion), die andere Hälfte optimiert nur meinen eigenen. Artischocken kann ich nicht einfach so ausspielen, sondern nur durch Einsatz anderer Karten kompostieren.

Die wollt Ihr!

Schließlich ziehe ich von meinem eigenen Nachziehstapel fünf Karten nach. Ist keine Artischockenkarte dabei, zeige ich meine Karten vor und habe gewonnen.

Persönliche Auslage mit ausgespielten Karten und Nachziehstapel

Und? Macht das Spaß?

Nicht sofort. Die Texte auf den Karten sind zu lang, um sie mit einem Blick zu erfassen, und es steckt auch keine für mich erkennbare Logik hinter der Zuordnung. Das heißt, dass ein Spielfluss erst nach einigen Partien aufgekommt, wenn wir die Fähigkeiten der Gemüsesorten auswendig wissen und ein Blick auf das Bild reicht. Dann aber wird das Spiel schneller und knackiger und hat diesen gewissen Suchtfaktor, sodass wir normalerweise diverse Partien nacheinander spielen.

Der Reiz liegt vermutlich darin, dass man von der gleichen Ausgangsposition schnell in völlig verschiedene Richtungen unterwegs ist. Die Kartenauslage gibt das ein Stück weit vor, aber man hat immer noch bis zu fünf Wahlmöglichkeiten und muss versuchen, das Beste draus zu machen. Natürlich kommt es dann auch auf das nötige Glück an, die richtigen Karten zu ziehen, aber in der Regel übt man dabei genug Einfluss aus, um sich am Ausgang beteiligt zu fühlen.

Die meisten unserer bisher rund 20 Partien haben wir zu zweit gespielt, und da glänzt Artischocken für mich auch besonders, weil die Interaktion am direktesten ist. Zu dritt haben wir es gelegentlich erlebt, dass sich zwei beharken und die dritte vor sich hingespielt hat (ohne von dem Zwist zu profitieren). Das fühlte sich nicht so befriedigend an. Überhaupt kann es vorkommen, dass jemand schnell einen nahezu uneinholbaren Vorsprung herausspielt (die Kombination Mais und Paprika ist zum Beispiel potentiell tödlich). In einem besonders krassen Fall war meine Gegnerin fertig, bevor ich eine einzige Artischocke losgeworden war. In solchen Momenten fühlt sich Artischocken manchmal auch frustrierend an; das kommt aber auch nicht zu oft vor, und in einer eingespielten Zweierrunde dauert es höchstens 10 bis 15 Minuten, da kann ich mal mit so einer Partie leben.

Artischocken ist für mich ein gelungenes kleines Kartenspiel, in dem es schnell zur Sache geht und man sich und andere auch schön ärgern kann. Ich weiß nicht, was Emma Larkins gegen Artischocken hat (ich mag das Zeug ja), aber wenn aus ihrer Abneigung solche schönen Kartenspiele herauskommen, ist mir das auch egal. Ich hoffe darum drauf, auch heute noch eine Partie Artischocken zu spielen. Oder zwei. Oder drei.

Artischocken

für 2 bis 4 Leute ab 10 Jahren
von Emma Larkins
Illustrationen von Bonnie Pang
Amigo, 2021 (zuerst erschienen 2021 bei Gamewright unter dem Titel „Abandon All Artichokes“)

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